Grundlagenprobleme der Quantenmechanik

TomS

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In meinen Worten:

Wie kommt man von den Wahrscheinlichkeitswerten der QM zu den real beobachteten Messwerten.
Ich würde das zunächst für die Quantenmechanik gerne präzisieren.

Wir haben ja einen Formalismus vorliegen, der im wesentlichen auf drei Axiomen beruht.

  1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines separablen Hilbertraumes.
  2. Der Zustand eines einzelnen Quantensystems wird vollständig durch einen normierten Vektor als Element dieses Hilbertraumes repräsentiert.
  3. Die deterministische Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen unitären (linearen und invertierbaren) Operator auf dem Hilbertraum beschrieben.

Daraus resultieren drei getrennte Fragestellungen.
  1. Was genau ist eine Messung? Insbs., wie versteht man den Zusammenhang zwischen Eigenwerten von Operatoren und Messwerten?
  2. Wie resultiert im Zuge einer einzelnen Messung an einem einzelnen nicht-lokalisierten Quantensystem ein lokalisiertes, teilchenartiges Ereignis im Detektor?
  3. Wie resultiert aus einer Serie von Messungen an identisch oder zumindest ähnlich präparierten Quantensystemen die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Messergebnisse?
 
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Bernhard

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Interessanter Vorschlag. Meine Zustimmung zu den drei Axiomen gebe ich.

Ich bin mir nur nicht sicher, ob man die Fragen auch streng getrennt voneinander bearbeiten kann.

Bei Frage 3 hat sich ganz am Anfang wohl ein Tippfehler eingeschlichen: Sie -> Wie?

EDIT: Bei der Bezeichnung "teilchenartiges Ereignis" sehe ich noch den erhobenen Zeigefinger der Freunde der Stringtheorie. Zumindest diese Gruppe an Personen rechnet prinzipiell nicht mit punktförmigen Teilchen.
 
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TomS

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Interessanter Vorschlag. Meine Zustimmung zu den drei Axiomen gebe ich.
Danke. Aber die sind natürlich nicht von mir ;-)

Ich bin mir nur nicht sicher, ob man die Fragen auch streng getrennt voneinander bearbeiten kann.
Da kannst du recht haben. Ich wollte sie nur getrennt stellen, um alle Aspekte des Messproblems explizit angesprochen zu haben.

Bei Frage 3 hat sich ganz am Anfang wohl ein Tippfehler eingeschlichen: Sie -> Wie?
Danke, hab’s korrigiert.

EDIT: Bei der Bezeichnung "teilchenartiges Ereignis" sehe ich noch den erhobenen Zeigefinger der Freunde der Stringtheorie. Zumindest diese Gruppe an Personen rechnet prinzipiell nicht mit punktförmigen Teilchen.
Mit "teilchenartiges Ereignissen" meine ich nicht Elemente der Theorie sondern Phänome - im weitesten Sinne eben teilchenartige Ereignisse in Detektoren, d.h. Photoplatten, Nebel- und Blasenkammern, Photozellen, Szintillatoren … Wir beobachten ja weder das “Teilchen” (das es Formalismus von QM und QFT ohnehin nicht bzw. nicht im trivialen Sinne der klassischen Physik gibt) oder das “Feld”, wir beobachten ein lokales Phänomen, das wir mit einem Teilchen assoziieren.

Aber erst aus diesen Messungen resultieren dann weitere Assoziationen mit Observablen, z.B. Krümmung einer “Teilchenbahn” im Magnetfeld => Energie des Teilchens. Diese Energie wird ja nicht direkt gemessen. Siehe deswegen Ergänzung zu Frage 1.

Letztlich ersetzen meine Fragen die Postulate der Quantenmechanik
  1. Messwerte entsprechen Eigenwerten von selbstadjungierten Operatoren
  2. nach einer Messung befindet sich ein Quantensystem im zugehörigen Eigenzustand
  3. im Zuge einer Serie von Messungen gehorchen die Messwerte einer Statistik entsprechend der Bornschen Regel

Die ersten drei Axiome beziehen sich rein auf den Formalismus. Die drei folgenden Postulate setzen Formalismus und Phänomene miteinander in Beziehung, die erklären jedoch nichts. Ich denke, das Messproblem besteht im wesentlichen darum, diese Beziehung zu verstehen. Daher muss man zunächst die Postulate eliminieren und versuchen, sie zumindest teilweise aus den drei Axiomen abzuleiten.

Es gibt einige Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass dies funktioniert:
  • die Dekohärenz liefert zumindest eine dekohärente Superposition teilchenartiger Ereignisse entsprechend der klassischen Zeigerzustände; zwar nur eine Superposition, aber schon mal ein Fortschritt bzgl. der Verzichtbarkeit der Postulat 1 und 2
  • Gleason’s Theorem beweist, dass das Wahrscheinlichkeitsmaß der Bornschen Regel das einzig mathematisch zulässige derartige Maß auf einem Hilbertraum ist; d.h. auch das Postulat 3 ist teilweise verzichtbar

Dies zeigt, dass Postulate zumindest teilweise durch Theoreme ersetzt werden können.
 

Bernhard

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Es gibt einige Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass dies funktioniert:
  • die Dekohärenz liefert zumindest eine dekohärente Superposition teilchenartiger Ereignisse entsprechend der klassischen Zeigerzustände; zwar nur eine Superposition, aber schon mal ein Fortschritt bzgl. der Verzichtbarkeit der Postulat 1 und 2
  • Gleason’s Theorem beweist, dass das Wahrscheinlichkeitsmaß der Bornschen Regel das einzig mathematisch zulässige derartige Maß auf einem Hilbertraum ist; d.h. auch das Postulat 3 ist teilweise verzichtbar
Kannst du zum ersten Punkt ein konkretes Beispiel geben, skizzieren oder verlinken?
 

Bernhard

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Der Zustand eines einzelnen Quantensystems wird vollständig durch einen normierten Vektor als Element dieses Hilbertraumes repräsentiert.
Im Allgemeinen hat jeder dieser Vektoren zeitabhängige Komponenten.

Da es nun prinzipiell immer die Möglichkeit gibt, dass bei so ein Vektor zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils nur eine Komponente von Null verschieden ist, also mit Betrag eins,
könnte man nun ganz "frech" definieren, dass eben diese Fälle als Messung zu bezeichnet werden dürfen, egal, ob es dabei einen Beobachter gibt oder nicht.
 

TomS

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Im Allgemeinen hat jeder dieser Vektoren zeitabhängige Komponenten.

Da es nun prinzipiell immer die Möglichkeit gibt, dass bei so ein Vektor zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils nur eine Komponente von Null verschieden ist, also mit Betrag eins,
könnte man nun ganz "frech" definieren, dass eben diese Fälle als Messung zu bezeichnet werden dürfen, egal, ob es dabei einen Beobachter gibt oder nicht.
Fangen wir von hinten an:

Den Beobachter brauchen wir sicher nicht. Wenn wir ihn betrachten wollen, ist er eben ein makroskopisches Quantensystem.

Der Rest funktioniert so nicht - jedoch zumindest teilweise etwas anders unter Einbeziehung der Dekohärenz.


Zunächst mal gibt es zu jeder Basis überabzählbar unendlich viele unitär äquivalente Basen

$$ \left|{}^\omega n\right\rangle = U_\omega \, \left| n\right\rangle $$

so dass

$$ |\psi\rangle = \sum_n {}^\omega\psi_n \, \left|{}^\omega n\right\rangle $$

gilt, wobei omega die Basen indiziert.

D.h. dass man mittels geeigneter unitärer Transformation zu jedem beliebigen Zeitpunkt und für einen beliebigen Zustand immer eine Basis finden kann, so dass alle bis auf eine Komponente zu Null transformiert werden

$$ {}^\omega\psi_n = \delta_{n,n_0} $$

- und damit fände zu jedem beliebigen Zeitpunkt irgendeine Messung statt. D.h. dein Kriterium ist nicht unmittelbar sinnvoll.

Anders gesagt gilt in dieser einen Basis offensichtlich

$$ |\psi\rangle = \left|{}^\omega n_0\right\rangle $$

alle anderen Basisvektoren sind dazu und untereinander orthogonal, ansonsten beliebig.

1) Berücksichtigt man jedoch die Dekohärenz, so stellt man fest, dass diese bestimmte Basen auszeichnet, bzgl. derer die nach Ausspuren der Umgebungsfreiheitsgrade reduzierte Dichtematrix in extrem guter Näherung diagonal wird und bleibt - das sind die berühmten Zweige. D.h. dass der Hamiltonoperator selbst mittels Zeitentwicklung diejenige Basis auszeichnet, bzgl. der tatsächlich eine Messung vorliegt. Das ist der erste Schritt zur Lösung des Messproblems.

2) Was nicht funktioniert ist der zweite Schritt, dass „jeweils nur eine Komponente von Null verschieden ist“. Selbst wenn es für bestimmte Zustände (Eigenzustände von H) auf eindeutige Zustände führt

$$ e^{-iHt} |n\rangle \sim |n; t\rangle $$

dann gilt dies trivialerweise nicht mehr für Superpositionen

$$ e^{-iHt} \sum_n \psi_n \, |n\rangle \sim \sum_n \psi_n \, |n; t\rangle $$

Wenn man also annimmt, dass eine Messung je nach Eingangszustand auf einen eindeutigen Endzustand / Zweig und somit ein eindeutiges Messergebnis führt, kann man andere Eingangszustände als Superposition konstruieren, für die dies gerade nicht gilt.

Damit bleiben folgende Möglichkeiten:
  • man fordert zusätzlich zur Superposition wieder einen Kollaps [aber das ist letztlich wirklich Quatsch]
  • man akzeptiert die Realität der Zweige [und gelangt zu Everett, Zeh et al.]
  • man hinterfragt diverse Annahmen bzw. Näherungen zur Dekohärenz und sucht nach einem verfeinerten Mechanismus, der tatsächlichen immer auf einen eindeutigen Zweig führt [so wie ich Neumaier verstanden habe, ist das seine Idee im Rahmen der Thermal Interpretation, jedoch ohne Beweis und mit wenig Akzeptanz; je mehr ich darüber nachdenke, desto eher glaube ich an einen fundamentalen Denkfehler]
 
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Bernhard

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D.h. dass man mittels geeigneter unitärer Transformation zu jedem beliebigen Zeitpunkt und für einen beliebigen Zustand immer eine Basis finden kann, so dass alle bis auf eine Komponente zu Null transformiert werden
Bin davon ausgegangen, dass die Basisvektoren Eigenvektoren mit unterschiedlichen Eigenwerten sind....
 

Bernhard

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Und was soll das nützen?
Man wird für diese Fälle sofort die bornschen Wahrscheinlichkeiten los, weil sich dann gemäß Axiomen für den einen Eigenwert die Wahrscheinlichkeit 1 und für die restlichen Werte die Wahrscheinlichkeit 0 ergibt.

Vielleicht zu trivial, aber zumindest eine überdenkenswerte Sache.
 

TomS

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Man wird für diese Fälle sofort die bornschen Wahrscheinlichkeiten los, weil sich dann gemäß Axiomen für den einen Eigenwert die Wahrscheinlichkeit 1 und für die restlichen Werte die Wahrscheinlichkeit 0 ergibt.

Vielleicht zu trivial, aber zumindest eine überdenkenswerte Sache.
Siehe oben: es gibt überabzählbar unendlich viele Basen, für die dein Kriterium zu jedem Zeitpunkt zutrifft. Wie wählst du daraus eine physikalisch und praktisch sinnvolle Basis aus?

Und es gilt dann gerade nicht für geeignete Superpositionen, d.h. die Tatsache, dass eine Messung stattfindet, hinge vom Eingangszustand ab. Wenn du Zustände hast, für die entsprechend deines Kriteriums eine Messung vorläge, dann konstruierst du - siehe wieder oben - mittels Superposition andere Zustände, für die gerade keine Messung vorläge. Was soll das für ein Messbegriff sein?
 
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Bernhard

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Was soll das für ein Messbegriff sein?
Es geht um den folgenden extremen Fall: Wir betrachten meinetwegen das gesamte Sonnensystem modelliert durch eine einzige Vielteilchen-Wellenfunktion. Jeder Mensch (mit mindestens einem Auge) stellt einen Beobachter, der makroskopische "Messungen" durchführt. Warum sieht er zB. nicht eine Tasse an zwei makroskopisch getrennten Orten in einer Superposition?

Die makroskopische "Messung" wird gemäß Formalismus durch eine Operator repräsentiert, der auf die geforderete Vielteilchen-Wellenfunktion wirkt. In so einem Fall, machen Wahrscheinlichkeiten keinen Sinn, weil so etwas noch nie offiziell beobachtet wurde.
 

TomS

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Jeder Mensch … stellt einen Beobachter, der makroskopische "Messungen" durchführt. Warum sieht er zB. nicht eine Tasse an zwei makroskopisch getrennten Orten in einer Superposition?
Dass das die Frage ist, ist schon klar.

Meine Rechnung - eigtl. die von John v. Neumann u.v.a. - beweist jedoch, dass diese Vermeidung der „Tasse an zwei makroskopisch getrennten Orten“ so nicht funktioniert.

Die makroskopische "Messung" wird gemäß Formalismus durch eine Operator repräsentiert, der auf die geforderte Vielteilchen-Wellenfunktion wirkt.
Das ist gemäß der drei Axiome, auf die wir uns geeinigt hatten, der Zeitentwicklungsoperator des Gesamtsystems.

In so einem Fall, machen Wahrscheinlichkeiten keinen Sinn, weil so etwas noch nie offiziell beobachtet wurde.
Einfacher formuliert macht eine Superposition einer „Tasse an zwei makroskopisch getrennten Orten“ keinen Sinn. Ich stimme dir dabei natürlich zu. Aber der von dir vorgeschlagene Weg funktioniert nicht, das versuche ich die ganze Zeit zu erklären.

Nochmal anders:

Ein Elektron mit zwei möglichen Spinrichtungen

$$ |\text{up}\rangle, \; |\text{down}\rangle $$

werde detektiert. Die detektierten Spinrichtungen steuern eine Maschine, die eine Tasse an zwei entsprechende Orte

$$ |\text{UP}\rangle, \; |\text{DOWN}\rangle $$

transportiert. D.h. das Gesamtsystem aus Elektron und Tasse geht in einen der beiden Zustände

$$ |\text{up}\rangle \otimes |\text{UP}\rangle, \; |\text{down}\rangle \otimes |\text{DOWN}\rangle $$

über.

Dann folgt aufgrund der Linearität des Zeitentwicklungsoperators, dass eine Superposition der Spinrichtungen zu einer entsprechenden Superposition der Orte der Tasse führt (formal bei von Neumann, später einschließlich Dekohärenz bei Zeh; ziemlich identisch zum Einsteinschen Box-Paradoxon).

Der Punkt ist, dass wir wissen, dass deine Idee zur Auflösung des Paradoxons nicht funktioniert.
 
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Bernhard

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Ein Elektron mit zwei möglichen Spinrichtungen

$$ |\text{up}\rangle, \; |\text{down}\rangle $$

werde detektiert. Die detektierten Spinrichtungen steuern eine Maschine, die eine Tasse an zwei entsprechende Orte

$$ |\text{UP}\rangle, \; |\text{DOWN}\rangle $$

transportiert. D.h. das Gesamtsystem aus Elektron und Tasse geht in einen der beiden Zustände

$$ |\text{up}\rangle \otimes |\text{UP}\rangle, \; |\text{down}\rangle \otimes |\text{DOWN}\rangle $$

über.
Ich dachte an ein weniger exotisches, sondern vielmehr möglichst klassisches Experiment, wo es dann typischerweise auch Fehlerbalken gibt. Dafür muss es dann letztlich ja gemäß Zielsetzung dieses Themas auch eine quantenmechanische Beschreibung geben, welche in der Sprache der Axiome 1-3 formuliert werden kann.

EDIT: Daneben gibt es auch für das System Tasse + Spin zB einen Operator für (Spin-Up, Tasse-UP) mit den Eigenwerten 1 oder 0 bzw. Ja/Nein. Sobald das System den Eigenzustand dieses Operators annnimmt, gibt es nur noch die klassischen Wahrscheinlichkeiten 0 und 1.
 
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TomS

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Ich dachte an ein weniger exotisches, sondern vielmehr möglichst klassisches Experiment, wo es dann typischerweise auch Fehlerbalken gibt. Dafür muss es dann letztlich ja gemäß Zielsetzung dieses Themas auch eine quantenmechanische Beschreibung geben, welche in der Sprache der Axiome 1-3 formuliert werden kann.
Egal wie, es läuft immer auf das selbe hinaus.

Ich versuch's mal allgemein zu halten.

Nehmen wir an, wir können ein System S in zwei verschiedenen Zuständen

$$ |\phi_1\rangle, \; |\phi_2\rangle $$

präparieren.

Nehmen wir weiter an, wir können dieses System als Subsystem ein größeren Systems S' auffassen, wobei innerhalb S' eine Wechselwirkung gemäß der unitären Dynamik von S' stattfindet, die wir als Messung oder Beobachtung interpretieren möchten. Die Ergebnisse für das Messgerät bzw. für das Gesamtsystem wären

$$ |\Phi_1\rangle, \; |\Phi_2\rangle $$

bzw.

$$ |\phi_1\rangle \otimes |\Phi_1\rangle, \; |\phi_2\rangle \otimes |\Phi_2\rangle $$

Nehmen wir nun an, wir könnten eine Superposition

$$ a_1\, |\phi_1\rangle + a_2 \, \phi_2\rangle $$

präparieren.

Nach der Vorgehensweise von Neumanns, erweiterten Modellen zur Messung (POVM) sowie nach der Dekohärenz *) folgt aus der Wechselwirkung = Messung jeweils ein Superpositionszustand

$$ a_1 \, |\phi_1\rangle \otimes |\Phi_1\rangle + a_2 \, |\phi_2\rangle \otimes |\Phi_2\rangle $$

Im Ergebnis liegt immer ein Superpositionszustand vor.

Wenn du im Falle von S ausschließlich makroskopische Objekte betrachtest, dann löst du das Problem sozusagen heimlich, weil du für makroskopische Objekte keine derartige Superposition präparieren kannst. Daher musst du mikroskopische Objekte zulassen, für die diese Präparation möglich ist, die du dann im Messgerät makroskopisch vgergrößerst.

Ein anschauliches Beispiel, in dem ausschließlich mikroskopische Objekte vorkommen, jedoch trotzdem makroskopische Unterschiede auftreten: du schickst ein einziges Photon durch einen Doppelspalt und weißt aufgrund des Formalismus sicher, dass es mit dem Detektorschirm als Ganzes wechselwirkt, aus der Beobachtung jedoch, dass es mit nur einem Atom wechselwirkt und dort lokal detektiert wird. Das ist mein Beispiel #3 aus dem Post #1 und immer noch die zentrale offenen Frage.


Wie oben gesagt, setzt man die Gültigkeit der Quantenmechanik voraus, bleiben folgende Möglichkeiten:

  • man fordert zusätzlich zur Superposition wieder einen Kollaps [aber das ist letztlich wirklich Quatsch]
  • man akzeptiert die Realität der Zweige [und gelangt zu Everett, Zeh et al.]
  • man hinterfragt diverse Annahmen und sucht nach einem verfeinerten Mechanismus, der tatsächlichen immer auf einen eindeutigen Zweig führt [so wie ich Neumaier verstanden habe, ist das seine Idee im Rahmen der Thermal Interpretation, jedoch ohne Beweis und mit wenig Akzeptanz; je mehr ich darüber nachdenke, desto eher glaube ich an einen fundamentalen Denkfehler]

Der dritte bullet-point ist m.E. der einzige, über den es sich lohnt, nachzudenken. Der erste ist Quatsch, den zweiten wollen wir irgendwie nicht glauben und suchen daher nach einer zugleich formal beweisbaren als auch für uns akzeptablen Lösung. Wie gesagt, ich sehe da zwar irgendwo einen Denkfehler, aber erst wenn man den isoliert und verstanden hat, kann man diese Option endgültig verwerfen.


*) ich vernachlässige in der Notation die Umgebung sowie im Falle der Dekohärenz den finalen Schritt beim Übergang zu Dichtematrizen, der jedoch für das Argument nicht wesentlich ist.
 

Bernhard

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Dann folgt aufgrund der Linearität des Zeitentwicklungsoperators, dass eine Superposition der Spinrichtungen zu einer entsprechenden Superposition der Orte der Tasse führt
Das bedeutet doch aber, dass die beiden genannten Zustände keine Eigenzustände des Hamiltonoperators dieses Systems ist?

Damit wäre dann aber die Gesamtenergie dieses Systems nicht erhalten, was doch der Konstruktion des Systems widerspricht?

Der Zustand eines Elektrons in einem Wasserstoffatom mit definiertem Bahndrehimpuls ändert ja auch nicht mit der Zeit seinen Bahndrehimpuls.

EDIT: Oder ist das der Einfluss der Umgebung / Dekohärenz?
 
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TomS

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Das bedeutet doch aber, dass die beiden genannten Zustände keine Eigenzustände des Hamiltonoperators dieses Systems ist?
Und wenn? Warum sollten sie das so sein?

Jedes einfache Wellenpaket ist kein Eigenzustand des freien Hamiltonoperators.

Damit wäre dann aber die Gesamtenergie dieses Systems nicht erhalten ...
Doch, natürlich.

1) Im einfachsten Fall liegt ein Eigenzustand vor, dann ist

$$ (H-E) \, |\psi\rangle = 0 $$

$$ |\psi(t)\rangle = e^{-iHt} \, |\psi_0\rangle = e^{-iEt} \, |\psi_0\rangle $$

2) Falls kein Eigenzustand vorliegt, ist jedoch weiterhin

$$ \langle\psi(t) | H |\psi(t)\rangle = \langle\psi_0 | e^{iHt} \, H e^{-iHt} |\psi_0 \rangle = \langle\psi_0 | H |\psi_0 \rangle $$

$$ \frac{d}{dt} \, \langle\psi(t) | H |\psi(t)\rangle = \frac{d}{dt} \, \langle\psi_0 | H |\psi_0 \rangle = 0 $$

Noch einfacher im Heisenberg-Bild: eine Observable A ist genau eine Erhaltungsgröße, wenn

$$ \dot{A} = i[H,A] = 0 $$

Damit gilt trivialerweise

$$ \dot{H} = i[H,H] = 0 $$
 
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Bernhard

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Ich bin mir nicht sicher, ob du obigen Vorschlag schon korrekt verstanden hast und schreibe es deshalb noch etwas detaillierter auf:

Eine physikalische Messung liegt iA nicht vor, wenn man zB eine Einteilchenwellenfunktion (zB Elektron im Wasserstoffatom) zusammen mit einem Einteilchoperator (zB Bahndrehimpuls) betrachtet, weil dabei die genannten Wahrscheinlichkeiten auftreten können.

Eine physikalische Messung liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine Mehrteilchenwellenfunktion (zB Elektron im Wasserstoffatom + Messgerät + Beobachter) zusammen mit einem geeigneten Mehrteilchoperator (Genau Darstellung erstmal unbekannt) so vorliegt, dass die Wellenfunktion zum Zeitpunkt der Messung genau eine Eigenfunktion des Mehrteilchoperators ist. Man hat dann gemäß Formalismus zum Zeitpunkt der Messung einen exakten Messwert mit Wahrscheinlichkeit 1.

Kritik: Auch dieser Vorschlag enthält noch Freiheiten, wie zB bei der Auswahl der Mehrteilchenwellenfunktion, dafür reicht aber der Formalismus ohne Kollaps aus, um eindeutige Messwerte zu erhalten.
 
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