An die Profis hier: für wie wahrscheinlich haltet Ihr beim gegenwätigen Stand der Informationen es, dass dieser Planet tatsächlich existiert?
Hallo Alex,
Wahrscheinlichkeitsabschätzungen in diesem Zusammenhang sind unseriös, weil man nicht weiss, was man als Voraussetzungen verwenden kann. Schon in den 1970-iger Jahren hat man versucht, anhand von Bahnelementen mittelperiodischer Kometen einen solchen Transpluto zu berechnen - damals wurde der Pluto ja noch als Planet geführt und ausser dem Plutomond Charon und dem Zentauern Chiron, der damals noch für den äussersten Planetoiden gehalten wurde und Hidalgo in dieser "Rolle" abgelöst hat, kannte man noch keine grösseren KBO, sondern nur Kometen mit tiefem Perihel, die in diesen Bereich des Sonnensystems gelangen konnten.
Mit der Entdeckung von Sedna & Co. - eine Formulierung, die mir gar nicht gefällt, denn mit "& Co." sind Scattered Disk Objekte mit Perihelia über ~40 bis maximal 50 AE gemeint, also keine Sedna, keinen Biden und auch keine Buffy, gab es dann mehrere Versuche, erneut einen "Transpluto" - zu Beginn dieser Bemühungen hatte Pluto nach wie vor seinen Planetenstatus und die Wortwahl "Trans-Eris" nicht möglich, weil die Eris damals noch keinen offiziellen Namen hatte - zu errechnen.
Wenn man diese Bemühungen als Grundlage für eine Wahrscheinlichkeitsabschätzung heranzieht, so ist die Wahrscheinlichkeit nahe 0, denn sämtliche Bemühungen in dieser Hinsicht waren nicht vom Erfolg gekrönt.
Das gilt übrigens auch für die Berechnungen zu Beginn des 20.Jahrhunderts, aufgrund derer man einen weiteren Planeten jenseits der Neptunbahn gesucht hatte, der die verbliebenen Bahnabweichungen des Uranus erklären sollte - der Pluto wurde dank der systematischen Himmelsdurchmusterung gefunden und keinesfalls aufgrund von Berechnungen.
Im Gegensatz dazu waren systematische Himmelsdurchmusterungen zwar aufwändig, aber auch erfolgreich, leider sind diese aber nach wie vor für Körper der immerhin 1000 km-Klasse auf gut 100 AE beschränkt. Grössere Körper kann man auch in grösseren Abständen finden, wobei die Helligkeit für Körper, die nicht selber leuchten, sondern Licht nur reflektieren, leider mit der 4.Potenz abfällt !
Wie auch immer: Du fragst nach Wahrscheinlichkeiten. Wenn man den Umstand berücksichtigt, dass Mike Brown, immerhin Entdecker von 7 der 8 KBO der 1000 km-Klasse oder grösser, sich trotz der bisherigen Erfolgslosigkeit solcher transplutonischen Berechnungen ebenfalls dazu hinreissen lässt, dann ist das ein Indiz, dass da mehr daran ist.
Es ist nun die Frage, wie man diese Wahrscheinlichkeiten gewichtet; ich persönlich gewichte die erfolglosen bisherigen Versuche der Entdeckung per Berechnung ziemlich hoch - ausser der Entdeckung des Neptun hat das nämlich noch nie funktioniert. Dem gebe ich also 0% +/- 5% Toleranz; aufgrund des guten Namens von Mike Brown schlage ich noch 10% drauf; also kommen wir auf 15%.
Akademisch begründet sind allerdings weder die 5% "Toleranz" noch die 10% "guter Name".
Kommt erstens hinzu, dass die Gruppierung der Bahnelemente, also des Argument of Perihelion aller dieser KBOs mit Perihelia >~ 35 AE und grossen Halbachsen >~ 150 AE doch immerhin fast 1/3 des Kreisbogens als Toleranz aufweist, aber ja: wenigstens eine "Vorzugsrichtung" liegt ganz klar vor.
Kommt zweitens noch hinzu, dass der KBO 2003 SS422 (Perihel 39 AE, a = 196 AE) im Berechnungspaper nicht erwähnt wird ; ich hätte ihn wenigstens gerne als "Ausreisser" erwähnt gesehen - es ist ja nicht nötig, dass 100% aller ausgewählten KBO bezüglich des Argument of Perihelion diese Vorzugsrichtung haben.
Fazit: ich persönlich glaube nicht, dass es diesen Planeten gibt, aber die o.g. 15% möchte ich ihm trotzdem zugestehen.
Freundliche Grüsse, Ralf