2. Zur Diskretheit der atomaren Spektren
Experimentell beobachtet man ein Linienspektrum, d.h. ein Atom strahlt Licht nur in diskrete Frequenzen ab (bzw. absorbiert nur Licht diskreter Frequenzen). Das klassische Wellenmodell versagt hier wiederum, da sowohl Licht als auch Materie kontinuierliche Energieportionen tragen bzw. aufnehmen oder abgeben kann. Aufgrund der früher diskutierten Quantisierung der Energie von Photonen könnte man nun meinen, dies würde auch die Quantisierung dieser atomaren Spektren "erklären". Dies ist jedoch nicht der Fall, denn hier handelt es sich gerade nicht um die Eigenschaft von Photonen sondern um die der Elektronen im Atom.
Experimentell findet man übrigens, dass das Spektrum des Wasserstoffatoms aus
$$\Delta E_{m \to n} \sim \frac{1}{n^2} - \frac{1}{m^2}$$
folgt. D.h. ein Übergang aus einem Zustand m in einem Zustand n ist mit einem Photon dieser Energie verknüpft.
D.h. dass das Elektron im Wasserstoffatom nicht in kontinuierlichen Energien
$$E(r) = -\frac{1}{2}\frac{\alpha e^2}{r}$$
bei beliebigen (aber festen Bahnradien) umlaufen kann, sondern dass quantisierte Energien
$$E_n = \frac{1}{n^2}E_1$$
bei diskreten Bahnradien) existieren müssen. Allerdings haben wir ja oben schon gesehen, dass die Erklärung mittels Kreisbahnen letztlich unzulässig ist.
Bohr "löste" beide Probleme mit den
Postulaten,
i) dass im Wasserstoffatom nur diese diskreten Energien vorliegen
dürfen und
ii) dass für diese
keine Strahlung gemäß der klassischen Elektrodynamik existiert.
Man kann dieses Postulat auf verschiedene Weisen motivieren.
a) Man ordnet dem Elektron eine Materiewelle zu; diese trägt Bach deBroglie einen Impuls, sowie das Elektron als Teilchen auf seiner Kreisbahn. Nun
fordert man, dass die Wellenlängen genau in den Umfang der jeweiligen Bahnen "passen", d.h.
$$n\lambda_n = 2\pi r_n;\;n \in \mathbb{N}^+$$
Damit folgen die Bohrschen Energien
b) Man
fordert für einen Umlauf des Elektrons die Bohr-Sommerfeldsche Quantisierungsbedingung
$$\oint dq\,p = k\hbar;\;k \in \mathbb{N}^+$$
Natürlich ist das keine Lösung oder Erklärung des Problems, sondern eben nur ein Postulat. Und genau deswegen gehe ich auch nicht weiter auf das Bohrsche Modell ein.
Ich schließe mit einer Zusammenfassung, warum das Bohrsche Modell letztlich nicht funktioniert
- es erklärt nicht die Stabilität der Atome; insbs. widerspricht es der klassischen Elektrodynamik
- es erklärt nicht die erlaubten, diskreten Energieniveaus
- das Modell erklärt nicht feinere Details der Spektren (Fein- und Hyperfeinstruktur) sowie Korrekturen der Spektren wenn Atome externen elektrischen bzw. magnetischen Feldern ausgesetzt werden (Stark- bzw. Ziemann-Effekt)
- das Modell ordnet dem Grundzustand mit einem umlaufenden Elektron einen Drehimpuls zu; man weiß jedoch, dass im Grundzstand der Drehimpuls Null vorliegt
- das Modell ist nicht-relativistisch
- die o.g. Quantisierungen (a,b) funktionieren ausschließlich für ein-Elektronen-Atome bzw. -Ionen und versagen für alle komplizierteren Atome ab Helium aufwärts; das Modell erklärt also nicht den Aufbau komplizierterer Atome, das Periodensystem, chemische und physikalische Eigenschaften, Moleküle, ...
- das Modell fordert Stabilität der o.g. Bahnen und erklärt nicht, warum nun gerade doch Strahlungsübergängen zwischen diesen Bahnen beobachtet werden; das Modell erklärt weder die Existenz dieser Strahlungsübergänge noch die "Intensität" der Strahlung
Damit stehen wir vor der Situation, dass wesentliche physikalische Phänomene
weder mittels des klassischen
Teilchen-
noch mittels des
Wellenbildes erklärt werden können,
und dass eine Kombination dieser beiden Ansätze ad hoc und insbs. in sich
widersprüchlich wäre.