Das Doomsday-Argument

spacewalk1

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Die Frage ist jetzt aber, wie wahrscheinlich sie ist. Es ist nicht gleich wahrscheinlich, eine Position die nur zu 1% eintritt zu beobachten, wie eine Position, die zu 99% eintritt. Letztere wird 99 Mal häufiger beobachtet.
In vergleichbaren Modellsituationen kann man zeigen, dass es eine Strategie gibt, mit der man mit frei wählbarer Sicherheit richtig liegt. Diese Strategie ist nichts anderes als die mathematisch formalisierte Version der Erkenntnis, dass es wahrscheinlicher ist, typisch zu sein, als untypisch. Der Schlüssel ist, sich als zufällig aus der Gesamtmenge gezogen zu betrachten. Wenn man nicht weiss, wo man in der Gesamtmenge hingehört, kann man dies annehmen, und wird damit mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem "grossen" Bereich der Gesamtmenge gezogen sein. Man stammt mit 100% Wahrscheinlichkeit aus der gesamten Gesamtmenge, mit 99% Wahrscheinlichkeit aus einem Bereich, der 99% der Gesamtmenge entspricht, mit 80% aus einem 80%-Bereich und so weiter.

Hallo Bynaus,

die DA Berechnungen sagen etwas über die wahrscheinliche Existenzdauer unserer Zivilisation aus.
Unsere Zivilisation existiert demnach nur für eine absehbare Zeit und stirbt danach aus. Gründe unbekannt.
Dies lässt den Schluss zu:

Zivilisationen können in der Galaxie keine Kolonien bilden.

Andernfalls würden wir uns ja als typische Zivilisation, mit hoher Wahrscheinlichkeit, innerhalb einer Kolonie befinden. Auch Signale und Spuren dieser Kolonien könnten wir möglicherweise bereits erkennen.

In Zukunft werden wir also gemäss DA, mit grosser Wahrscheinlichkeit, keine Habitate im Weltraum bewohnen und keine Kolonien auf fremden Planeten gründen.
Das Fermi Paradoxon könnte, als Beobachtung, eine zusätzliche Bestätigung für dieses Szenario sein.

Nun sind wieder zwei Szenarien denkbar:

1. DA trifft zu. Keine Kolonien möglich.
2. DA trifft nicht zu. Unsere Zivilisation entwickelt sich weiter und wird in der Lage sein Habitate zu bewohnen und fremde Planeten zu kolonialisieren.

Welches Szenario würdest Du bevorzugen?

Gruss
Spacewalk1
 

latentungenau

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Nein, das stimmt nicht. Siehe das Beispiel WTC: ich kann über die Lebenszeit des WTCs Aussagen machen, und während der Zeit, die es existiert, liege in 95% der Fälle damit richtig. Es ist nicht selbstbezügliche Logik. Ich könnte von mir aus auch ein Alien sein, das über die Menschheit nachdenkt. Es würde keinerlei Unterschied machen.

@ralfkannenberg:



Das ist korrekt. Ich sehe allerdings keinen Grund, daran zu zweifeln. Warum sollten Beobachter bevorzugt in bestimmten Zeiten auftreten? Alle Beobachter sind gleichberechtigt. Und wie ich schon versuchte UMa klar zu machen, wir können auch die "Vogelperspektive" annehmen und das ganze rein mathematisch abhandeln.

Nehmen wir 100 Menschen aus der gesamten Menschheitsgeschichte als Stichprobe und lassen sie das DA durchführen. 95% von ihnen werden mit ihrer Einschätzung richtig liegen.

Warum genau soll die Wahrscheinlichkeit, als beliebiger Beobachter zu denjenigen zu gehören, die mit ihrer Einschätzung falsch liegen, grösser sein als 5%? Anders gesagt, wenn ich mir einen der 100 Menschen aus der Stichprobe herausgreife, warum ist meine Chance, ausgerechnet einen, der mit seiner Einschätzung falsch gelegen hat zu erwischen, grösser als 5%?



Richtig! Es kommt eben darauf an, auf welche Population, bzw. ganz generell WORAUF du es anwendest. Je nach dem bekommst du andere Antworten. Durch den Umstand, dass die Menschheit seit gestern eine weitere Nacht hinter sich gebracht hat ohne auszusterben, sind ihre Chancen, länger zu überleben, gestiegen, zumindest aus unserer Position der Unwissenheit gegenüber der tatsächlichen Lebensdauer heraus.
Nur ein Test, bin schon mehrfach abgemeldet
 

Bynaus

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@Monod: Das DA hat einen Realitätsbezug: Die Erfahrung, dass wir viel häufiger typisch sind, als untypisch. Warum das Ticketbeispiel keinen Realitätsbezug haben soll, sehe ich nicht. Du kannst es selbst ausprobieren. So lange das Kino nicht bis auf den letzten Platz ausverkauft ist, könnte es auch beliebig gross sein, es würde für die Betrachtung keinen Unterschied machen (wenn es ausverkauft ist, gibt es wohl einige, die abgewiesen werden mussten, was in der Realität nicht vorkommt). Das Kaufen eines Tickets entspricht der Geburt und der Vergabe einer Geburtsnummer. Der springende Punkt ist, dass du selbst dann die Anzahl Besucher an diesem Abend zuverlässig abschätzen kannst, wenn noch nicht alle Tickets verkauft sind. Ich finde, die Analogie zur Menschheit springt einem sofort ins Auge, und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man anhand der Tickets die totale Besucheranzahl vernünftig abschätzen kann.

In beiden Fällen hat sich die 95-Prozent-Sicherheit in Luft aufgelöst, obwohl sie mathematisch korrekt ermittelt wurde. Irgend etwas muss also an den Grundannahmen der Doomsday-Kalkulation falsch sein.

Das Problem ist, dass du nicht wirklich zufällig aus allen Bakterien auswählst, sondern du wählst nur zufällig innerhalb von Phase 2 aus, in der - wie du ganz genau weisst - nur ganz wenige Bakterien leben, im Vergleich zur Gesamtsumme. Im Prinzip ist das lediglich eine etwas komplizierte Variation des Neandertaler-Argumentes: du pickst dir ein Individuum heraus, von dem du sicher weisst, dass es nicht typisch ist, und willst damit zeigen, dass das DA für dieses Individuum zu einem falschen Ergebnis kommt. Um das DA zu widerlegen, müsstest du jedoch zeigen, dass es nicht für 95% aller Bakterien mit 95% Wahrscheinlichkeit die richtige Antwort ergibt. Würdest du nämlich stattdessen zufällig aus deinen insgesamt 2^46 Bakterien auswählen, wäre die Bakteriennummer auf jeden Fall ein Mass für die Anzahl aller Bakterien, die es je in der Kultur geben wird. Du missachtest, dass zwar für die Bakterien in Phase 2 das DA zu 100% falsch ist - aber trotzdem ist das DA für 95% aller Bakterien, die je in der Kultur existieren, richtig! Zur Erinnerung: mit dem DA kommen 5% aller Bakterien zu einer falschen Einschätzung, 95% zu einer richtigen. Sich die paar wenigen (5%) Bakterien rauszusuchen, die mit dem DA zu einer falschen Einschätzung kommen, um dann damit das DA als widerlegt zu erklären, ist wiedersinnig: es ist klar, dass einige von ihnen falsch liegen müssen, und das DA sagt das auch explizit voraus.

Wenn du wüsstest, dass du irgend eine Bakterie wärst, aber nicht wüsstest, wie viele Bakterien es insgesamt geben wird (N), aber nun schätzen müsstest, wie gross sie wohl ist: Diejenige Bakterie, die die exakte Zahl oder das kleinste Intervall nennt, kommt in den Bakterienhimmel, alle anderen in die Bakterienhölle. Was würdest du tun? Was ist die beste Strategie?
A) Irgend eine natürliche Zahl raten?
B) Eine Zahl N = 500 Mio * deine Bakteriennummer nennen?
C) Abschätzen, dass N < 20 * deine Bakteriennummer ist?

Klar, wenn du eine arme Bakterie aus Phase 2 bist, wirst du damit falsch liegen. Pech gehabt. Aber eine Strategie, mit der du mit 95% richtig liegst, ist viel besser, als eine, bei der du dich auf pures Glück verlassen musst.

@Kibo:

Es gibt einen Indiz, das die Menschheit sich in Phase 2 befindet, denn unser Planet ist noch nicht voll, genau so wenig wie unser Sonnensystem, unsere Galaxie, oder unser Universum.

Dann müsste man die starke Annahme machen, dass wir diese Lebensräume noch füllen werden (und weiter, dass es sich dabei überhaupt um "Lebensraum" handelt, der gefüllt werden kann). Dafür haben wir keinerlei Anhaltsgrund. Aus unserer Sicht muss es leider als genauso plausibel gelten, dass wir uns selbst vernichten werden, bevor es so weit ist. Wir beobachten z.B. keine anderen, sich gerade mit Zivilisation füllenden oder gar vollen Galaxien im Universum. Wir haben auch keinerlei Hinweise darauf, dass das in unserer Galaxie schon mal geschehen ist, ja wir sehen sogar, dass die Erde relativ spät in der Phase, in der erdähnliche Planeten entstehen können, aufgetaucht ist.

Wenn das Gilt, so kann man das das DA nicht mehr nach dem Geburtsrang anwenden, da das, aufgrund der exponentiellen Vermehrung, unsinnig wäre.

Mit dem Geburtsrang hat das nichts zu tun, wohl aber damit, dass man unter der von dir gemachten starken Annahme, wir würden den Platz im Universum schon noch füllen, selbstverständlich untypisch wären. Aber die Frage läuft letztlich gerade anders herum: warum sollte man eine solche starke Annahme machen, annehmen, dass wir so extrem untypisch sind, wenn wir keinerlei Hinweis darauf haben, dass dem so ist? Ich kann mir nur eine Erklärung vorstellen: Wunschdenken. Das ist aber eher ein schlechter Ratgeber, wenn wir der Bedeutung unseres Platzes im Universum wirklich auf den Grund gehen wollen. Wunschdenken darf darin keinen Platz haben, sonst machen wir uns bloss etwas vor, verstellen uns selbst den Blick auf das potentiell Wesentliche.

@Spacewalk1: (ich rolle deinen Post von hinten auf...)

Welches Szenario würdest Du bevorzugen?

Die Frage ist doch nicht, welches Szenario ich bevorzuge. Wie gerade oben gesagt: es geht nicht um Wunschdenken. Mich interessiert, warum das Universum nicht voller Zivilisationen ist, und was uns unsere eigene Beobachtung, dass wir auf dem Heimatplaneten unserer Zivilisation sitzen, lange vor der Gründung irgendwelcher autarker Kolonien, uns dazu sagen könnte.


Ich nehme an, du meinst damit: Wir befinden uns im typischen Teil der Verteilung.

Zivilisationen können in der Galaxie keine Kolonien bilden. Andernfalls würden wir uns ja als typische Zivilisation, mit hoher Wahrscheinlichkeit, innerhalb einer Kolonie befinden.

Das ist korrekt. Zumindest wird der typische Beobachter nicht in einer Kolonie geboren. Es kann durchaus Kolonien geben, selbst wenn sich die Menschheit nicht mehr klassisch fortpflanzt. Man könnte sich z.B. ein Szenario vorstellen, in dem Menschen - etwa in Form von Uploads - unsterblich werden, und sich später höchstens noch durch digitale Rekombination vermehren. Jedes zukünftige Indviduum wäre dann ein Produkt von unzähligen Persönlichkeiten, deren jeweilige Ursprünge auf die Zeit ~ungefähr heute zurückgehen. Oder, alle Persönlichkeiten verschmelzen in einer einzigen, kollektiven Intelligenz, die darauf den Planeten (oder gleich das Universum?) verlässt, irgendwo anders hin. Oder noch etwas anderes. Das alles sind gewissermassen optimistische Szenarien, in denen die Menschheit irgendwie fortbesteht, auch wenn sie sich nicht mehr weiter fortpflanzt - weil Technologie sie zu etwas ganz neuem gemacht hat. Ob diese Szenarien auch für sich genommen und im Vergleich mit den vielen denkbaren Aussterbeszenarien realistisch sind, steht auf einem anderen Blatt.

Im Übrigen haben wir jeden Grund, anzunehmen, dass das Gründen von echten, autarken Kolonien auf fernen Planeten viel schwieriger ist, als uns die SciFi suggeriert. Am schwerwiegendsten auf lange Sicht scheint mir das Problem zu sein, dass eine Kolonie ohne regelmässigen Kontakt zur Heimatwelt niemals selbst das Technologielevel erhalten kann, die zu ihrer Aufrechterhaltung, speziell in einer lebensfeindlichen Umgebung, nötig ist. Eine Kolonie von 10000 Menschen kann vielleicht einen gewissen Lebens- und Technikstandard erhalten, aber der dürfte viel zu klein sein, um wirklich autark zu sein. Nehmen wir klassische Reproduktionsraten an, wird diese Kolonie pro Jahr nur vielleicht rund 100 Kinder hervorbringen. Jetzt nimm mal zufällig 100 Kinder: wie viele hochkarätige Ingenieure, Wissenschaftler, Mathematiker findet man denn wirklich darunter, mit denen man eine Kolonie betreiben könnte? Was macht man mit allen anderen? Was, wenn die alten Kolonisten, die ja wohl alle ebensolche Ingenieure, Wissenschaftler, Mathematiker waren, wegsterben? Wer ersetzt sie? Biologische Vermehrung ist einfach kein erfolgreicher Ansatz, um eine Kolonie in einer lebensfeindlichen, hochtechnisierten Umgebung langfristig zu erhalten. Es wäre, wenn schon, erfolgreicher, wenn die Kolonisten biologisch unsterblich wären. Dann muss die Kolonie auch nicht für ewig sein, und sie können weiterziehen, wenn sie getan haben, was immer sie auf dem Planeten (Mond, Asteorid...) tun wollten.

Damit kommen wir auch weg von der bakterienartigen Vermehrung, hin zu einem stabilen Gleichgewicht, bei dem die Zivilisation bis auf eine gewisse Grösse wächst, danach die Zahl der Geburten zurückgeht, dafür die mittlere Lebensdauer wächst, bis der reproduktive Teil der Bevölkerung ausgestorben ist. Danach kommt eine langgezogene Sterbephase mit nur noch gelegentlichen, künstlichen Reproduktionen. Schliesslich, wenn klar wird, dass die biologische Phase sich definitiv ihrem Ende zuneigt, dass das biologische Substrat Homo Sapiens sich überlebt hat, folgt der Übergang auf ein anderes, stabileres Substrat: der Upload. Die Individuen, die in der Zeit der biologischen Phase entstanden sind, könnten danach wohl noch extrem lange Zeit, auch Milliarden von Jahren, wenn es gut kommt, überdauern. Der typische Beobachter in diesem Universum wäre natürlich sehr alt, aber er hätte irgendwann einmal biologische Wurzeln auf der alten Erde von damals gehabt - er könnte sogar du oder ich sein. Über die Vorstellung, die Menschheit könnte sich Jahrmilliarden lang so vermehren, wie sie es einst während einer kurzen Phase auf der alten Erde tat, könnte er wohl nur trocken lachen.
 

Kibo

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Guten morgen:)

Nur ganz kurz:

Natürlich verträgt sich die Bakterienthese schlecht mit dem Fermi-Paradoxon.
und
Natürlich brauch man dafür dann auch zusätzliche Annahmen, die lassen sich aber schon finden wenn man die Menschheit mit Bakterien vergleicht.

Ich persönlich tendiere ja dem DA zuzustimmen, Ich will nur sagen dass ich auch Monods Argumentation verstehen kann.

mfg
 

spacewalk1

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@Bynaus

Ich nehme an, du meinst damit: Wir befinden uns im typischen Teil der Verteilung.


Ja, weil typische Zivilisationen in der Galaxie keine Kolonien bilden und aussterben werden.


Das ist korrekt. Zumindest wird der typische Beobachter nicht in einer Kolonie geboren. Es kann durchaus Kolonien geben, selbst wenn sich die Menschheit nicht mehr klassisch fortpflanzt. Man könnte sich z.B. ein Szenario vorstellen, in dem Menschen - etwa in Form von Uploads - unsterblich werden, und sich später höchstens noch durch digitale Rekombination vermehren.


Auf welche Art und Weise die Entwicklung in Richtungen wie Unsterblichkeit oder Kolonisation erfolgt, ist ohne Bedeutung.
Gemäss Doomsday Argument, befinden wir uns in einer typischen Position, in der das vorzeitige Aussterben mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen wird.


Gruss
Spacewalk1
 

Aragorn

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@Bynaus, Kibo
Und mit welchem Argument, entkräftet ihr Lina-Inverses Argumentation, daß wir zu einer typischen Zeit leben? Wieso sollte man den Gleichverteilungssatz hier nicht ebenso anwenden können, wie auf die Population?

Gruß Helmut
 

Bynaus

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spacewalk1 schrieb:
Gemäss Doomsday Argument, befinden wir uns in einer typischen Position, in der das vorzeitige Aussterben mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen wird.

Nicht zwingend. Nur, wenn das Ende der Geburt von weiteren Beobachtern auch das Ende der Menschheit bedeutet. Das Problem ist, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit typische Beobachter sind, das heisst, es werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr viele Grössenordnungen mehr Beobachter geboren als schon geboren wurden.

Das sagt aber gar nichts darüber aus, was später mit diesen Beobachtern geschieht. Wenn man biologische Unsterblichkeit oder Uploads kategorisch ausschliesst, dann muss man wohl das DA so deuten, dass die Menschheit aussterben wird. Wenn nicht, ist alles offen - so lange nur die Anzahl zusätzlicher Beobachter beschränkt bleibt.

Ob das dann als ein "vorzeitiges" Aussterben zu gelten hat, sei dahingestellt.

Aragorn schrieb:
Und mit welchem Argument, entkräftet ihr Lina-Inverses Argumentation, daß wir zu einer typischen Zeit leben? Wieso sollte man den Gleichverteilungssatz hier nicht ebenso anwenden können, wie auf die Population?

Weil die Geburten über die Zeit nicht exakt zufallsverteilt sind. Rund 10% aller Menschen, die bisher überhaupt auf der Erde gelebt haben, sind im 20. Jahrhundert geboren. Die Chance, in einem bestimmten früheren Jahrhundert geboren zu sein, ist - jeweils - deutlich kleiner. Damit sind die (bisherigen) Menschen aber nicht zufällig aus der Zeit gezogen, sondern aus bestimmten Zeiten (z.B. dem 20. Jahrhundert) leicht bevorzugt. Damit kann man auch nicht mehr davon ausgehen, dass sich 95% von ihnen wirklich im mittleren 95%-Intervall der Zeit befinden.

Das war mir am Anfang der DA-Diskussion auch nicht ganz klar, aber seit UMa's hilfreichem "Sehenswürdigkeitsbeispiel" leuchtet mir das völlig ein. Man stelle sich eine Sehenswürdigkeit vor, die von Besuchern angesehen wird. Wenn immer etwa gleich viele Besucher kommen, dann kann man davon ausgehen, dass für 95% aller Besucher gilt: Die Sehenswürdigkeit wird noch zwischen 1/39 und 39 Mal so lang existieren, wie sie schon existiert hat. Man darf annehmen, dass man ein typischer Besucher über die Zeit ist. Wenn man sich nun aber stattdessen vorstellt, dass die Sehenswürdigkeit statt eine konstante eine exponentiell wachsende Anzahl Besucher anzieht, dann wird sie zu dem Zeitpunkt, an dem sie - aus welchen Gründen auch immer - zerstört wird, am meisten Besucher haben, und die grosse Mehrheit der Besucher wird sie kurz vor ihrer Zerstörung gesehen haben. Die Mehrheit der Besucher wäre dann also mit dem (auf die Sehenswürdigkeit angewandten) DA über die Zeit falsch gelegen. Aber das liegt eben daran, dass eine der Bedingungen des DA missachtet wurde: man kann bei exponentiell wachsenden Besucherzahlen nicht mehr davon ausgehen, dass die Beobachter über die Zeit gleichverteilt sind. Anders wäre es hingegen bei den (seit der Eröffnung der Sehenswürdigkeit durchnummerierten) Ticketnummern. Jeder Besucher könnte davon ausgehen, dass diese charakteristisch (typisch) ist für die totale Anzahl Besucher, die die Sehenswürdigkeit haben wird, unabhängig von der tatsächlichen Verteilung der Besucher über die Zeit.

Beim DA mit der Menschheit entspricht der Geburtsrang der Ticketnummer: weil jeder Mensch geboren wird, und jeder Geburtsrang nur einmal vergeben wird, ist es berechtigt, davon auszugehen, dass man einen zufälligen - und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit typischen - Geburtsrang gezogen hat.
 
Zuletzt bearbeitet:

Aragorn

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BYNAUS schrieb:
Weil die Geburten über die Zeit nicht exakt zufallsverteilt sind.
Das müssen sie ja auch bei Anwendung des Gleichverteilungssatzes der Lebensdauern nicht sein.

Wenn im Topf alle Lebensdauern vorhanden sind, dann wird man bei einer willkürlichen Ziehung, ebenso eher typische Lebensdauern ziehen.

Da beide Verfahren zu extrem unterschiedlichen Ergebnissen führen (wie Linux-Inverse gezeigt hat), sind ergo beide Gleichverteilungssätze für Zukunftsprognosen unbrauchbar.

Gruß Helmut
 

spacewalk1

Registriertes Mitglied
Nicht zwingend. Nur, wenn das Ende der Geburt von weiteren Beobachtern auch das Ende der Menschheit bedeutet. Das Problem ist, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit typische Beobachter sind, das heisst, es werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr viele Grössenordnungen mehr Beobachter geboren als schon geboren wurden.

Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% ist eine DA oder SSA Berechnung immer richtig.

Sollte jemand Gegenargumente aufbringen, passt man einfach die Aussage zur Referenzklasse entsprechend an.

Beim DA mit der Menschheit entspricht der Geburtsrang der Ticketnummer: weil jeder Mensch geboren wird, und jeder Geburtsrang nur einmal vergeben wird, ist es berechtigt, davon auszugehen, dass man einen zufälligen - und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit typischen - Geburtsrang gezogen hat.


Die Referenzklassen von "Affen auf Bäumen", "Menschen und Zivilisationen" oder "alle Beobachter in diesem Universum", können beliebig erweitert, geändert und als Argumentation eingesetzt werden.

Es ist es auch möglich, mit geschickter Umschreibung, unbemerkt zwischen ähnlichen Referenzklassen zu wechseln.

Sind die Referenzklassen offen genug definiert, können sie beliebig interpretiert werden, was mit Sicherheit zu verschiedenen Meinungen führt.

Gruss
Spacewalk1
 

Monod

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@ Bynaus:

Das Bakterienbeispiel ist durchaus mit der Menschheit im gegenwärtigen Status vergleichbar. Die Populationsentwicklung ist noch nicht abgeschlossen, so dass ich in Bezug auf die Gesamtzahl aller Individuen keine freie Zugriffswahl habe, sondern auf Phase 2 beschränkt bin - so wie die Bakterien in einer Kultur befindet sich die Menschheit derzeit in einer exponentiellen Wachstumsphase. Im Unterschied zu einer Bakterienkultur befindet sich die Menschheit nicht in einem abgeschlossenen System, sondern in einem offenen, so dass das Eintreten der Absterbephase sich noch einmal um einige Größenordnungen verzögern kann - mit der Folge, dass die zu erwartende Individuenzahl noch mehr steigt als für ein geschlossenes System kalkuliert.

Da wir nicht wissen, wann die Stationäre Phase eintritt und wie lange sie andauert sowie wie lange sich die Absterbephase hinzieht, ob eine Konsolidierung auf niedrigerem Niveau eintritt usw. können wir unseren gegenwärtigen Status noch nicht mal in Phase 2 einigermaßen präzise verorten. Jetzt einfach aus der Luft gegriffen zu behaupten, wir lägen irgendwo innerhalb der 95 Prozent, ohne dafür andere Anhaltspunkte zu haben als irgendwelche Analogien, die mit dem Geburtsrang nichts zu tun haben, ist zwar ein netter Trick, der aber - ich schrieb es schon oft - ohne Bodenhaftung ist. Dann noch zu behaupten, wir hätten diese Sicherheit zu 95 Prozent, obwohl wir sie de facto nicht bzw. nur zu 50 Prozent haben ("Kann sein/Kann nicht sein"), ist so weit von der Realität entfernt wie es nur irgendwie geht.

Das einzige was Du machst, ist, anzunehmen, wir seien innerhalb der 95 Prozent. Das legst Du einfach so fest, ohne irgendwelche Belege zu haben, die mit der Populationsentwicklung zu tun haben. Du kannst diese Annahme zwar treffen, aber du hast darin keinerlei Sicherheit, die über das reine Raten nach 50/50-Modus hinausgeht. Ausgehend von dieser Annahme stellst Du die Kalkulation an und erhältst eine Spanne von zu erwartenden Werten, wenn die eingangs vorgenommene Annahme zutrifft. Mathematisch ist das zwar korrekt, aber da du in Realität nicht weißt und wissen kannst, ob wir uns tatsächlich im 95-Prozent-Intervall befinden, ist das Resultat in Wirklichkeit nichts wert. Die zugrundeliegende Annahme ist völlig aus der Luft gegriffen und daher kannst Du Dir in Wirklichkeit nicht zu 95 Prozent sicher sein, dass das Resultat Deiner Kalkulation auch in Wirklichkeit zutrifft.

Weiterhin kommt hinzu, dass Populationsentwicklung ein sehr dynamischer und über viele Wechselwirkungen beeinflusster Prozess ist, der unter natürlichen Bedingungen keineswegs so ideal verläuft wie im Labor. Einfach nur einen Geburtsrang herauszunehmen und daraus abzuleiten, es kämen nur noch so und so viele Individuen hinzu, weil es eine abstrakte Kalkulation so ergibt, ist dermaßen abgehoben, dass mir angesichts der Selbstsicherheit, mit der hier 95 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit postuliert werden, einfach nur noch die Worte fehlen. Deshalb höre ich an dieser Stelle auf und überlasse Dich Deinem Glauben an die Relevanz der Doomsday-Kalkulation. Mich hast Du damit keineswegs überzeugt, auch wenn es Dir vielleicht nichts bedeuten mag. Ich für meinen Teil habe mit dem Thema Doomsday-Kalkulation abgeschlossen. Es ist absurd und Unsinn.

Monod
 

Bynaus

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Aragorn schrieb:
Das müssen sie ja auch bei Anwendung des Gleichverteilungssatzes der Lebensdauern nicht sein.

Doch, das müssen sie, wie UMa's Beispiel mit der Sehenswürdigkeit zeigt.

spacewalk1 schrieb:
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% ist eine DA oder SSA Berechnung immer richtig.

Ja, aber was ich dir sagen wollte war: du musst vorsichtig sein, was wirklich aus dem DA folgt und was nicht. Das Aussterben der Menschheit folgt aus dem DA bezogen auf die Geburtsränge nicht zwingend, selbst wenn wir typisch sind. Es werden irgendwann bloss keine neuen Beobachter mehr geboren. Das ist durchaus mit einem Fortbestehen der Menschheit verträglich, zumindest in gewissen Szenarien.

Die Referenzklassen von "Affen auf Bäumen", "Menschen und Zivilisationen" oder "alle Beobachter in diesem Universum", können beliebig erweitert, geändert und als Argumentation eingesetzt werden.

Es ist wichtig, dass alle von der gleichen Referenzklasse reden. Ich denke, wir sind uns einig, dass wir hier von menschlichen Beobachtern reden. Irgendwo in der Vergangenheit wird die Abgrenzung der Referenzklasse etwas schwammig, aber das spielt keine Rolle, weil das ohnehin nur geringe Anzahlen an Menschen umfasst.

Monod schrieb:
Das Bakterienbeispiel ist durchaus mit der Menschheit im gegenwärtigen Status vergleichbar. Die Populationsentwicklung ist noch nicht abgeschlossen, so dass ich in Bezug auf die Gesamtzahl aller Individuen keine freie Zugriffswahl habe, sondern auf Phase 2 beschränkt bin - so wie die Bakterien in einer Kultur befindet sich die Menschheit derzeit in einer exponentiellen Wachstumsphase.

Zunächst einmal ist das Wachstum der Menschheit längst nicht mehr exponentiell. Aber: Wir wissen nicht, wohin die Entwicklung noch führt. Da Bakterien keine Atomkriege führen, keine KI und keine Kalte Fusion entwickeln und sich höchst selten mit Nanobots auslöschen (und zudem die Nährlösung so bemessen ist, dass sie die gewünschte Populationsgrösse erreichen, was bei der Menschheit nicht behauptet werden kann), kannst du in der Regel darauf zählen, dass sich eine Bakterienkolonie entwickelt wie viele andere zuvor. Das Problem ist: wir kennen keine "viele anderen zuvor". Der Umstand, dass wir uns eine Bevölkerungsentwicklung mit langsamer Stagnation und anschliessendem Rückgang vorstellen können, heisst noch lange nicht, dass es auch so kommen wird.

Ich weise dich vielmehr darauf hin, dass die Annahme, wir seien einigermassen typisch innerhalb der Menschheit, im Gegensatz zu deiner Aussage durchaus plausibel innerhalb der anhand heutiger Werte extrapolierten künftigen Bevölkerungsentwicklung der Menschheit ist.

Ich hab das spasseshalber mal in einem Excel-File nachgebildet, mit dem ich die typischen Uno-Bevölkerungsszenarien relativ gut abbilden kann. Die Bevölkerung nimmt zu bis zu einem Maximum von etwa 10 Mrd zu und nimmt dann langsam ab. Ich bin eher etwas auf der hohen Seite, mit einem Maximum von knapp unter 10 Mrd im Jahr 2100, und einer konstanten Abnahme danach. Die Fruchtbarkeitsrate ist eine (invers proportionale) Funktion der Wirtschaftsleistung pro Kopf, wie weltweit beobachtet. Die weltweite Lebenserwartung steigt jährlich um knapp drei Monate (ohne obere Grenze, was der Grund sein mag, warum bei meinem Szenario die Bevölkerung den Peak später und mit höheren Zahlen erreicht). Mit diesem Szenario gibt es folgende Anzahlen Menschen, in der letzten Spalte jeweils die Anzahl Menschen, die bis dahin gelebt hat:

2010: 6.8 Mrd, 110 Mrd
2050: 8.8 Mrd, 117 Mrd
2100: 9.8 Mrd, 124 Mrd
2150: 9.9 Mrd, 130 Mrd
2200: 9.7 Mrd, 134 Mrd
2300: 8.6 Mrd, 141 Mrd
2500: 6.2 Mrd, 150 Mrd
3000: 2.3 Mrd, 155 Mrd

Wie man sieht, geht es nachher rapide abwärts, viele kommen da nicht mehr. Klar, man kann nicht so einfach in diese Zeiten extrapolieren. Aber nimmt man die bisherige Entwicklung, und extrapoliert sie weiter (so wie es die Bakterien auch tun könnten), dann kommt man eben (erstaunlicherweise?) auf Zahlen, die voll und ganz verträglich mit dem DA sind. Man müsste schon postulieren, dass aus irgend einem Grund die Menschen weltweit beschliessen, es sei jetzt eine ganz tolle Idee, plötzlich wieder 2 und mehr Kinder pro Frau zu haben - nur mit so einem extremen Szenario liesse sich diese Entwicklung umkehren.

Gehen wir mal von dieser langfristigen Stabilisierung auf 2 Kinder/Frau aus. Das gibt es zwar bisher nicht, aber nehmen wir an, es wäre so: Das ergibt, auf das Jahr 3000 hinaus, eine drastische Veränderung: statt 155 Mrd werden in diesem Fall bis dahin rund 10'000 Mrd Menschen gelebt haben (wir wären damit extrem), von denen sich 60% davon zu jener Zeit gleichzeitig auf die arme Erde zwängen! Doch wenn wir mit ganz viel Goodwill den Kollaps der Erde mit anschliessendem Aussterben erst bei 100 Mrd Einwohnern (etwa im Jahr 2350) ansetzen, dann hätten bis dahin wieder bloss 300 Mrd gelebt, wieder in guter Übereinstimmung mit dem DA.

Wir haben also mehrere, unabhängige Indikatoren, die alle darauf hindeuten, dass wir durchaus typisch sein dürften. Eine vernünftige Bevölkerungsentwicklung, die ein langfristiges Überleben der Menschheit auf der Erde sicherstellt (die Vorbedingung für eine sehr lang überlebende Menschheit), erzwingt geradezu eine Schrumpfung über die nächsten Jahrhunderte, kein Wachstum - und genau das stellt sicher, dass die Anzahl Menschen, die total gelebt haben, nie signifikant grösser wird, als sie heute schon ist.

Wie sieht es ganz langfristig aus? Die Geburtenzahlen gehen in dem Modell immer weiter zurück, und zwar so lange, wie die Fertilitätsrate unter 2 bleibt (im Jahr 3000 gibt es gerade mal noch 100 Mio Menschen, die überhaupt im fortpflanzungsfähigen Alter sind). Ich denke, es gibt eine Reihe von Gründen, warum das langfristig so bleiben wird. Die Menschheit wird sich - wenn sie nicht vorher durch Katastrophen ausstirbt - völlig transformieren, durch die Möglichkeiten, die die Technologie ihr gibt. Das Leben, das wir heute führen, wird jenen Menschen viel fremder sein als uns das Leben der Steinzeitmenschen. Dass es irgendwann praktisch keine Geburten mehr gibt (ohne, dass deswegen gleich die Menschheit aussterben muss), scheint mir in diesem Kontext völlig plausibel.

PS: Wer das Excel-File will, kann es per PN (inkl E-Mail-Adresse) anfordern.

Das einzige was Du machst, ist, anzunehmen, wir seien innerhalb der 95 Prozent. Das legst Du einfach so fest, ohne irgendwelche Belege zu haben, die mit der Populationsentwicklung zu tun haben.

Wie jetzt demonstriert, mache ich das gar nicht. Aber ich lege auch nicht fest, dass wir in den mittleren 95% sind. Ich sage: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir es sind, ist aus Erfahrung in vergleichbaren Situationen 95%. Bei völliger Unkenntnis der tatsächlichen Zukunft (oder: ohne zwingenden Grund für das Gegenteil) können wir einfach mal davon ausgehen, dass das auch hier zutrifft, und werden mit eben 95% Wahrscheinlichkeit richtig liegen.

Weiterhin kommt hinzu, dass Populationsentwicklung ein sehr dynamischer und über viele Wechselwirkungen beeinflusster Prozess ist, der unter natürlichen Bedingungen keineswegs so ideal verläuft wie im Labor.

Falls das bis dahin nicht klar geworden ist: Das DA basiert nicht auf Populationsentwicklung, auf irgendwelchen Annahmen über den Menschen oder wie er leben und aussterben könnte.

Es ist ein rein statistisches Argument, das darauf basiert, dass wir Teil einer endlichen Menge (Menschen) sind, und die meisten Elemente dieser Menge darin eine typische Position einnehmen, womit wir, bis zum Beweis des Gegenteils, davon ausgehen können, ebenfalls typisch zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:

spacewalk1

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Schmidts Katze

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Das einzige was Du machst, ist, anzunehmen, wir seien innerhalb der 95 Prozent. Das legst Du einfach so fest, ohne irgendwelche Belege zu haben, die mit der Populationsentwicklung zu tun haben. Du kannst diese Annahme zwar treffen, aber du hast darin keinerlei Sicherheit, die über das reine Raten nach 50/50-Modus hinausgeht.

Nein, das legt Bynaus nicht fest.

Er sagt nur:
Wenn jeder Mensch davon ausgeht, daß er zu den mittleren 95% aller Menschen gehört, dann haben 5% danebengelegen, aber 95% liegen richtig.
Und das scheint mir trivial.

Die Wahrscheinlichkeit, zu den 95% zu gehören, ist nunmal 19mal so groß, wie die Wahrscheinlichkeit, zu den 5% zu gehören, und nicht 50/50 (die Chance, eine 6 zu würfeln, ist auch nicht 50/50, sondern 1:5), deshalb ist es sinnvoll, wenn man keine weiteren Daten hat, davon auszugehen, daß man zu den 95% gehört.

Grüße
SK
 

spacewalk1

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Es ist ein rein statistisches Argument, das darauf basiert, dass wir Teil einer endlichen Menge (Menschen) sind, und die meisten Elemente dieser Menge darin eine typische Position einnehmen, womit wir, bis zum Beweis des Gegenteils, davon ausgehen können, ebenfalls typisch zu sein.

Hört sich erstmal gut an. Die Aussage ist aber etwas unvollständig.
Der Zähler steht bei der Zahl Null.

Bei welcher Position, ausgehend von 0...., beginnt, Deiner Meinung nach, der typische Bereich aus der endlichen Menge (Menschen)?


Gruss
Spacewalk1
 

Bynaus

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NACHTRAG:

Monod schrieb:
Mich hast Du damit keineswegs überzeugt, auch wenn es Dir vielleicht nichts bedeuten mag. Ich für meinen Teil habe mit dem Thema Doomsday-Kalkulation abgeschlossen. Es ist absurd und Unsinn.

Vergessen wir mal das DA, ich will versuchen, dir zu erklären, warum ich dir im Fermi-Paradoxon-Thread ursprünglich widersprochen habe, und zwar ganz und gar ohne DA.

Nehmen wir dein Szenario: Die Menschheit wir 1 Mrd Jahre lang existieren, mit 100 Mio Geburten pro Jahr. Ich nehme an, du räumst ein, dass wir darin extrem untypisch sind.

Ich stelle nun "Regel 0" auf, die besagt: die Wahrscheinlichkeit, dass eine Situation eintrifft, hängt davon ab, wie typisch sie ist. Je typischer sie ist (dh, je häufiger sie innerhalb der betrachteten Verteilung vorkommt), desto wahrscheinlicher wird sie auch beobachtet. Diese Art der Wahrscheinlichkeit nennt man auch eine "a priori" Wahrscheinlichkeit, weil man sie einem Ereignis zuordnet, bevor es geschehen ist. So hat z.B. ein Würfel eine "a priori"-Wahrscheinlichkeit von 1/6 (oder 16.7%), eine 5 zu würfeln.

Ein Beispiel für die Anwendung von Regel 0: Flugzeuge stürzen selten ab. Also ist die Wahrscheinlichkeit generell klein, dass ausgerechnet das nächste Flugzeug, in das ich mich setze, abstürzt. Es ist also klug (oder vernünftig), davon auszugehen, dass das, was für Flugzeuge im allgemeinen gilt, auch für meinen nächsten Flug gilt (sofern ich nicht einen spezifischen Hinweis auf das Gegenteil habe).

Wenn "Regel 0" gilt, dh, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Situation eintrifft tatsächlich davon abhängt, wie typisch sie ist, dann haben offensichtlich Szenarien mit typischen Situationen eine hohe Wahrscheinlichkeit, einzutreffen, und Szenarien mit untypischen Situationen eine geringe Wahrscheinlichkeit, einzutreffen.

Wieder auf das Beispiel angewandt: So lange wir keine Belege für das Gegenteil haben, müssten wir die Aussage (das Szenario) "Dieses Flugzeug wird abstürzen!" als unwahrscheinlich taxieren. Die Aussage "dieses Flugzeug wird nicht abstürzen!" müsste man dagegen als sehr wahrscheinlich bezeichnen. Gewissheit gibt es allerdings in beiden Fällen natürlich nicht.

Genau dieses Prinzip habe ich nun einfach auf dein 1-Mrd-Jahre-Szenario angewandt: da wir darin eine sehr untypische Position einnehmen, müssen wir - gemäss Regel 0 - diesem Szenario mangels Belege für das Gegenteil eine geringe (a priori) Wahrscheinlichkeit zuordnen. Einem alternativen Szenario, in dem wir eine typische (typischere) Position einnehmen, müssen wir ohne Belege für das Gegenteil eine hohe (höhere) Wahrscheinlichkeit zuordnen.

Das ist im Prinzip schon alles. Es gibt in beiden Fällen keine starken Belege für das (jeweilige) Gegenteil. Es gibt vielleicht eine emotionale Bevorzugung des einen oder anderen Szenarios, aber mit einer realistischen Einschätzung hat das dann nichts mehr zu tun. So lange sich an der Faktenlage nichts ändert, ist es immer vernünftiger, bei der oberen (a priori) Einschätzung gemäss Regel 0 zu bleiben. Es ist eine vorsichtige, vorläufige, zurückhaltende Einschätzung, die jeglichen tatsächlichen Beobachtungsdaten bereitwillig Platz macht.
 

Bynaus

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Sorry für die übersprungenen Beiträge - der Kommentar an Monod entstand offline.

spacewalk1 schrieb:
Hier bleibt von Deiner Wertschätzung, für eine Referenzklasse, nur noch ein poröser Schwamm übrig!

Weil es keine Rolle spielt. Der Schwamm ist winzig gegenüber dem ganzen Riff, sozusagen, oder konkret: Diejenigen Menschen, die definitiv als solche gelten können, sind um Grössenordnungen zahlreicher als die paar, bei denen wir es nicht so genau sagen können. Es ändert an der qualitativen Aussage das DA nichts, und an der quantitativen sehr wenig, ob wir diese Menschen (?) in die Referenzklasse einbeziehen oder nicht.

Der Zähler steht bei der Zahl Null.

Welcher Zähler?

Aragorn schrieb:
Nein, denn UMa's Beispiel beruht nicht auf dem Gleichverteilungsatz von Zivilisations-Lebensdauern.

Hm, offebar habe ich dich falsch verstanden. Worauf willst du nochmals hinaus?
 

Monod

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Die Fruchtbarkeitsrate ist eine (invers proportionale) Funktion der Wirtschaftsleistung pro Kopf, wie weltweit beobachtet.

Schon da gehts los - o je! - dass die abnehmenden Geburtenzahlen weniger etwas mit der pro Kopf Wirtschaftsleistung sondern eher etwas mit den Lebensbedingungen in einer Industriegesellschaft zu tun haben, die es aus Gründen der Arbeitsplatzsicherheit und/oder Karrierevorstellungen nicht erlauben, Kinder zu bekommen, verweist eher auf eine Scheinkoinzidenz. Daraus nun zu extrapolieren, in der Zukunft geht es den Menschen besser, sie erreichen mehr Wirtschaftsleistung pro Kopf, also nehmen die Geburtenzahlen rapide ab, zeigt ein reichlich naives Herangehen an die Sache.

Die weltweite Lebenserwartung steigt jährlich um knapp drei Monate (ohne obere Grenze, ...

Ach ja? Also in 400 Jahren steigt die Lebenserwartung um 100 Jahre und in 800 Jahren um 200 Jahre? Dazu müsste man zunächst erst einmal wissen, ob das Genom so etwas leisten kann. Ich habe da so meine Zweifel ...

Wie man sieht, geht es nachher rapide abwärts, viele kommen da nicht mehr.

Klar, wenn man sich das Szenario so bastelt, wie Du es getan hast, kommt da tatsächlich nicht mehr viel, aber was ist das Szenario wert, wenn schon zwei ungedeckte Annahmen drinstecken (Abnahme der Fruchtbarkeit und exorbitante Zunahme der Lebenserwartung)? Meiner Ansicht nach nichts, aber bitteschön, wem's gefällt ...

Man müsste schon postulieren, dass aus irgend einem Grund die Menschen weltweit beschliessen, es sei jetzt eine ganz tolle Idee, plötzlich wieder 2 und mehr Kinder pro Frau zu haben - nur mit so einem extremen Szenario liesse sich diese Entwicklung umkehren.

Das ist nicht extrem, das zeichnet eine stabile Population aus - im Durchschnitt 2 Kinder pro Familie weltweit. Falls sich irgendwann nach dem Peak - meinetwegen bei 10 Milliarden - die Population stabilisiert - eventuell auch nach einem Bevölkerungsrückgang auf z.B. 5 oder 8 Milliarden (reine Spekulation von mir!) - dann wird genau dies der Fall sein. Entweder sorgen Nahrungsmittelkrisen oder politische Sanktionen dafür, dass sich die Zahl der geschlechtsreif werdenden Kinder auf 2 einpegelt. Wann das der Fall sein wird und wie lange diese stabile Phase andauert, weiß niemand und ist auch nicht zu extrapolieren.

Doch wenn wir mit ganz viel Goodwill den Kollaps der Erde mit anschliessendem Aussterben erst bei 100 Mrd Einwohnern (etwa im Jahr 2350) ansetzen, ...

Um diese Prognose ernst zu nehmen, benötige ich noch viel mehr Goodwill ... :D

Wir haben also mehrere, unabhängige Indikatoren, die alle darauf hindeuten, dass wir durchaus typisch sein dürften.

Ich konnte leider keinen einzigen Indikator entdecken, der uns in den 95-Prozent-Bereich verortet, dafür ein zurechtgemauscheltes Szenario, das merkwürdigerweise die Zahlen auswirft, die im erwünschten Bereich liegen ... seltsam ...

(im Jahr 3000 gibt es gerade mal noch 100 Mio Menschen, die überhaupt im fortpflanzungsfähigen Alter sind)

Glaubst Du das wirklich? Ich nicht, und Dein Zahlenspiel überzeugt mich kein bisschen davon. Die durchschnittliche Lebenserwartung wird steigen, vielleicht auf 120 Jahre, mit genetischer Optimierung vielleicht auf 150 Jahre, aber viel mehr wird nicht drin sein. Bleiben wir mal bei 10 Milliarden Menschen und bei einer Fertilität zwischen 15 und 65 Jahren, dann ergeben sich etwa 5 Milliarden Frauen und Mädchen, die ein Drittel ihrer Lebenszeit fertil sind (bei angenommenen 150 Lebensjahren). 5 durch 3 ergibt 1,67, also 16,7 mal mehr als Dein Szenario hergibt - wie realitätsnah sind da Deine Zahlen?

Ich denke, es gibt eine Reihe von Gründen, warum das langfristig so bleiben wird.

Ich denke, es gibt keinen Grund, warum das jemals so kommen wird. Solange es Menschen gibt, bleiben sie Menschen - inklusive ihrer fundamentalsten Bedürfnisse, die sich u.a. in geborenen Kindern niederschlagen. Langfristig werden es im Durchschnitt 2 sein, weil die ökologische Kapazität der Erde begrenzt ist. Also nix mit Abnahme der Fortpflanzungsfähigkeit, eher schon Zunahme der Kindersterblichkeit wegen Hunger und Krankheiten, weil die sozialen und medizinischen Systeme zusammenbrechen. Das bedeutet aber nicht automatisch eine Abnahme der Population bis auf Null, sondern die Einpegelung auf ein niedrigeres Niveau, welches das Überleben der Gesamtpopulation ermöglicht - auch über lange Zeiträume.

Die Menschheit wird sich - wenn sie nicht vorher durch Katastrophen ausstirbt - völlig transformieren, durch die Möglichkeiten, die die Technologie ihr gibt.

Oder nur der kleine elitäre Überbau, der es sich leisten kann. Die breite Basis wird sich auf die übliche Weise fortpflanzen, bis irgendwann tatsächlich einmal eine finale Katastrophe über die Menschheit hereinbricht.

Dass es irgendwann praktisch keine Geburten mehr gibt (ohne, dass deswegen gleich die Menschheit aussterben muss), scheint mir in diesem Kontext völlig plausibel.

Mir erscheint es nur wie schlechte Science-Fiction und damit völlig unplausibel, aber bitteschön - jedem nach seiner Facon.

Die Wahrscheinlichkeit, dass wir es sind, ist aus Erfahrung in vergleichbaren Situationen 95%.

Wie bitte? Welche vergleichbaren Situationen gibt es denn in Bezug auf den Geburtsrang? Bitte jetzt keine Banalitäten aus dem täglichen Leben, wie z.B. in der Schlange stehen u.ä., die hier als Analogie herhalten müssen. Aus welchen Fakten schließt Du, dass wir uns mit dieser Sicherheit (95 Prozent) innerhalb der 95 Prozent der Gesamtzahl aller Menschen, die jemals leben/gelebt haben/leben werden, befinden? Bitte auch keine getürkten Excel-Szenarien, die nichts belegen, sondern lediglich nur nahelegen - was macht Dich so sicher, dass es so sei?

... können wir einfach mal davon ausgehen, dass das auch hier zutrifft, und werden mit eben 95% Wahrscheinlichkeit richtig liegen.

Tja, das können wir eben nicht a priori, wie das Bakterienbeispiel eindrucksvoll demonstriert hat - und das, obwohl ich die Werte schon deutlich nach unten frisiert habe, um wenigstens in die Nähe des Doomsday-Intevalls zu kommen. Wir können allenfalls mit 50 Prozent Sicherheit annehmen, dass wir mit der Vermutung, im 95-Prozent-Intervall zu liegen, richtig liegen - entweder ja oder nein. Allerdings ist freies Raten mathematisch weniger aufwändig als eine Doomsday-Kalkulation, zumal letztere nichts Verwertbares zutage befördert.

... womit wir, bis zum Beweis des Gegenteils, davon ausgehen können, ebenfalls typisch zu sein.

Dumm nur, dass dieser Beweis erst jenseits der Lebenszeit der hier Teilnehmenden möglich ist ... Eine schöne Immunisierungsstrategie, die die Doomsday-Kalkulation argumentativ unangreifbar macht - mathematisch ist sie ja korrekt! - nur mit der Realität hapert es gewaltig, wenn man sich denn mal die Mühe macht, sie an realen Populationen auszutesten, die innerhalb kurzer Zeiträume in ihrer Gesamtentwicklung überschaubar sind. Sie will sich der mathematischen Vorgabe einfach nicht unterwerfen ...

Es steht Dir natürlich frei, die Realität so hinzubiegen, dass es irgendwie wieder in die Schablone passt, die Du Dir da zurechtgelegt hast, aber mir scheint, Du hast Dich da in etwas verrannt, das es nicht lohnt, sich darin zu verrennen. Ich möchte und werde Dir darin nicht folgen. Ich wünsche Dir trotzdem alles Gute! :)

Monod
 

Aragorn

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