Lieschen Müller
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Guten Tag zusammen 
Ich möchte ein paar Gedanken mitteilen (und niemanden damit provozieren), da ich mir große Sorgen über die möglichen Konsequenzen der geplanten Kollisionsexperimente mache. Als Naturwissenschaftlerin muss mir niemand erklären, wie wichtig gerade zweckfreie Grundlagenforschung ist. Zu diesen Experimenten sind Sätze gefallen wie „es ist quasi sicher“ oder „in der Wissenschaft gibt es keine 100-prozentige Sicherheit“. Wenn das – noch so kleine – potentielle Risiko allein die Wissenschaft betreffen würde (zB Zerstörung des LHC und Verlust aller Investitionen), dann wäre es auch allein Sache der Wissenschaft, darüber zu entscheiden. Aber ein Risiko einzugehen, das die gesamte Menschheit, Natur, Kultur, Wissen, Ideen, Vergangenheit und Zukunft auslöschen könnte (mit einer egal wie kleinen Wahrscheinlichkeit), geht jeden einzelnen Menschen auf der Erde an: Es muss absolute Sicherheit geben, dass die Erde zumindest durch menschliche Experimente nicht vernichtet wird. Ohne diese absolute Sicherheit, die derzeit keiner der beteiligten oder befürwortenden Wissenschaftler geben kann, muss die Wissenschaft an ihre Grenzen stoßen. 6,7 Mrd. Menschen haben alle 100% Recht auf ihr Leben und ihre Zukunft, sie brauchen 100% Sicherheit und keine Versuche mit einem noch so geringen Restrisiko, deren Ergebnis die absolute Katastrophe sein kann. Wissenschaft steht im Dienste der Menschheit und nicht umgekehrt! Nicht umsonst gibt es sonst in der Wissenschaft Ethikkommissionen, die ein Mitspracherecht haben. Und hier nicht?
Was mich am meisten beunruhigt, sind die Statements von CERN selbst, bei denen ich Sicherheit zu finden hoffte. Die Argumentation ist zumeist, die Erde bestehe ja bislang auch (bislang gab es auch noch keinen Teilchenbeschleuniger LHC): (http://press.web.cern.ch/public/en/LHC/Safety-en.html)
The continued existence of […] the Earth, rules out the possibility of the LHC producing any dangerous black holes.
Since such vacuum bubbles have not been produced anywhere in the visible Universe, they will not be made by the LHC.
The continued existence of the Earth and other astronomical bodies therefore rules out dangerous proton-eating magnetic monopoles light enough to be produced at the LHC.
The fact that the Earth is still here rules out the possibility that cosmic rays or the LHC could produce dangerous charged microscopic black holes.
Soweit ohne tiefe mathematische Kenntnisse möglich habe ich auch die Arbeit von Giddings/Mangano gelesen (Astrophysical implications of hypothetical stable TeV-scale black holes, 2008), und da steht (Seite 83):
Some of the hypothesized black holes from LHC could reach the Sun or the Moon. In the case of the Sun, its core is the only part that has a significant stopping power. The density in the core, whose radius is about Rcore _ 0.2R_ _ 1.4 × 105 km, reaches 150 gr/cm3, giving a column density hundreds of times greater than the Earth, allowing to stop black holes proportionally faster. On the other hand, the geometric probability that an LHCproduced black hole reaches the Sun’s core is only about 2.2 × 10-7, a number that by itself is much smaller than the probability of trapping inside the Earth.
d.h. wir könnten nicht „nur“ die Erde, sondern dazu oder stattdessen auch die Sonne „abschießen“… nein, das beruhigt mich nicht.
Es ist immer die gleiche Argumentation: Nach allen Berechnungen passiert nichts, und wenn doch, dann wird es gemäß anderer Berechnungen so lange dauern, dass es uns nicht schadet, und gemäß wieder anderer Berechnungen ist all das ohnehin unwahrscheinlich. (Und das nennt man dann Sicherheit). Mich erinnert das fatal an den Klimawandel, der plötzlich auch schon viel schneller eingetreten ist als die Vorausberechnungen sagten; wenn er nicht sogar generell für unmöglich gehalten wurde.
Zum Wahrscheinlichkeitsargument: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass eine physikalische, biologische, kulturelle und technologische Entwicklung auf einem Planeten unseres Sonnensystems einsetzt, die dazu führt, dass genau Sie jetzt dies lesen? Und doch ist es so. Daher beruhigt mich keine exponentiell geringe Wahrscheinlichkeit, denn gerade aus trotzdem eingetretenen Geschehnissen besteht unser Dasein.
Beunruhigend finde ich den oft abwertenden Umgang mit denen, die „gesicherte“ Wissenschaft in Frage stellen. Wir wissen doch, dass die Halbwertzeit unserer Erkenntnisse gering ist, dass wissenschaftliche Erkenntnis prinzipiell nur eine Annahme darstellt, die bis zu ihrer Falsifizierung gilt. Wie ist es also möglich, einen eventuellen Fehler aufzudecken, wenn das nicht sein darf? Wenn der, der sich gegen den „Mainstream“ stellt, lächerlich gemacht wird? In vielen Feldern schätzt man Quereinsteiger, weil diese eine frische Sicht auf die Dinge bringen, unkonventionelle Gedanken und Sichtweisen, und die Dinge in Frage stellen, die die Insider längst akzeptiert haben. Hier braucht jede Wissenschaft eine faire und offene Auseinandersetzung. Man darf nicht vergessen, dass wir alle uns innerhalb eines wiss. Paradigmas befinden, und irgendwann kommt es zu einem Paradigmenwechsel (Kuhn), wie in der Geschichte der Physik schon einige Male, gegen den sich das Establishment anfangs natürlich (aus seiner Sicht berechtigterweise) wehrt.
Wissenschaft steht im Dienste der Menschheit, und dies allein legitimiert sie. Niemals darf die Wissenschaft die Menschheit als Geisel nehmen. Bei einer Bedrohung unserer Existenz zeigt sich die Grenze dessen, was gemacht werden darf. Wissenschaft allein, ohne Kontrolle, will immer das Machbare machen und tut es auch wenn sie kann (siehe Atombombe). Daher darf sie hier nicht allein entscheiden.
Ich möchte ein paar Gedanken mitteilen (und niemanden damit provozieren), da ich mir große Sorgen über die möglichen Konsequenzen der geplanten Kollisionsexperimente mache. Als Naturwissenschaftlerin muss mir niemand erklären, wie wichtig gerade zweckfreie Grundlagenforschung ist. Zu diesen Experimenten sind Sätze gefallen wie „es ist quasi sicher“ oder „in der Wissenschaft gibt es keine 100-prozentige Sicherheit“. Wenn das – noch so kleine – potentielle Risiko allein die Wissenschaft betreffen würde (zB Zerstörung des LHC und Verlust aller Investitionen), dann wäre es auch allein Sache der Wissenschaft, darüber zu entscheiden. Aber ein Risiko einzugehen, das die gesamte Menschheit, Natur, Kultur, Wissen, Ideen, Vergangenheit und Zukunft auslöschen könnte (mit einer egal wie kleinen Wahrscheinlichkeit), geht jeden einzelnen Menschen auf der Erde an: Es muss absolute Sicherheit geben, dass die Erde zumindest durch menschliche Experimente nicht vernichtet wird. Ohne diese absolute Sicherheit, die derzeit keiner der beteiligten oder befürwortenden Wissenschaftler geben kann, muss die Wissenschaft an ihre Grenzen stoßen. 6,7 Mrd. Menschen haben alle 100% Recht auf ihr Leben und ihre Zukunft, sie brauchen 100% Sicherheit und keine Versuche mit einem noch so geringen Restrisiko, deren Ergebnis die absolute Katastrophe sein kann. Wissenschaft steht im Dienste der Menschheit und nicht umgekehrt! Nicht umsonst gibt es sonst in der Wissenschaft Ethikkommissionen, die ein Mitspracherecht haben. Und hier nicht?
Was mich am meisten beunruhigt, sind die Statements von CERN selbst, bei denen ich Sicherheit zu finden hoffte. Die Argumentation ist zumeist, die Erde bestehe ja bislang auch (bislang gab es auch noch keinen Teilchenbeschleuniger LHC): (http://press.web.cern.ch/public/en/LHC/Safety-en.html)
The continued existence of […] the Earth, rules out the possibility of the LHC producing any dangerous black holes.
Since such vacuum bubbles have not been produced anywhere in the visible Universe, they will not be made by the LHC.
The continued existence of the Earth and other astronomical bodies therefore rules out dangerous proton-eating magnetic monopoles light enough to be produced at the LHC.
The fact that the Earth is still here rules out the possibility that cosmic rays or the LHC could produce dangerous charged microscopic black holes.
Soweit ohne tiefe mathematische Kenntnisse möglich habe ich auch die Arbeit von Giddings/Mangano gelesen (Astrophysical implications of hypothetical stable TeV-scale black holes, 2008), und da steht (Seite 83):
Some of the hypothesized black holes from LHC could reach the Sun or the Moon. In the case of the Sun, its core is the only part that has a significant stopping power. The density in the core, whose radius is about Rcore _ 0.2R_ _ 1.4 × 105 km, reaches 150 gr/cm3, giving a column density hundreds of times greater than the Earth, allowing to stop black holes proportionally faster. On the other hand, the geometric probability that an LHCproduced black hole reaches the Sun’s core is only about 2.2 × 10-7, a number that by itself is much smaller than the probability of trapping inside the Earth.
d.h. wir könnten nicht „nur“ die Erde, sondern dazu oder stattdessen auch die Sonne „abschießen“… nein, das beruhigt mich nicht.
Es ist immer die gleiche Argumentation: Nach allen Berechnungen passiert nichts, und wenn doch, dann wird es gemäß anderer Berechnungen so lange dauern, dass es uns nicht schadet, und gemäß wieder anderer Berechnungen ist all das ohnehin unwahrscheinlich. (Und das nennt man dann Sicherheit). Mich erinnert das fatal an den Klimawandel, der plötzlich auch schon viel schneller eingetreten ist als die Vorausberechnungen sagten; wenn er nicht sogar generell für unmöglich gehalten wurde.
Zum Wahrscheinlichkeitsargument: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass eine physikalische, biologische, kulturelle und technologische Entwicklung auf einem Planeten unseres Sonnensystems einsetzt, die dazu führt, dass genau Sie jetzt dies lesen? Und doch ist es so. Daher beruhigt mich keine exponentiell geringe Wahrscheinlichkeit, denn gerade aus trotzdem eingetretenen Geschehnissen besteht unser Dasein.
Beunruhigend finde ich den oft abwertenden Umgang mit denen, die „gesicherte“ Wissenschaft in Frage stellen. Wir wissen doch, dass die Halbwertzeit unserer Erkenntnisse gering ist, dass wissenschaftliche Erkenntnis prinzipiell nur eine Annahme darstellt, die bis zu ihrer Falsifizierung gilt. Wie ist es also möglich, einen eventuellen Fehler aufzudecken, wenn das nicht sein darf? Wenn der, der sich gegen den „Mainstream“ stellt, lächerlich gemacht wird? In vielen Feldern schätzt man Quereinsteiger, weil diese eine frische Sicht auf die Dinge bringen, unkonventionelle Gedanken und Sichtweisen, und die Dinge in Frage stellen, die die Insider längst akzeptiert haben. Hier braucht jede Wissenschaft eine faire und offene Auseinandersetzung. Man darf nicht vergessen, dass wir alle uns innerhalb eines wiss. Paradigmas befinden, und irgendwann kommt es zu einem Paradigmenwechsel (Kuhn), wie in der Geschichte der Physik schon einige Male, gegen den sich das Establishment anfangs natürlich (aus seiner Sicht berechtigterweise) wehrt.
Wissenschaft steht im Dienste der Menschheit, und dies allein legitimiert sie. Niemals darf die Wissenschaft die Menschheit als Geisel nehmen. Bei einer Bedrohung unserer Existenz zeigt sich die Grenze dessen, was gemacht werden darf. Wissenschaft allein, ohne Kontrolle, will immer das Machbare machen und tut es auch wenn sie kann (siehe Atombombe). Daher darf sie hier nicht allein entscheiden.