Brauchen wir die Kernenergie?

ispom

Registriertes Mitglied

so lese ich es:

China hat am Mittwoch die Genehmigungsverfahren für alle Atomprojekte auf Eis gelegt. .... Jetzt müssten die Sicherheitsbestimmungen überarbeitet werden...und bei Projekten, die nicht den Sicherheitsrichtlinien entsprechen, wird ein sofortiger Baustopp verfügt.

und das ist vernünftig.
und das auch:

Nirgendwo in der Welt werden so viele Kernkraftwerke gebaut wie in China. In den kommenden zehn Jahren sollen die Kapazitäten verachtfacht werden. Erst am Montag hatte der Volkskongress beschlossen, allein in den nächsten fünf Jahren mit dem Bau von rund 40 Reaktoren zu beginnen. Einige der Delegierten betonten aber, China sollte der Sicherheit von Kernkraftwerken mehr Aufmerksamkeit schenken

http://www.focus.de/panorama/welt/t...-china-ueberdenkt-atompolitik_aid_609407.html
 

galileo2609

Registriertes Mitglied
Hallo Alex,
@galileo:
Ich muß ehrlich zugeben daß die Umstände ein Beleg dafür sind, daß die Kernkraft-Technologie vielleicht wirklich nicht letztgültig beherrschbar ist. Ich habe mich dabei ertappt Dir antworten zu wollen: "Naja, ist ja kein Problem, dann baut man das das nächste mal so und so und dann wäre das nicht passiert." Zweifelsohne könnten KKWs aus den Erkenntnissen noch sicherer werden. Aber mit welcher Begründung kann man ausschließen daß nicht doch wieder etwas Unvorhergesehens passiert?
ich könnte mir schon vorstellen, dass man eines Tages wirklich sichere KKW bauen kann. Vielleicht wären wir auch jetzt schon in der Lage dazu. Die technologische Betrachtung ist dabei aber auch nur eine Seite der Medaille. Moderne Reaktoren wie der EPR oder der russische AES-91 (der in China im Einsatz ist), verfügen über hochtemperaturresistente keramische Auffangbecken, die einen schmelzenden Reaktorkern auffangen und kühlen sollen.

Solche Entwicklungen steigern theoretisch die Störfallbeherrschung mit inhärenten Systemen. Ob das realistisch ist, kann ich aufgrund mangelnder Kenntnisse nicht beurteilen. Aber deutlich ist, dass ein solches Konzept weit über die Sicherheitsszenarien hinaus konzipiert ist, die im Falle von Fukushima versagt haben. Und eines muss man auch noch mal klar festhalten, bevor man über abstrakte Einordnungen dieses Vorfalls (INES-Skala) diskutiert. Seit dem Verlust der batteriebetriebenen Notkühlung, wird in Japan nur noch mit workarounds gearbeitet, die in keinem existierenden Sicherheitskonzept vorgesehen sind. Es gibt keine inhärenten Systeme mehr, mit denen dieser Störfall eingedämmt werden kann. Das ist der gravierende Unterschied zu Three Mile Island im Jahr 1979.

Die andere Seite der Medaille sind die ökonomischen Faktoren und skills des Humanfaktors. Ob diese analog der rein technologischen Entwicklung optimierbar sind oder im Einzelfall optimiert werden, ist in meinen Augen der fraglichere Faktor.

Grüsse galileo2609
 

galileo2609

Registriertes Mitglied
Irgendwie ist das grade grotesk. Über die Ticker läuft die Meldung, dass TEPCO ein provisorisches Kabel fast fertig verlegt hat, um die Kühlanlagen wieder in Betrieb zu nehmen. Da sowas garantiert nicht innerhalb der letzten Stunden begonnen wurde, frag ich mich, was ist das für eine beschissene Informationspolitik?

'Plugs in' und alles funktioniert dann wieder? Wenn man sich die letzten Bilder von Fukushima ansieht, muss man sich die Frage stellen, was in diesem Schrotthaufen überhaupt noch in Gang gesetzt werden kann.

Grüsse galileo2609
 

Kibo

Registriertes Mitglied
Ich versteh das irgendwie auch nicht, was kann daran so schwer sein den Reaktorkern zu fluten? Die Japaner haben es doch sonst so mit Robotern. Schickt man halt ein ferngesteuertes Auto mit Greifarm und Feuerwehrschlauch da rein und dann Wasser marsch, davon ist ja genug vorhanden, so dicht am mehr:confused:
 

galileo2609

Registriertes Mitglied
Hallo Kibo,

es gibt zwei Krisenherde. Das eine sind die Reaktorkerne innerhalb der Containments, die offenbar noch dicht sind. Das andere sind die offenliegenden Abklingbecken ausserhalb der Containments.
Ich versteh das irgendwie auch nicht, was kann daran so schwer sein den Reaktorkern zu fluten?
Vor allem der Druck innerhalb der Containments ist ein Problem. Die Einspeisung von Kühlwasser muss gegen den aufkommen. Deshalb hat man ja in den letzten Tagen immer wieder Druck auch aus den Containments abgelassen.
Feuerwehrschlauch da rein und dann Wasser marsch
Feuerwehrschläuche sind für so einen Druck nicht ausgelegt. Man benötigt daher Pumpen und Zuleitungen, die damit umgehen können. Die Abklingbecken kann man mit "Wasser marsch" wässern, was ja mit den Löschhubschraubern und Wasserwerfern versucht hat.
davon ist ja genug vorhanden, so dicht am mehr:confused:
Das ja, aber man muss es eben an die Krisenherde bringen.

Grüsse galileo2609
 

galileo2609

Registriertes Mitglied
Hallo Kibo,

noch ein Nachtrag. Wir sollten uns alle bewusst darüber sein, dass wir nur über ein gefährliches Halbwissen verfügen. Im Grunde bleibt uns nur übrig, die Informationen auf Plausibilität zu checken.

Mal so ein Beispiel dazu. "Wasser marsch", was auch in den Live-Tickern z. Zt. grossen Stellenwert einnimmt. Der spontanen Kühlungswirkung steht entgegen, dass mit purem Wasser auch wiederum ein Moderator eingespeist wird, der schnelle Neutronen abbremsen kann. War vor ein paar Tagen, bei den ersten Massnahmen, die Reaktoren mit Meerwasser zu kühlen, noch Borsäure beigemischt worden, ist dass bei den Löschversuchen per Hubschrauber oder Wasserwerfer kein Thema mehr. Wer von uns will beurteilen, was da gerade physikalisch passiert?

Grüsse galileo2609
 

Laserdan

Registriertes Mitglied
Hier war ja auch die Rede von den 50 (mittlerweile mehr) 'Liquidatoren', die momentan in der Gefahrenzone arbeiten - dazu gibt es bereits einen (englischen) Wiki-Artikel und einen eigenen Namen:

http://en.wikipedia.org/wiki/Fukushima_50

They are likely older workers, beyond reproductive age, so the long-term effects of exposure to high-levels of ionizing radiation would be less likely to appear before a natural death.

Da war der Kommentar hier im Thread mit der letalen Dosis etc. recht nah an der Wahrheit dran.
 

galileo2609

Registriertes Mitglied
In diesem Informationschaos geht leider der Überblick über die beteiligten Mannschaften verloren. Die '50' gelten oder galten zumindest gestern als letztes Aufgebot, das wirklich an die Liquidatoren von Tschernobyl erinnerte. Inzwischen wissen wir, dass Hubschrauberpiloten, Polizisten und Armeeangehörige dazugezählt werden müssen. Wohl auch die Arbeiter, die die Stromversorgung zu Fukushima wieder herstellen wollen.

Wie auch immer. Die Informationslage ist beschissen.

Grüsse galileo2609
 

galileo2609

Registriertes Mitglied
Hallo ispom,

natürlich nicht. Aber ich würde es begrüssen, wenn du dich hin und wieder vom Virus der Rationalität befallen liessest. Deine platten ideologischen Darbietungen unterscheiden sich strukturell in nichts von dem Verhalten, das du den Anti-Atom-Bewegten unterstellst.

Grüsse galileo2609
 

ispom

Registriertes Mitglied
Hallo ispom.... Aber ich würde es begrüssen, wenn du dich hin und wieder vom Virus der Rationalität befallen liessest.

Mit diesem Virus bin ich eine Symbiose eingegangen, Galileo.:cool:
Und im Geiste der Rationalität habe ich einen Artikel aus dem (ansonsten gar nicht „atom-freundlichen“) „Spiegel“ verlinkt, der aus französischer Sicht die deutsche „Atom-Angst“ beschreibt (mit der wir beide uns ja nicht identifizieren :)),
zudem in meinem einleitenden Satz die eigene Meinung zu der energiepolitischen Frage
„brauchen wir die Kernenergie?“ = Thema des threads
wiedergegeben.
 

galileo2609

Registriertes Mitglied
Hallo Kibo,

wenn du den Spiegel-Artikel aufmerksam gelesen hast, wird dir nicht entgangen sein, was man diesen Robotern zutrauen kann und was nicht. Über Informationsbeschaffung und Datensammeln hinaus, ist ihr Einsatz recht begrenzt. Vor allem kommen aber auch Roboter nicht um die Probleme herum, die sich den menschlichen Einsatzkräften physikalisch und ingenieurstechnisch entgegenstellen.

Grüsse galileo2609
 

Sissy

Registriertes Mitglied
Um auf die Eingangsfrage zu antworten:

Ja, ich glaube, wir brauchen die Kernenergie, bis wir eine andere Möglichkeit gefunden haben, Energie zu erzeugen.

Die derzeitige Menge Menschen kann nicht auf Steinzeitniveau überleben. Wir benötigen elektrischen Strom (Betrieb von Zügen, Umladeeinrichtungen) für die Transportkapazitäten für Güter (Lebensmittel, Wasser, Rohstoffe, Fertigprodukte) und Menschen, wir brauchen sehr große Mengen an Strom für Industriekomplexe, für Aufbereitung, Transport und Verteilung von Wasser, für Logistik, für Forschungseinrichtungen aller Art, für unser tägliches Leben.

Aber ich halte es für falsch, die Stromerzeugung, ihre Verteilung und ihren Verkauf in Privathände zu geben. Das gehört aus meiner Sicht in staatliche Hände. Und der Staat hat dafür zu sorgen, daß die technisch machbaren Sicherheitsvorkehrungen auch komplett umgesetzt werden. Der tatsächliche Preis der Stromerzeugung (inklusive Sicherheitsvorkehrungen, Abfallbeseitigung und Endlagerung) soll dann an die Verbraucher weitergegeben werden.

Eine völlige Abkehr von der Energieerzeugung mit Atomkraftwerken unter dem Eindruck der derzeitigen Katastrophe in Japan halte ich für falsch. Ich würde einen Mix aus AKW (Grundlast), Kohlekraftwerken, Wasserkraftwerken, Gaskraftwerken (Biogas?), Blockkraftwerken sowie Solar- und Windenergie anstreben. Solange die alternativen Kraftwerke Strom liefern können, sollten die Gas- und eventuell sogar die Kohlekraftwerke im "Standby" betrieben werden.

Das ist nicht "wirtschaftlich" und bedeutet Überkapazität. Aber ich halte eine solche "Überkapazität" für notwendig.

Zusätzlich sollten die Stromnetze innerhalb von Europa die Überkapazitäten der einzelnen Länder besser dorthin transportieren können, wo sie gebraucht werden.

Ich weiß, das sind fromme Wünsche... :(


Soweit ich aus den Berichten zur aktuellen Lage in Fukoshima herausgelesen habe, war der Ablauf so:

- die Notabschaltung aller Reaktoren beim Erdbeben hat funktioniert
- vor dem Eintreffen des Tsunamis hat auch die Kühlung überall funktioniert
- die Kühlung über die Akkus hat innerhalb der Zeitspanne, für die sie konzipiert waren, funktioniert

bis hier haben also die Sicherheitsmaßnahmen gegriffen.

- der Tsunami hat die (oberirdische?) Infrastruktur (Dieselgeneratoren, Anschlüsse, Treibstofflager?) zur Kühlung beschädigt, da diese dem Wüten des Wassers und des Treibguts ungeschützt ausgesetzt war

Und als die Akkus leer waren, gingen die Probleme los:

- Erdbeben + Tsunami haben bestehende Überlandleitungen zerstört, so daß kein externer Strom für den Betrieb der Kühlkreisläufe zur Verfügung stand
- schweres Gerät zur externen Stromerzeugung auf dem Gelände des Kraftwerks konnte durch die massiven Zerstörungen nicht "normal" über Land herbeigeschafft werden
- zusätzliches Personal für Wartung/Reparatur konnte nicht schnell genug auf normalem Weg zum Kraftwerkskomplex geschafft werden (zerstörte Straßen, Brücken, verletztes oder vermißtes Personal)
- durch die hohen Temperaturen kurz nach dem Abschalten und sinkender Kühlleistung stieg der Druck - es mußte "abgeblasen" werden, wodurch angeblich "leichte" Radioaktivität frei wurde
- nachdem durch mangelhafte/fehlende Kühlung sowol in den Abklingbecken (als auch den Reaktoren selber?) die Hitzeentwicklung anstieg, bildete sich Wasserstoffgas
- dieses bildete mit dem Sauerstoff der Luft Knallgas und explodierte, wobei die Gebäude, die Reaktoren und auch das Personal in Mitleidenschaft gezogen wurde und es kam zum weiteren Austreten von radioaktiven Stoffen.

So furchtbar die Ereignisse für das japanische Volk sind, zeigen sie auch klar, wo derzeit die Sicherheitsvorkehrungen weltweit verbessert werden müssen!

Einige (oder alle?) der Folgeexplosionen hätten aus meiner Sicht vermieden werden können, wenn

- Notstromgeneratoren innerhalb der durch das Beben nicht beschädigten Gebäuden die Notkühlung länger mit Energie versorgen hätten können
- die Batterien die Notkühlung länger aufrecht erhalten hätten können
- in den Abklingbecken weniger Brennstäbe zwischengelagert gewesen wären
- die Abklingbecken nicht im selben Gebäude wie die Reaktoren untergebracht worden wären
- in weiteren erdbebensicheren Gebäuden genügend Kühlwasser oberhalb vom Niveau der Abklingbecken und Reaktoren gespeichert gewesen wäre und bei einem Notfall schlicht über die Schwerkraft dorthin hätte gelangen können, wo es gebraucht wurde oder in einem weiteren Stockwerk oberhalb von Reaktor und Abklingbecken ein großer Tank mit Kühlwasser vorhanden gewesen wäre

Soweit ich das verstanden habe, war die fehlende Kühlung nach dem Abschalten schlußendlich für das teilweise oder völlige Schmelzen der Brennstäbe verantwortlich und hat zum GAU geführt.

Um die Kühlung auch im Notfall wirklich sicherzustellen, wäre keine "Supertechnik" notwendig gewesen. Alle diese Punkte hätte man mit "normaler" Ingenieursleistung und ein paar Bauarbeitern beim Bau und auch noch nachträglich während des normalen Betriebs über Jahrzehnte nachbessern können. Aber das hätte natürlich etwas Geld gekostet...

Falls ich das Szenario falsch verstanden habe, bitte ich um Korrektur.

Ich bin absolut kein Experte in Sachen Reaktorbau, aber ich halte es durchaus für denkbar, daß bei uns in Deutschland, in Europa oder anderen Ländern ebenfalls AKW´s durch Erdbeben eine "Notabschaltung" erleben. Wenn dann noch gleichzeitig Überlandleitungen durch Schnee- und Eislast, Sturmtiefs oder das Beben selber ausfallen, stehen auch unsere vermeintlich "sicheren" AKW´s vor Kühlungsproblemen!

Ich traue da den Beschwichtigungen der AKW Betreibern und unseren Politikern nicht über den Weg. Erstere wollen schlicht so viel Geld wie möglich verdienen und letztere wieder gewählt werden...

Weiß jemand, wie lange die (hoffentlich vorhandenen?) Notstromgeneratoren zum Betrieb der Kühlung in D laufen können müssen? Gibt es da z.B. Vorschriften über die Menge an Treibstoff, der definitiv vorrätig sein muß?

Sissy
 

galileo2609

Registriertes Mitglied
Hallo Sissy,

bei allem Respekt. Mein Eindruck ist, dass zu diesem Thema zuviele Menschen mit gefährlichem Halbwissen nicht nur mitreden wollen, sondern meinen, auch die besseren Argumente zu haben. Ich schliesse mich dabei übrigens nicht aus.

Um auf die Eingangsfrage zu antworten:
Ja, ich glaube, wir brauchen die Kernenergie, bis wir eine andere Möglichkeit gefunden haben, Energie zu erzeugen.
Nun, es gibt andere existierende Techniken, um Energie nutzbar zu machen.

Die derzeitige Menge Menschen kann nicht auf Steinzeitniveau überleben.
Die kommerzielle Nutzung der Kernenergie begann Mitte der 1950er Jahre. Die technische Erschliessung von fossilen Brennstoffen für die Energieerzeugung begann im 18. und 19. Jahrhundert. Davor versorgten sich die Menschen mit regenerativen Energiequellen. Ich glaube nicht, dass man zu diesem Zeitpunkt noch von "Steinzeit" sprechen kann.

Tatsache ist aber,
Wir benötigen elektrischen Strom (Betrieb von Zügen, Umladeeinrichtungen) für die Transportkapazitäten für Güter (Lebensmittel, Wasser, Rohstoffe, Fertigprodukte) und Menschen, wir brauchen sehr große Mengen an Strom für Industriekomplexe, für Aufbereitung, Transport und Verteilung von Wasser, für Logistik, für Forschungseinrichtungen aller Art, für unser tägliches Leben.
und das zunehmend. Der Energiehunger der Welt wird trotz umsetzbarer Optimierungen steigen. Das liegt nicht nur daran, dass die gewünschte Anhebung des Wohlstandsniveaus in weiten Teilen der Welt keine Utopie mehr ist oder die Weltbevölkerung insgesamt wächst. Die technologische Entwicklung verlangt global nach mehr Strom.

Die Energieversorgung ohne Nuklearenergie wäre auch kein Problem. Die sogenannten fossilen Energieträger reichen nach gängigen Schätzungen noch gute 200 Jahre. In einem Mix mit den regenerativen Energien streckt sich diese Verfügbarkeit. Nur sieht sich die Menschheit einer weiteren einschränkenden Bedingung ausgesetzt. Das ist die akute Klimaerwärmung durch den anthropogenen Ausstoss von Kohlendioxid.
Die Frage ist also, wie wir den Energiebedarf der Welt bei gleichzeitiger Reduzierung des Ausstosses von klimarelevanten Gasen auf einen Pfad bringen, der es uns Menschen ermöglicht, ohne Wohlstandsmoratorium oder -verlust unseren Entwicklungsweg weiter zu verfolgen.

In diesem Szenario spielt in vielen Ländern die Fissionsenergie eine bedeutende Rolle, in anderen nicht. Abstrakt können wir wohl festhalten, dass die permanente Energiezufuhr durch die Sonne ein wesentliches Mehr beträgt, als wir verbrauchen können. Die offene Frage ist, ob das ökonomisch, technisch und organisatorisch in den Griff zu bekommen ist. An diesem Thema versucht sich gerade der Nachbarthread Zur Energiediskussion: Zukunft?, in dem, wenn ich das richtig beurteile, die Skepsis überwiegt.

Deutschland befindet sich in der komfortablen Situation, frühzeitig die Umstellung auf die Energieversorgung durch regenerative Energieträger angegangen zu haben. Selbst zum Zeitpunkt der Gesetzgebung pro Laufzeitverlängerung der deutschen KKW hat die Regierungskoalition das Ausstiegsszenario nie aus den Augen verloren. Die Fissionsenergie gilt lediglich als "Brückentechnologie". Anderen Länder wie Frankreich und Japan, die sich bezüglich ihrer Stromerzeugung aus historischen Gründen umfänglicher an die Nuklearenergie gebunden haben, steht dieser Spielraum nicht zur Verfügung. Wie man gerade in Japan sieht, ist die gerade in Deutschland oft beschworene "Versorgungslücke" kein drohendes Gespenst am Horizont, sondern von einem Tag auf den anderen banale Realität. Und eine Resultante des unzureichenden Energiemix.

Aber ich halte es für falsch, die Stromerzeugung, ihre Verteilung und ihren Verkauf in Privathände zu geben. Das gehört aus meiner Sicht in staatliche Hände. Und der Staat hat dafür zu sorgen, daß die technisch machbaren Sicherheitsvorkehrungen auch komplett umgesetzt werden. Der tatsächliche Preis der Stromerzeugung (inklusive Sicherheitsvorkehrungen, Abfallbeseitigung und Endlagerung) soll dann an die Verbraucher weitergegeben werden.
Diese Schlussfolgerung ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Versorgung mit Strom ist, soweit ich das nachvollziehen kann, nicht als "öffentliches Gut" definiert. Selbst in den Genfer Konventionen ist Strom nicht explizit erwähnt. Gleichzeitig ist die Energieversorgung einer der reguliertesten Bereiche der Wirtschaft. Der Betrieb von KKW unterliegt nicht nur in Deutschland den Atomaufsichtsbehörden. Der konkrete Vorteil, die Stromerzeugung komplett in staatliche Hände zu geben, erschliesst sich mir nicht. Das Innovationspotential und die Preisbildung durch staatliche Monople war meist subeffizient, wie das Beispiel der Telekommunikation dem letzten Anhänger solcher Strukturen gezeigt haben sollte. Sinnvoll ist eine Zerschlagung von Monopolen, die aber längst im Gange ist, wie die Renaissance der Stadtwerke in Deutschland zeigt. Wichtig ist dabei, dass diese nicht in der Quersubventionierung anderer kommunaler Leistungen ersticken. Und die Aufsichtsbehörden müssen dafür geradestehen, dass die gesunde Konkurrenz nicht über Dumping bei der Versorgungsgewährleistung, der technischen Sicherheit und der Bezahlung des Humankapitals verzerrt wird. Und bitte nicht vergessen: Preise sind auch im reichen Deutschland für viele Bevölkerungsschichten immer noch ein Ausschlusskriterium.

Eine völlige Abkehr von der Energieerzeugung mit Atomkraftwerken unter dem Eindruck der derzeitigen Katastrophe in Japan halte ich für falsch. Ich würde einen Mix aus AKW (Grundlast), Kohlekraftwerken, Wasserkraftwerken, Gaskraftwerken (Biogas?), Blockkraftwerken sowie Solar- und Windenergie anstreben. Solange die alternativen Kraftwerke Strom liefern können, sollten die Gas- und eventuell sogar die Kohlekraftwerke im "Standby" betrieben werden.
Unter "normalen" Umständen entwickeln die Staaten für ihre Energieversorgung mittel- und langfristige Strategien. Die Bundesregierung hat sich dazu mit einem Gutachten beraten lassen, dass am 27.08.2010 veröffentlicht wurde und im folgenden auf die Laufzeitverlängerung der KKW verengt wurde. Grundsätzlich (s. o.) ist auch in dieser Strategie der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie vorgesehen. Daneben gibt es auch Energieszenarien, die eine Gewährleistung der Energieversorgung ohne KKW zu einem früheren Zeitpunkt prognostizieren. Eine Alternative dazu wäre die dauerhafte Integration der Fissionsenergie in den Energiemix. Dazu später.

Das ist nicht "wirtschaftlich" und bedeutet Überkapazität. Aber ich halte eine solche "Überkapazität" für notwendig.
Überkapazitäten sind, abgesehen von einer rationalen Ausfallsicherheit, grundsätzlich zu vermeiden. Zumindest wenn man sich, wie das bei der Energieversorgung leider immer noch zu oft der Fall ist, gedanklich in einem Rahmen nationaler Autarkie bewegt.
Zusätzlich sollten die Stromnetze innerhalb von Europa die Überkapazitäten der einzelnen Länder besser dorthin transportieren können, wo sie gebraucht werden.
Der Strommarkt ist zwar grenzüberschreitend, aber leider noch nicht liberalisiert genug. Überkapazitäten, die in den Export drängen, werden durch die traditionellen Autarkiestrategien immer noch behindert. Dennoch ist es so, dass eben auch Atomstrom grenzüberschreitend den Weg in die Steckdosen seiner Gegner findet. Anlass für viele Bewegte in diesen Tagen, die Ökostromtarife bei Spezialanbietern zu zeichnen.
 

galileo2609

Registriertes Mitglied
(Fortsetzung)

Soweit ich aus den Berichten zur aktuellen Lage in Fukoshima herausgelesen habe, war der Ablauf so:
Sissy, der genaue Ablauf wird uns sicherlich erst nach ausreichender Zeit so richtig zugänglich werden. Selbst mit unserem gefährlichen Halbwissen unter dem Informations-GAU können wir aber jetzt schon schlicht akzeptieren, dass der Störfall in Fukuschima allein durch das Versagen der inhärenten Sicherheitssysteme möglich wurde. Die Eindämmung dieser Katastrophe ist den workarounds zu verdanken, die in keinem manual vorgesehenwaren, sondern lediglich dem Einfallsreichtum und der Opferbereitschaft der beteiligten Belegschaften und Einsatzkräfte entspringen. Diese Situation hätte nach der Auslegung dieser Kraftwerke nie eintreten dürfen.

So furchtbar die Ereignisse für das japanische Volk sind, zeigen sie auch klar, wo derzeit die Sicherheitsvorkehrungen weltweit verbessert werden müssen!
Dumm gelaufen für das japanische Volk? Hätte man diese Erfahrungen lieber irgendwo anders machen sollen? Vielleicht in Indien, Finnland, Taiwan oder in der Schweiz? Klar kann man die technische Sicherheit von KKW immer verbessern. Das Problem ist die Laufzeit der Reaktoren. Innerhalb eines gegebenen Designs sind die Nachrüstungen endlich und nicht vergleichbar mit neuen Entwicklungslinien. Fukushima Daiichi hat sechs Siedewasserreaktoren, die in den 1970er Jahren von General Electric, Toshiba und Hitachi gebaut wurden. Vierzig Jahre alte Anlagen sind nicht mit späteren Produktlinien (anderen Typs) oder neuesten Prototypen vergleichbar. Das KKW Brockdorf, ein Druckwasserreaktor, der 1986 als erster Neubau nach der Tschernobyl-Katastrophe ans Netz ging, hat z. B. seine Abklingbecken innerhalb des Containments und Katalysatoren zur Verhinderung von Knallgasbildung. Der EPR ist so ausgelegt, dass er auch noch den GAU einer Kernschmelze sicher beherrschen soll. Die Gretchenfrage ist aber eben, können wir uns alle Eventualitäten vorstellen, um nicht noch ein weiteres Mal überrascht zu werden? Die 'Wenn' und 'Dann' und die 'Hätte' sind im Nachhinein eben wenig wert. Und seien wir ehrlich, wer soll uns das abkaufen, der jetzt entweder direkt betroffen ist oder sich medial betroffen fühlt?

Ich traue da den Beschwichtigungen der AKW Betreibern und unseren Politikern nicht über den Weg. Erstere wollen schlicht so viel Geld wie möglich verdienen und letztere wieder gewählt werden...

Umso seltsamer erscheint es mir, warum du die Energieversorgung komplett in staatliche Hand überführen willst. Das ist nicht ganz konsistent. Und, wer jetzt erst recht pro oder contra Kernenergie argumentiert, sollte eines nicht auslassen: den radioaktiven Abfall. Das Verbuddeln von diesem Zeugs ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Was machen wir also damit?

Grüsse galileo2609
 
Oben