Am Mars ungeschützt stehen

Sissy

Registriertes Mitglied
Hallöchen,

zu den ganzen Rechnungen mit UV kann ich nix beitragen, aber einen Erfahrungswert aus der Praxis dazugeben.

Ich fotografiere mit Hilfe eines speziellen Filters die Venuswolken im UV-Licht. Ich verwende immer das selbe Teleskop, den selben Filter und die selbe Kamera am selben Ort.

Je mehr Wasserdampf (nicht kondensiert in Woken!) in der Atmosphäre vorhanden ist, desto schlechter ist der Kontrast meiner Aufnahmen. :mad:

Ich habe leider nicht immer aufgeschrieben, welche Temperatur, welcher Luftdruck und welche relative Feuchtigkeit während der Aufnahmen herrschte. Aber auf Grund der vorhandenen Notizen kann ich klar einen Trend ablesen. Nämlich, daß an feuchtschwülen Abenden die Aufnahmen viel dunkler sind, das S/N Verhältnis deutlich geringer ist und die Bilder sehr wenig Detail zeigen.

Zum Thema "ungeschützt" auf dem Mars stehen: Würde ich nicht empfehlen. :D

Angenommen, man steht ohne Druckanzug bei "normalem" Luftdruck in einer Glaskuppel auf dem Mars. Ein Meteorid kommt angeflogen und zerschmettert die Glaskuppel. Die vorhandene Atmosphäre macht "puff" und weg ist sie. Übrig bleibt die Marsatmosphäre mit ein paar mBar. Das ergibt ohne Zweifel eine tödliche Dekompression.

Durch den extrem niedrigen Atmosphärendruck schwillt sofort die Haut an. Innerhalb von wenigen Sekunden kann man z.B. die Finger nicht mehr bewegen. Fein in der oberen Haut verteiltes Wasser verdampft und der entstandene Wasserdampf dringt fast explosionsartig durch die Haut, samtliche Körperflüssigkeiten bilden Gasblasen. Die Hirnflüssigkeit dehnt sich genauso aus wie Blut, Magensaft, Rückenmarksflüssigkeit, Lymphe, Gewebewasser oder Urin. Man zerplatzt regelrecht von innen. Es treten innerhalb von Sekunden Lähmungserscheinungen auf. Wenn einen die Wucht der Dekompression nicht von den Füßen gehauen hat, merkt man, daß man stirbt. Denn das mit den irreversiblen Gewebeschäden dauert keine Minute und ist extrem schmerzhaft.

Man darf die Folgen einer Dekompression auf dem Mars nicht mit den Folgen der Taucherkrankheit hier auf der Erde verwechseln. Es handelt sich hier um unterschiedliche Zeitskalen, in denen bleibende Gewebeschäden auftreten und eventuell medizinisch behandelt werden könnten...

Die Umgebungstemperatur spielt da eine eher untergeordnette Rolle. Du bist längst tod, ehe es Dich friert. :D

Boa, grusliges Thema...

Sissy
 

Sissy

Registriertes Mitglied
Hallo Mac,

mit dem ersten Link bin ich einverstanden. Aber der 2. ist nicht wirklich prickelnd.

Ein Mensch im Vakuum kann 90 Sekunden überleben, sagt Geoffrey Landis von der Nasa, dann steht das Herz still. Nach 15 Minuten droht der Hirntod.

Fett hervorgehoben durch mich.

Nach 15 Minuten droht nicht der Hirntod, der ist da bei einem Erwachsenen schon eingetreten!

Wenn ein Kind (viel weniger Körpermasse als ein Erwachsener) in einen eiskalten Bach/See fällt und ertrinkt, wird durch die sehr schnell einsetzende Unterkühlung des gesamten Körpers der Stoffwechsel verlangsamt und der im Blut gespeicherte Sauerstoff kann unter Umständen das Gehirn sogar bis zu 2 Stunden am Leben erhalten. Ein Erwachsener im Bach erleidet jedoch nach spätestens 8-9 Minuten den Hirntod.

Das sind Erfahrungswerte aus zahllosen Rettungseinsätzen von Polizei, Feuerwehr und Rettungstauchern.

Grüße
Sissy
 

mac

Registriertes Mitglied
Hallo Sissy,

ich vermute mal, daß dort nur das Komma fehlt. (90 sek = 1,5 Minuten). Darüber hinaus lassen sich wohl kaum zuverlässige Aussagen machen, auch nicht bei Rettungseinsätzen. Die Zeit zwischen Herzstillstand und Hirntod läßt sich in solchen Situationen wohl kaum wirklich zuverlässig bestimmen und dürfte auch individuell und Situationsbedingt nicht für alle Menschen gleich sein. Auch ist Hirntod nur eine Obergrenze. Vorher gibt es bereits irreversible Schäden.

Herzliche Grüße

MAC
 
Zuletzt bearbeitet:

mac

Registriertes Mitglied
Hallo Sissy,

in meiner Ausbildungszeit und später im Studium wurde uns erklärt, daß das menschliche Gehirn für maximal 1 bis 2 Minuten ohne Kreislauf auskommen kann, bevor so viele Zellen absterben, daß es mehr oder minder funktionsunfähig wird.

Später wollte man, zumindest im Rettungswesen, solche Zeiten nicht mehr akzeptieren – wohl zu Recht, weil es eben individuell und vor Allem situationsbedingt, sehr große Unterschiede gibt, wie Du ja auch beschrieben hast.

Trainierte Menschen können in völliger Ruhe für grob 10 Minuten die Luft anhalten. In den Bereich < 5 Minuten dürften das die meisten Menschen schaffen, wenn Sie ihren Kreislauf ausreichend dämpfen können. <1 Minute ist sicher für mehr als die Hälfte aller Menschen auf Anhieb möglich.

Der Herzstillstand tritt bei einem gesunden Menschen in einer solchen Situation nicht ohne Übergang ein. Die Herzfrequenz wird durch zahlreiche Faktoren beeinflußt. Das Limit bei dieser Art von Herzstillstand wird aber sicher durch den Sauerstoffmangel bei der Versorgung des Herzmuskels gesetzt.

Dem Ertrinken (nicht dem Schock) geht ein mehr oder minder langer ‚Todeskampf‘ vorraus, bei dem sämtliche, auch die, nicht unmittelbar an die Sauerstoffatmung gebundenen Energiereserven (z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Milchsäure#Physiologie ) bis zu ihrem Limit ausgeschöpft werden. Wenn also in der Zeit, in der die Lunge von der äußeren Sauerstoffzufuhr abgeschnitten ist, die Skelettmuskulatur an ihrer Leistungsgrenze arbeitet, dann ist der im Blut gelöste Sauerstoff wesentlich schneller verbraucht als z.B. in einer Schocksituation, die ja eben (auch durch das Umfallen) die Versorgung des Gehirns möglichst lange aufrecht erhalten soll. Bei solchen Ausgangsvoraussetzungen schlägt auch das Herz länger, weil eben eine wesentliche Verbrauchergruppe, die Skelettmuskulatur, nicht mehr abruft.

Wieder anders sind Situationen bei Vergiftungen ...

Die von Dir genannten 2 h bei einem Kind wiederum sind für mich nur dann erklärbar, wenn das Kind auskühlte, bevor es von der Luftzufuhr abgeschnitten wurde. Also so lange im Wasser schwamm, stand oder lag, bis es sich nicht mehr bewegen konnte und dann erst unter Wasser geriet, denn sonst kühlt das Gehirn nicht innerhalb weniger Minuten ausreichend aus.

Die ein bis zwei Minuten gelten (unter den Bedingungen nach Herzstillstand und normale Körpertemperatur) wohl auch heute noch und dürften auch auf die meisten Menschen zutreffen. Aber darüber hinaus wird es dann ziemlich kompliziert, so daß man hier kaum zuverlässige Aussagen machen kann, außer daß sich der Kampf um das Leben des Betroffenen so lange lohnt, bis sein Tod sicher fest steht. (was wiederum ein eigene Baustelle ist)

@Mars.
Das ist, bezogen auf Deine ‚Wünsche‘, nichts anderes als ich Dir vorher schon geschrieben hatte und ändert insbesondere nichts daran, daß wir nur mit Schlauch in der Lunge nicht auf Mars im Freien rumstehen und überleben können.

Herzliche Grüße

MAC
 

Sissy

Registriertes Mitglied
Hi MAC,

jetzt bin ich mit Dir einig.

Zu den 2 Stunden:

Wenn ein Kind (bis etwa 35 kg Körpergewicht) beim Schlitschuhfahren oder Spielen auf dünnem Eis einbricht und sich dabei "den Kopf anhaut", also bewußtlos unter Wasser gleitet, dann macht es genau 1 Atemzug unter Wasser. Eiskaltes Wasser kommt in die Luftröhre, per Reflex wird die krampfartig geschlossen und durch den Temperaturschock kann es zum sofortigen Herzstillstand kommen. Hängt vermutlich mit dem Karotissinusreflex zusammen, aber meine Ausbildung in die Richtung ist etwa 20 Jahre veraltet ...

In diesem Fall hat man weder starken Sauerstoffverbrauch durch den Todeskampf noch eine "normale" Körpertemperatur.

Ist das Kind dagegen bei Bewußtsein, erhöhen Panik, wilde Skelettmuskulaturbewegungen und Hyperventilation den Sauerstoffverbrauch bei gleichzeitiger Übersäuerung des Blutes. Dann sind die Chancen viel geringer, obwohl der kleine Körper schnell auskühlt...

Grüße
Sissy
 
Oben