Fermi Paradoxon

Monod

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@ Alex:

Ich würde zum einen gerne mal wissen, woran das liegt

Aus dem von Tom verlinkten Artikel zu Desinfektionsmitteln muss man unterscheiden zwischen "bakterizid" und "sporizid". Bakterizide töten zwar Bakterien ab, zerstören jedoch nicht die Sporen, so dass diese nach der Desinfektion wieder auskeimen und eine weitere Bakterienpopulation hervorbringen. Sporizide sind chemisch instabil (z.B. H2O2) oder so giftig, dass man sie in Krankenhäusern nicht in erforderlichen Konzentrationen flächendeckend einsetzen kann (z.B. Chlor und dessen Oxide). Aus diesem Grund bleiben manchmal Keime übrig, die sich dann wieder vermehren. Manche Bakterienarten sind extrem strahlungsresistent, so dass sie nur mit sehr hohen Strahlendosen getötet werden können. Der Rekordhalte Deinococcus radiodurans wurde übrigens im Kühlwasser von Kernreaktoren entdeckt und übersteht locker eine Strahlendesinfektion. Es ist allerdings nicht so, dass eine totale Desinfektion nicht möglich wäre - der nötige Aufwand und die Gefahrenabwehr vor schädigenden Nebenwirkungen ist nur so hoch, dass das nicht in breitem Ausmaß praktikabel ist. In entsprechenden Forschungseinrichtungen von Virologie und Bakteriologie wird so etwas allerdings praktiziert - und natürlich auch bei der Herstellung von interplanetaren Sonden, die z.B. zum Mars geschickt werden.

dann ist die Annahme, daß lebensfähige Mikroben nach dem Tod eines Sterns von einem Planeten ins interstellare Medium hinausgeblasen werden nicht völlig abstrus

Na ja, diese Mikroben müssten hinreichend gut verpackt sein, um die lange Durststrecke während interstellarer Driften keimfähig überstehen zu können. Das heißt, sie müssten sich im Innern von kompakten Gesteinsbrocken befinden, die von der Oberfläche eines belebten Planeten stammen. Die Vorstellung von Staubpartikeln, die mittels stellarer Winde durch die Galaxis geblasen werden, ist überholt. So etwas würde keine genügende Strahlenabschirmung ermöglichen. Selbst Deinococcus würde nach einigen Tausend Jahren schlapp machen. Größere Gesteinsbrocken müssten jedoch die Fluchtgeschwindigkeit des Sterns überwinden, was aus dem Bereich von etwa 1 AE recht schwierig zu erreichen sein dürfte.

hat da jemand evtl. einen Link?

Ja, da gab es vor einigen Wochen mal eine Arbeit zu Viren als Transportvehikel für Genome. Darin wurde auch eine Kalkulation angestellt, wie wahrscheinlich es ist (womit wir wieder bei der Wahrscheinlichkeit wären ;) ), dass Panspermie gelingen kann.

Das Fermi-Paradoxon betrifft dies insofern als daß der Fund von Mikroben auf Mars/Enceladus/Titan/Europa zum Ergebnis haben sollte, daß all diese miteinander verwand sein sollten.

Das wäre ein starkes Indiz dafür, dass das Leben im Sonnensystem nur einmal an einer Stelle entstanden ist. Ob es von außen "angeweht" wurde oder auf der Erde ursprünglich entstanden ist, ließe sich damit allerdings nicht unterscheiden.

Folglich würden wir in der Tat überall Außerirdische um uns herum sehen (wir wären ja selbst welche), das Fermi-Paradoxon wäre auf mikroskopischen Skalen also gar keines.

Wenn eine Durchsetzung des galaktischen Mediums mit Mikrobenkeimen möglich wäre (was ich allerdings stark bezweifle, siehe oben), ist das durchaus möglich. Der Ursprungsort wäre dann allerdings nicht auszumachen und das Problem der Entstehung des ersten Lebens würde nur verlagert, aber nicht geklärt werden.

Monod
 
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ispom

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ich verfolge diese Diskussion mit Interesse, wir hatten das Thema im Laufe der Jahre schon mehrmals.
Ich möchte euch auch nicht aus dem Gleichschritt bringen (den ihr bei allen Differenzen immer noch drauf habt), aber früher wie heute bin ich der Ansicht, daß unter "Leben" nicht nur "Leben, wie wir es kennen" verstanden werden darf.... eine Beschränkung auf Leben auf Kohlenstoffbasis in wässrigen Lösungen...bei der schon die Substitution von Phosphor durch Arsen eine Ketzerei darstellt :rolleyes:

Natürlich kann ich kein Lebewesen konstruieren, das ganz anders funktioniert, das etwa in der Atmosphäre eines Gasriesen schwebt.... aber man muß nicht zu viele scifi-Filme gesehen haben, um davon überzeugt zu sein, daß es auch "anderes Leben " gibt, man kann auch durch die Lektüre der Bücher von Carl Sagan dazu inspieriert worden sein.

Ich denke so:
Die meisten gehen das Thema mit zu wenig Phantasie an, etwa so, wie die Astronomen vor 50 Jahren über die Beschaffenheit der Monde im Sonnensystem dachten... hätte damals jemand die Phantasie aufgebracht und Io, Enceladus, Titan... so beschrieben, wie wir es heute können, man hätte sich von ihm distanziert und ihn als unseriös abgestempelt....
selbst die "Trittfestigkeit" des Mondbodens und die gerundeten Berge hätte man bis Apollo für unmöglich gehalten, dennn die Experten sagten, sie müssten äußerst scharfkantig sein und im Regolith würde man einsinken wie im Treibsand....

Habt ein wenig mehr Phantasie, denn
"das Universum ist nicht nur seltsamer als wir uns das vorstellen, sondern seltsamer, als wir uns das überhaupt vorstellen können" ;)
 

Monod

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@ Ispom:

bei der schon die Substitution von Phosphor durch Arsen eine Ketzerei darstellt

Wenn sich die Substitution als richtig herausstellt, wäre es keine Ketzerei, sondern eine Überraschung hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit von Mikroben. Allerdings sind im Vorfeld wichtige Tests nicht gemacht worden, so dass hier momentan große Skepsis herrscht, ob die mitgeteilten Befunde den Tatsachen entsprechen. Warten wir einfach mal ab, was draus wird ...

früher wie heute bin ich der Ansicht, daß unter "Leben" nicht nur "Leben, wie wir es kennen" verstanden werden darf.... eine Beschränkung auf Leben auf Kohlenstoffbasis in wässrigen Lösungen...

Na ja, die Auswahl an geeigneten chemischen Elementen ist nicht besonders groß. Kohlenstoff ist unverzichtbar, um komplexe Moleküle zu bilden. Wasserstoff dient der Absättigung von Radikalen und zur Ausbildung von Wasserstoff-Brücken-Bindungen, die einerseits nicht zu starr, andererseits nicht zu locker sind, um z.B. Tertiärstrukturen von Aminosäureketten zu ermöglichen. Sauerstoff ist wichtig für die Ausbildung polarer Molekülenden, die ihrerseits als elektronegativer Gegenpart zur Wasserstoff-Brücken-Bindung nötig sind, aber auch für Aldehyde und Karbonsäuren, die ihrerseits wieder weitere Möglichkeiten für eine chemische Vielfalt eröffnen (z.B. Fette und Kohlehydrate). Stickstoff stabilisiert einerseits Kohlenstoffketten und bildet als basische Aminogruppe einen Gegenpart zur sauren Karboxylgruppe.

Aminosäuren weisen beide Gruppen auf, so dass sie sich miteinander verketten können zu Polypeptiden. Die Seitenketten der Polypeptide wiederum können sauer, basisch oder neutral sein, was sich in wasseranziehend und wasserabstoßend bemerkbar macht. Die Abfolge solcher unterschiedlich mit Wasser wechselwirkenden Seitengruppen bewirkt als Selbstorganisationseffekt die spontane Faltung von Polypeptiden in eine biologisch aktive Form. Alle weiteren Elemente wie Schwefel, Phosphor und diverse Spurenelemente wie Eisen, Magnesium u.a. stimmen das irdische Leben entsprechend fein ab bzw. dienen der Energieversorgung. Das chemische Grundinventar, welches gerade NOCH Leben ermöglicht, dürfte sich daher überall eben aus N (Stickstoff), O (Sauerstoff), C (Kohlenstoff und H (Wasserstoff) zusammensetzen plus einige wenige weitere Elemente in verschiedenen Kombinationen.

Dieses NOCH-Inventar ist kosmosweit eben bevorzugt als CH4 bzw. CO und CO2, NH3 bzw. N2 sowie H2O bzw. H2 verfügbar, so dass zu erwarten ist, dass außerirdisches Leben sich in seinen chemischen Grundkomponenten nicht wesentlich vom irdischen unterscheiden wird. Auch anderswo wird es Proteine geben, allerdings nicht notwendigerweise mit denselben Aminosäuren wie hier. Das genetische Material muss nicht zwingend aus Ribose- bzw. Desoxyribose-Phosphaten plus Base bestehen wie hier, aber das Komplementärprinzip dürfte auch anderswo anzutreffen sein, da es eine effiziente und zugleich einfache Lösung ist, Informationen zu konservieren und zu übertragen auf nachfolgende Generationen.

So könnte man den Faden jetzt weiterspinnen und z.B. Zellstrukturen, Vielzelligkeit, Generationenwechsel usw. durchgehen und darauf kommen, dass grundlegende Funktionen einer analogen Lösung bedürfen, aber ich will hier abbrechen, da ich denke, dass bereits jetzt deutlich wird, worum es mir geht: Leben als Kohlenstoffchemie in wässriger Lösung ist die ökonomischste Lösung für potenzielle Lebensformen, da die benötigten Grundstoffe in großer Menge und zugleich erschließbarer Form auf terrestrischen Planeten bzw. großen Monden von Gasriesen allgemein vorhanden sind.

Monod
 

ispom

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So könnte man den Faden jetzt weiterspinnen und z.B. Zellstrukturen, Vielzelligkeit, Generationenwechsel usw. durchgehen und darauf kommen, dass grundlegende Funktionen einer analogen Lösung bedürfen....

@ Monod, danke für die ausführliche Erklärung zu den Bedingungen, die aus deiner Sicht zwingend erforderlich sind um Leben zu ermöglichen...
aber ich hatte ein viel radikaleres Umdenken im Sinn... ich bin da sehr geprägt von Carl Sagan und A.C.Clarke, sind ja auch beide naturwissenschaftlich prädestiniert gewesen für solche gedankengänge wie etwa hier: ;)


http://www.daviddarling.info/encyclopedia/J/Jupiterlife.html
 

Monod

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@ TomTom333:

Mit Silizium lassen sich aber keine komplexen Moleküle bilden. Außerdem liegt es als Silikat in einer sehr schwer erschließbaren Form vor.

Monod
 

Monod

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@ Ispom:

Ja, ja, die "Schweber" und die "Jäger", die sich in den Wolken tummeln ... Das sind zwar schöne Phantasien, aber ohne Unterlage aus Kondensat (Flüssigkeitsoberfläche von Seen oder Meeren bzw. Mineraloberfläche von Tonen, Sanden oder Gesteinsformationen bzw. Oberflächen von Eisschichten) können die nötigen chemischen Agenzien nicht aufkonzentriert und in ein Reaktionsgefüge gebracht werden. Regentropfen und Schneekristalle sind viel zu labil, um als Kondensatunterlage geeignet zu sein. In der Wolkenschicht von Jupiter würden also nicht mal Mikroben entstehen können, geschweige denn Mehrzeller wie von Sagan und Clarke angedacht. Schade eigentlich!

Monod
 

SRMeister

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Bynaus und Monod,
ich wollte nochmal auf eure Diskussion reagieren, die ihr so zwischen Seite 8 und 11 geführt habt, bezüglich des DA.

wikipedia sagt
Die Aussage der self-sampling assumption kann ihrer Natur nach weder "bewiesen" noch "widerlegt" werden.
Das bedeutet für mich soviel, wie dass das DA eine reine nicht beweisbare Aussage darstellt und damit eigentlich nutzlos ist.

Ich möchte an dieser Stelle das DA mit seinen eigenen Methoden widerlegen:
Wikipedia schrieb:
"Beobachter sollen so schlussfolgern als wären sie eine zufällige Stichprobe aus ihrer Referenzklasse."
Der Beobachter ist der Mensch(als Lebewesen), die Referenzklasse sind alle Lebewesen der Erde.
Nun schlussfolgere ich, dass es sehr viele Arten gibt und gab, die sich sehr lange und erfolgreich fortpflanzen konnten/können und die Menschheit ist eine zufällige dieser Arten.
Somit müsste man annehmen dass wir wahrscheinlich so lange existieren(in etwa) wie jede Art die bissher existiert oder existiert hat(der Durschnittswert).
Beachtet man aber, dass die allermeisten bereits ausgestorbenen Arten, aus Gründen ausgestorben sind, weswegen welcher wir ganz sicher nicht aussterben würden, kann man weiterhin auch annehmen dass wir in etwa so lange existieren, wie das Leben bisher bereits existiert hat.(Abgesehen von äußeren Einflüssen).
(Ich möchte nicht sagen dass das meine endgültige Meinung ist, es ist nur als Beispiel zu verstehen warum das DA in meinen Augen wertlos ist.)

Meine Meinung ist folgende:
Solange kein Einfluss von Außen wirkt (zugunsten unserer Vernichtung) wird die Menschheit und deren evolutionäre Nachfahren wahrscheinlich sehr lange existieren. Selbst könnten wir uns jedenfalls nicht ausrotten. Kein Atomkrieg, keine globale Erwärmung oder sonstwas würde uns besiegen, wir würden immer einen Weg finden(wenn es auch nur einzelne sind) uns neu aufzubauen.
So schätze ich die Menschheit ein. Diese Einschätzung basiert im Gegensatz zum DA auf Erfahrungen aus der Geschichte und Biologie. Natürlich kann jetzt jemand kommen und sagen heute gibt es Massenvernichtungswaffen: Keine Massenvernichtungswaffe wird mMn die Menschheit bis zum Letzten Mann ausrotten, keine Krankheit und kein noch so schädliches Treibhausgas schaft das.

Stefan
 
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Bynaus

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SRMeister schrieb:
Das bedeutet für mich soviel, wie dass das DA eine reine nicht beweisbare Aussage darstellt und damit eigentlich nutzlos ist.

Nein. Die Self-Sampling-Assumption kann zwar nicht bewiesen werden, aber sie ist derart einfach und einleuchtend, dass man fragen muss: was ist denn die Alternative?

Man nehme z.B. folgendes Szenario: Man sitzt in einem Raum, in dem lauter Leute mit farbigen Hüten sitzen, die man ihnen aufgesetzt hat. Jeder sieht die Hutfarbe des anderen, aber nicht die eigene (und kann ihn auch nicht abnehmen und nachschauen...). Nehmen wir an, dass 95% der Hüte Schwarz wären, und 5% Rot. Die SSA würde einem nun nahelegen, dass man mit 95% Wahrscheinlichkeit ebenfalls einen schwarzen Hut aufhat. Klar, man kann nicht beweisen, dass man selbst bloss zufällig aus der Menge aller Hutaufhaber ausgewählt ist. Aber was wäre die Alternative? Dass der Beobachter aus irgend einem Grund irrgeführt werden soll und man ihm deshalb extra einen roten Hut aufgesetzt hat? Oder gar einen blauen? Aber dann müsste man fragen: wenn alle Beobachter wirklich gleichberechtigt sind - müsste das dann nicht für alle Hutaufhaber gelten? Ist der Beobachter selbst also irgendwie speziell?

Wenn man die SSA ablehnt, sagt man damit eigentlich, dass man selbst irgendwie speziell ist, allen anderen Beobachtern nicht gleichberechtigt. Wenn die Welt z.B. eine Computersimulation wäre, um herauszufinden, wie SRMeister (nur so als Beispiel ;) ) so tickt, dann könnte man die SSA getrost vergessen, denn SRMeister nimmt in dieser Welt eine ganz besondere Position ein: die Annahme, er sei bloss zufällig aus allen Beobachtern dieser Welt (die ja ausser ihm alles Simulationen sind) ausgewählt, wäre falsch. Aber nur dann. Wenn man hingegen sagt, dass er allen anderen Beobachtern gleichberechtigt ist, dann ist das bloss eine andere Art zu sagen, dass die SSA korrekt ist. Ähnlich wäre es, wenn unsere Welt in Wirklichkeit eine Geschichtssimulation wäre, und wir alle Kopien von Menschen, die einst wirklich gelebt haben. Ein Beispiel für eine Geschichtssimulation wäre: "Was, wenn George W. Bush 2000 wirklich gewählt worden wäre?" Oder: "Was, wenn der gescheiterte Terroranschlag vom 11. September 2001 geglückt wäre?" Oder: "Was, wenn Pan Am Flug 103 am 21. Dezember 1988 abgestürzt wäre?" Und so weiter. In all diesen Fällen wären wir Protagonisten in einer Simulation, und sicher nicht zufällig aus allen Menschen ausgewählt, die je existiert hätten. Ja, wir wären nicht einmal Menschen. Die SSA wäre falsch.

Wenn alle Beobachter aber gleichberechtigt sind, alle Menschen, die wir als Menschen kennen, wirklich Menschen sind, die Welt also real und keine Simulation ist (übrigens eine weitere Annahme, die man nicht belegen oder widerlegen kann), dann ist die SSA die einzig vernünftige Konsequenz.

Nun schlussfolgere ich, dass es sehr viele Arten gibt und gab, die sich sehr lange und erfolgreich fortpflanzen konnten/können und die Menschheit ist eine zufällige dieser Arten. Somit müsste man annehmen dass wir wahrscheinlich so lange existieren(in etwa) wie jede Art die bissher existiert oder existiert hat(der Durschnittswert).

Ja, wären wir eine durchschnittliche Art, müssten wir eine Lebenserwartung von ein paar Millionen Jahren haben.

Beachtet man aber, dass die allermeisten bereits ausgestorbenen Arten, aus Gründen ausgestorben sind, weswegen welcher wir ganz sicher nicht aussterben würden, kann man weiterhin auch annehmen dass wir in etwa so lange existieren, wie das Leben bisher bereits existiert hat.(Abgesehen von äußeren Einflüssen).

Kann man nicht, u.a. wegen dem DA (wir heute lebenden Menschen würden auch in diesem Szenario eine sehr unwahrscheinliche Position einnehmen: deine Argumente müssten so überzeugend sein, dass die Chance von 1:1.7 Mio, dass wir derart untypisch sind, dagegen klein erscheint). Aber ja: Stimmt, wir werden nicht aus den gleichen Gründen aussterben wie andere Arten. Warum? Wegen der Technologie. Aber diese Technologie verändert alles, stellt uns quasi abseits von allen anderen Arten. Denn wir können sie nicht nur dazu verwenden, bestimmte Aussterbensweisen zu verhindern, sondern auch, um eine ganze Reihe neuer Aussterbensweisen herbeizuführen. Die oben von dir geäusserte Vermutung, die Menscheit sei eine Art wie jede andere, was das Aussterben betrifft, steht also auf ziemlich wackligen Beinen.

Am objektivsten wäre es zu sagen, wir sind nicht mit allen anderen Arten vergleichbar, es ist alles offen. Und in diesem Fall kommt eben das DA zur Anwendung.

Kein Atomkrieg, keine globale Erwärmung oder sonstwas würde uns besiegen, wir würden immer einen Weg finden(wenn es auch nur einzelne sind) uns neu aufzubauen.

Man weiss nie. Wenn die Bevölkerungszahlen nach einem Atomkrieg oder einem sehr aggressiven Virus tief genug sind, kann es schon sein, dass die Menschheit einfach vollständig ausstirbt (dann kommen nämlich wieder die natürlichen Aussterbemechanismen zum Zug). Oder wenn die natürlichen Grundlagen vollständig vernichtet werden (mit Ausnahme der Bakterien), kann ein Kollaps der Zivilisation auch gleich das Ende der komplexen Biosphäre bedeuten. Oder wenn wir die Erde in eine zweite Venus verwandeln, wird von der Menschheit auch nix übrigbleiben (und das ist nicht ganz so unrealistisch, wie man vielleicht meinen könnte).

Diese Einschätzung basiert im Gegensatz zum DA auf Erfahrungen aus der Geschichte und Biologie.

Diese Erfahrung hilft hier nichts: Es ist das erste Mal, dass die Menschheit eine Hochtechnologiezivilisation bildet, und das erste Mal, dass es eine solche auf der Erde gibt. All deine "Erfahrung" basiert auf Zeiten, in denen die Menschheit sehr viel weniger Möglichkeiten hatte als heute, auf Zeiten, in denen die natürlichen Grundlagen stets intakt (zumindest auf globaler Ebene), das Klima grundsätzlich unangetastet, die Möglichkeiten der Selbstvernichtung äusserst begrenzt waren. Heute hingegen ist alles offen.

Wie schon oft erwähnt: Das DA sagt nicht, dass wir bald aussterben werden. Es sagt bloss, die Anzahl der menschlichen Beobachter wird (insgesamt) nicht mehr um viele Grössenordnungen über das hinaus zunehmen, was schon da war und ist. Das kann alles mögliche heissen, u.a., dass sich die Menschheit selbst vernichtet. Die konsequente Selbstvernichtung von Hochtechnologiezivilisationen ist sicher auch mit dem Fermi-Paradoxon verträglich. Aber ich habe nirgends behauptet, dass das meiner Meinung nach die plausibelste aller möglichen Lösungen des DA wäre. Dem ist auch nicht so.
 

Alex74

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@Stefan:

Du sagst folgendes (markiert von mir):

Ich möchte an dieser Stelle das DA mit seinen eigenen Methoden widerlegen:
Genau das tust Du nicht, sondern steckst "logische" Argumente rein, z.B. welche Art wie und warum so und so lange leben könnte. Das macht das DA in keinster Weise.

Im Gegenteil, wenn Du mal genau hinschaust, dann ist das Standard DA, das als Referenzklasse die ganze Menschheit nimmt, sogar noch die weicheste Auslegung.
Eine härtere Auslegung müßte nämlich fordern, daß man nur jene Menschen einbeziehen darf, die fähig sind das DA zu verstehen (prinzipiell also vielleicht seit 1000 Jahren, bei ganz strenger Auslegung seit wenigen Jahrzehnten...). Damit würde sich die Menge der Menschen im DA stark reduzieren und die Menge der Menschen die noch leben werden und das DA verstehen können ebenfalls strk verkleinern.

Das ist alles nur eine Wahrscheinlichkeitsrechnerei, und die ist absolut korrekt; im Wikipedia-Artikel heißt es nicht umsonst, daß das DA nicht unter Mathematikern sondern unter Philosophen umstritten ist.

Deine Argumentation ignoriert am DA folgenden Umstand:

Die Aussage "Es ist zu 95% wahrscheinlich, daß ich zu den mittleren 95% aller je lebenden Menschen gehöre" schließt alle Eventualitäten was wann wie und warum mit der Menschheit noch passieren kann mit ein. Jegliche Argumentation ändert nichts an dieser Tatsache.

Daß die Selbstauswahl für eine Wahrscheinlichkeitsrechnung durchaus möglich ist, läßt sich leicht durch ein Beispiel belegen;
Wenn Du die Rechnung auf eine hohe Zahl Eigenschaften auf Dir selbst anwendest (wie ich das oben beschrieb z.B. mit der Größe, Gewicht, Länge der Beine, Nr.aller je geborenen Menschen, etc.) dann wirst Du in 95% aller Eigenschaften im 95%igen Mittel dieser von allen Menschen liegen.

Nur weil es beim DA so wirkt als wäre ein einziges mal Würfeln nicht unbedingt aussagekräftig, ist das aber nicht so; auch wenn Du mit einem Würfel nur einmal würfelst, ist die Wahrscheinlichkeit, keine 1 zu würfeln eben 5/6 - oder "keine Randposition zu würfeln" 2/3.

Gruß Alex
 

Bynaus

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Alex74 schrieb:
Die Aussage "Es ist zu 95% wahrscheinlich, daß ich zu den mittleren 95% aller je lebenden Menschen gehöre" schließt alle Eventualitäten was wann wie und warum mit der Menschheit noch passieren kann mit ein. Jegliche Argumentation ändert nichts an dieser Tatsache.

Genau. Das ist so zentral und wichtig für das Verständnis, dass ich es hier einfach nochmals wiederholen wollte, falls es irgendwer überlesen hat. :)
 

Messiahs

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Ähnlich wäre es, wenn unsere Welt in Wirklichkeit eine Geschichtssimulation wäre, und wir alle Kopien von Menschen, die einst wirklich gelebt haben. Ein Beispiel für eine Geschichtssimulation wäre: "Was, wenn George W. Bush 2000 wirklich gewählt worden wäre?" Oder: "Was, wenn der gescheiterte Terroranschlag vom 11. September 2001 geglückt wäre?" Oder: "Was, wenn Pan Am Flug 103 am 21. Dezember 1988 abgestürzt wäre?" Und so weiter. In all diesen Fällen wären wir Protagonisten in einer Simulation, und sicher nicht zufällig aus allen Menschen ausgewählt, die je existiert hätten. Ja, wir wären nicht einmal Menschen. Die SSA wäre falsch.
Das klingt ganz nach dem Roman "Darwinia" von Robert Charles Wilson, in welchem urplötzlich der Kontinent Europa verschwindet, mit all seinen Völkern. Was zum größten Teil bleibt sind die markanten Landschaften, ansonsten besteht der neu entstandene Kontinent aus unberührter fremdartiger Natur und andersartigen Lebewesen. Netter Roman, der auch recht aufregend beginnt, aber ein bisschen plump endet.

Die laufende Menschheitsgeschichte als Sicherungskopie für den Menschen selbst bzw. für fremde Zivilisationen, die Interesse an der Bewahrung zivilisatorischer Geschichte haben ... mit einem Augenzwinkern könnte man das gemeinsam mit der Spekulation über den galaktischen Zoo als Kriterium für die Lösung des Fermi-Paradoxons gelten lassen. Ergo: Unsere Originale sind längst mit Außerirdischen in Kontakt getreten und wir durchleben immer und immer wieder das Archiv. Aber ich denke, hier driften wir zu sehr ins Science Fiction Genre ab.

Oder wenn wir die Erde in eine zweite Venus verwandeln, wird von der Menschheit auch nix übrigbleiben (und das ist nicht ganz so unrealistisch, wie man vielleicht meinen könnte).
Mich würden hierzu mal ein paar Fakten interessieren. Wie schnell könnte der Mensch den Treibhauseffekt soweit treiben, dass sich die Erde in eine zweite Venus verwandelt und wie lange nach dem Verschwinden der Menschheit würde dieser Zustand anhalten? Hätte der Mensch überhaupt die Chance eine solche Venusverwandlung der Erde abzuwenden?
 

Bynaus

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Messiahs schrieb:
Mich würden hierzu mal ein paar Fakten interessieren. Wie schnell könnte der Mensch den Treibhauseffekt soweit treiben, dass sich die Erde in eine zweite Venus verwandelt und wie lange nach dem Verschwinden der Menschheit würde dieser Zustand anhalten? Hätte der Mensch überhaupt die Chance eine solche Venusverwandlung der Erde abzuwenden?

Das können wir gerne mal in einem gesonderten Thread diskutieren, sobald ich die Zeit finde, darauf ausführlich zu antworten.
Nur etwas kann ich dir jetzt schon sagen: Die Verwandlung hin zur Venus ist eine Einbahnstrasse. Es gibt kein zurück, wenn der Prozess einmal in Gang gekommen ist, und es würde lediglich eine Entwicklung vorausnehmen, die uns in 500 Mio - 1 Mrd Jahre ohnehin bevorsteht.
 

SRMeister

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Hallo Bynaus,

Nein. Die Self-Sampling-Assumption kann zwar nicht bewiesen werden, aber sie ist derart einfach und einleuchtend, dass man fragen muss: was ist denn die Alternative?
braucht man eine Alternative?

Nehmen wir an, dass 95% der Hüte Schwarz wären, und 5% Rot. Die SSA würde einem nun nahelegen, dass man mit 95% Wahrscheinlichkeit ebenfalls einen schwarzen Hut aufhat.
In deinem Beispiel setzt du voraus dass es viele Samples gibts.
Viele Samples die insgesamt eine Statistik ergeben.
Beim Doomsday Argument gibt es nur ein Sample: Die Anzahl der bisher gelebten Menschen. Deshalb heist es ja "Self Sampling". In deinem Beispiel wäre das vergleichbar mit: Es gibt nur mich, ich habe einen roten Hut auf und wie wahrscheinlich ist es das jeder Fremde (wenn er vorhanden ist) auch einen roten Hut aufhat.

Wenn man die SSA ablehnt, sagt man damit eigentlich, dass man selbst irgendwie speziell ist, allen anderen Beobachtern nicht gleichberechtigt.
Nein, man sagt damit, dass man aus einem gegebenen Datenpunkt nicht gewillt ist irgendwelche Schlüsse zu ziehen.

Wenn alle Beobachter aber gleichberechtigt sind, alle Menschen, die wir als Menschen kennen, wirklich Menschen sind, die Welt also real und keine Simulation ist (übrigens eine weitere Annahme, die man nicht belegen oder widerlegen kann), dann ist die SSA die einzig vernünftige Konsequenz.
Die SSA stellt nur eine Möglichkeit dar, um nicht vorhandenes Wissen über die Zukunft "zu ersetzen". Im Fall der SSA aufgrund der Annahme, wir sind durchschnittlich. Das ist zunächst trivial und einleuchtend. Trotzdem bleibt die SSA nichts sagend, auch wenn sie logisch konsistent ist.

In den restlichen Aussagen stimme ich dir zu, Bynaus.
Der einzige Unterschied unserer Positionen besteht immer noch darin, ob man das DA überhaupt als Argument benutzen kann. mMn beinhaltet es immer noch eine leere Aussage. Deine Meinung, es zu benutzen weil wir keine Alternative haben teile ich nicht.

Aber ich habe nirgends behauptet, dass das meiner Meinung nach die plausibelste aller möglichen Lösungen des DA wäre. Dem ist auch nicht so.
Du verstehst mich falsch, mein Kritikpunkt ist, dass man das DA überhaupt als Lösung in Erwägung zieht, zumal es aussagekräftigere, im Gegesatz zum DA überhaupt erst aussagekräftige, Wege gibt um über unsere Zukunft zu spekulieren. Nur weil sie wahrscheinlich weniger spektakulär sind, spricht sie niemand aus.

Hallo Alex,

Alex74 schrieb:
Die Aussage "Es ist zu 95% wahrscheinlich, daß ich zu den mittleren 95% aller je lebenden Menschen gehöre" schließt alle Eventualitäten was wann wie und warum mit der Menschheit noch passieren kann mit ein. Jegliche Argumentation ändert nichts an dieser Tatsache.
Ja, diese Aussage betrifft das DA und in seinem Kontext ist die Aussage unumstritten korrekt. Trotzdem ist die Aussage, für sich genommen, wertlos. Wie du schon selbst sagst, kann man sich das DA so hindrehen, wie man will und tut dies auch um es möglichst spektakulär klingen zu lassen (Wir haben nurnoch 9000 Jahre zu leben usw...), genauso fragwürdig die Berechnung nach der Menge der Menschen, nicht nach der Zeit. Tut man das vllt. um die verbleibende Zeit möglichst kurz zu halten?
Man könnte genausogut Menge aller Technologien oder Menge aller gedruckten Worte(falls irgendwie quantifizierbar) als Grundlage der Berechnung nehmen! Denn im Gegensatz zu der Menge der Menschen hat Wissen evtl. einen stärkeren Einfluss auf unseren Untergang.(Wie schuldig sind die im DA mitgezählten Steinzeitmenschen am Untergang?)

Das DA spukt eine Zahl aus, die so willkürlich ist, wie die Zahlen mit denen man es berechnet! Das DA selbst bleibt nichtssagend

Es gibt IMO 1000 bessere Wege!

Stefan
 

Bynaus

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SRMeister schrieb:
In deinem Beispiel setzt du voraus dass es viele Samples gibts.
Viele Samples die insgesamt eine Statistik ergeben.
Beim Doomsday Argument gibt es nur ein Sample: Die Anzahl der bisher gelebten Menschen.

Nein, das hast du falsch verstanden. Die "Samples" sind die Menschen. Alle, die jemals gelebt haben werden, früher, heute, morgen. Die "Self-Sampling-Assumption" ist (kannst du gerne hier nachschauen) einfach die Annahme, dass man sich selbst (wobei man zu den "Samples" gehört) als zufällig aus allen Sampels gezogen betrachten darf.
In den Worten von Nick Bostrom, einem Philosophieprofessor in Oxford (eckige Klammern von mir, weil das eine "enge" Interpretation der SSA ist, die eine weitere Diskussion erfordern würde), der auf das Thema spezialisiert ist:

en.wikipedia.org schrieb:
"Each observer[-moment] should reason as if it were randomly selected from the class of all observer[-moment]s in its reference class."

Auf deutsch: Jeder Beobachter sollte so argumentieren, als ob er zufällig aus der Klasse aller Beobachter in seiner Referenzklasse ausgewählt sei.

Das heisst: Ich, als Mensch, als Beobachter, argumentiere so, als sei ich zufällig aus allen Beobachtern meiner Referenzklasse, das heisst, aus allen Menschen, ausgewählt (oder im Beispiel mit den Hüten: Aus allen Hutträgern). Und wenn ich zufällig ausgewählt bin, dann gehöre ich eben, wie Alex74 oben festgestellt hat, mit 95% Wahrscheinlichkeit zu den mittleren 95% aller Menschen, die je existiert haben werden.

Die Alternative zur SSA wäre, wenn ich eben nicht zufällig aus allen Menschen ausgewählt wäre, z.B. in einer Geschichtssimulation. Vielleicht fällt dir ja noch ein anderes Szenario ein, warum das so sein könnte. Aber so lange wir in der normalen, realistischen Welt bleiben, wo jeder Beobachter gleichberechtigt ist, gilt die SSA automatisch.

Du verstehst mich falsch, mein Kritikpunkt ist, dass man das DA überhaupt als Lösung in Erwägung zieht, zumal es aussagekräftigere, im Gegesatz zum DA überhaupt erst aussagekräftige, Wege gibt um über unsere Zukunft zu spekulieren. Nur weil sie wahrscheinlich weniger spektakulär sind, spricht sie niemand aus.

Das DA ist selbst keine Lösung, aber das DA erlaubt uns, zwischen möglichen Zukunftsszenarien zu entscheiden. Letztlich führt nichts am DA vorbei. Du könntest im Rahmen des DA argumentieren, dass wir untypisch sind, und besonders früh in der Menschheitsgeschichte leben. Wenn du gute Gründe vorzuweisen hast, dann kaufe ich dir vielleicht sogar ab, dass nochmals eine Grössenordnung mehr Menschen zur Welt kommen werden, als schon zur Welt gekommen sind. Je länger du diese künftige Menschheitsgeschichte aber machen willst, desto überzeugender musst du werden, denn der Zufall, der erforderlich ist, damit wir ausgerechnet am Anfang leben, wird immer grösser.

Ohne DA gibt es keinerlei rationale Diskussion über die Zukunft, sondern nur haltloses Fantasieren.
 

Alex74

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In deinem Beispiel setzt du voraus dass es viele Samples gibts.
Viele Samples die insgesamt eine Statistik ergeben.
Dann hast Du den Begriff "Wahrscheinlichkeit" nicht verstanden.

Auch wenn nur ein mal gewürfelt wird, ist wie Wahrscheinlichkeit, daß eine 6 fällt, eben 1/6.
Auch wenn man nur ein mal lebt, ist die Wahrscheinlichkeit, bei einer beliebigen Eigenschaft zu den Top-5% aller Menschen zu gehören eben nur jene 5%.

Statistik leitet sich aus der Aufnahme vieler Ereignisse ab; die Wahrscheinlichkeit jedes einzelnen dieses Ereignisses bleibt aber von der Zahl der Ereignisse unberührt.

Statistik wird lediglich benutzt, um ein Abbild für uns unbekannter (!) Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln; z.B.: Wie wahrscheinlich ist es für 50-Jährige, an Krebs zu erkranken?

Die Wahrscheinlichkeit des DA kann aber wahlweise gesetzt werden und ist absolut offensichtlich.

Statistik hat mit dem DA daher rein gar nichts zu tun.

Natürlich: würfelst Du nur einmal und hast Du eine 6 - dann hast Du nicht zu 1/6 ein untypisches Ergebnis sondern zu 100%. Daß die Wahrscheinlichkeit für dessen Auftreten aber eben nur 1/6 war ist ausschlaggebend (denn das Ergebnis bei Anwendung des DA kennen wir ja nicht, sondern wir wollen es abschätzen).

Nein, man sagt damit, dass man aus einem gegebenen Datenpunkt nicht gewillt ist irgendwelche Schlüsse zu ziehen.
Man zieht ja nicht aus einem Datenpunkt ein Ergebnis sondern aus der Wahrscheinlichkeit für dessen Position eine Abschätzung.

um nicht vorhandenes Wissen über die Zukunft "zu ersetzen".
Nein, das DA ersetzt nicht, es liefert nur eine Abschätzung der Wahrscheinlichkeit wieviele Menschen noch geboren werden. Wissen liefert es rein gar nicht und erhebt auch nicht den Anspruch darauf.

Wenn Du würfelst und die Seiten des Würfels zählst kannst Du auch abschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, mit einem Wurf eine 1 zu würfeln. Wissen erlangst Du durch diese Abschätzung ja auch nicht. Genauso ists beim DA.

genauso fragwürdig die Berechnung nach der Menge der Menschen, nicht nach der Zeit. Tut man das vllt. um die verbleibende Zeit möglichst kurz zu halten?
Das ist Unsinn und zeigt nur daß Du noch nicht verstanden hast, wieso man die Zeit gar nicht nehmen darf. Rechnest Du es über die Zeit, wird davon ausgegangen daß jedes Jahr seit Beginn der Menschheit gleich viele Menschen geboren werden, im Gegensatz zum DA (!) läßt Du also eine Annahme über die zukünftige Entwicklung einfließen.

Es werden aber über die Zeit nicht gleichbleibend viele Menschen geboren. Vor 1000 Jahren gab es viel weniger Menschen als heute.
Berücksichtigst Du das nicht und läßt die Zeit einfließen, wird das Ergebnis durch statistische Auswahleffekte verzerrt.
So wie man im Supermarkt immer an einer der längeren Schlangen steht (weil insgesamt da ja auch mehr Menschen sind).

Man könnte genausogut Menge aller Technologien oder Menge aller gedruckten Worte(falls irgendwie quantifizierbar) als Grundlage der Berechnung nehmen!
Hinsichtlich des DA verstehe ich den Zusammenhang nicht, bitte erkläre ggf. wie Du das meinst.
Falls ich Dich richtig verstehe gibt es aber keinen großen Unterschied zu meiner oben genannten Einschränkung der Referenzklasse, ob Du die Referenzklasse nun auf "Menschen die das DA kennen können" oder "Von Menschen geschriebenes" herunternimmst spielt keine Rolle; die Wahrscheinlichkeit daß ein zu Deinem Geburtsmoment auf den Markt gekommenes Buch zu den mittleren 95% aller Bücher gehört ist - Überraschung - eben 95%.

hat Wissen evtl. einen stärkeren Einfluss auf unseren Untergang
Hier machst Du genau das, was das DA überhaupt nicht macht, weswegen es mit solch einer Argumentation nicht angreifbar ist: Argumente einfließen zu lassen, warum und wie die Menscheit noch existieren kann oder was auf ihren Untergang Einfluß hat. Für das DA ist das irrelevant.

Das DA spukt eine Zahl aus, die so willkürlich ist, wie die Zahlen mit denen man es berechnet!
Nicht willkürlich, aber eben mehr oder weniger Wahrscheinlich.
Wenn ich 95% in das DA eingebe, dann kann sich jeder selbst aussuchen was er vom Ergebnis hält. Ist 95% Wahrscheinlich? Hm.

Das DA selbst bleibt nichtssagend
Wie gesagt, suchs Dir aus.
Das DA kann in seinem Rahmen sehr präzise Aussagen machen. Das Ergebnis ist dann halt entsprechend ungenau (und nichtssagend).
Oder Du nimmst Deine Position als sehr unwahrscheinlich an, erhältst aber ein recht genaues Ergebnis...auf das ich aber keinen Pfifferling wetten würde...

Daher nochmal: das DA macht keine Aussage. Es gibt nur eine Wahrscheinlichkeit wider. Wieso sich so viele daran anstoßen verstehe ich daher nicht.

Gefahr wittert für das DA meiner Ansicht nach aus einer ganz anderen Ecke:
Ähnlich wie beim Paradoxon der unerwarteten Hinrichtung zäumt es die Argumentation von hinten auf, da es von einer jetzt schon in die Rechnung einfließenden Gesamtzahl von Menschen ausgeht, die aber noch gar nicht geboren sind.
Selbst wenn wir mit unserem Verstand mittlerweile erkennen, daß das Universum nicht ewig lebensfreundlich bleiben kann, daher die Gesamtzahl der Menchen sicher auch beschränkt ist, so kann dies der Umstand, zu einem gewissen Zeitpunkt geboren zu werden nicht a priori wissen.

Ich zermartere mir nämlich seit einigen Tagen den Kopf, wie man das DA mit diesem Faktum simulieren kann und komme nicht weiter;

Gegeben sind (blaue) Punkte, die sich vermehren, so daß mal mehr, mal weniger neue Punkte geboren werden; sie werden durchnummeriert. Das Programm läuft endlos und wird erst enden wenn:
-Windows aus irgendeinem Grund abstürzt
-meine Freundin sieht daß der Rechner noch immer läuft obwohl keiner da ist und sie ihn abschaltet
-die Sicherung durchbrennt
-ein anderweitiger Stromausfall den Rechner lahmlegt

Irgendwann (!) soll nun ein einzelner der Punkte ROT sein. Wenn dies passiert wird auf ihn das DA angewendet.

Frage: wie zum Geier lege ich den Zufall fest, damit einer der Punkte irgendwann (!) rot wird (um aus seiner Nummer ein DA durchrechnen und den Stromausfall abschätzen zu können)?

Das tangiert auch heftig das anthropologische Prinzip.

Das Problem wird bei folgenden Ansätzen von mir klar:

Ich gebe einen Zufallswert ein, zum Beispiel 1%. D.h. jeder 100ste blaue Punkt wird rot. Das dürfte innerhalb einer Sekunde passieren.
Die Willkür eines gegebenen Zufallswertes ist also Käse, ich weiß a priori daß sich der rote Punkt in einer an allen wohl noch kommenden Punkten gemessenen Extremposition ganz am Anfang befinden wird.

Lösungsversuch:
Die Punkte generieren sich nicht "einfach so", sondern ich simuliere verschiedene Teilchen und -Kollisionen, jede Kollision generiert einen blauen Punkt und immer wenn z.B. fünf Teilchen eine ganz bestimmte Konstellation einnehmen, dann generiert es einen roten Punkt.
Blöd: dies stellt nichts anderes als die verschlüsselte Eingabe einer ganz bestimmten, definierten Wahrscheinlichkeit dar.....die sich auch wiederholen kann...

Meine Mathematik ist hierfür überfordert - wenn jemand Antwort hat, so würde es beiden Fragestellungen jedenfall sehr weiterhelfen.

Gruß Alex

Nachtrag:
Das Problem ist also, daß ich als Programmierer nicht wissen kann, wie die Größenordnung der generierten Punkte überhaupt ist.
Genausowenig wie das, was die Entstehung meines Seblst (und Bewußtseins) verursacht hat wissen konnte, wieviele Menschen noch kommen, nichtmal annähernd auch nur in der Größenordnung. Zu dem Zeitpunkt, wo *ich* geboren werde und später das DA einmal anwende, ist das Problem nicht unterscheidbar von der Ausgangssituation, daß es noch unendlich viele Menschen geben wird. Und für diesen Umstand ist das DA meines Wissens nach nicht lösbar.
 
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Bynaus

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Übrigens: Einen qualitativen Eindruck dessen, was ich das DA ist, bekommt man, wenn man auf http://www.random.org geht und deren Zufallszahlengenerator benutzt.

Wählt dort mal eine zufällige Zahl zwischen 1 und, sagen wir, 100'000. Wenn ich das 20 Mal mache, bekomme ich:

68860
47174
57499
261
29750
91040
52880
64911
87907
22023

86425
43959
26473
58982
5958
26771
9384
24247
724
11009

Wie man sehen kann, liegen fast alle Zahlen im 5-stelligen Bereich. In fast allen Fällen, mit Ausnahme von Fall 4 und Fall 19, ist die Maximalzahl (100'000) schon "fast" erreicht, in dem Sinn, man liegt nur noch eine Grössenordnung (= Faktor 10) darunter. Das ist völlig logisch, denn die meisten möglichen Zahlen liegen in diesem Bereich.

Splitten wir die Zahl 100000 mal nach Grössenordnungen auf:

10000 - 99999
1000 - 9999
100 - 999
10 - 99
1 - 9

Da in jeder Gruppe 10 Mal mehr Zahlen sind als in der vorhergehenden, ist es bei einer zufälligen Verteilung einer Zahl 10 Mal wahrscheinlicher, in einer der oberen Grössenordnungen zu landen. Eine zufällig gezogene Zahl befindet sich mit 90% Wahrscheinlichkeit in der obersten Grössenordnung, mit 9% in der zweitobersten, mit 0.9% in der drittobersten, etc.

Genau das sagt auch das DA: Wenn wir wirklich zufällig aus allen Menschen ausgewählt sind, dann ist es zu 90% wahrscheinlich, dass wir - wie die Zufallszahlen - in der obersten Grössenordnung sind, zu 9% sind wir in der zweitobersten, etc. Nun wissen wir natürlich nicht, wo wir wirklich sind. Wir könnten selbstverständlich, wie im Fall 4 und 19 oben, zufälligerweise in einer der tieferen Grössenklassen sein. Aber man sieht, in den meisten Fällen ist dem nicht so: es ist unwahrscheinlich für einen zufällig ausgewählten Menschen (bzw., eine Zufallszahl), mehr als eine, vielleicht zwei Grössenklassen von der Maximalzahl entfernt zu sein.

Monod's Szenario einer Menschheit, die noch für 1 Mrd Jahre weiter lebt und sich fortpflanzt, entspricht in diesem Beispiel in etwa der Behauptung, wir befänden uns in einer Grössenklasse, die sieben Stufen von der höchsten entfernt ist (0.00009%). Das ist so, als würde man bei random.org einen Bereich von 1 bis 1.7 Mio eingeben, "Generate" drücken und dann exakt die Zahl 1 erhalten. Kann ja jeder mal versuchen...

Geht auf die Seite, versuchts. Denkt euch eine Zahl, die symbolisch für die maximale Anzahl Menschen steht (und kleiner als 999'999'999 ist), und klickt "Generate". Die Zahl, die rauskommt, geteilt durch eure Maximalzahl, ist der Bruchteil aller Menschen, die schon geboren wurden. Beispielsweise.

EDIT: Alex, deinen Beitrag habe ich erst jetzt gesehen. Das ganz grundsätzliche Problem ist, dass die Position eines roten Punktes relativ zu allen Blauen erst dann bestimmt werden kann, wenn klar ist, wieviele Blaue es gibt. Da du das nicht weisst, kannst du auch den Zeitpunkt, an dem der rote Punkt auftauchen "muss", nicht bestimmen. Die dafür "nötige" Wahrscheinlichkeit steht erst fest, wenn klar ist, wieviele blaue Punkte es geben wird.
 
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