Hallo,
"Schwarmintelligenz" ist ein Konzept, dass sich bisher nirgends in der Natur realisiert hat. Wenn man Tierschwärme (Vögel, Fische, Insekten) beobachtet, kann man zwar eine gewisse geordnete Bewegung feststellen, die darauf ausgerichtet ist, dass die Individuen im Schwarmverband bleiben - darüber hinaus wird Hindernissen und Fressfeinden ausgewichen - aber nichts, was darauf hindeutet, dass die "Gesamtintelligenz" des Schwarms die eines Individuums übersteigt. Im Gegenteil: Die Intelligenz der Individuen, einschließlich deren Bewegungsfähigkeit, gewährleistet, dass sich der Schwarm nicht auflöst. Die Koordination der Bewegungen ist das Resultat einer Mischung aus Hierarchieempfinden und Herdentrieb, wobei sich spontan Teilschwärme bilden, wenn der Gesamtzusammenhalt unterbrochen worden ist, die sich hinterher wieder zu einem Einzelschwarm vereinigen. Schwärme sind eine Strategie, den Erhalt einer Population zu sichern, wenn die Einzelindividuen auf sich allein gestellt ihren Fressfeinden schutzlos ausgeliefert sind. Analog dazu sind Tierherden zu betrachten (Elefanten, Büffel, Rentiere usw.), wobei die Übergänge hin zu niedrigeren Ordnungszusammenhängen fließend sind (Rudel, Familien).
Ein vergleichbarer Gruppenzusammenhang ist bei Einzellern nirgends anzutreffen. Die einzige Aktivität, die einer Schwarmbildung nahekommt, ist bei den Schleimpilzen gegeben. Hier initiiert eine amöboide Zelle durch Aussenden von cAMP eine Wanderungsbewegung weiterer solcher Zellen im Umfeld zu diesem Zentrum, bis sie als Folge von geordneten Prozessen einen Sporenbehälter ausbilden, der dann Sporen absondert, die mit der Luft verteilt werden. Schleimpilze werden jedoch den Vielzellern zugerechnet und gehören zum Reich der Pilze (Fungi).
Mit Intelligenz hat das alles jedoch nichts zu tun. Unter Intelligenz verstehe ich die Fähigkeit zur autonomen Handlungsplanung mit zeitlich verzögerter Realisierung der geplanten Handlungen. Ein Schwarm als solcher besitzt diese Fähigkeit nicht, wohl aber die Individuen, die ihn bilden, wenn sie ihre Bewegungen aufeinander abstimmen. Die jeweiligen Anführer des Schwarms bestimmen für die Nachfolgenden die Richtung, der sie sich (hintereinander folgend oder seitwärts folgend) unterordnen. Die "Gesamtintelligenz" des Schwarms - wenn man diesen Begriff gebrauchen will - ist der "Leitintelligenz" des jeweiligen Anführers und der "Anpassungsintelligenz" der Nachfolgenden nachgeordnet bzw. von dieser determiniert.
Zur "Bakterienintelligenz": Dass das nicht vorliegt, ergibt sich schon aus Bau und Funktion von Bakterien. Es fehlen jegliche Ansätze zu Analoga von Nervensystemen. Sie benötigen sie auch nicht, denn die Stärke der Bakterien im Umgang mit widrigen Umweltbedingungen ist die Modifikation des Stoffwechsels durch eine hohe Mutationsrate und damit große Variationsbreite. Wie Lederbergs Stempelversuch gezeigt hat, vermag diese Fähigkeit sogar das Überleben in gewöhnlich tödlicher Umgebung zu gewährleisten - wozu also Intelligenz, wenn sie im gewöhnlichen Lebensumfeld von Bakterien keinen Vorteil bringt und andere Strategien offensichtlich effizienter sind? Analog dazu: Auch Vielzeller (Pflanzen) setzen auf mechanische Abwehr (Stacheln, Dornen) und chemische Keulen (Giftstoffe, Brennhaare) statt auf Intelligenz, die ihnen in ihrem festverwurzelten Dasein nichts nützt.
Viele Grüße!