Rolf Köhne schrieb:
Ein naturwissenschaftliches Verständnis des Bewusstseins liegt nicht vor.
Doch, siehe die Experimente von Libet (Buchtipp: "Mind Time") oder die Hinweise die Hameroff auf Quantenkohärenz in Mirkotulbuli gefunden hat (Siehe auch
http://www.quantumconsciousness.org/). Oder eben die Ergebnisse von Gödel (Beitrag 36 und 114 sind hier wichtig). Auf der Schiene von Standpunkt C (der vor allem in Beitrag 36 begründet wird) kann man sehr weit kommen, wie ich in diesem Thread versuche zu zeigen (die Standpunkt A,B,C und D sind in Beitrag 25 erklärt).
Rolf Köhne schrieb:
Selbst eine allgemein anerkannte präzise Definition von Bewusstsein ist bisher nicht gelungen.
Ich bin der Ansicht dass eine präzise Definition nur im Rahmen einer Theorie möglich ist die Sagt was Bewusstsein tut, und ihm nicht jede Aktive Rolle abspricht - es also nicht als ein Epiphänomen abtut. Nach der viel häufiger Vertretenen Ansicht, Bewusstsein wäre nur eine Nebenerscheinung von Hirnprozessen, ist gar keine Definition möglich. Man kann Dinge nur darüber definieren was sie tun.
Rolf Köhne schrieb:
Es gibt drei empirisch beoabbachtbare Tatsachen:
1.) Das Bewusstsein ist noch nicht in den Anfängen des Lebens, in den Einzellern, vorhanden.
Jede Empirische Beobachtung setzt eine Theorie vorraus. Das hat auch Einstein besonders schön in einer Debatte mit Bohr formuliert. Es kommt darauf an wie man Bewusstsein definiert. Die Panpsychisten definieren es gar nicht (bilden sich aber ein das zu tun) und sagen einfach alles hätte Bewusstsein (die verschiedenen Geist-Gehirn-Philosophien finden sich in Beitrag 78 und 89). Selbst jedes Teilchen sollte ein Elementarbewusstsein haben. Das ist zwar besonders einfach, bringt aber keinerlei Definitionen oder Vorhersagen die man Beobachten könnte. Es werden einfach alle grundlegenden Aspekte des Bewusstseins ignoriert. Etwa steht die Tatsache das Bewusstsein hochgradig nichtlokal ist im krassen widerspruch zum panpsychistischen Begriff des Elementarbewusstseins (zur Nichtlokalität siehe z.B. Beitrag 208).
Rolf Köhne schrieb:
Es ist aber in einem gesunden, wachen erwachsenen Menschen zu finden. Irgendwo dazwischen muss es sich gebildet haben.
Wann die ersten Anzeichen von Bewusstsein, gemäß meiner Definition, sich zeigen, habe ich ja schon ein paar Beiträge weiter oben geschrieben.
Rolf Köhne schrieb:
3.) Das Bewusstsein erlischt mit dem Tod des menschlichen Gehirns. Es muss daher eine Funktion des Gehirns sein.
Damit dieser Satz eine logische Schlussfolgerung ist, musst du ihn umkehren. Es muss lauten: "Das Bewusstsein ist eine Funktion des Gehirns, daher muss es mit dem Tod erlöschen". Oder in den Worten von Penrose:
"Wenn "Geist" völlig außerhalb jedes physikalischen Körpers existiert, ist es schwer einzusehen, warum sich sehr viele Geistige Eigenschaften sehr genau mit Eingenschaften des Gehirns in Verbindung bringen lassen."
Rolf Köhne schrieb:
Eine Theorie des Bewusstseins, also eine Lösung des Geist-Gehirn-Problems, muss erklären können, warum sich Bewusstsein im Laufe der Evolution entwickelt hat.
Wie gesagt bring Bewusstsein so wie ich es definiert habe einen enormen Selektionsforteil, und das selbst für eher primitive Lebensformen. Bewusstsein muss also schon recht früh in der Evolution vorhanden gewesen sein. Wie Eccles meine ich auch dass es zusammen mit der visuellen Wahrnehmung entstanden sein könnte - oder kurz darauf.
Rolf Köhne schrieb:
Man kann zwar darüber spekulieren (wie z.B. Penrose), aber es bleibt eben eine Spekulation.
Es gibt schon einige Hinweise auf die richtigkeit der Spekulationen von Penrose und Hameroff. Hierzu mal ein älterer Beitrag von mir (21.4.05):
"Der Physiker Herbert Fröhlich vermutete dass in biologischen Systemen kollektive Quanteneffekte eine Rolle spielen könnten. 1968 behauptete er schließlich dass biologische Quantenkohärenzphänomene zu aktiven Schwingungen führen sollten die eine Resonanz mit Mikrowellenstrahlung von 10^11 Hertz haben. Die Frequenzen die Fröhlich für seine kollektiven Quantenschwingungen vorhersagte, wurden durch die Beobachtungen von Grundler und Keilmann 1983 bestätigt - sie liegen im Bereich von 5*10^10 Hertz, und entsprechen genau dem was Hameroff und seine Kollegen als Schaltzeit der Tubulin-Dimere berechnet haben. Wenn Fröhlichs Quantenschwingungen wirklich innerhalb der Mikrotubuli ablaufen, ist das ein deutlicher Hinweis für eine starke Kopplung zwischen den beiden Prozessen. Somit wären die Berechnungen entlang der Mikrotubuli-Röhre ebenfalls quantenmechanisch.
Die Berechnungen mit denen die Mirkrotubuli befasst sind stören die Umwelt dann am meisten wenn sie über die MAP-Brücken von einem Mirkotubulus zum nächsten übertragen werden. Nach der Lösung des Messproblems von Penrose hängt es von der Größe der Massenverschiebung ab, ob der Quantenzustand kollabiert und die Berechnung wieder klassisch wir. Die Störung dürfte jedoch hinreichend klein sein, so dass es nicht gleich zur Reduktion des Quantenzustands kommt. Es ist wichtig sich klar zu machen dass die Lösung des Messproblems von Penrose nicht die einzige sein muss die so umfassende Quantenkohärenz im Gehirn zulässt."
Rolf Köhne schrieb:
dass das Bewußtsein zum Zeitpunkt T eine Ausgangsgröße des Gehirns ist
Man kann nicht erwarten dass sich diese Form von Formalisierung einfach so im nichtmateriellen Anteil der Realität fortsätzen lässt. Das wäre etwas naiv.
Rolf Köhne schrieb:
Es ist deshalb ein Selektionsvorteil, wenn Lebewesen Theorien entwickeln können.
Wie schon Popper sagte, es gibt keine Sinnesdaten. Alles muss interpretiert werden. Genau das leistet das Bewusstsein. Auch unser räumliches Sehen beruht darauf. Aber ohne Herumzugehen und etwas zu tun, kann es sich nicht entwickeln. Wenn man die "Theorie entwickelt hat dass etwas so und so weit weg ist, dann muss man hingehen können um zu schauen ob die Einschätzung richtig war. Es gab ein Fall bei dem ein von Geburt an Blinder durch eine Operation wieder das Augenlicht erlangte. Er konnte dann zwar sehen, aber er konnte nichts mit seinen retinalen Inputs anfangen. Für ihn waren es keine Sinnesdaten. Sie waren völlig uninterpretiert. Wenn man ihm einen Ball zeigte und ihn fragte welche FOrm er hat, dann antwortete er mit der Frage, "Kann ich ihn berühren, dann kann ich es sagen". Er hat den Ball vor sich gesehen, aber er wusste nicht das zu interpretieren was er gesehen hat. An diesem Beispiel sieht man das räumliches sehen alles andere als trivial ist und auch erst gelernt werden muss.
Rolf Köhne schrieb:
Was ihm schmeckt, definiert einn bewusstes Lebewesen für sich selbst. Es entsteht freier Wille.
Die Estetischen Werte entstehen dabei auch erst durch die Erfahrung. Etwas mit dem man schlechte erfahrungen hat, nimmt man zugleich anders war als jemand der gute Erfahrungen damit gemacht hat. Wenn man z.B. ein Musikstück beschreiben soll bringt man es sogleich mit dingen in Verbundung mit denen es in der Vergangenheit auftrat. Niemand würde auf die Idee kommen Reggea mit Schnee, Regen und Weihnachtsstimmung in Verbindung zu bringen. So benutzen wir um Musik zu beschreiben stehts Erfahrungen aus unserer Vergangenheit und merken das wir kein "Ding an sich" beschreiben. Wie Immanuel Kant schon sagte, können wir nichts über die "Dinge an sich" sagen. Sondern nur etwas darüber, wie sie sich äußern und mit was man sie in Verbindung bringen kann.
Rolf Köhne schrieb:
Wenn wir (grausam!) ein zu Bewusstsein fähiges Lebewesen in einen dunklen Brutkasten stecken und es künstlich am Leben halten, kann ein solches Lebewesen kein Bewusstsein entwickeln, weil es nicht mit der Umwelt differenziert wechselwirken kann.
Natürlich nicht.
Rolf Köhne schrieb:
Um den Bewusstseinsbildungsprozess von Menschen verstehen zu können, ist es zwingend erforderlich, die Rolle von Sprache und Gehör mit in die Überlegungen einzubeziehen.
Das habe ich bereits vorgeschlagen, als ich die drei sprachlichen Ebenen von Bühler vorstellte die von Popper um eine vierte ergänzt wurden. Es existieren noch andere Einteilungen. Diese befinden sich jedoch alle auf einer Ebene, so dass sie mit der von mir genannten Einteilung übereinstimmen.
In dieser Kategorisierung halte ich die Ebenen 3 und 4 ohne Bewusstsein für Undenkbar.
Die Ebenen 1 und 2 sind auch ohne Bewusstsein möglich. Teilweise können sie sich Evolutionär aber nur mit Bewusstsein entwickeln. Das ist dann der Fall, wenn etwa auf Ebene 2, der Signalfunktion der Sprache, ein bestimmter emutionaler Zustand, etwa Angst ausgelöst werden soll. Dazu ist zwar kein Bewusstsein erforderlich, wie bereits Experimentell durch einen Hund mit entfernter Großhirnrinde gezeigt wurde (!), aber es muss einen Zweck haben, d.h. es muss etwas beim Empfänger eine Emution auslösen und das kann es nur wenn die Evolution bereits Bewusstsein hervorgebracht hat.
Rolf Köhne schrieb:
Sprache befördert die Theoriebildung enorm - und sie verkürzt den Lernprozess bei der Entstehung des Bewusstseins heranwachsender Menschen.
Das Liegt daran dass man sich die Objekte über die man nachdenkt nicht immer imaginativ erfassen muss, das heißt man muss sie sich nicht immer vorstellen. Man behällt nur die Abstrakten Wörter im Gedächnis. Über den Sinn der Wörter kann man sich dann anschließen noch klarer werden.
Das bringt einen Enormen vorteil. Ich denke aber dass auch schon ohne Sprachapperat, zumindest Gedanklich Ebene 3 erreicht werden kann. Ich habe auch schon versucht, nichtverbal auf Ebene 3 zu denken. Dazu muss man sich die Wahr-Falsch-Aussagen, die man macht nur Bildlich vorstellen. Die argumentative Ebene scheint aber nichtverbal unerreichbar. Dennoch ist gerade die argumentative Ebene gerade bei mathematischem Denken teilweise hochgradig nichtverbal.