Die Widerlegung des Doomsday-Arguments

TomS

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Die "Problematik" existiert, und ich räume seit eh und je ein, dass das DA nur funktioniert, wenn man es auf endliche Populationen anwendet. Aber nur weil man es nicht auf unendliche Populationen anwenden kann, heisst das nicht, dass es falsch wird, wenn man es auf endliche Populationen anwendet
Das Probem ist, dass du nicht weißt, ob bzw. warum eine Population endlich ist, d.h. ob ggf. mathematisch gefolgert werden kann, dass sie endlich ist, oder ob man dies a priori annimmt, obwohl es falsch ist (rein mathematisch betrachtet). Siehe mein Argument mit dem Autofreak, auf das du leider nie eingehst.

Ich kann also problemlos sagen, dass ich das DA anwende unter der Annahme, dass die Population endlich ist. Das ist genauso legitim wie zu sagen, dass ich morgen ans Grillfest kommen werde, sofern es nicht regnet. Nur weil es regnen könnte, ist die Aussage deswegen nicht falsch.
Da hast du natürlich recht, aber es gibt gefährliche weil evtl. falsche Aussagen:
"Ich gehe nicht zum Grillfest" könnte falsch sein, weil man außer Acht lässt, dass es nicht regnen könnte und man deswegen hingeht.
"Ich gehe nicht zum Grillfest, weil es regnet" könnte falsch sein, weil es einen anderen Grund geben könnte, nicht zum Grillfest zu gehen.

Darüber hinaus gilt aber auch, dass alles, was wir über die Naturgesetze in unserem Universum wissen, uns sagt, dass die Menschheit mit Sicherheit keine unendlich grosse Population darstellen wird. Deshalb kann man das nicht nur argumentatorisch, sondern kategorisch ausschliessen.
Ich bestreite deine physikalische Argumentation nicht, aber es könnte trotzdem sein, dass du d falsche Mathematik anwendest, das jedoch scheinbar (!) reparieren kannst, weil die Prämisse der endlichen Population so logisch erscheint. Sie ist logisch unter bestimmten physikalischen Annahmen, sie ist nicht logisch bzw. sogar absurd ohne diese physikalischen Annahmen. Statt also das DDA mit seinen Schwächen zu glauben (!) sollte man lieber die Schwächen eliminieren. Aber du diskutierst diese intrinsischen Schwächen nicht, sondern weichst aus. Siehe wiederum mein Argument mit dem Autofreak, auf das du leider nie eingehst.

Das DA ist die logische Wahl im Fall, wo keine Information vorliegt.
Das bestreite ich. Es ist eine mögliche Wahl, aber sicher nicht die (einzige) logische Wahl. Siehe mein Argument mit dem Poissonprozess, auf das du ebenfalls nie eingehst.


Wenn man aus dem DA eine Lehre ziehen sollte, dann die: Wir unterschätzen die Möglichkeit unseres baldigen Aussterbens wohl drastisch ...
Oder man überschätzt sie, entgegen der Tatsache, dass rückblickend die Wahrscheinlichkeit unseres Überlebens (und das anderer Populationen) sehr hoch ist. Siehe auch dazu mein Argument mit dem Poissonprozesses sowie der Verweis auf die englischsprachige Wikipedia. Wenn zwei gleichgelagerte Argumentationen zu sich widersprechenden Schlussfolgerungen führen, sollte an nicht ohne weiteres eine davon bevorzugen, sondern beide (skeptisch) als potentiell falsch einstufen.
 

Kibo

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Ich verabschiede mich dann mal von diesen Thread,

sollte sich, wider erwarten, doch noch eine Einigung erzielen sagt mir Bescheid.
 

Bynaus

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Das Probem ist, dass du nicht weißt, ob bzw. warum eine Population endlich ist, d.h. ob ggf. mathematisch gefolgert werden kann, dass sie endlich ist, oder ob man dies a priori annimmt, obwohl es falsch ist (rein mathematisch betrachtet).

Die Population, auf die wir das DA anwenden wollen, ist nicht unendlich. Sie kann es unmöglich sein. Deine mathematische Ausnahme ist eine Spielerei, die am eigentlichen Punkt vorbeigeht. Das ist etwa so, wie wenn wir gemeinsam eine Bank überfallen und du das ganze Geld danach behalten willst, obwohl wir halbe-halbe ausgemacht hatten: "Die Division durch Null ist nicht definiert!" sagst du einfach, weshalb du - leider - nicht teilen könntest. Aber natürlich reden wir hier nicht von der Division durch Null, sondern von der Division durch Zwei.

Siehe mein Argument mit dem Autofreak, auf das du leider nie eingehst.

Das muss ich überlesen haben. Ich hab am Anfang nicht so fleissig mitgelesen. Ich hab jetzt zwar nachgeschaut, aber ich verstehe nicht, was du damit sagen willst. Ich komm z.B. nicht drauf, wie der Autofreak aus den gegebenen Daten auf die Idee kommen soll, dass "die Kiste nach 10000 km verreckt".

"Ich gehe nicht zum Grillfest" könnte falsch sein, weil man außer Acht lässt, dass es nicht regnen könnte und man deswegen hingeht.
"Ich gehe nicht zum Grillfest, weil es regnet" könnte falsch sein, weil es einen anderen Grund geben könnte, nicht zum Grillfest zu gehen.

Dann ist es ja gut, dass ich diese Sätze nicht sage.

Statt also das DDA mit seinen Schwächen zu glauben (!) sollte man lieber die Schwächen eliminieren.

Das ist doch keine Schwäche. Es gibt einen Spezialfall, in dem es nicht definiert bzw. unsinnig ist. Aber wie beim Banküberfall: das hindert einen nicht daran, das DA den anderen Fällen, wo es definiert ist, anzuwenden - gerade auch deshalb, weil es bei der Anwendung auf endliche Populationen zweifellos korrekt ist. Wenn alle an der Party einen Hut aufgesetzt bekommen, den sie selbst nicht sehen, und 95% der Hüte sind blau, dann ist eben auch meiner mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% blau (so lange die Verteilung zufällig war). Selbst wenn ich nur an eine einzige Party gehe! Und dass diese Regel für unendlich viele Partyhüte versagt, kann mir reichlich egal sein.

Oder man überschätzt sie, entgegen der Tatsache, dass rückblickend die Wahrscheinlichkeit unseres Überlebens (und das anderer Populationen) sehr hoch ist.

Rückblickend ist die Wahrscheinlichkeit unseres Überlebens sehr hoch? Das ist ja gerade "jusqu'ici tout va bien" in Reinform.
 

ralfkannenberg

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Ich verabschiede mich dann mal von diesen Thread,

sollte sich, wider erwarten, doch noch eine Einigung erzielen sagt mir Bescheid.
Hallo Kibo,

warum das denn ? Die Diskussion befindet sich in einer Phase, in der niemand Zweifel an der mathematischen Gültigkeit des Theorems hat, und jetzt muss eben noch über die Voraussetzungen gesprochen werden. Das ist eigentlich der weit interessantere Teil.

In der Mathematik ist eine gewisse Pedanterie an dieser Stelle das tägliche Brot, ausserhalb der Mathematik - sieht man einmal von der theoretischen Physik ab - wird diese Festlegung der Spielregeln (Voraussetzungen) in der Regel übergangen, weil sie (leider) irgendwie als lästig empfunden wird.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

ralfkannenberg

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Rückblickend ist die Wahrscheinlichkeit unseres Überlebens sehr hoch? Das ist ja gerade "jusqu'ici tout va bien" in Reinform.
Hallo Bynaus,

auch, aber eben nicht nur: zweifelsohne ist das Beispiel mit dem Sturz von einem hohen Balkon eindrucksvoll, aber es gibt auch andere Beispiele, die wir im täglichen Leben ständig benutzen: als Kind probierst du z.B. aus, im Schwimmbad vom 1m Block ins Wasser zu springen, später vielleicht traust du dich auf den 3m-Turm und springst hinunter, und wenn dabei auch nichts passiert und du siehst, wie die anderen sogar vom 5m-Brett springen, ohne dass ihnen etwas passiert wirst du es vielleicht auch ausprobieren.

Ausprobieren kann also auch heissen, ökologische Nischen zu erschliessen, und wenn man da - z.B. zufällig - einen Vorteil hat, kann das relevant fürs Überleben sein. Dabei gibt es auch Verluste, die zum Tode eines einzelnen Individuums folgen - das sind dann die Pioniere; gleichzeitig aber die Population selber bewahrt, diesen Fehler ein zweites Mal zu begehen.

Das rückblickende, traditionelle wird also in der Regel nicht so schlecht sein, dass es zum Auslöschen der gesamten Population führt, ganz im Gegenteil - es bietet Chancen.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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TomS

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Die Population, auf die wir das DA anwenden wollen, ist nicht unendlich. Sie kann es unmöglich sein. Deine mathematische Ausnahme ist eine Spielerei, die am eigentlichen Punkt vorbeigeht.
Nein, falsch. Die Annahme einer endlichen Population ist mathematisch nicht zu rechtfertigen, deswegen ist es mathematisch nur logisch, sich damit auseinanderzusetzen.

Das muss ich überlesen haben ... Ich hab jetzt zwar nachgeschaut, aber ich verstehe nicht, was du damit sagen willst. Ich komm z.B. nicht drauf, wie der Autofreak aus den gegebenen Daten auf die Idee kommen soll, dass "die Kiste nach 10000 km verreckt".
10000 km sind nur ein beliebiges, willkürliches Beispiel.

Tatsache ist folgendes: wir haben einen Autotyp mit einer potentiell unendlichen Fahrleistung, d.h. dass im Falle einer genügend großen Stichprobe einige Autos dieses Typs enthalten wären, die jeweils nach einer beliebig großen Fahrleistung noch nicht defekt sind, weswegen die mittlere Fahrleistung ebenfalls unendlich oder zumindest extrem groß werden wird.

Wir nehmen also an, es gäbe diesen Autotyp.

Nun zweifelt der Autofreak daran (warum ist egal) und der Autohändler gibt ihm aus einem sachfremden (!) Grund recht, er führt nämlich den roten Riesen in die Argumentation ein. Nun ändert der Autofreak das anzuwendende mathematische Modell ab und erhält ein neues Ergebnis, das die Fahrleistung aufgrund des neuen, falschen Modells deutlich unterschätzt. Die 10000 km sind also nicht im Autotyp begründet, sondern in der falschen (!) Annahme, man dürfe mit einem Modell für einen Autotyp endlicher Lebensdauer rechnen.

Im Falle eines Autotyps mit tatsächlich unendlicher mittlerer Fahrleistung ist ein Modell für ausschließlich endliche Fahrleistung explizit falsch!

Wichtig ist, dass das vorher kein Modell genannt wird und auch keines bekannt ist (so wie beim DDA) und dass die Änderung des Modells nicht logisch begründet wird, sondern durch ein sachfremdes Argument "motiviert wird" (so wie bei der Kombination DDA + Astrophysik).

Wir wissen nun nicht, ob wir das Ergebnis in diesem Sinne verfälschen, weil wir für den Fall der potentiell unendlichen Population ja gar kein Modell und kein Ergebnis haben. Aber wir können genau deswegen eben nicht ausschließen, dass wir die Mathematik in genau der selben Weise wie im Falle des Autos unzulässig ändern. Die Möglichkeit dieses Fehlers existiert, aber wir können sie nicht untersuchen, da uns die limitierte Mathematik der endlichen Population dies unmöglich macht.

Es könnte sein, dass die Annahme einer endlichen Population zu einem falschen Ergebnis führt. Es könnte sein, dass ohne diese Annahme ebenfalls eine endliche, aber deutlich größere Population vorgesagt wird. Damit wärst du ja zufrieden, da du die unendliche Population ablehnst. Aber du hast gar nicht die Möglichkeit, diese alternative Rechnung durchzuführen, da du ein mathematisches Modell wählst, das die Population a priori endlich annimmt und zu einer zu niedrigen Vorhersage kommt, anstatt auf Basis einer potentiell unendlichen Population a postiori ebenfalls zu einer endlichen aber deutlich größeren Population zu gelangen.

Dies ist der potentieller Fehler, der in dieser Annahme des DDA versteckt ist.

Die Annahme der endlichen Population ist z.B. mit dem von mir vorgeschlagenen Poissonprozess explizit inkompatibel, obwohl der Poissonprozess an sich nicht wirklich unnatürlich ist. Er liefert bei potentiell unendlicher Population a posteriori und vernünftigerweise im Mittel eine endliche Population, ist aber mit den Annahmen des DDA nicht beschreibbar. Warum nicht? Es gibt keine vernünftige Begründung.
 

TomS

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Mir fällt noch ein anderes Beispiel ein.

Nehmen wir an, wir haben eine Funktion f(z) über der komplexen Zahlenebene C. Nehmen wir an, wir wissen sicher, dass die Funktion im Inneren einer Kreisscheibe keine Singularitäten hat, und nehmen wir weiter an, wir kennen für die Funktion alle endlich vielen Nullstellen innerhalb des Kreises, d.h. alle z[SUB]n[/SUB] mit f(z[SUB]n[/SUB]) = 0. Außerhalb des Kreises existieren sicher keine Nullstellen.

Nun kann man beweisen, dass bestimmte Klassen komplexer Funktion eindeutig aus der Gesamtheit ihrer Null- und Polstellen rekonstruierbar sind. Hätten wir nun Kenntnis über alle Nullstellen und alle Pole, könnten wir die Funktion vollständig, d.h. für beliebige z aus C eindeutig rekonstruieren, wobei uns aus "physikalischen Gründen" lediglich f(z) für z innerhalb der Kreisscheibe interessiert.

Wir kennen aber die Polstellen außerhalb der Kreisscheibe nicht!

Wir haben nun zwei Modelle
1) eines mit endlich vielen isolierten Polstellen außerhalb der Kreisscheibe, wobei wir nicht genau wissen, wo diese genau liegen
2) ein anderes, bei dem wir aus "physikalischen Gründen" die Existenz von Polstellen generell für ganz C ausschließen

Nun ist klar, dass beide Modelle außerhalb der Kreisscheibe zu qualitativ unterschiedlichem Verhalten führen und dass nur ein Modell richtig sein kann. Nehmen wir an, das Modell (1) ist korrekt, aber wir entscheiden uns für das Modell (2), weil wir die (potentiellen) Polstellen als unphysikalisch oder irrelevant ablehnen. Nun ist es aber so, dass aufgrund dieser Wahl auch die Funktion f(z) innerhalb der Kreisscheibe mit Ausnahme der Nullstellen beliebig (!) falsch vorhergesagt werden kann. D.h. das fälschliche Ignorieren von "unphysikalischen" Polstellen weit außerhalb des für uns relevanten Gebietes beeinflusst das Verhalten im für uns relevanten Bereich.

Unser gewähltes Modell (2) ist falsch, aber wir glauben, dass dies für uns irrelevant sei, da der Fehler in einem irrelevanten Bereich liegt (den wir z.B. aus physikalischen Gründen ausschließen können). Die komplexe Funktionentheorie sagt uns jedoch, dass wir dadurch Gefahr laufen, ein beliebig falsches Ergebnis auch im relevanten Bereich zu erhalten. Abweichungen der von uns (falsch!) rekonstruierten Funktion von der tatsächliche Funktion f(z) liegen in der fälschlichen Ablehnung der von uns als irrelevant erachteten Polstellen begründet, also in der Wahl eines falschen Modells (2).

Genau diesen Fehlschluss begehen wir bei der Ablehnung der potentiell unendlichen Population. Konkret: wir erwarten "aus physikalische Gründen" immer eine endliche Population (= keine Polstellen innerhalb der Kreisscheibe); wir lehnen deshalb generell unendliche Populationen ab (= keine Polstellen in ganz C); wir erhalten logischerweise das erwartete Ergebnis einer endlichen Population (= keine Polstellen innerhalb der Kreisscheibe); wir erhalten aber möglichweise einen völlig falschen Wert für die Population (= völlig falsche Funktionswerte innerhalb der Kreisscheibe, mit Ausnahme der Nullstellen).

Zusammenfassend: ja, das DDA liefert richtigerweise eine endliche Population, aber es liefert möglicherweise einen völlig falschen Wert für die Population, weil wir das falsche Modell verwenden, da wir das richtige irrtümlicherweise aus sachfremden Gründen ausschließen.

Im Falle des DDA haben wir es darüber hinaus mit der Problematik zu tun, dass wir kein alternatives Modell (2) kennen, und Vorhersagen des Modells (1) nicht bzgl. Plausibilität prüfen können. Wir sollten jedoch nicht aus Unkenntnis von (2) die Existenz von (2) ablehnen, wir sollten uns im Gegenteil um Altnativen (2), (3), ... bemühen.
 
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Lina-Inverse

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noch eine Frage am Rande: warum legt Ihr so viel Wert darauf, das DA auch auf den Fall einer nicht-endlichen Population zu erweitern? Das mag zwar mathematisch reizvoll sein...
Das ist eine gute Frage auf die ich auch keine Antwort weiss :) Meiner Meinung nach dafür geeignete Prämissen habe ich ja gestern gepostet, aber niemand scheint gewillt zu sein damit zu arbeiten. Eine rein theoretische Lösung ganz ohne physikalisch begründete Prämissen halte ich auch für nicht nützlich - die Eigenschaften die wir dem Universum unterstellen entscheiden unter anderem darüber ob unendlich eine Option ist oder nicht. Ohne physikalische Prämissen kommen wir in die Situation das wir vielleicht eine wundervolle mathematische Lösung finden die aber gar nicht zur Physik passt (in etwa wie jemand der versucht mit euklidischer Geometrie zu beweisen das Dreiecke eine Winkelsummer von 180° haben, aber übersieht das diese nur in einer Ebene gilt).

Die Definition der Klasse Mensch bzw. Beobachter bzw. "Ichs" halt ich nicht für so umwerfend wichtig. Wir sollten typische Positionen in allen (nein - nur in den meisten!) denkbaren Referenzklassen einnehmen (natürlich kann man sich eine Menge Referenzklassen ausdenken, in denen wir keine typische Position einnehmen, aber das ändert nichts daran). Zudem gab es ganz am Anfang so lange Zeit so wenige Menschen, dass es keine grosse Rolle spielt, bei welcher Gruppe von Hominiden wir den Schnitt effektiv ansetzen.
Wenn du die Definition nicht für wichtig befindest, kann jeder seine eigene verwenden. Dann will ich von dieser Option mal Gebrauch machen: Beobachter ist jeder Vorfahre und jeder Nachfahre des Menschen, einschliesslich der Urzelle. Das erhöht meinen Geburtsrang ganz beträchtlich und ich kann dir entgegnen das die Menschheit nach dem DA sehr wahrscheinlich noch sehr viele nachfolgende Beobachter hervorbringen wird. Wie? Damit bist du nicht einverstanden?

Warum nicht? Du hast doch gegenüber Aries selbst behauptet das dich DA-Anwender nicht interessieren, also macht es ja auch nichts das Einzeller nur eingeschränkte Beobachter sind, oder? Du solltest die Wichtigkeit der Klassendefinition vielleich doch nochmal evaluieren.

Im übrigen ist die Definition "Beobachter" auch durch das antropische Prinzip angreifbar. Beobachter, die sich selbst als Mensch definieren, können gar keine Geburtsränge von noch nicht geborenen Nicht-Menschen beobachten. Die Annahme das man die Self-Sampling-Assumption auf Nicht-Menschen ausdehnen könnte ist mindestens strittig, keineswegs selbstverständlich wie du es voraussetzt.

Gruss
Michael
 

Bynaus

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Hier noch meine Kommentare zu UMa's einführender Rechnung. Möglicherweise verstehe ich ihn falsch oder bin zu dumm dafür, aber ich sehe aus dem, was er geschrieben hat nicht, wie das das DA wiederlegen soll.

Wie SK schon geschrieben hat, lässt sich das DA ganz einfach über das (oder Variationen des) Urnenbeispiels illustrieren. Wenn ich aus einer Urne mit von 1 bis N durchnummerierten Losen ein Los mit der Nummer X ziehe, dann gilt in 99% der Fälle, in denen ich das mache, N<99*X (ja, N ist endlich und das Ziehen aus der Urne ist fair). Auf die Geburtsnummern übertragen heisst das, mit 99% Wahrscheinlichkeit (a priori) ist die totale Anzahl Menschen < 99*(70-100 Mrd).
Ja, nur wenn die Anzahl Menschen endlich ist (zweifellos, aus Gründen der Thermodynamik und der begrenzten Lichtgeschwindigkeit) und die "Self-Sampling-Assumption" (IMO eine Nebelkerze, ausser man will ernsthaft in Betracht ziehen, dass unsere Welt eine Simulation ist) gilt.

Aber nehmen wir mal UMa's Argumentation auf und versuchen zu bestimmen, ob wir wohl eher in einer Welt leben, in der es total 200 Milliarden Menschen geben wird (das pessimistische Szenario s_1), oder alternativ eine, in der es total 200 Billionen Menschen (also 1000 mal mehr) geben wird (das optimistische Szenario s_2). Wir beobachten die Geburtsnummer 100 Milliarden - welches Zukunftsszenario ist demnach wahrscheinlicher? Diese Umformulierung ist zwar korrekt, bedingt aber (im Gegensatz zum DA), dass wir dass wir den beiden Szenarien, die wir für diese Überlegung in Betracht ziehen wollen, nun eine Wahrscheinlichkeit zuweisen müssen: denn wenn wir das nicht tun, können wir unmöglich sagen, wie wahrscheinlich unsere Beobachtung des Geburtsranges ist.

Die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten, spezifischen Geburtsrang zu haben, ist natürlich immer 1/N, dh, sie ist 1/100 Milliarden im pessimistischen, und 1/100 Billionen im optimistischen Szenario. Doch wie wahrscheinlich ist es nun, dass wir uns in Szenario s_1 oder s_2 befinden, in Abhängigkeit der Beobachtung, dass wir einen Rang von 100 Milliarden haben? Dafür brauchen wir die sogenannt bedingte Wahrscheinlichkeit (UMa und Co wissen das natürlich, aber ich will, dass es hier einmal alle mitverfolgen können).

Bedingte Wahrscheinlichkeit wird so formuliert: P(A | B) = P(A & B) / P(B).

P(A | B) bedeutet, dass A unter der Bedingung, dass B eingetreten ist, auftritt. P(A & B) ist die Wahrscheinlichkeit, dass A und B zusammen auftreten, und P(B) ist die Wahrscheinlichkeit, dass B auftritt. Das heisst also, die Wahrscheinlichkeit, dass A eintritt, wenn zuvor B eingetreten ist, entspricht der Wahrscheinlichkeit, dass A und B zusammen auftreten, geteilt durch die Wahrscheinlichkeit, dass B auftritt. Also wenn wir z.B. wissen wollen, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, mit einem 6er Würfel eine 4 gewürfelt zu haben, wenn man bereits weiss, dass man eine gerade Zahl gewürfelt hat, gilt also:

P (4 gewürfelt | gerade Zahl gewürfelt) = P(4 gewürfelt und gerade Zahl gewürfelt) / P(gerade Zahl gewürfelt) = (1/6) / (1/2) = 1/3.

Und das stimmt natürlich: es gibt genau drei gerade Zahlen, die man mit einem 6er-Würfel würfeln kann, und die 4 ist eine von den dreien, also beträgt die Chance 1/3.

Soweit alles klar? Weiter.

P(A), also die "totale" Wahrscheinlichkeit, dass A auftritt, kann man natürlich als Summe der Wahrscheinlichkeit, dass A unter der Bedingung von B auftritt, plus der Wahrscheinlichkeit, dass A NICHT unter der Bedingung von B auftritt (Nicht-B) ausdrücken, also:

P(A) = P(A | B) * P(B) + P(A | -B) * P(-B).

Wenn wir nur zwei Fälle haben (wie hier, mit unseren Szenarien s_1 und s_2), dann ist P(-B) natürlich gerade 1 - P(B).

Und zuletzt brauchen wir nur noch den Satz von Bayes. Er verknüpft P(A | B) und P(B | A) miteinander. Es gilt ja:

P(A | B) = P(A & B) / P(B) => P(A | B) * P(B) = P(A & B)
P(B | A) = P(A & B) / P(A) => P(B | A) * P(A) = P(A & B)

Also: P(A | B) * P(B) = P(B | A) * P(A)

Und damit: P(A | B) = P(B | A) * P(A) / P(B)

P(B) kann man dann mit der totalen Wahrscheinlichkeit (für B) von oben ersetzen und erhält folgenden Wurm:

P(A | B) = P(B | A) * P(A) / ( P(B | A) * P(A) + P(B | -A) * P(-A) )

Nun können wir also einsetzen:

P(s_1 | X=100 Mrd) = P(X=100 Mrd | s_1)*P(s_1) / (P(X=100 Mrd | s_1)*P(s_1) + P(X=100 Mrd | s_2)*P(s_2))

Warum haben wir das gemacht? Nun stehen zum Teil Werte drin, die wir kennen:

P(X=100 Mrd | s_1) = 1/200 Mrd = a
P(X=100 Mrd | s_2) = 1/200 Bio = b

Ausserdem stehen da P(s_1) und P(s_2). Welche Wahrscheinlichkeiten sollen wir den beiden Szenarien zunächst einmal zuweisen? Nehmen wir als erstes mal an, die beiden seien etwa gleich wahrscheinlich, also P(s_1) = 0.5 und P(s_2) = 0.5. Was kommt da raus? Folgendes:

P(s_1 | X=100 Mrd) = a * 0.5 / ( (a * 0.5) + (b * 0.5) ) = 99.9%. Uups. Es gibt, unter der Annahme, dass beide Szenarien gleich plausibel sind, eine offenbar erdrückend hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir uns im pessimistischen Szenario befinden. Das könnte man als Variation auf das klassiche DA, wie ich es üblicherweise formuliere, verstehen.

Doch seien wir mal optimistisch und weisen wir dem optimistischen Szenario P(s_2) = 0.99 zu, und dam pessimistischen entsprechend P(s_1) = 0.01. Dann gilt:

P(s_1 | X=100 Mrd) = a * 0.01 / ( (a * 0.01) + (b * 0.99) ) = 91%. Das heisst, obwohl wir dem optimistischen Szenario nun eine sehr viel grössere Plausibilität eingeräumt haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns im pessimistischen Szenario befinden, immer noch sehr gross, nämlich 91%.

Was geschieht aber nun, wenn wir den beiden Szenarien die Plausibilität gerade proportional zur Anzahl ihrer Beobachter zusprechen, also P(s_2) = 0.999 und P(s_1) = 0.001? Dann ergibt die die Rechnung:

P(s_1 | X=100 Mrd) = a * 0.001 / ( (a * 0.001) + (b * 0.999) ) = 0.5 = 50.0%.

Wenn also jeder Beobachter die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Szenario beobachtet wird, proportional erhöht (und das ist keineswegs klar, dass dem so sein soll), dann hebelt das direkt den Effekt des DA aus, und man ist "so schlau wie zuvor". Dieses Argument ist allerdings nicht neu, man nennt es "Selbstindikation" bzw. "self-indication-assumption" = SIA (siehe auch: http://en.wikipedia.org/wiki/Self-Indication_Assumption_Doomsday_argument_rebuttal).

Man kann übrigens auch weitere Szenarien hinzunehmen, aber die Wahrscheinlichkeit, sich in einem bestimmten davon zu befinden, wird immer 1/S sein, mit S der Anzahl in Betracht gezogener Szenarien. Es erscheint nicht nur ein bisschen seltsam, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Szenario eintreten soll, von der Anzahl Szenarien abhängen soll, die man zum Vergleich heran zieht. Wenn jedes Szenario (dh, jede künftige Anzahl Menschen) gleich wahrscheinlich ist, dann dominieren die Szenarien, die grösser sind als die im Universum überhaupt mögliche maximale Populationsanzahl U, die Wahrscheinlichkeitsverteilung, denn es gibt keine Obergrenze, bei der die Verteilung gekappt wird. Beim DA hingegen bekommt man eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, die von Szenarien dominiert ist, die (fast) allesamt extrem viel kleiner als U sind. Weiter halte ich es für unbefriedigend, dass man die Plausibilität der einzelnen Szenarien "von Hand" vorgeben muss. Und schliesslich ändert die SIA nichts daran, dass wir in den postulierten bevölkerungsreichen Szenarien stets extreme, unwahrscheinliche Positionen innerhalb der jeweiligen Population einnehmen, stets ganz am Anfang... Und zu guter Letzt: Im pessimistischen Szenario s_1 sind nur 50% der Menschen "erfunden" - im optimistischen s_2 sind es 99.99%, aber gemäss SIA ist nichts dabei (es ist gleich wahrscheinlich), Szenarien mit (1-10^-100)*100% erfundenen Menschen zu postulieren. Das erscheint dann definitiv so, als müssten wir hier einfach zwanghaft gewaltige künftige Menschenmengen erfinden, um uns aus den viel stärker in der Realität verankerten, aber pessimistischen Szenarien herauszuretten.
 

Bynaus

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Nur noch kurz, jetzt:

TomS schrieb:
Im Falle eines Autotyps mit tatsächlich unendlicher mittlerer Fahrleistung ist ein Modell für ausschließlich endliche Fahrleistung explizit falsch!

Ja. Aber es gibt nun mal keinen Autotyp mit tatsächlich unendlicher mittlerer Fahrleistung. Wir müssen diesen Fall nicht diskutieren, weil er nicht eintritt. Wir müssen für die Frage, die uns interessiert, nur Fälle betrachten, in denen Autotypen endliche mittlere Fahrleistungen haben.

Es könnte sein, dass die Annahme einer endlichen Population zu einem falschen Ergebnis führt.

Mag sein. Es ist aber keine Annahme. Die Population ist zwingend endlich.

Die Abschätzung gemäss dem DA führt, das räumst du ja selbst ein, für endliche Populationen zu einem richtigen Ergebnis, oder? Siehe das Beispiel mit den Hüten. Die Population der Menschen (wie auch der Hüte) IST endlich. Wenn wir also mit den Hüten richtig liegen, liegen wir auch mit den Menschen richtig. Ich sehe wirklich nicht, was daran so schwierig sein soll.

Lina-Inverse schrieb:
Wenn du die Definition nicht für wichtig befindest, kann jeder seine eigene verwenden. Dann will ich von dieser Option mal Gebrauch machen: Beobachter ist jeder Vorfahre und jeder Nachfahre des Menschen, einschliesslich der Urzelle. Das erhöht meinen Geburtsrang ganz beträchtlich und ich kann dir entgegnen das die Menschheit nach dem DA sehr wahrscheinlich noch sehr viele nachfolgende Beobachter hervorbringen wird. Wie? Damit bist du nicht einverstanden?

Dochdoch, damit bin ich einverstanden. Bloss dass nicht alle "Beobachter" eben auch wirklich "beobachten" werden, wie wir das meinen, wenn wir den Homo Sapiens als Referenzklasse nehmen. Es wird, selbst wenn die Menschheit ausstirbt, sicher noch unzählige Nachfahren bzw. "Beobachter" wie du sie nennst (also z.B. Einzeller) geben, wohl fast bis dass die Sonne die Erde verschluckt...

Aber tatsächlich hab ich das nicht so gemeint. Ich meinte, es gibt eine Reihe von möglichen Referenzklassen von tatsächlichen, menschenähnlichen "Beobachtern", die man definieren kann, die sich allesamt recht gut überschneiden und wo sich die zahlenmässigen Unterschiede, im Vergleich zu den absoluten Geburtsrängen, die heute vergeben werden, doch sehr in Grenzen halten.

Beobachter, die sich selbst als Mensch definieren, können gar keine Geburtsränge von noch nicht geborenen Nicht-Menschen beobachten.

Anderseits wissen wir aber auch gar nicht, ob es diese Geburtsränge jemals überhaupt geben wird.
 

TomS

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Es ist aber keine Annahme. Die Population ist zwingend endlich.
Entschuldige bitte, aber in jeder ernsthaften Diskussion des DDA wird die endliche Population als unbeweisbare Prämisse eingeführt; lies bitte Orginalarbeiten oder schau auf die mehrfach zitierte Wikipedia-Seite o.ä.:

http://en.wikipedia.org/wiki/Doomsday_argument#Infinite_Expectation
http://telescoper.wordpress.com/2009/04/29/the-doomsday-argument/
http://www.anthropic-principle.com/preprints/lit/

Man kann also zeigen, dass - obwohl das DDA unter der Annahme endlicher Population formuliert wird - mathematisch agumentiert werden kann, dass auch unendliche Populationen möglich sind. Sicher ein Schwachpunkt bzw. eine paradoxe Situation.

Es kann also keine Rede davon sein, dass die Population zwingend endlich ist!

Ich habe auch zig-fach erklärt, warum die a priori Annahme einer endlichen Population mathematisch unbegründet ist und dass alleine daraus falsche Schlussfolgerungen folgen können, selbst wenn die tatsächliche Population aus anderen Gründen endlich ist. Ich habe ein explizites Gegenbeispiel angeführt, aus dem ohne die Annahme einer endlichen Population diese als Folgerung ableitbar ist, jedoch andere Ergebnisse von denen des DDA abweichen.

Es tut mit leid das so sagen zu müssen, aber außer dem gebetsmühlenartigen Wiederholen, dass du an eine endliche Population glaubst, hast du kein ernsthaftes mathematisches Argument angeführt. Dass ich deine astrophysikalischen Argumente nicht bezweifle, habe ich mehrfach geschrieben, ich habe aber auch begründet, warum die a priori Annahme einer endlichen Population trotzdem problematisch ist. Du hast dich mit keinem Gegenargument inhaltlich auseinandergesetzt, weder mit den von mir angeführten, noch mit anderen aus der Fachliteratur. Entweder bist du dazu nicht in der Lage (kann ich mir nicht vorstellen) oder du du bist nicht Willens (warum?) In beiden Fällen hat es jedenfalls keinen Sinn, weiter zu diskutieren.
 
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Bynaus

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TomS schrieb:
In beiden Fällen hat es jedenfalls keinen Sinn, weiter zu diskutieren.

Das sehe ich auch so. Ich verstehe wirklich ganz grundsätzlich nicht, warum es für dich nicht einleuchtend ist, dass die Annahme einer endlichen Population beim DA unproblematisch ist, weil wir ja in Wirklichkeit nur endliche Populationen betrachten und das DA für endliche Populationen offensichtlich problemlos funktioniert. Deine Argumentation, warum das ein Problem sein soll, hat mich nicht überzeugt oder ich habe sie nicht verstanden. Du hingegen verstehst offenbar nicht, warum mich der mathematische Spezialfall einer unendlichen Population nicht kümmert, weil du darin eine Schwäche der Argumentation zu erkennen glaubst, und ich konnte dir offenbar nicht vermitteln, warum ich diese Position vertrete. Der Unterschied hat wohl viel mehr mit unserer Herangehensweise an die Mathematik zu tun, als mit dem DA.

Damit beende ich für den Moment meine Beiträge in diesem Thread. Ich denke, ich habe in den letzten paar Posts wohl alles gesagt, was es aus meiner Sicht dazu zu sagen gilt, und ich habe das Gefühl, die Diskussion dreht sich schon länger im Kreis (und zwar um einen Punkt, der aus meiner Sicht hinfällig ist). Ich sehe auch nach wie vor keinen Grund, bei künftigen Diskussionen im Forum vom Gebrauch des DA abzusehen, wie das UMa sich wohl gewünscht hätte.
 

Aries

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Das sehe ich auch so. Ich verstehe wirklich ganz grundsätzlich nicht, warum es für dich nicht einleuchtend ist, dass die Annahme einer endlichen Population beim DA unproblematisch ist, weil wir ja in Wirklichkeit nur endliche Populationen betrachten und das DA für endliche Populationen offensichtlich problemlos funktioniert.
Ob das DA für endliche Populationen problemlos funktioniert, hat keine Bedeutung, denn Population können immer nur aus physikalischen Gründen endlich sein. Das heißt, man muss trotzdem eine Wahrscheinlichkeitsfunktion anwenden, die an sich grundsätzlich eine unendliche Population zulässt. Bloß muss man eben die physikalische Obergrenze zusätzlich anwenden.
 

TomS

Registriertes Mitglied
Ob das DA für endliche Populationen problemlos funktioniert, hat keine Bedeutung, denn Population können immer nur aus physikalischen Gründen endlich sein. Das heißt, man muss trotzdem eine Wahrscheinlichkeitsfunktion anwenden, die an sich grundsätzlich eine unendliche Population zulässt. Bloß muss man eben die physikalische Obergrenze zusätzlich anwenden.
Danke, wenigstens bin ich nicht ganz alleine hier :D

@Bynaus: irgendwie bin ich mit meinem Latein am Ende; da ich nicht annehme, dass du zu blöd zum verstehen bist, muss wohl ich zu dumm zum erklären sein; egal, und nichts für ungut ... :)
 

Bernhard

Registriertes Mitglied
denn Population können immer nur aus physikalischen Gründen endlich sein.
@Aries und Tom,

offensichtlich wollt Ihr auch Szenarien betrachten, die sich nicht strikt an physikalische Gesetze halten? Ich finde so etwas auch interessant, aber man müsste vermutlich zusätzlich (er)klären in wie weit das dann ein GdM-Thema wäre.
MfG
 

mac

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Hallo Bynaus,

Das sehe ich auch so. Ich verstehe wirklich ganz grundsätzlich nicht, warum es für dich nicht einleuchtend ist, dass die Annahme einer endlichen Population beim DA unproblematisch ist, weil wir ja in Wirklichkeit nur endliche Populationen betrachten und das DA für endliche Populationen offensichtlich problemlos funktioniert.
Darauf hat es bereits etliche einleuchtende Antworten gegeben. Nach diesem Zitat von Dir, hat Aries es nochmal, auch für jeden verständlich, der der hier verwendeten Sprache nicht immer ausreichend mächtig ist, ganz klar und deutlich formuliert:

Ob das DA für endliche Populationen problemlos funktioniert, hat keine Bedeutung, denn Population können immer nur aus physikalischen Gründen endlich sein. Das heißt, man muss trotzdem eine Wahrscheinlichkeitsfunktion anwenden, die an sich grundsätzlich eine unendliche Population zulässt. Bloß muss man eben die physikalische Obergrenze zusätzlich anwenden.



aber ich sehe aus dem, was er (UMa) geschrieben hat nicht, wie das das DA wiederlegen soll.
(UMa) von mir eingefügt.
Wenn ich in Deinem Post #109 nichts Entscheidendes übersehen habe, dann liegt das daran, daß Du auf den Kern von UMa’s Argumentation gar nicht eingegangen bist/ihn nicht wahrgenommen hast?
Fazit: Aus der Wahrscheinlichkeit mit der ein Platz, oder eine Platzspanne, bei unbekannte Platznummer und bekannter Theatergröße, auftritt, kann man nicht auf die Wahrscheinlichkeit schließen, mit der man bei bekannter Platznummer und unbekannter Theatergröße einen Platz in einem so großen Theater hat. Wie der Rechengang zeigt, hängt diese Wahrscheinlichkeit (wenn alle Plätze gleichwahrscheinlich sind) nur von der Häufigkeit der Größen der Theater ab, in denen sich ein solcher Platz befindet. Die Platznummer spielt dagegen keine Rolle. Sie liefert uns nur eine Mindestgröße für das Theater.
Darum verstehe ich zwar, das Du
Bynaus schrieb:
Ich sehe auch nach wie vor keinen Grund, bei künftigen Diskussionen im Forum vom Gebrauch des DA abzusehen, wie das UMa sich wohl gewünscht hätte.
schreibst, aber es wird auch in meinen Augen UMa’s Argumentation selbst dann nicht gerecht, wenn Du Dein Vorgehen bei der Behandlung endliche/unendliche Population, für legitim hältst.

Eines Deiner, im Zusammenhang mit dem DDA immer wieder vorgetragenen Anliegen, daß wir uns unserer Zerbrechlichkeit bewußt werden sollten, kann ich (und das auch ganz und gar ohne DDA) mit tragen.




Der Dissens zwischen TomS und Bynaus, liegt, wenn ich das richtig verstanden habe, im Kern darin ob man mit einem vereinfachten Model, wie dem (aus der mathematischen Not heraus) auf endliche Populationsentwicklung reduzierten DDA, die Realität ausreichend zuverlässig abbilden kann. Keiner von Beiden kann das (wenn ich das richtig verstanden habe) positiv oder negativ beweisen. Auch der Beweis, daß man mit einem Model, welches auch für (mathematisch potentiell) unentlich große Populationen endliche, aber (von mir aus auch krass) abweichende Ergebnisse erhalten könnte, ist noch kein Beweis für seine größere Zuverlässigkeit. Wohl aber wäre das ein ausreichendes Motiv, für weiter gehende Untersuchungen.

Für einen Ingenieur wie mich, wäre in dieser Situation der nächste Schritt, daß ich die Wirklichkeit mit den Modellen vergleiche und nach Abweichungen suche und wenn das aus praktischen Gründen nicht geht, daß ich die Wirklichkeit so gut ich kann, so nahe wie möglich an der Physik und Biologie, mathematisch modelliere. Auch das ist, erst recht in der Biologie, nicht ganz einfach.

Herzliche Grüße

MAC

PS: Ich bin mir bewußt, wie zeitaufwändig und anstrengend Dein Eingehen auf zahlreiche Diskutanten und Argumente hier ist und finde es großartig, mit welcher menschlichen Souveränität diese Diskussion von allen Beteiligten geführt wurde.
 

mac

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Hallo Bernhard,

@Aries und Tom,

offensichtlich wollt Ihr auch Szenarien betrachten, die sich nicht strikt an physikalische Gesetze halten? Ich finde so etwas auch interessant, aber man müsste vermutlich zusätzlich (er)klären in wie weit das dann ein GdM-Thema wäre.
MfG

Es ist in meinen Augen ein fundamentaler Unterschied, ob ich eine Funktion mit den Werkzeugen der Mathematik dazu bringe endliche Abschnitte zu beschreiben, oder ob ich solche Funktionen von vornherein mit physikalischen Argumenten ausschließe.
Um das in einem besonders einfachen Beispiel zu illustrieren, Du argumentierst (im übertragenen Sinne): Weil die Exponentialfunktion bis ins unendliche wächst, darf ich sie nicht zur Beschreibung der Populationsentwicklung verwenden, denn das wäre unphysikalisch, weil aus rein physikalischen Gründen, keine Population bis ins Unendliche wachsen kann.

Der mathematische Weg die potentiell ins Unendliche wachsende e-Funktion hier auf den Boden der Tatsachen zu bringen ist z.B. die Erweiterung der Gleichung auf die logistische Funktion.

Herzliche Grüße

MAC
 

ralfkannenberg

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Mir fällt noch ein anderes Beispiel ein.

Nehmen wir an, wir haben eine Funktion f(z) über der komplexen Zahlenebene C. Nehmen wir an, wir wissen sicher, dass die Funktion im Inneren einer Kreisscheibe keine Singularitäten hat, und nehmen wir weiter an, wir kennen für die Funktion alle endlich vielen Nullstellen innerhalb des Kreises, d.h. alle z[SUB]n[/SUB] mit f(z[SUB]n[/SUB]) = 0. Außerhalb des Kreises existieren sicher keine Nullstellen.

Nun kann man beweisen, dass bestimmte Klassen komplexer Funktion eindeutig aus der Gesamtheit ihrer Null- und Polstellen rekonstruierbar sind. Hätten wir nun Kenntnis über alle Nullstellen und alle Pole, könnten wir die Funktion vollständig, d.h. für beliebige z aus C eindeutig rekonstruieren, wobei uns aus "physikalischen Gründen" lediglich f(z) für z innerhalb der Kreisscheibe interessiert.

Wir kennen aber die Polstellen außerhalb der Kreisscheibe nicht!

Wir haben nun zwei Modelle
1) eines mit endlich vielen isolierten Polstellen außerhalb der Kreisscheibe, wobei wir nicht genau wissen, wo diese genau liegen
2) ein anderes, bei dem wir aus "physikalischen Gründen" die Existenz von Polstellen generell für ganz C ausschließen

Nun ist klar, dass beide Modelle außerhalb der Kreisscheibe zu qualitativ unterschiedlichem Verhalten führen und dass nur ein Modell richtig sein kann. Nehmen wir an, das Modell (1) ist korrekt, aber wir entscheiden uns für das Modell (2), weil wir die (potentiellen) Polstellen als unphysikalisch oder irrelevant ablehnen. Nun ist es aber so, dass aufgrund dieser Wahl auch die Funktion f(z) innerhalb der Kreisscheibe mit Ausnahme der Nullstellen beliebig (!) falsch vorhergesagt werden kann. D.h. das fälschliche Ignorieren von "unphysikalischen" Polstellen weit außerhalb des für uns relevanten Gebietes beeinflusst das Verhalten im für uns relevanten Bereich.

Unser gewähltes Modell (2) ist falsch, aber wir glauben, dass dies für uns irrelevant sei, da der Fehler in einem irrelevanten Bereich liegt (den wir z.B. aus physikalischen Gründen ausschließen können). Die komplexe Funktionentheorie sagt uns jedoch, dass wir dadurch Gefahr laufen, ein beliebig falsches Ergebnis auch im relevanten Bereich zu erhalten. Abweichungen der von uns (falsch!) rekonstruierten Funktion von der tatsächliche Funktion f(z) liegen in der fälschlichen Ablehnung der von uns als irrelevant erachteten Polstellen begründet, also in der Wahl eines falschen Modells (2).
Hallo Tom,

hier bin ich nicht einverstanden: dadurch, dass wir die Polstellen dieser (meromorphen ? - ist bei mir schon Jahrzehnte her ...) nicht kennen, kann man eben keine Aussage über diese Funktion gewinnen. Man kennt die Polstellen für z >= 0 nicht und der Identitätssatz ist nicht mehr anwendbar.

Kommt hinzu, dass Du durch die Hinzunahme einer weiteren Voraussetzung (meromorphe Funktion) das Agnostikerprinzip verletzst, auf welchem das DA beruht.

Etwas blöd formuliert: wenn Du 2 Geraden in der Ebene schneidest und den Schnittpunkt bestimmst, so wirst Du keine weiteren Lösungen bekommen, wenn Du diese beiden Geraden in einen höherdimensionalen Raum einbettest.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

TomS

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Ist ja nur ein (weitere) Beispiel.

Das Ausschließen der Polstellen bedeutet, dass wir die Funktionen unzulässig einschränken, da wir explizit die ganze Klasse ausschließen, aus der die korrekte Funktion stammt. Daher enthält die Klasse der verbleibenden Funktionen (die ohne Polstellen) sicher ausschließlich falsche Funktionen. Und daher diese können abseits der bekannten Nullstellen sogar beliebig falsch sein.
 
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