Hi,
die Frage nach dem kinematischen Unterschied zwischen Kollisionen in der Atmosphäre, wo ein schnelles Teilchen auf ein fast ruhendes trifft, und am LHC, wo zwei schnelle Teilchen frontal kollidieren, wird ja immer wieder gestellt. Diese Antwort:
50km/h + 50 km/h = 100 km/h (LHC)
0km/h + 100 km/h = 100 km/h (Atmosphäre)
0km/h + 600 km/h = 600 km/h (Atmosphäre - realistischere Verhältnis)
(Bei Geschwindigkeiten nahe c, ist die Rechnung zwar relativistisch, aber es kommt auf das gleiche heraus!
gilt für klassische Teilchen (d.h. deutlich langsamer als Lichtgeschwindigkeit), aber nur, wenn man statt der Geschwindigkeiten die kinetischen Energien nimmt! Und genau genommen gilt der Vergleich mit dem stehenden Hindernis (0+100=100) nur, wenn das Hindernis fest verankert ist. Wenn ein Auto mit 100 Energieeinheiten auf ein stehendes ungebremstes Auto kracht, dann sind die Schäden geringer, als wenn zwei Autos mit 50 Energieeinheiten kollidieren. Der Grund liegt darin, dass das ungebremste stehende Auto durch den Aufprall nach vorne beschleunigt wird und so kinetische Energie mitnimmt, die nicht in Deformation umgewandelt werden kann.
Richtig rechnet man das für relativistische (d.h. sehr schnelle Teilchen) aber nur im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie. Wichtig ist dabei, dass man Größen betrachtet, die vom Bezugssystem unabhängig sind, d.h. die invariant unter Lorentz-Transformation sind. Eine sehr wichtige Observable ist dabei die Schwerpunktsenergie.
Bei kollidierenden gleichenergetischen Teilchen ist die Schwerpunktsenergie einfach die Summe der Einzelenergien. D.h. beim LHC wird aus 7 + 7 = 14 TeV Schwerpunktsenergie.
Bei der kosmischen Strahlung muss man die Schwerpunktsenergie für den Fall ausrechnen, dass ein schnelles Teilchen auf ein ruhendes stößt. Man bekommt dabei (hier ohne Herleitung)
E_cm = sqrt(2 x E_target x E_projectile)
Der Effekt, dass das ruhende Teilchen bei der Kollision beschleunigt wird und Kollisionsenergie mitnimmt ist hier natürlich berücksichtigt!
In der kosmischen Strahlung hat man Teilchen mit Energien von 10^20 eV nachgewiesen. Wenn die auf ein ruhendes Proton in der Atmosphäre treffen, dann kann man schnell ausrechnen, dass die Schwerpunktenergie etwa 450 TeV beträgt, also locker 30 mal mehr als beim LHC.
Das Prinzip der Lorentz-Invarianz von Observablen ist experimentell bestätigt. D.h. die Kollisionen in der Erdatmosphäre kann ich vergleichen mit einem Beschleuniger, der 225 TeV Energie pro Strahl hat und die Teilchen frontal kollidieren lässt. Das wird der LHC nie erreichen. Man wird auch aller Wahrscheinlichkeit nach nie einen Beschleuniger auf der Erde bauen, der 450 TeV Schwerpunktenergie erreicht. Denn der wäre auch 30 mal so lang wie der LHC, d.h. gut 900 km. Die paar hundert Milliarden Euro wird dafür niemand auf den Tisch legen.
nomad.