Weiß man denn, wie groß die Rotationsperiode der Sonne vor z.B. 4 mrd Jahren war?
Ich denke, es gibt vernünftige Modelle dafür, aber ich kann dir aus dem Stegreif keine Zahl rezitieren.
Die Erddrehung hat sich ja auch im Lauf der Zeit beträchtlich verlangsamt, und dass Merkur eine "gebundene" Rotation hat zeigt doch, dass die Gezeitenkräfte nicht unbedeutend waren!
Die Rotation eines so kleinen Planeten enthält im Vergleich zu seinem Orbit sehr wenig Drehimpuls - es ist sehr viel einfacher, die Rotationsgeschwindigkeit zu verändern als den Orbit! Auch der Mond war wohl nach wenigen Millionen Jahren "gefangen", aber die Entwicklung seines Orbits wird (würde) noch für viele Jahrmilliarden anhalten.
Ich hab mal ein wenig gesucht und dieses Paper hier gefunden:
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2008JE003252/full
Wenn du darin nach "migration" suchst findest du eine Formel, die die Gezeitenevolution des Merkur-Orbits beschreibt. Demnach wäre der Orbit des Merkurs über die Geschichte des Sonnensystems nur gerade um ca. 10^-11 AU (1.5 m) angewachsen.
Interessant in diesem Kontext ist übrigens, dass in diesem Paper die Form Merkurs diskutiert wird, insbesondere ein "eingefrorener" Gezeitenberg um den Äquator. Eine Möglichkeit zu dessen Erklärung ist, dass er sich sehr nahe an der Sonne gebildet hat (<0.1 AU, also ähnlich wie Planeten in kompakten Systemen...) und die Form eine Art "Erinnerung" an die Gezeitenkräfte in dieser Entfernung ist. Damals kannte man keine kompakten Systeme, und die einzige Möglichkeit der Planetenmigration waren Gezeiten, die man mit obiger Formel ausgeschlossen hat. Nun, wenn es aber noch zusätzliche innere Planeten gab, dann sind Interaktionen mit diesen eine weitere Möglichkeit, Merkur von <0.1 in seine jetzige Position zu befördern...
Weiß man denn etwas über das Alter dieser "kompakten" Systeme? Könnten sich deren enge Umlaufbahnen nicht auch durch Gezeitenkräfte (oder sonstige Einflüsse) über größere Zeiträume erweitern?
Ich denke, sie haben alle möglichen Alter, und die Konfigurationen sind über lange Zeit stabil. Aber, und das ist ein wichtiger Punkt in der oben genannten Hypothese von zusätzlichen inneren Planeten, wenn irgend etwas diese kompakten Planetensysteme stört, können sie sich sehr schnell selbst zerstören. Langsame Wanderung durch Gezeitenkräfte würde sich wohl ebenso auswirken, aber wie gesagt, die Art von Gezeiten, die die Mondbahn anwachsen lassen, sind auf der Ebene Sonne + Planeten sehr ineffektiv (kannst ja mal mit der Formel im Paper oben ausprobieren). Zudem müsste man aufpassen: zu nahe an der Sonne, also da wo der Planet die Sonne schneller umkreist als diese sich um die eigene Achse dreht, würden sie umgekehrt - also anziehend! - wirken.