Tja, dumm gelaufen, kann man da nur sagen - das hätte nicht so weit kommen müssen, wenn man die grundsätzlichen Bedenken Russlands ab den 1990er Jahren (NATO-Osterweiterung 1994 - man hatte im Vorfeld aus der politischen Elite in den USA den damaligen Präsidenten Bill Clinton vor diesem Schritt gewarnt), zumindest aber ab 2007 (Auftritt Putins vor der Münchener Sicherheitskonferenz) ernst genommen und berücksichtigt hätte, statt mit Arroganz darüber hinwegzulächeln, um dann doch das durchzuziehen, was man sich in Bezug auf den in Aussicht gestellten NATO-Beitritt von Georgien und Ukraine ab 2008 vorgestellt hatte. Der Krug geht eben nur so lange zum Brunnen, bis er bricht und wenn man den Bogen überspannt - na ja, dann bricht er eben auch. Hätte man wissen können, bevor man die Grenzen ausreizt ...
Hallo Monod,
dem widerspereche ich nun aber in aller Form - auch Du wiederholst Argumente, die von der Putin-Versteher-Seite regelmässig in Ignorierung jeglicher Widerlegung stereotyp wiederholt werden, bis die Mehrheit der Bevölkerung das dann auch glaubt.
Bei der Erarbeitung der 2+4-Verträge gab es zahlreiche Vorschläge, zahlreiche Einwände und zahlreiche Ideen, noch irgendetwas mehr für sich selber herauszuholen - was ja auch völlig legitim ist. Aus diesem Prozess dann nur die Rosine herauszupicken, die einem am besten in die eigene Ideologie passt wird kaum das vollständige Bild ergeben.
Auch Russland hat
während Jahren der Nato-Osterweiterung zugestimmt. Und sie haben dafür ja auch einiges bekommen, z.B. die Atomraketen in der Ukraine, die Nato-Partnerschaft, jede Menge finanzielle Unterstützung auf dem Weg einer weiteren Demokratisierung und letztlich auch die politische Unterstützung, wenn es da mal wieder Probleme in Tschetchenien gab.
Der jetzige Vorwurf Putins, man habe Sicherheitsbedenken Russland nicht genügend ernst genommen, erinnert mich an den Wolf und das Lamm am Bach, bei dem Wolf einen Grund sucht, das Lamm fressen zu dürfen, egal wie absurd dieser Grund auch sein mag: das Lamm unterhalb vom Wolf am Bach stehend würde dem Wolf das Wasser trüben und der dem Lamm vorwirft, es habe ihn vor einem Jahr beleidigt, obgleich das Lamm erst ein halbes Jahr alt ist.
Putin hätte also
immer einen Grund erfunden, um die Ukraine als gescheiterten Staat zu bezeichnen, auch wenn man den Ländern des ehemaligen Warschauer Paktes ihr längst zugesichertes Recht des Helsinki-Prinzips, ihr Verteidigungsbündnis selber aussuchen zu dürfen, abgesprochen hätte.
Der Grund dürfte ganz woanders liegen: Gorbatschow und Jelzin, die eine Öffnung der Sowjetunion in die Wege geleitet haben, wird vorgeworfen, für den Zerfall der Grossmacht Sowjetunion verantwortlich gewesen zu sein, und alle Vorzüge der Demokratisierung und Liberalisierung werden dabei konsequent ausgeblendet. Putin versucht nun, die Russische Föderation Scritt um Schritt zu altem Glanz zurückzuführen.
Deinen übrigen Ausführungen und Prognosen stimme ich über weite Teile zu, wobei ich aber was den Atomkrieg anbelangt weniger optimistisch bin als Du: Putin wird eine rote Linie nach der anderen überschreiten, die USA werden sich immer mehr heraushalten und Europa ist gar nicht in der Lage, sich konventionell zu verteidigen. Und auch gar nicht gewillt, sich konventionell zu verteidigen, da sich immer weniger Soldaten finden; heutzutage ist es ja 'chic', Fahnenflucht zu begehen. Wozu auch sein Leben riskieren, und dies erst noch fern der Heimat aufgrund eines Nato-Bündnisfalles ...
Taiwan wird von China überrannt werden, aber dieses Land hat der Westen schon vor Jahrzehnten fallengelassen, weil Handelsbeziehungen zu China interessanter waren als die Rechte der Bevölkerung von Taiwan. Ausserdem ist Taiwan weit weg von uns - da kann uns hier kein Moralist vorwerfen, wenn wir da (wie immer) wegschauen.
Gleiches in Korea - das ist uns in Europa letztlich völlig egal, wer sich da durchsetzt; und wenn die sich da gegenseitig umbringen wird uns das in Europa auch reichlich egal sein. In Afrika schauen wir ja schon seit Jahrzehnten weg, wenn da wieder ein afrikanisches Volk ermordet wird.
Es wird also auf die Unterwerfung Europas oder einen atomaren Erstschlag gegen Russland hinauslaufen - spätetens dann, wenn Grossbritannien und Frankreich durchgesetzt haben, dass sie nicht mehr alleine die Last der atomaren Abschreckung tragen wollen und Deutschland und Polen atomar aufgerüstet worden sind.
Freundliche Grüsse, Ralf