Hallo Forum,
angesichts der allgemeinen Erwartung hier noch meine Kurzrezension.
Im genannten Text verwirft Maurice Allais die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie auf Basis der Interferometer-Versuche, die Dayton Miller 1925/26 durchgeführt hat. Er behauptet in einer Sekundäranalyse der Millerschen Daten die entscheidende experimentelle Basis gefunden zu haben, die die Relativitätstheorie unrettbar falsifiziert. Seine eigenen Versuche (Pendel, Sonnenfinsternis) und die von Esclangon werden zur Unterstützung herangezogen (das Universum ist anisotrop!).
Allais referiert als epistomologische Stützung seiner Falsifizifierung eine recht hemdsärmlig dargestellte Auslegung wissenschaftstheoretischer Voraussetzungen, die man noch geneigt als Banalität werten kann, und dieser Metadisziplin nicht im entferntesten gerecht wird. Nur zu deutlich wird der instrumentelle Wert, den diese Ausführungen für die Allaischen Thesen haben. Sie sollen den Glaubensgenossen die Bereitschaft erleichtern, er, der Nobelpreisträger der Ökonomie habe als Privatgelehrter der Physik die vernichtende Falsifizierung der RT exekutiert!
Diese Gewissheit führt ihn in die Versuchung die Voraussagen der RT, die zu den "klassischen Tests" geführt haben, in ihrem Potential zur Verifikation zu hinterfragen. Hier spult Allais das bekannte Reportoire der 'crank'-Science ab, die unter Berufung auf alternative Erklärungsmodelle den 'Alleinerklärungsanspruch' der RT für empirische Phänomene hinterfragen. Beliebt ist hier z. B. die Erklärung der säkularen Periheldrehung des Merkur. Während unsere deutschsprachigen 'cranks' hier gerne im Geleit von Lenard, Gehrcke und Weyland den Paul Gerber bemühen, hat Allais zusätzlich einen zeitgenössischen französischen Gelehrten ausgegraben, der mit einer ad-hoc-Parametrisierung die Periheldrehung "erklärt" haben will.
Soweit so gut!
Das ist aber alles nur 'crank'-Beiwerk! Entscheidend soll sein, dass die Allais'sche Interpretation der historischen Miller-Daten die RT zweifelsfrei und nicht mehr diskutabel falsifiziert hat. Was aber geschieht nun? Nach Allais wird diese wissenschaftliche Leistung nicht zur Kenntnis genommen! Weder seine Miller-Interpretation, noch seine Pendelversuche, noch ...
Wie kann das sein? Er, der Nobelpreisträger der Ökonomie kennt das aus seiner eigenen Disziplin! Da war doch was? Das Epizykel-Model des Ptolemäus überdauerte Jahrhunderte, und so ist es durch die Wissenschaftsmafia für die RT vorgesehen! Die Mittel haben sich geändert, die Methoden nicht. Allais ist ein moderner Giordano Bruno, die Inquisitoren von damals sind heute etablierte Wissenschaftler und sie benehmen sich wie die Verbrecher von damals, nur subtiler! Das Opfer ist Allais, der durch den Dogmatismus und insb. durch die mystifizierende (=magische) Mathematisierung der Physik verhindert wird! Das grundsätzlichere Opfer ist damit der Fortschritt der Physik! Diese muss nämlich auf ihre gesicherten Ursprünge zurück geführt werden!
Zurück zur klassischen Physik mit ihrem mechanistischen Weltbild. Zurück zu einem Äthermodell! Nach Miller kann er nicht stationär sein, sondern nur mitgeführt. Möglicherweise muss dafür der Lenardsche Uräther bemüht werden, der uns alle durchfließt und unsere atomaren Strukturen beeinflusst!
Zum Abschluss der Präsentation darf nicht fehlen, Referenzen für die eigene Mission vorzuweisen. Naja, es gibt neben dem Hinweis auf einige Preise noch ein paar wenige Briefe aus lang zurückliegenden Jahren.
Insgesamt hinterlässt der Text den Eindruck, dass Allais nicht über die Literatur der 1960er Jahre hinausgekommen ist. Es mag dem klassischen Ideal des Privatgelehrten entsprechen, sich im wesentlichen in der Literatur auszukennen, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts veröffentlicht wurde. Für Liebhaber dieser Epoche der französischen Literatur mag Allais ein paar Verweise haben.
Um in der dynamischen Physik des 21. Jahrhunderts mitreden zu wollen, sind solche selektiven Literaturhinweise jedoch nicht ausreichend. Dass Allais sich zu seiner vehementen ideologischen Verschwörungstheorie hinreißen lässt, scheint mir v.a. aus seiner zutiefst gekränkten Eitelkeit erklärbar, die mit der angeblichen Ignoranz gegenüber seinen Pendelversuchen, eine offensichtliche Beschädigung erfahren hat.
Und gerade der letzte Punkt ist noch nicht mal haltbar, da sich gerade völlige Mainstream-Institutionen der Wiederholung seiner 'Experimente' angenommen haben. Dass Allais das verschweigt, ist verwerflich, aber nachvollziehbar. Warum sollte ein überzeugter 'crank' anders reagieren. Er müsste sein beschädigtes Weltbild ändern und sich der Realität gegenüberstellen. Allais ist von der Sorte der 'cranks', die das aus persönlicher Eitelkeit nie schaffen werden.
Soweit zu meiner Kurzrezension! Details liefere ich gerne nach und würde sie auch im weiteren Verlauf dieses Threads sehr gerne diskutiert sehen.
Grüsse galileo2609