man denkt - wohl so gewohnheitsmäßgi - das Sonnensystem im Bereich der Planeten kennen wir. Nicht nur große Planeten, auch Zwergplaneten, viele Asterioden, den Kuipergürtel und damit ist der "Laden" bis Pluto bekannt und klar.
Hallo astrofreund,
zu Beginn der 1990iger Jahre befanden wir uns genau in dieser Situation. Man kannte das Bahnneigungsverhalten der kurzperiodischen Kometen und der langperiodischen Kometen, aus denen man vereinfacht formuliert auf den Kuipergürtel - ein "Gürtel" ist ein Gebiet mit der Vorzugsrichtung der Bahnneigungen bei 0° und der Oort'schen Wolke - eine "Wolke" ist ein Gebiet, in dem es keine Vorzugsrichtung betreffend der Bahnneigungen gibt - schloss. Zudem kannte man den "schiefen" und etwas klein geratenen Planeten Pluto sowie den Planetoiden Chiron, der sich viel zu weit draussen befand, und soeben wurde mit Pholus ein zweiter zu weit draussen umlaufender Planetoid entdeckt.
Beide waren erstaunlich grosse Exemplare - so
grosse Planetoiden hatte man letztmals im Jahre 1910 entdeckt (
702 Alauda).
Im Jahre 1992 gelang dann mit der Entdeckung der "Smiley" (15760) 1992 QB[sub]1[/sub] die Entdeckung eines TNO's, der 10 AE weiter entfernt war als der Pluto. Da damals die wirkliche Natur des Pluto ebensowenig verstanden war wie diejenige der Zentauren war sie somit der zuerst entdeckte TNO, durchmessermässig ebenfalls in dieser Grössenordnung.
Im Verlaufe der Jahre gelangen dann beachtliche weitere Entdeckungen, so dass die Grenze unseres Sonnensystems deutlich hinausgeschoben werden konnte; statt des Pluto als äussersten bekannten Körpers (streng genommen war der Neptun zu diesem Zeitpunkt noch geringfügig weiter entfernt) bei 30 AE bildete nun die Eris bei fast 100 AE die äussere Grenze, also über dreimal weiter draussen, wobei man hochelliptische Kleinkörper kannte, die noch 20x weiter hinausgetragen werden.
Aber letztlich alles kein Problem, diese liessen sich im Rahmen der Vorstellungen der Bildung unseres Sonnensystems allesamt erklären.
Wenn man sich nun die Bahndaten näher anschaut, so stellt man fest, dass die Perihelia, also die sonnenächsten Punkte aller dieser Körper, näher als 47 AE liegen und je mehr sie sich dieser magischen Obergrenze annähern, desto "runder" werden die Bahnen. Die Körper mit hoch-elliptischen Umlaufbahnen indes hatten allesamt eher niedrige Perihelia im Jupiter- oder Saturnabstand.
Doch: dazu fanden sich vereinzelte Kleinkörper, die nicht in dieses Schema hineinpassten, TNO mit hochelliptischen Bahnen und dennoch Perihelia in der Nähe dieser magischen Obergrenze. Man konnte sich diese Umlaufbahnen nicht erklären und dann wurde mit der Sedna auch noch ein grosser Vertreter entdeckt, der 2/3 Pluto-Durchmesser aufweist und dessen Perihel mit 76 AE fast doppelt so hoch war wie die magische Obergrenze.
Und eben: das alles konnte man sich nicht erklären und nannte diese Körper - etwas irreführend - "Inner Oort Cloud-Object", um anzudeuten, dass diese eigentlich nicht zum Kuipergürtel, sondern zu einem "Bereich" innerhalb der Oortschen Wolke gehören.
Irreführend deswegen, weil dieser Bereich nur "ein bisschen ausserhalb des Kuipergürtels" war - die Perihelia lagen sogar mit Ausnahme desjenigen der Sedna noch innerhalb der magischen Obergrenze, aber nach wie vor
sehr weit innerhalb der Oort'schen Wolke, die bei 50000 AE vermutet wird, also 600x weiter draussen als das Perihel der Sedna und 500x weiter draussen als der aktuelle Aufenthaltsort der Eris; man vermutete aber eine andere Entstehungsgeschichte.
Vor zwei Jahren wurde dann noch ein zweiter sedna-artiger entdeckt, die kleine Sedna ("Biden") und man stellte schon damals fest, dass die Umlaufbahnen der "extremen SDO" eine sehr auffällige Vorzugsrichtung einiger ihrer Bahnelemente aufwiesen und daraus folgten dann die Überlegungen zum Planeten Nine.
Der Vollständigkeit halber sei noch die Buffy genannt, die zwar nicht "extrem" ist, aber rund 5 AE zu weit draussen die Sonne umläuft. Ihre Bahn ist zwar ebenfalls unerklärt, hat aber keinen Einfluss auf die Überlegungen betreffend des Planeten Nine.
Freundliche Grüsse, Ralf