Und die Schrödinger-Gleichung sagt für eine sphärische Welle zunächst vorher, dass keine Spur zustande kommt.
Diese Vorhersage ist also falsch.
Diese Vorhersage wird ja von Mott unter der Annahme abgeleitet, dass das System aus geladenem Teilchen und ein oder zwei Atomen isoliert ist. Ist das der Fall, so ist diese Vorhersage richtig. Das gilt insbesondere für das gelegentliche Zusammentreffen der sphärischen Welle mit Atomen im Weltraum und in der Luft. Daher kann man da keine Lokalisierung erwarten (obwohl Sie da einen wesentlichen Teil der Lösung vermuten).
TomS schrieb:
Glaubt man dennoch weiterhin, dass eine fundamental unitäre Dynamik – die Schrödinger- bzw. von-Neumann-Gleichung – die Phänomene vollständig beschreiben kann, so liegt die Rettung offenbar in verfeinerten Modellen.
All die vielen Leute, die das versucht haben, wissen natürlich, dass das System aus geladenem Teilchen und zwei Atomen bei einer Messung nicht isoliert ist. Es muss also an der vernachlässigten Umgebung liegen und nicht am Input. Die Frage ist nur, wie man die Umgebung mit einbezieht.
TomS schrieb:
Es geht noch über das Mott-Problem hinaus, da Mott keinen Mechanismus für die initiale Lokalisierung liefert. Hätte man diesen, dann wäre in der Folge eine Argumentation nach Mott notwendig.
Ich meinte mit dem Mott-Problem nicht das von ihm gelöste Problem der Korrelationen, sondern das Finden eines Mechanismus für die initiale Lokalisierung, womit dann mit Motts Ergebnissen die Spur folgt.
Das so definierte Mott-Problem kann also nicht einfach (wie Sie es vorschlagen) dadurch gelöst werden, dass man den Ort, wo die Lokalisierung passiert, verschiebt. Die Lokalisierung muss also immer vom Medium, durch das das Teilchen geht, verursacht sein! Also kann man genausogut gleich die Nebelkammer als dieses Medium ansehen.
Schonfeld (den ich neulich zitierte) betrachtet Experimente, wo eine radioaktiv markierte Nadelspitze im Zentrum einer Nebelkammer sitzt. Dann ist das einzige Medium, das in Frage kommt, die Nebelkammer selbst, da es kein dazwischen gibt. (Dafür kann man in diesem Setup nicht verhindern, dass ein Ensemble von zufälligen Zerfällen erzeugt wird.)
TomS schrieb:
Ich sehe nach wie vor folgende Probleme und bin an Ihrer Meinung dazu interessiert (wobei Sie 1. bereits beantwortet haben)
- Sie behaupten, der Detektor alleine würde die notwendig Lokalisierung herbeiführen. Mich interessiert, wie Sie einzeln eng lokalisierte Detektorereignisse erreichen wollen, und zwar
- für eine Quelle, die sehr sporadisch einzelne z.B. Elektronen emittiert, wobei diese jeweils z.B. als s-Welle (allg. delokalisiert) modelliert werden,
- und für einen sehr großen, kugelschalenförmigen Detektor, wobei während der typischen Wechselwirkungsdauer zwischen Elektron und Detektor keine kausale Verbindung zwischen dem ansprechenden und dem nicht-ansprechenden gegenüberliegenden Detektorelement möglich ist.
In beiden Fällen analog wie beim Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, nur dass jedes Detektorelement sozusagen ein eigenes Fass ist. Da jedes Detektorelement metastabil ist, hat jedes eine zeit- und umgebungsabhängige Aktivierungsschwelle, die überwunden werden muss. Wegen den thermischen Oszillationen sind diese Schwellen mal grösser, mal kleiner, und ganz selten (Poisson-verteilt) eben so gering, dass die winzige ankommende (Energie/Impuls/Ladungs)dichte ausreicht, um das Ereignis auszulösen. Alles ist also lokal gesteuert; man braucht keine Überlegungen zum Informationstransport anstellen, da ausser durch die Kugelwelle selbst nichts transportiert werden muss. Die QFT ist eben lokal!
Man muss nun eben ein handhabbares Modell finden, in dem das mit genügen guter Approximation quantitativ gerechnet werden kann, um zu sehen, dass alles korrekt funtioniert. Daran arbeite ich ja.
TomS schrieb:
[*]Ich behaupte, dass für das genannte Setup möglicherweise nicht der Detektor bzw. die Umgebung des ansprechenden Detektorelementes alleine sondern nur zusammen mit Details der dort einlaufenden Welle dies bewerkstelligen können. Dass dieses Detektorelement auslöst, das gegenüberliegende und alle anderen jedoch nicht, sollte ja im Vergangenheitslichtkegel des resultierenden Detektorereignisses begründet liegen. Der fragliche Moment des potentiellen jedoch nicht stattfinden Auslösens des gegenüberliegenden Detektorelements liegt jedoch nicht im Vergangenheitslichtkegel des tatsächlich stattfindenden. Dabei interessiert mich also, ob man die Ursache teilweise in der einlaufenden Welle verorten kann, ohne dass dies zu anderen experimentellen Befunden im Widerspruch steht – siehe Ihre Anmerkung oben.
[*]Kann man die Ursache weder in der Umgebung des ansprechenden Detektorelementes noch in der dort einlaufenden Welle verorten, sondern bleibt nur noch die Antwort, die Ursache liege im gesamten Vergangenheitslichtkegel des gesamten Detektors, so läuft das für mich auf eine Art Superdeterminismus hinaus. Das kann natürlich zutreffen. Auch da interessiert mich, was Sie dazu sagen.
In beiden Fällen nichts weiter als dass die Relativitätstheorie im Mott-Problem sicher noch keine Rolle spielt.
TomS schrieb:
Man kann anhand der Krümmung der Spuren in einem externen Feld auch die Ladung bestimmen.
... aus der Krümmung eines klassischen Teilchens, aber man sieht ja nur eine aus vielen Teilchen bestehende Spur!
Wenn man also die korrekte gekrümmte Spur vorhersagen kann, ohne die Ladung zu lokalisieren, braucht die Ladung nicht lokalisiert zu sein.
Es schwirren ja im Detektor Zillionen Elektronen herum, nur sind die meisten gebunden. Aber quantenmechanisch sind die alle ununterscheidbar, nur Anregungen des
einen Elektronenfelds. In diesem Feld ist die Grösse der Elektronenladung (also die nötige Krümmung) fix kodiert, also muss da keine Information fliessen!
TomS schrieb:
Man kann die Nebelkammer mit anderen Detektoren kombinieren, also Tracking plus Kalorimetrie plus Ladung … Man kann moderne Technologien wie Time Projection Chambers, Silicon Trackers etc. anwenden.
Dann müssen wir so ein Problem betrachten. Jedenfalls darf man nicht von Experiment zu Experiment springen und aus jedem herauspicken, was einem gerade passt.
Eine Time Projection Chamber habe ich in meinem Tomographiepaper analysiert, aber nicht mikroskopisch, sondern nur, um zu zeigen, wie das zugehörige POVM aussieht. Der Vorteil gegenüber dem Mott-Problem ist, dass man hier genau weiss, wie die Detektorelemente aussehen!
TomS schrieb:
In allen Fällen, in denen ein Ereignis
... nicht ein Ereignis, sondern ein Teilchen ...
TomS schrieb:
individualisierbar ist, findet man immer die Signatur einer lokalisierten Elementarladung (für Elektron, Myon, Pion, Proton …). Es gibt keinen einzigen experimentellen Hinweis auf das Gegenteil.
Individualisierbar = nicht mehr ununterscheidbar = quasifreier (bis auf externe - also klassisch modellierte - Wechselwirkungen) gebundener Zustand. Da (und nur da) ist die Gesamtladung des gebundenen Systems ganzzahlig.
Aber sonst in der QFT hat man beliebig teilbare Ladungsdichten, und nur die über den gesamten Raum integrierte Ladung ist ganzzahlig!
TomS schrieb:
Natürlich stimme ich Ihnen zu, dass das oben gesagte noch Interpretation enthält und man je Experiment bzw. Detektortyp ein passendes Modell betrachten muss.
Und zwar alle Argumente am selben Modell!