EULER an die kleine Prinzessin Friederike von Brandenburg, am 28. August 1768:
„Nachdem man ... anfieng, einzusehen, daß die Figur der Erde ungefähr kugelförmig und allenthalben bewohnbar sey, so das es Oerter gebe, die uns gerade entgegen gesetzt sind, wo die Einwohner uns die Füße zukehrten, die man auch deswegen Antipoden nennt: so fand diese Meynung so viel Widersprüche, daß einige Kirchenväter sie als eine große Ketzerey ansahen ... Heut zu Tage würde man für einen Thoren gehalten werden, wenn man an ihrer Wirklichkeit zweifeln wollte ... Dem unerachtet findet man noch in dieser Sache viele Schwierigkeiten, die es der Mühe werth ist zu heben .... In der Verlegenheit ... haben einige sie durch die Vergleichung mit einer Kugel zu heben geglaubt, auf deren Oberfläche man oft Fliegen ... eben so wohl oben als unten herumlaufen sieht ... Aber sie denken nicht daran, daß die Insekten ... sich durch ihre Klauen anhaken ... Also müßte der Antipode wohl vielleicht Haken an seinen Schuhen haben ... ; aber er hat keine ... Ja, so wie wir uns einbilden oben auf der Erde zu seyn, so bildet es sich der Antipode auch ein und glaubt, daß wir unten sind. Vielleicht ist es ihm eben so bange um uns als uns für ihn ist ... In der That, wenn sich jemand an der Decke eines Zimmers mit den Füßen halten wollte, so müßten die Haken an seinen Schuhen sehr stark seyn, und bey alledem würde er doch eine traurige Figur vorstellen ... Aber wohin sollte denn nun wohl der arme Antipode, für den man so besorgt ist, fallen, wenn sich das ereignete? ... niemals hat man noch gehört, daß ein Antipode einen so schrecklichen Fall von der Erde hinweg gethan hätte. Vielmehr, wenn sie fallen, so fallen sie wie wir gegen die Erde zu; und doch bilden sie sich ein, nach unten zu fallen. - Allenthalben wo wir uns auf der Erde befinden, ist unten da, wohin die Körper fallen.“
... „Die Philosophen streiten sehr darüber, ob es wirklich eine solche Kraft gebe, die unsichtbar auf alle Körper wirkt und sie nach unten treibt; oder ob es vielmehr eine innere, in dem Wesen der Körper liegende Eigenschaft, und gleichsam eine Art von Instinkt sey, die sie treibt, sich gegen die Erde zu bewegen. Diese Frage läßt sich auf eine andere bringen: ob die Ursache der Schwere in der Natur jedes Körpers selbst, oder ob sie außer ihm existirt ...“