Monod schrieb:
Im Prinzip ja, aber so eine Umsattlung bedarf Zeit, Kosten, Material und politisches Durchhaltevermögen, um den bereits eingetretenen globalen Trend umzukehren.
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Sagen wir, die Polywellfusion funktioniert - dann setzt sie sich weltweit in kürzester Zeit durch. Energieproblem behoben. Damit lassen sich eine riesige Menge von Problemen lösen: Abhängigkeiten von natürlichen Rohstoffen und Systemen lassen sich lösen, CO2 lässt sich aus der Atmosphäre entfernen, etc.
Ein massiver Ausbau der Kernenergie ist nicht viel anders als eine funktionierende Polywellfusion, einfach plus radioaktive Abfälle, plus der gelegentliche Unfall. Nicht, dass ich das verharmlosen will, aber gemessen am Kollaps ist das ein kleiner Preis, den wir zahlen.
Die nötigen Verbesserungen des Sicherheitsstandards treiben die Kosten für neue Kraftwerke in die Höhe - und damit die Kosten des erzeugten Stroms, so dass das Argument der billigen Kernkraft obsolet wäre.
In der gegenwärtigen Lage sind die Kosten für alle Alternativen immens grösser, wenn man alles einbezieht. Neue Reaktorgenerationen zu entwickeln oder die Sicherheit bestehender Reaktoren zu verbessern ist sicher nicht Grössenordnungen teuer.
Ich habe - wie gesagt - keine Patentlösung parat, wie es gelingen kann, den Ressourcenverbrauch zu drosseln, die Industrieproduktion auf ein nachhaltiges Maß herunterzufahren und damit den Energiebedarf zu senken. Meines Erachtens wird das die Natur von selbst erledigen, wenn wir das nicht halbwegs zivilisiert hinbekommen, aber ich denke, dass in Zukunft mehr Wert auf eine dezentrale Energieerzeugung und -versorgung gelegt werden sollte, die - zumindest was die Grundversorgung der Bevölkerung mit Strom betrifft - auf erneuerbaren Energiequellen beruht.
Wenn wir das tun, wird die Gesellschaft in vielerlei Hinsicht verarmen. Weniger Menschen, weniger Energieproduktion, weniger Energieverbrauch bedeutet auch weniger Innovation, weniger grosse Absatzmärkte, Wirtschaftskrise (Rezession), weniger Geld für neue Produkte, etc. Auf diesem "weniger ist besser"-Weg berauben wir uns selbst der Handlungsfähigkeit.
Nein, wir brauchen etwas ganz anderes: wir müssen sehen, dass wir das Wirtschafts- und Energieverbrauchswachstum von der Zerstörung der natürlichen Grundlagen entkoppeln. Je weniger der Mensch die Natur beeinflusst, desto besser. Wie schon erwähnt: der Natur ist es völlig egal, wie viel Energie der Mensch verbraucht - so lange sie davon nicht betroffen ist. Energieeinsparung ist kein Wert an sich, ist nicht gut oder erstrebenswert per se. Es gibt andere Wege zur Erhaltung der natürlichen Umwelt als die Deindustrialisierung.
Im Übrigen glaube ich nicht, dass die gesamte Welt freiwillig bei einer solchen Selbstverstümmelung mitmachen wird. Glaubst du, China oder die USA werden sich freiwillig einschränken, sich freiwillig selbst schwächen in der Hoffnung, dass es die anderen auch machen? Niemals.
Hier sehe ich dann auch eine Zukunft für die Kernenergie
Ich denke, es wird langfristig nur noch städtische Ballungsgebiete geben - und eine neue Wildnis darum herum. Natur braucht Platz - der Mensch hingegen kann auch in die Höhe (und Tiefe!) bauen. In solchen Zentren hat die Kernenergie tatsächlich eine Zukunft - zusammen vielleicht mit eingestrahlter Sonnenenergie aus dem Weltall.
hardy schrieb:
Fühlt sich ausser Galileo noch jemand von mir als 'debile Randexistenz' behandelt?
Ich nicht.
Schmidt's Katze schrieb:
Und jetzt erfahren wir, daß japanische Reaktoren nicht zu den sicheren, nach westlichen Standards betriebenen gehören, die absolut sicher sind, und denen die Zukunft gehört.
Es hilft der Diskussion nicht, wenn man übertreibt, und zwar auf beiden Seiten nicht.
Rationale Stimmen haben nie behauptet, die Kernenergie sei "absolut" sicher. Das Wort "Restrisiko" gab es schon vor Fukushima. JEDE Energieform ist mit Restrisiken behaftet, jede Form der Energiewandlung führt irgendwo zu Toten: die einen Energieformen mehr, die anderen weniger.
Kernenergie ist, verglichen mit anderen Energieformen, ziemlich "sicher" in dem Sinn, dass bei deren Nutzung nur vergleichsweise wenige Menschen sterben oder verletzt werden. Wenige - nicht Null. Aber Null ist nicht erreichbar, mit keiner Energieform. Der Entscheid, von Kernenergie auf Kohle zu wechseln, ist deshalb nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes horrend falsch, sondern auch aus Sicht des Bevölkerungsschutzes. Die Bevölkerung verliert damit an Sicherheit, obwohl das vielleicht subjektiv nicht der Fall ist. Man hat den Eindruck, man braucht nicht lange zu suchen, bis man jemanden findet, der ausführlich von den Gefahren der Kernenergie zu berichten weiss - von den Gefahren der Alternativen hingegen? Fehlanzeige.
Relative Sicherheit, bekannte Risiken und Probleme, CO2-Neutralität, sofortige Verfügbarkeit: In jeder realistischen Einschätzung der Zukunft sollte die Kernenergie aus all diesen Gründen eine wichtige Rolle spielen. Tschernobyl, Fukushima, "westliche Standards" hin oder her.
EDIT: @galileo, unsere Antworten haben sich gekreuzt:
Nur: Was macht dich so sicher, dass es so sein könnte?
Hab ich nirgends behauptet. Ich bin einfach generell gegen Denkverbote. Wenn die Analyse der Situation ergibt, dass die Japaner schlampig (oder von mir aus: schlampiger als Europäer und Amerikaner im Allgemeinen) gearbeitet haben, dann ist es eben so. Wenn nicht, dann eben nicht.
Das "ganz andere Sicherheitsdenken" in Japan wage ich zu bezweifeln.
Wir wussten vielleicht nicht davon, aber im Verlauf von Fukushima sind ja Dinge über Tepco ans Licht gekommen, die einem durchaus zu diesem Schluss verleiten könnten. Ist dir ein Fall bekannt, wo ein KKW-Betreiber im Westen systematisch Protokolle von Sicherheitschecks gefälscht hat? Gibt es in irgend einem westlichen Staat ein derartiges Begünstigungs-Netz wie es offenbar bei der japanischen Nuklearbehörde und den KKW-Betreibern üblich war (und, offenbar, immer noch ist)? Wieder: ich sage nicht, dass wir generell immun sind. Aber da gibt es durchaus Unterschiede. Dass wir vorher davon nicht wussten, heisst nicht, dass sie nicht existierten, und dass wir unsere Einschätzung der Situation nun angesichts dieses zusätzlichen Wissens nicht anpassen dürften: Offenbar waren die japanischen Reaktoren nicht so sicher wie gedacht. Hätten wir von den Machenschaften von Tepco im Vornherein gewusst, hätten wir die Situation schon damals anders eingeschätzt.
Woher hast du das mit dem 'Kohleumstieg'? (...) Für eine Quelle wäre ich dir dankbar.
http://www.reuters.com/article/2011/04/15/us-germany-nuclear-idUSTRE73E2I920110415
Reuters schrieb:
It will also require building new gas and coal plants, Merkel said. "Gas and coal power plants were discussed... an accelerated exit from nuclear energy will lead to replacement power stations," she said.
Ich möchte erst noch sehen, wie man bis 2030 sowohl aus den fossilen als auch aus den KKW aussteigen will. Ich befürchte, Deutschland wird dann eher zum weltweit abschreckenden Beispiel, was passiert, wenn man das versucht. Das könnte allerdings auch politische Folgen nach sich ziehen: ein verarmtes Deutschland war schon mehrmals eine Quelle von grosser Instabilität in Europa.