Interessanter Beitrag! Aber ich bin überhaupt nicht deiner Meinung...
Jedenfalls werden wir dafür wohl nicht die 9120 Jahre brauchen, die und das Doomsday-Argument noch gewährt.
Naja, wenn du schon das Doomsday-Argument ins Spiel bringst, ist es sinnlos, über die Unsterblichkeit von Zivilisationen zu diskutieren...
Aber lassen wir das mal beiseite.
Sobald eine Zivilisation ins All vorgestossen ist, halte ich eine Auslöschung für relativ unwahrscheinlich.
Das dachte ich früher auch mal. Aber wenn man sich das auf den zweiten Blick etwas genauer anschaut, kommen einem schon Zweifel auf.
Der Mensch ist durch und durch ein Bewohner der Erde. Wir funktionieren langfristig nur dann "richtig" (physisch, psychisch...) wenn wir uns in einer erdähnlichen Umgebung befinden. Richtige Gravitation, richtige Temperatur, richtige Luftzusammensetzung, richtiger Druck, richtige Nahrungsmittel, richtige Gesellschaft, etc. etc. Wir Menschen sind, gemessen an den Extremen des Universums, absolute Mimosen.
Insofern ist es naheliegend, dass Menschen ausserhalb der Erde immer von der Verfügbarkeit von Technik abhängig sein werden. Selbst Terraforming rettet einem nicht, weil ein Terraforming letztlich auch Technik braucht, um erhalten zu bleiben: die Chance, dass man einen Planeten findet, der sich terraformen lässt und dann gleich von selbst in exakt dem gewünschten und menschenfreundlichen Gleichgewicht bleibt, dürfte vernachlässigbar klein sein.
Diese Abhängigkeit von Technik aber macht uns Abhängig: abhängig von Kultur, von Zivilisation. Zivilisation zieht immer einen riesigen Rattenschwanz von Abhängigkeiten mit sich: Maschinen müssen gewartet, ersetzt, erneuert, verbessert, angepasst werden. Menschen müssen ausgebildet werden, um Maschinen zu warten, zu ersetzen, neu zu entwickeln, etc. Diese Menschen wiederum brauchen Nahrungsmittel, die wiederum von anderen erzeugt, entwickelt, verbesesrt werden. Und so weiter.
Eine Kolonie im Weltraum ist also auf ein minimales Technikniveau angewiesen, und damit auch auf ein minimales Niveau an Zivilisation, ein Niveau, auf dem das Überleben der Kolonie gerade so gewährleistet ist. Langfristig gibt es aber nichts, was dieses Niveau garantieren kann: früher oder später kommt eine innere oder äussere Katastrophe, die so einschneidend in dieses fein austarierte System eingreift, dass es kollabiert bzw. sich in eine selbstverstärkende Abwärtsspirale begibt. Auf der Erde wäre das kein Problem, weil die Lebensgrundlagen nicht von der Verfügbarkeit von Technik und Zivilisation abhängen: im Weltraum hingegen ist das etwas anderes. So ist es also letztlich nur eine Frage der Zeit, bis eine einzelne Kolonie durch diese "zufälligen Fluktuationen" zerstört wird - und keine Kolonie - ausser jene auf der Erde - kann diesem Schicksal auf ewig entkommen.
Wäre der Neandertaler unser unmittelbarer Vorfahre, wären wir ein wenig friedfertiger und und würden unsere Umwelt anders nutzen - oder wir wären noch immer ein Naturvolk.
Die Vorstellung, dass "Friedfertigkeit" irgendwie in den Genen festgeschrieben sei, halte ich persönlich für falsch (mal ganz abgesehen davon, dass Spekulationen über das Verhalten des Neanderthalers sehr zweifelhaft sind, gemessen daran, wie wenig wir über diese Menschenart wissen... die angebliche "Friedfertigkeit" klingt für mich eher nach einem neuen Aufguss des alten Mythos vom "edlen Wilden"). Es gibt auch heute friedfertige und weniger friedfertige menschliche Kulturen, das ganze Spektrum eben. Das deutet schon darauf hin, dass "Friedfertigkeit" durch die Umwelt zustande kommt, nicht durch die Gene. Alle Lebewesen müssen nun mal essen und sich fortpflanzen, und es setzen sich langfristig nur jene durch, die das am erfolgreichsten tun - "Friedfertigkeit" hilft da vermutlich nicht besonders dabei.