Freut mich mal wieder mit Dir zu plaudern, Tom
Vorab: Mir ging es bei meinen Anmerkungen weniger um eine Kritik dieser Interpretation an sich, eher um eine Kritik des Ausgangspunktes: wenn man eine Interpretation in einen Kontext einordnet und dadurch motiviert, dann sollte man diesen Kontext nicht derart verzerrt darstellen.
1) Das einzige was vor der Messung existiert, ist die Wellenfunktion. Der Zustand ist somit unbekannt und unbestimmt.
Der Zustandsvektor
ist im mathematischen Sinne äquivalent zur Wellenfunktion. Was du meinst ist, dass bestimmte klassische oder Messgrößen unbekannt sind. Ok.
2) Eine Messung ist nicht nur ein Einholen von neuer Information, sondern der Messprozess definiert die Realität.
Das ist eine philosophische Position, die man einnehmen kann. Diese ist weder inkonsistent noch falsch, aber auch nicht alternativlos. Wie gesagt, mich interessiert stattdessen, was
tatsächlich geschieht.
Meines Erachtens bleibt nur eine große Frage offen: Nach welchem Selektionsmechanismus wird die eindeutige Zeigerpostion ausgewählt, sprich nach welchem Mechanismus wird ausgewählt, wo das nächste Elektron auf dem Detektorschirm landen wird. An dieser Stelle müssen wir uns noch mit dem Zufall begnügen.
Das ist ebenfalls eine philosophische Haltung. Im Falle des klassischen deterministischen Chaos wäre sie in der Praxis teilweise zutreffend, als fundamentale Position jedoch falsch.
Für das Messproblem sind verschränkte Zustände nicht erforderlich (siehe Doppelspaltexperiment), interessant ist aber, dass diese Interpretation die Verschränkung sogar postuliert, da es sonst du Inkonsistenzen mit der klassischen Physik führen würde, aber das ist ein anderes Thema.
Für eine einfache Formulierung des Messproblems sind verschränkte Zustände tatsächlich nicht erforderlich, allerdings treten sie im Formalismus unweigerlich auf, so dass jede Erklärung zum Messproblem diese angemessen berücksichtigen muss.
Aber Nein wie soeben erwähnt kann diese Interpretation, genausowenig wie alle anderen Interpretation keine eindeutig lokalisierten Detektorereignisse vorhersagen.
Eindeutig lokalisierten Detektorereignisse wären keine Konsequenz einer Interpretation sondern müssten aus realistischeren Modellen und verbesserten mathematischen Methoden folgen – siehe das Programm der TI – oder natürlich aus einer Änderung der QM selbst – siehe z.B. GRW, Penrose.
Deshalb sprechen die Physiker an dieser Stelle gerne von einem objektiven Zufall.
Dieser Sprachgebrauch ist mit Vorsicht zu genießen, da der
objektive Zufall keine objektive Tatsache ist sondern eine Hypothese bzw. eine subjektive Meinung.
Wie gesagt, derartige Interpretationen im Sinne von "Kopenhagen 2.0" interessieren mich nicht, weil sie unsere aktuell limitierte Erkenntnis als objektive Wahrheit verkaufen, ohne dass dafür überzeugende Belege präsentiert würden. Ich finde es jedenfalls interessanter, zu versuchen, dieses Rätsel zu lösen – und dabei ggf. zu scheitern – anstatt es als Dogma im Sinne "Bohr 2.0" zu bewahren.
Meine Frage,
wie man auf dieser Basis eindeutige und lokalisierte Detektorereignisse in Übereinstimmung mit unseren Beobachtungen berechnen kann.
wird jedenfalls von all diesen Interpretationen ignoriert. Es wird stillschweigend angenommen, dass es unmöglich ist, dabei wäre es viel spannender, z.B. explizite no-go Theoreme gegen die TI abzuleiten.