Gedanken betreffend der Eskalationen im Ukraine-Krieg

Monod

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hast Du Dir den "Lösungsraum" Deines Vorschlages auch genau angeschaut ?
Na klar. Das hatte ich hier vor ein paar Tagen auch schon mal geschrieben: Russland kommt durch mit seiner Strategie, sich einen territorialen Korridor zur NATO anzulegen und fortan die Geschicke europäischer Außenpolitik bezüglich russischer Interessen zu dominieren. Alles andere ist einstweilen Selbstmord, da uns dann die Zeit fehlt, verteidigungstechnisch gleichzuziehen und eine Abschreckungskapazität aufzubauen. Und ja, man muss den Kompromiss schließen, dass Belarus und die Rest-Ukraine sowie Moldau und der Transkaukasus russisches Interessensgebiet bleibt. Was Mittelasien betrifft, wird hier zwischen russischen und chinesischen Interessen aufgeteilt, wobei man den militärischen Bereich wohl Russland überlassen wird und den infrastrukturellen Bereich China. In Afrika funktioniert diese Art der Aufteilung inzwischen ja auch bestens zum Nachteil westlicher Staaten, wie z.B. Frankreich.

Ist eben so, und da kann man erst mal nichts machen.
 

astrofreund

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Hallo Ralf,

wie gesagt, mir ist nichts bekannt, was die USA in der "Vorratskammer" haben. Als die USA den INF-Vertrag gekündigt haben, hat Putin die Entwicklung neuer Raketen angekündigt. Informationen werden darüber die USA ausreichend haben. Alles andere ...

Heute 14:26 Uhr bei ntv zum Vorschlag von Frau Baerbock zum Bundeswehreinsatz als Friedensmission:
Begeisterung klingt anders ...

Gruß, Astrofreund
 

astrofreund

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... Ist eben so, und da kann man erst mal nichts machen.
Das wird kaum jemanden gefallen, aber das nennt man Realismus. Für mich die einzige brauchbare Grundlage für die weitere Politik. Ich bleibe dabei, Gespräche, Verhandlungen und neues Sicherheitssystem schaffen. Reagan und Gorbatschow haben es gezeigt, wie man vorgehen könnte. Nichts gegen Wettbewerb, nichts gegen Landesverteidigung ... aber alles gegen weitere Kriege. Die Einsicht, dass Krieg zu nichts mehr führt, wäre derzeit das Beste, was der Zivilisation dieses Planeten gut tun würde. Das meine ich mit Restvernunft und ich bleibe optimistisch ... weil es anders nicht geht.

Gruß, Astrofreund
 
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ralfkannenberg

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Hallo Monod,

hast Du auch berücksichtigt, dass ein atomarer Erstschlag gegen Russland mit Ausschaltung der gesamten militärischen Möglichkeiten der Russischen Föderation ebenfalls im "Lösungsraum" betreffend Deines Vorschlages, diese Art von Eskalation doch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu vermeiden, liegt ?

Russland kommt durch mit seiner Strategie, sich einen territorialen Korridor zur NATO anzulegen und fortan die Geschicke europäischer Außenpolitik bezüglich russischer Interessen zu dominieren.
Oder eben auch nicht.

Alles andere ist einstweilen Selbstmord, da uns dann die Zeit fehlt, verteidigungstechnisch gleichzuziehen und eine Abschreckungskapazität aufzubauen.
Konventionell wird Russland nicht angreifen und atomar dürfte der Westen was die Technologie anbelangt Russland überlegen sein.

Und ja, man muss den Kompromiss schließen, dass Belarus und die Rest-Ukraine sowie Moldau und der Transkaukasus russisches Interessensgebiet bleibt.
Das ist kein Kompromiss, sorry. Das ist "sich erpressen lassen".

Was Mittelasien betrifft, wird hier zwischen russischen und chinesischen Interessen aufgeteilt, wobei man den militärischen Bereich wohl Russland überlassen wird und den infrastrukturellen Bereich China.
Mittelasien ist hoffentlich nicht unser Problem in Europa, d.h. in Mittelasien haben wir nichts verloren: die Kolonialzeiten sind vorbei und das ist auch gut so.

In Afrika funktioniert diese Art der Aufteilung inzwischen ja auch bestens zum Nachteil westlicher Staaten, wie z.B. Frankreich.
Auch in Afrika haben wir nichts verloren.

Ist eben so, und da kann man erst mal nichts machen.
Oh doch, man kann. John F.Kennedy konnte auch und das war erfolgreich.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

ralfkannenberg

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Das wird kaum jemanden gefallen, aber das nennt man Realismus. Für mich die einzige brauchbare Grundlage für die weitere Politik.
Hallo Astrofreund,

Werte wie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat gibt man nur einmal auf.

Als die USA und die anderen Allierten in der Normandie angegriffen haben waren sie auch nicht bereit, vor Hitler-Deutschland zu kapitulieren, weil dies "Realismus" war.

Aber ja - der Blutzoll war entsetzlich hoch und wäre deutlich tiefer ausgefallen, hätte man Hitler-Deutchland rechtzeitig in die Schranken verwiesen.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

astrofreund

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Hallo Ralf,

JFK konnte? Was? Am Ende einer realistischen Lösung zustimmen. Chruschtow musste das auch. Keine Raketen auf Kuba und keine Raketen in der Türkei. War das so nachteilig für diese Welt?

Richtig, Kolonialzeiten sind vorüber - Neokolonialzeiten noch nicht.
Asien ist für uns überlebenswichtig. Absatz von VW in China? Warum fahren deutsche Kriegsschiffe zwischen Taiwan und China?

Gruß, Astrofreund
 
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astrofreund

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Als die USA und die anderen Allierten in der Normandie angegriffen haben waren sie auch nicht bereit, vor Hitler-Deutschland zu kapitulieren, weil dies "Realismus" war.
Ob sie das auch getan hätten, wenn Deutschland die Sowjetunion besiegt hätte? Vorher hatten sie nichts gegen den Einmarsch der Deutschen in Tschechien und Österreich getan. Nach dem Überfall auf Polen geschah nichts groß zur Verteidigung Polens. Frankreich kam noch mit einer Art Kompromiß davon und die Engländer wurden mit Bombenangriffen und deutschen Raketen terrorisiert. Auch Realismus?

Wie oft wurde Freiheit und Demokratie seit 1933 aufgegeben?

Also die Japaner Pearl Harbor überfallen hatten, traten die USA in den 2.WK ein. Als die Gefahr bestand, dass die Russen ganz Europa einnehmen könnten, trat man in Europa in den Krieg ein mit dem D-Day ...

Am Ende gab es das Viermächteabkommen - mit Stalin und der Sowjetunion. Auch Realismus ... 25 Millionen tote Russen halt.

Gruß, Astrofreund
 
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Monod

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Das ist "sich erpressen lassen".
Tja, wenn der Westen sich nun mal verzockt hat, muss man lernen, mit den Konsequenzen zu leben, um es künftig hoffentlich besser hinzubekommen, wenn man meint, mal wieder Kraft seiner Wassersuppe zocken zu müssen. Da haben wir nun mal Pech gehabt. Es wird Zeit, sich mit den Realitäten zu befassen und zu lernen, damit auf realistische Weise umzugehen.
 

astrofreund

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... Es wird Zeit, sich mit den Realitäten zu befassen und zu lernen, damit auf realistische Weise umzugehen.
Es wird in Europa und in der Ukraine nur wenigen gefallen, doch die Konzepte, über die derzeit von Trumps Leuten nachgedacht wird, gehen in die Richtung Realismus.

Kellogg-Plan: Krieg an Frontlinie einfrieren, Verhandlungen "erzwingen", Militärhilfe für Kiew reduzieren, Sanktionen gegen Russland aufheben.
Vances Plan: entmilitarisierte Zone entlang Frontlinie, keine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine.
Grenell-Plan: "autonomen Zonen" in Ostukraine schaffen, keine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine

Also territoriale Zugeständnisse der Ukraine, Verzicht auf NATO-Integration. Realismus und geänderte Interessenlage der USA.

Gruß, Astrofreund
 

Monod

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Also territoriale Zugeständnisse der Ukraine, Verzicht auf NATO-Integration. Realismus und geänderte Interessenlage der USA.
Darauf wird es wohl hinauslaufen. Die USA unter Trump wird einenTeufel tun, sich hier über Gebühr militärisch zu engagieren. Der Konflikt wird befriedet, so schnell es irgendwie geht, um die Kräfte für den Konflikt mit China bündeln zu können. Die Zeiten, wo Europa noch ein Wörtchen mitreden konnte in der Weltpolitik, sind einstweilen vorbei, so dass es erst mal beim Wundenlecken bleiben wird. Vielleicht lernt man ja etwas für die Zukunft daraus, wenn mal wieder Konfliktlinien mit Russland aufbrechen sollten.
 

ralfkannenberg

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Nein. Diese Option ist keine gangbare für Europa. Und das weiß auch jeder, der hier in Europa politische Verantwortung trägt.
Hallo Monod,

warum darf Putin bzw. die Russische Föderation ständig solche Gedanken "kommunizieren" und wir nicht ?

Daran verschwende ich nicht eine Sekunde an Lebenszeit,
Schade.

um über die Führung eines nuklearen Schlagabtausches zu räsonieren.
Es geht nicht um einen nuklearen Schlagabtausch. Ein solcher würde bedeuten, dass beide Seiten Atomwaffen abfeuern und das wird natürlich nicht gut kommen.

Aber was spricht dagegen, Russland glaubhaft mitzuteilen, dass wenn sie noch eine (wie auch immer zu definierende) rote Linie überqueren, der Westen einen atomaren Präventivschlag in Erwägung zieht ?

Wie gesagt: Russland darf so etwas, warum der Westen nicht ?


Und es ist eben nicht gesagt, dass Russland sich dann auf einen nuklearen Schlagabtausch einlässt.

John F.Kennedy hat übrigens genau das gemacht und der UdSSR auch mitgeteilt, dass ein solcher Schlagabtausch passieren wird, wenn die UdSSR ihre Raketen nicht aus Kuba abziehen. Und Kennedy hat auch nicht verschwiegen, dass dies 40 Millionen tote US-Amerikaner zur Folge haben wird. Nikita Chruschtschow hat das sehr gut verstanden, und insbesondere hat er auch sehr verstanden, dass Kennedy das ernst meint und nicht zögern wird, das notfalls eben auch umzusetzen.

Dass als "Nebenprodukt" ein Jahr später die US-Raketen aus der Türkei abgezogen würden hat Kennedy natürlich auch bei den Verhandlungen mitgeteilt und dabei auch nicht verschwiegen, dass er Verständnis für die Sorgen der UdSSR wegen dieser US-Raketen in der Türkei habe und hier an einer konstruktiven Lösung jederzeit mitarbeiten wird, um diese Ängste der UdSSR zu nehmen. Das war sicherlich ein sehr klugens Entgegenkommen an die UdSSR und hatte auch den Vorteil, dass Chruschtschow den Abzug der Raketen aus Kuba innenpolitisch als Erfolg ausschlachten konnte, weil er dafür bekommen hat, dass die Raketen aus der Türkei verschwinden. Zumal die Türkei doch recht nahe war, während Kuba recht weit entfernt war.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Monod

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warum darf Putin bzw. die Russische Föderation ständig solche Gedanken "kommunizieren" und wir nicht ?
Falsche Frage, denn es ging nicht ums Gedankenspiel, sondern um die Ausführung.


Aber was spricht dagegen, Russland glaubhaft mitzuteilen, dass wenn sie noch eine (wie auch immer zu definierende) rote Linie überqueren, der Westen einen atomaren Präventivschlag in Erwägung zieht ?
Vielleicht mangelt es ja an der Glaubhaftigkeit bezüglich der Umsetzbarkeit im Hinblick auf die Effizienz der Ausschaltung der Zweitschlagkapazitäten?


Und es ist eben nicht gesagt, dass Russland sich dann auf einen nuklearen Schlagabtausch einlässt.
Das Gegenteil aber auch nicht, so dass ich diese Option nicht mal ansatzweise in Erwägung ziehe.
 

Bernhard

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warum darf Putin bzw. die Russische Föderation ständig solche Gedanken "kommunizieren" und wir nicht ?
Hallo Ralf, das ist aus meiner Sicht die alte und damals weit verbreitete Ansicht der Zivilbevölkerung im kalten Krieg. Damals wollte die Mehrheit der westlichen Zivilbevölkerung eben nicht für einen Atomkrieg verantwortlich sein. Es gab damals zur Meinungsbildung entsprechend eindrückliche Filme wie "The day after" und andere.
 
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ralfkannenberg

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Falsche Frage, denn es ging nicht ums Gedankenspiel, sondern um die Ausführung.
Hallo Monod,

leider nein: es ist die richtige Frage.

Und solange wir uns weigern, diese Frage ergebnisoffen zu überlegen, werden wir permanent zum Spielball/Gespött von Russland und dann natürlich auch von China werden - die werden uns nicht mehr ernst nehmen.

Nur weil Herr Putin immer ganz furchtbar ernst dreinschaut, wenn ein EU-Minister - sei es Frau Merkel oder Herr Scholz oder Herr Macron - zu Besuch ist, heisst das nicht, dass Putin diese Leute irgendwie ernst nimmt, er könnte sie ebenso gut vor laufender Kamera auslachen. Es gäbe keinen Unterschied !

Vielleicht mangelt es ja an der Glaubhaftigkeit bezüglich der Umsetzbarkeit im Hinblick auf die Effizienz der Ausschaltung der Zweitschlagkapazitäten?
Putin wird nicht so dumm sein sich darauf einzulassen.

Und wenn: mein "Vorschlag", den Ihr alle für absurd haltet, ist gewaltfrei. Und wenn Putin völlig Erwarten diese Städte in atomaren Schutt und Asche legt, dann wird niemand dort sterben, aber eines ist auch Putin gewiss: die nächste Atombombe fällt dann innerhalb von wenigen Minuten auf Moskau. Und vermutlich nicht nur eine davon.

Und das wird Putin nicht riskieren. Und wenn er es riskiert, dann werden ihn seine Militärs rechtzeitig absetzen, notfalls nach "Vorbild Nicolae Ceaușescu".

Das Gegenteil aber auch nicht, so dass ich diese Option nicht mal ansatzweise in Erwägung ziehe.
Das brauchst Du auch nicht zu tun, d.h. heisst Du kannst gerne die Augen verschliessen, aber die Militärs sollten das tun. Oder alternativ die Weisse Flagge hissen und Putin das Land bis zum Atlantischen Ozean überlassen.

Aber dann beklagt Euch nicht, wenn Eure Frauen vergewaltigt werden, dann beklagt Euch nicht, wenn auf offener Strasse wie derzeit in der Ukraine einfach so 10 Menschen "standrechtlich" erschossen werden und niemand da ist, der Recht sprecht. Von Meinungsfreiheit und solchen schönen Sachen ganz zu schweigen.

Kurz und gut: das funktioniert bei einem Gegner, der nur die Sprache der Gewalt versteht, nicht. Mit einem solchen Gegner muss man eine Sprache sprechen, die er auch versteht. Man braucht das ja nicht gleich umzusetzen, ganz im Gegenteil: man sollte die Umsetzung selbstverständlich vermeiden. Aber wenn auf der Gegenseite die "Einsicht" fehlt, dann muss man sich mit Gewalt zur Wehr setzen, wenn man nicht in eine moderne Form der Sklaverei überführt werden möchte.

Denn der jetzige Gegner darf alles und wenn er alles darf hat er natürlich auch keinerlei Grund, irgendwie einzulenken. Sogar ich würde ihm Dummheit attestieren, wenn er das täte.

Und diese Asymmetrie muss wieder symmetrisch gemacht werden, auch wenn das Todesopfer zur Folge hat. Todesopfer zur Verteidigung demokratischer, freiheitlicher und rechtstaatlicher Werte. Es gibt dümmere Arten, sterben zu müssen.

Noch ist es nicht so weit, und zwar bei Weitem nicht. Aber eines können wir jetzt schon tun, nämlich dafür sorgen, dass Putin uns ernst nimmt.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Monod

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es ist die richtige Frage.
Aus dem Kontext heraus ist es immer noch die falsche Frage, denn es ging bei Dir ums Dürfen von Gedankenspielen und nicht ums Umsetzen dieser Gedankenspiele, was dann eine Diskursverschiebung darstellt, die ich nicht mitvollziehe.

Was das Dürfen betrifft, darf da jeder nach eigenem Gusto, aber es ist dennoch Ausdruck politischer Klugheit, dieses Dürfen nicht nach außen hin kommunizieren zu müssen, um sich eine Spannbreite von politischen Optionen zu erhalten, die sich anderenfalls sehr schnell sehr stark einengen würde, wenn man sich auf das verbale Eskalationsspiel einlassen würde. Also hält man sich da tunlichst zurück mit dem Zurückdrohen, zumal Dein Vorschlag, mittels nuklearem Erstschlag die Zweitschlagskapazitäten zu vernichten, ohnehin nicht realisierbar wäre. Das würde bei Putin also ebenfalls nur ein müdes Lächeln hervorrufen.


Und diese Asymmetrie muss wieder symmetrisch gemacht werden,
Ja, aber das benötigt Zeit. Vorher lohnt sich Zurückdrohen mittels nuklearer Waffengänge nicht.
 
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ralfkannenberg

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zumal Dein Vorschlag, mittels nuklearem Erstschlag die Zweitschlagskapazitäten zu vernichten, ohnehin nicht realisierbar wäre.
Hallo Monod,

technisch wäre das realisierbar, aber das wäre natürlich in keinster Weise wünschenswert.

Das würde bei Putin also ebenfalls nur ein müdes Lächeln hervorrufen.
Das müde Lächeln wird Putin spätestens dann vergehen, wenn Moskau in atomarem Schutt und Asche liegt. Vielleicht aber wäre Putin klüger und würde vorher einlenken.

Aber ja: so lange wir im Westen weiterhin unentschlossen und zögerlich sind, stehen wir natürlich auf Putins Seite. Nicht weil wir das wollen, sondern aufgrund unseres Handelns bzw. eben Nicht-Handelns.

Und für dieses Verhalten des Westens hat Putin übrigens ebenfalls nur ein müdes Lächeln übrig - einfach so zur Info.

Ja, aber das benötigt Zeit. Vorher lohnt sich Zurückdrohen mittels nuklearer Waffengänge nicht.
Hier stellt sich die Frage, wann die finale rote Linie bei der russischen Salami-Taktik - in der Bundeswehr haben wir das betreffend der sowjetischen Salami-Taktik gelernt, aber das ist nun nur ein Detail - überquert wird.


(1) Wenn der aktuelle Vorschlag umgesetzt wird, d.h. Putin bzw. die Russische Föderation bekommt die vier annektierten Oblaste der Ukraine und kann die Krim behalten, so werden wir im Westen unsere Ideale verraten und unter dem Vorwand, weitere Todesopfer zu vermeiden - nota bene: mit diesem Argument wurden die beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen - zustimmen.

(2) Was, wenn Putin die gesamte Ostukraine bis zum Dnepr möchte ? - Das ist für uns im Westen auch kein Problem. Pech für die Ost-Ukrainer, uns egal.

(3) Was, wenn Putin die gesamte Ukraine möchte ? Wer schon bei (1) und (2) keine Bedenken hat wird auch bei (3) zustimmen.

(4) Es läuft ja gerade gut für Putin; was, wenn es zu Deinem Vorschlag kommt: Ukraine, Moldawien und Georgien zur Russischen Föderation, dafür verbleibt das Baltikum in EU und Nato ? Sicherlich keine "definitive" rote Linie für uns; Moldawien kennt ohnehin kaum jemand, Georgien auf der anderen Seite des Schwarzen Meeres ist sehr weit weg und bei der Ukraine sind wir "ukraine-müde".

(5) Putin versucht jetzt schon, die russischen Minderheiten in Estland zu destabilisieren; was also, wenn Putin das Baltikum wieder haben möchte ? Ein Stück weit sogar verständlich: das Baltikum war Teil der UdSSR und der fehlende Landweg zur Exklave Kaliningrad - für die jüngeren unter Euch, das ist das ehemalige deutsche Königsberg, das als Folge des 2. Weltkrieges verloren ging und auf das Deutschland mit den 2+4-Verträgen endgültig keinerlei Ansprüche mehr hat - ist tatsächlich für Russland unbefriedigend, das verstehe sogar ich. - Also: kein Bündnisfall der Nato, sondern ein "Friedensvertrag" mit Russland. Putin oder sein Nachfolger (Dmitri Medwedew ?) hat dann die Grenzen der ehemaligen Sowjetunion im Westteil wieder hergestellt. Also auch hier: sicherlich keine definitive rote Linie für uns im Westen.

(6) Nun ist Russland im Westen von Nato-Ländern umgeben. Schön wäre es, da wieder Satellitenstaaten zu haben, die nicht der Nato, sondern einem "neutralen" Verteidigungsbündnis - selbstverständlich unter russischer Führung - angehören. Wenn Putin klug ist wird er zunächst auf Polen und die ehemalige DDR verzichten. Also nur Albanien, Rumänien (ohnehin Putin-freundlich), Ungarn (ohnehin Putin-freundlich), Bulgarien (ist denen eigentlich egal, sonderlich USA-freundlich ist man dort nicht), und vielleicht noch Tschechien und die Slowakei.

Würde uns das im Westen gross stören ? Nein.

(7) Auch Polen und die ehemalige DDR in dieses neutrale Verteidigungsbündnis unter russischer Führung aufnehmen. Da weder Polen noch Deutschland atomar aufgerüstet sind wird man hier die Kröte schlucken müssen, schliesslich will man ja keinen 3. Weltkrieg, bei dem alle elendiglich und atomar zerstrahlt und verseucht verrecken müssten. Also besser die Kröte schlucken und Polen und die ehemalige DDR wieder "demokratisch" und selbstständig machen und in das neutrale Verteidigungsbündnis aufnehmen. Nun wäre der frühere Warschauer Pakt einfach unter neuem Namen wiederhergestellt.

Und so schlecht ist das eigentlich nicht - dieses "Gleichgewicht des Schreckens" hat uns in Europa jahrzehntelangen Frieden beschert. Aus Realismus-Sicht muss man das als friedenserhaltend durchaus anerkennen.

(8) Wenn wie schon so schön unterwegs sind könnte der Atlantik als Westgrenze der Russischen Föderation ein erstrebenswertes Ziel sein. Vermutlich würden wir jetzt anfangen, die russischen Kriegsverbrechen zu fürchten, aber wir können ja nichts tun als dem zustimmen und eine besonders scharf formulierte Protestnote im Weltsicherheitsrat hinterlegen.


Ok, soweit die Salami-Taktik. Wo ist die definitive rote Linie, wo wir einen atomaren Schlag gegen Russland nicht mehr ausschliessen ? - Ich denke, bei der Herstellung der UdSSR 2.0 und des Warschauer Paktes 2.0 werden wir aus Realismus-Sicht noch einverstanden sein. Und dann hoffen, dass Russland die Gunst der Stunde nicht nutzen möchte, bis zum Atlantik vorzurücken. Wobei wir dann nur noch "Passagiere" sind, d.h. uns wird dann niemand mehr fragen, ob wir das gut finden.

Ich persönlich vermute, die definitive rote Linie wird irgendwie zwischen (7) und (8) anzusiedeln sein.

Der dann folgende Atomkrieg wird schrecklich werden.


Deswegen empfehle ich dringend, unangenehme Argumente nicht einfach auszusitzen und zu hoffen, dass sie in den Tiefen des Internets vergessen geraten, sondern sich frühzeitig und vor allem rechtzeitig Gedanken zu machen, wie man das noch abwenden kann. Allerspätetsens dann, wenn Phase (7) erreicht ist, wird man Russland also mitteilen müssen, dass ein atomarer Erstschlag nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

Und dann stellt sich die Frage: warum nicht schon früher ?


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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Monod

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Man muss da schon ein wenig weiter denken. Europa mit der NATO-Ostgrenze als Demarkationslinie zwischen westlichem und russischen Einflussgebiet ist für Putin nützlicher als ein Dauerkonflikt mit dem Westen, der ja auch wirtschaftlich negativ zu Buche schlagen würde. Der zu erwartende asiatische Block mit China als Führungsmacht, ist nicht auf kriegerische Expansion aus, sondern auf politische Dominanz mittels ökonomischer Verflechtungen. Darum das Projekt "Neue Seidenstraße" - den USA als bisherige globale Führungsmacht wird sukzessive die ökonomische Basis abgegraben, so dass sie in den Status einer Regionalmacht zurückgesetzt wird, wo man sich mit Mittelamerika ebenfalls eine Pufferzone leisten wird.

Europa ist de facto jetzt schon die Spielwiese der Machtinteressen von USA und dem asiatischen Block, wo es nur noch darum geht, die Europäer mit sich selbst beschäftigt sein zu lassen, ohne dafür eigens noch irgendwelche Truppen in Marsch zu setzen. Dafür genügt hybride Kriegsführung zur politischen Destabilisierung. Wichtig ist aber, dass die ökonomische Leistungsfähigkeit erhalten bleibt, um Kapazitäten weiterhin abgreifen zu können - sei es durch Wirtschaftsspionage oder durch Brain-Drain in die USA. Auch die Universitäten und Hochschulen sind nach wie vor gefragt, um sich hier die Eliten ausbilden zu lassen, die dann dort den jeweiligen Regimes nutzen. Kim Jong Un z.B. hat in der Schweiz studiert. Dafür braucht man Europa, welches intakt bleibt, so dass die abgesteckten Claims nach Ende des Ukraine-Kriegs erwartbar stabil bleiben werden.

Die Konfliktdynamik wird sich in den Indo-Pazifik verlagern, weil dort die großen Handelsströme verlaufen, wo Rohstoffe und Technologie verschifft werden. China scharrt schon stark mit den Hufen, um sich dort festzusetzen, nachdem man Hongkong und Macao bereits dem KP-System unterworfen hat. Taiwan als bedeutender Chip-Produzent mit Relevanz für den Westen steht bereits auf der Liste der nächsten militärischen Unternehmungen. Wenn der Westen damit beschäftigt sein wird, Südkorea vor einer Invasion durch Nordkorea zu retten, gibt es eine günstige Gelegenheit für China, in Taiwan aktiv zu werden. Ich gehe mal davon aus, dass das nach Trumps zweiter Amtszeit passieren wird. Es ist für China vorteilhafter, darauf zu warten, dass Nordkorea mit Russlands Hilfe aufrüstet und der Handelskrieg mit den USA durch Trumps Nachfolger beendet wird. Bis dahin hat sich die Lage in Europa ebenfalls stabilisiert, so dass Russland dann in der Lage ist, die überschüssigen Kapazitäten aus der aktuellen Kriegswirtschaft im Fernen Osten bereitzustellen.

So in etwa stelle ich mir die nächsten zehn bis zwanzig Jahre vor. Mal schauen, ob das in etwa so eintreffen wird.
 

ralfkannenberg

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So in etwa stelle ich mir die nächsten zehn bis zwanzig Jahre vor. Mal schauen, ob das in etwa so eintreffen wird.
Hallo Monod,

ich kann das nicht beurteilen, halte aber Deine ökonomischen Prognosen für plausibel.

Nur: was ändert sich daran, wenn Putin sofort aus der Ukraine wieder abziehen würde ? Zumal Putin damit zahlreiche eigene Menschenleben sparen und auch die Wirtschaft wieder von der Kriegswirtschaft auf Normalwirtschaft umstellen könnte.

Was ich sagen will: aus Deiner Argumentation heraus macht der Ukraine-Krieg keinerlei Sinn und aus ökonomischer Sicht könnte eine westlich orientierte Ukraine sogar interessanter für Russland sein.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Monod

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Weil Wirtschaft alleine als rationaler Grund für eine künftige Weltordnung nun mal nicht der einzige Grund ist, um sich den Ukraine-Krieg zu erklären. Hier wirkt das mit hinein, was Samuel Huntington in "Kampf der Kulturen" beschrieben hatte: Es gibt Kulturerdteile, die sich um eine Kernmacht herum orientieren. Wenn Du Dir das Video von Astrofreund noch mal anschaust, wo sich General Kujat bezüglich der Aufnahme der baltischen Länder in die NATO äußert, ist da davon die Rede, dass man als relevant betrachtet hat, ob diese drei Länder auch kulturell zum Westen passen würden, was dann bejaht wurde, während das bezüglich Belarus und der Ukraine in Abrede gestellt wurde (bei der Ukraine mit Abstrichen, was westliche Landesteile betrifft). Das kann man unangemessen finden, aber solche kulturellen Befindlichkeiten spielen da mit hinein, um die Motivation Russlands nachvollziehen zu können, warum man dort strikt dagegen ist, dass sie in die NATO aufgenommen wird, so dass es schließlich zur Invasion gekommen ist. Und dann war da noch der schmähliche Abgang von Janukowitsch nach der Maidan-Revolution ...
 
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