zumal Dein Vorschlag, mittels nuklearem Erstschlag die Zweitschlagskapazitäten zu vernichten, ohnehin nicht realisierbar wäre.
Hallo Monod,
technisch wäre das realisierbar, aber das wäre natürlich in
keinster Weise wünschenswert.
Das würde bei Putin also ebenfalls nur ein müdes Lächeln hervorrufen.
Das müde Lächeln wird Putin spätestens dann vergehen, wenn Moskau in atomarem Schutt und Asche liegt. Vielleicht aber wäre Putin klüger und würde vorher einlenken.
Aber ja: so lange wir im Westen weiterhin unentschlossen und zögerlich sind, stehen wir natürlich auf Putins Seite. Nicht weil wir das wollen, sondern aufgrund unseres Handelns bzw. eben Nicht-Handelns.
Und für dieses Verhalten des Westens hat Putin übrigens ebenfalls nur ein müdes Lächeln übrig - einfach so zur Info.
Ja, aber das benötigt Zeit. Vorher lohnt sich Zurückdrohen mittels nuklearer Waffengänge nicht.
Hier stellt sich die Frage, wann die finale rote Linie bei der russischen Salami-Taktik - in der Bundeswehr haben wir das betreffend der sowjetischen Salami-Taktik gelernt, aber das ist nun nur ein Detail - überquert wird.
(1) Wenn der aktuelle Vorschlag umgesetzt wird, d.h. Putin bzw. die Russische Föderation bekommt die vier annektierten Oblaste der Ukraine und kann die Krim behalten, so werden wir im Westen unsere Ideale verraten und unter dem Vorwand, weitere Todesopfer zu vermeiden - nota bene: mit diesem Argument wurden die beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen - zustimmen.
(2) Was, wenn Putin die gesamte Ostukraine bis zum Dnepr möchte ? - Das ist für uns im Westen auch kein Problem. Pech für die Ost-Ukrainer, uns egal.
(3) Was, wenn Putin die gesamte Ukraine möchte ? Wer schon bei (1) und (2) keine Bedenken hat wird auch bei (3) zustimmen.
(4) Es läuft ja gerade gut für Putin; was, wenn es zu Deinem Vorschlag kommt: Ukraine, Moldawien und Georgien zur Russischen Föderation, dafür verbleibt das Baltikum in EU und Nato ? Sicherlich keine "definitive" rote Linie für uns; Moldawien kennt ohnehin kaum jemand, Georgien auf der anderen Seite des Schwarzen Meeres ist sehr weit weg und bei der Ukraine sind wir "ukraine-müde".
(5) Putin versucht jetzt schon, die russischen Minderheiten in Estland zu destabilisieren; was also, wenn Putin das Baltikum wieder haben möchte ? Ein Stück weit sogar verständlich: das Baltikum war Teil der UdSSR und der fehlende Landweg zur Exklave Kaliningrad - für die jüngeren unter Euch, das ist das ehemalige deutsche Königsberg, das als Folge des 2. Weltkrieges verloren ging und auf das Deutschland mit den 2+4-Verträgen endgültig keinerlei Ansprüche mehr hat - ist tatsächlich für Russland unbefriedigend, das verstehe sogar ich. - Also: kein Bündnisfall der Nato, sondern ein "Friedensvertrag" mit Russland. Putin oder sein Nachfolger (Dmitri Medwedew ?) hat dann die Grenzen der ehemaligen Sowjetunion im Westteil wieder hergestellt. Also auch hier: sicherlich keine definitive rote Linie für uns im Westen.
(6) Nun ist Russland im Westen von Nato-Ländern umgeben. Schön wäre es, da wieder Satellitenstaaten zu haben, die nicht der Nato, sondern einem "neutralen" Verteidigungsbündnis - selbstverständlich unter russischer Führung - angehören. Wenn Putin klug ist wird er zunächst auf Polen und die ehemalige DDR verzichten. Also nur Albanien, Rumänien (ohnehin Putin-freundlich), Ungarn (ohnehin Putin-freundlich), Bulgarien (ist denen eigentlich egal, sonderlich USA-freundlich ist man dort nicht), und vielleicht noch Tschechien und die Slowakei.
Würde uns das im Westen gross stören ? Nein.
(7) Auch Polen und die ehemalige DDR in dieses neutrale Verteidigungsbündnis unter russischer Führung aufnehmen. Da weder Polen noch Deutschland atomar aufgerüstet sind wird man hier die Kröte schlucken müssen, schliesslich will man ja keinen 3. Weltkrieg, bei dem alle elendiglich und atomar zerstrahlt und verseucht verrecken müssten. Also besser die Kröte schlucken und Polen und die ehemalige DDR wieder "demokratisch" und selbstständig machen und in das neutrale Verteidigungsbündnis aufnehmen. Nun wäre der frühere Warschauer Pakt einfach unter neuem Namen wiederhergestellt.
Und so schlecht ist das eigentlich nicht - dieses "Gleichgewicht des Schreckens" hat uns in Europa jahrzehntelangen Frieden beschert. Aus
Realismus-Sicht muss man das als friedenserhaltend durchaus anerkennen.
(8) Wenn wie schon so schön unterwegs sind könnte der Atlantik als Westgrenze der Russischen Föderation ein erstrebenswertes Ziel sein. Vermutlich würden wir jetzt anfangen, die russischen Kriegsverbrechen zu fürchten, aber wir können ja nichts tun als dem zustimmen und eine besonders scharf formulierte Protestnote im Weltsicherheitsrat hinterlegen.
Ok, soweit die Salami-Taktik. Wo ist die definitive rote Linie, wo wir einen atomaren Schlag gegen Russland nicht mehr ausschliessen ? - Ich denke, bei der Herstellung der UdSSR 2.0 und des Warschauer Paktes 2.0 werden wir aus Realismus-Sicht noch einverstanden sein. Und dann hoffen, dass Russland die Gunst der Stunde nicht nutzen möchte, bis zum Atlantik vorzurücken. Wobei wir dann nur noch "Passagiere" sind, d.h. uns wird dann niemand mehr fragen, ob wir das gut finden.
Ich persönlich vermute, die definitive rote Linie wird irgendwie zwischen (7) und (8) anzusiedeln sein.
Der dann folgende Atomkrieg wird schrecklich werden.
Deswegen empfehle ich dringend, unangenehme Argumente nicht einfach auszusitzen und zu hoffen, dass sie in den Tiefen des Internets vergessen geraten, sondern sich frühzeitig und vor allem
rechtzeitig Gedanken zu machen, wie man das noch abwenden kann. Allerspätetsens dann, wenn Phase (7) erreicht ist, wird man Russland also mitteilen müssen, dass ein atomarer Erstschlag nicht mehr ausgeschlossen werden kann.
Und dann stellt sich die Frage: warum nicht schon früher ?
Freundliche Grüsse, Ralf