Zunächst zur Frage der Relativgeschwindigkeit:
Ich vermute, du beziehst dich auf den letzten Teil des Zitats, da der freie Fall eines ruhenden Körpers zur Beschleunigung auf Fluchtgeschwindigkeit führt, wenn er bis zur Oberfläche des Zentralkörpers vordringt. Das ist bei einer Passage jedoch nicht gegeben.
Exakt, ich beziehe mich auf den zweiten Tei des Zitats - und bei einer "Passage" ist dies nur dann nicht gegeben, wenn du Saturn und Titan auf einer Sonnenbahn als massenlos betrachtest. Wenn nicht, dann wird Titan natürlich von Saturn während der Passage angezogen und fällt in dessen Gravitationsfeld: seine Geschwindigkeit muss dann immer grösser als die jeweilige Fluchtgeschwindigkeit (relativ zu Saturn) sein.
Geht man davon aus, dass Titan bereits eine elliptische Bahn um die Sonne besaß, muss dessen Bahngeschwindigkeit geringer als 9,643*1,414 km/s gewesen sein.
Richtig - bezüglich der Sonne. Bezüglich Saturns gilt der zweite Teil des Zitats.
Erfolgte die Annäherung an Saturn in Bahnrichtung, subtrahiert sich die Bahngeschwindigkeit Saturns, so dass eine geringere saturnzentrische Relativgeschwindigkeit die Folge ist.
Das stimmt eben nicht, siehe zweiten Teil des Zitats. Wenn das stimmen würde, dann könnte es ja auch Meteoriten geben, die langsamer als 11.2 km/s unterwegs sind... Dein Fehler ist, dass du während der Annäherung die Gravitation vernachlässigst: diese bringt den Meteoriden von seiner Sonnenbahn ab und beschleunigt ihn.
Schau, wir diskutieren hier über eine Sache, die längst geklärt und physikalisch einwandfrei aus den Newtonschen Bewegungsgesetzen hervor geht. Wenn du mir nicht glaubst, frag jemand anders, einen Physikprofessor von mir aus, oder konsultiere weitere Bücher. Es hat keinen Sinn, über etwas zu streiten, was in der Fachwelt unumstritten ist.
Wenn mir jemand die nötige Rechnerei erklärt, würde ich es tun.
Ich meinte eher, woher nimmst du die Gewissheit, dass bei deiner Rechnerei ein Ergebnis rauskäme, die deine Theorie stützt?
Wenn sich die Bahngeschwindigkeit verringert, nähern sich die Partikel der Sonne an und queren die Umlaufbahnen der inneren Planeten, die damit weiter an Masse zunehmen.
Ja, wenn auch der Massenbeitrag fallender Staubpartikel auf Planeten minimalst ist gegenüber dem Massenbeitrag durch grosse Kollisionen zwischen Protoplaneten. Praktisch aller Staub fällt schliesslich auf die Sonne.
Dann eben einige Jahrhunderte vorher.
Es geht nicht um den Zeitpunkt, sondern um die Dauer. Die Masse von Jupiter kann nicht aus dem Einfang von nach aussen geblasenem Gas stammen (zumal dieser Prozess sehr ineffizient wäre), die Akkretion allen Gases innerhalb seiner Migrations-summierten Hillsphäre reicht auch schon.
Gerade deshalb geht es ja auf, denn die größere Masse ist in den Außenbereichen der Scheibe zu finden.
Die Materie verteilt sich nach aussen immer dünner: die Dichte nimmt ja, wie gesagt, mit 1/R ab. Um Planeten zu bilden, ist aber eine bestimmte Dichte nötig, sonst bringst du nie genug Staubteilchen zusammen, um Klumpen und später Planetesimale zu bilden (die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Staubteilchen treffen, hängt von der Dichte ab). Im innersten Bereich der Scheibe (< 0.5 AU) sind die meisten Kollisionen destruktiv, so dass sich dort keine Planeten bilden können, zudem ist es hier so heiss, dass nur sehr "refraktäre" Stoffe (solche mit hohem Siedepunkt) kondensieren können: das reicht aber nicht, um Gasriesen zu bilden. Die ideale Entfernung, um Gasriesen zu bilden, liegt zwischen 5 und 10 AU. Hier ist die Dichte noch hoch genug, um Planetenbildung zu ermöglichen, und hier ist die Kondensation von Eis (und anderen "volatilen" Stoffen) möglich, das für einen schnellen Massenzuwachs sorgt, der wiederum nötig ist, um einen Gasriesen zu bilden, bevor sich die Gas- und Staubscheibe verflüchtigt (Gasplaneten, die länger als die Scheibenlebenszeit von maximal 10 Mio Jahren brauchen, um sich zu bilden, entstehen gar nicht - terrestrische Planeten entstehen erst später, durch die Kollisionen der verbliebenen Planetenembryos (ca. 1 Mond- bis 1 Marsmasse), innert ca. 100 Mio Jahren).
Die Minimumsmasse erscheint mir etwas hoch. (...)
Deine Rechnung macht einige Annahmen, die nachweislich nicht stimmen. So enthalten die Gasriesen eben deutlich mehr als "nur" den solaren Anteil an schweren Elementen. Insbesondere bei Uranus und Neptun dürfte der Kern aus Eis und Gestein weit über 50% der Planetenmasse ausmachen. Saturn hat vermutlich einen Kern von etwa 10 bis 15 Erdmassen. Jupiter enthält genügend schwere Elemente, um einen Kern von etwa 10 Erdmassen zu besitzen, allerdings schliessen die Modelle nicht aus, dass er gar keinen Kern besitzt (Ein Kern von 0 Erdmassen liegt im Fehlerbereich des Modells), und die schweren Elemente mehr oder weniger gleichmässig in Jupiter verteilt sind. Weitere 10 Erdmassen sind (IIRC) in Jupiter verteilt.
Dann kommt dazu (das hatte ich vorher nicht erwähnt, sorry), dass wenn du die Masse aller Planeten über das Sonnensystem "verschmierst" und Wasserstoff dazu fügst, die Scheibe viel zu wenig dicht ist, um Planeten zu bilden. Da kommen höchstens Asteroiden raus. Gerade der Asteroidengürtel muss im Verlauf seiner Geschichte rund das 100fache seiner heutigen Masse verloren haben (das geht auch aus 1/R hervor: der Asteroidengürtel stellt dort quasi (heute) einen "Taucher" der Kurve dar, ein Hinweis darauf, dass es kurz nach der Entstehung des Sonnensystems mehr Masse gegeben haben muss). 100 bis 200 Jupitermassen als Minimum-Masse-Nebel ist ebenfalls recht gut etabliert. Damit kann man das Sonnensystem bilden.
Die Reste der Merkurkruste bildet heute einen Großteil der Planetoiden.
Das klappt leider nicht. Die Zusammensetzung der allermeisten Planetoiden bzw. Asteroiden ist "primordial", das heisst, diese Körper wurden nie stark geheizt oder sonstwie verändert. Sie bildeten sich vor 4.5 Milliarden Jahren im protoplanetaren Nebel und sind seither unverändert.
Sind meine Szenarien-Entwürfe (als "Theorie" möchte ich sie nicht bezeichnen. Dazu fehlt das mathematische Gerüst.) grundsätzlich nicht überprüfbar im Sinne von widerlegbar?
Dazu müsstest du Voraussagen machen. Du hast schon recht, ich habe "Theorie" jetzt im umgangssprachlichen Gebrauch verwendet. Ich empfehle dir, dich besser mit den Grundlagen vertraut zu machen, damit du nicht Dinge vorschlägst, die völlig ausgeschlossen sind (wie die Sache mit den Merkurtrümmern als Asteroiden). Ein sehr guter Einstieg ist das leider etwas teure (englische) Buch "Treatise on Geochemistry 1: Meteorites, Comets, and Planets". Vielleicht findest du es in einer Uni oder bringst eine grosse Bibliothek dazu, es anzuschaffen. Dort drin findest du den gegenwärtigen (2004, ok...) Stand der Forschung zu Planetenbildung sowie den wissenschaftlichen Fakten zu Zusammensetzung der Asteroiden und Planeten, sowie die daraus abgeleiteten Interpretationen.
Toni schrieb:
Nach wie vor unklar ist die Herkunft des beinahe den halben Planeten umspannenden riesigen Grabenbruchs "Vallis Marineris".
Naja, es scheint ziemlich naheliegend, dass der einen tektonischen Ursprung hat. Man denkt heute, dass Mars in der Frühzeit des Sonnensystems für kurze Zeit (wenige Millionen Jahre) eine Plattentektonik hätte aufweisen können: Marineris wäre dann so etwas wie der ostafrikanische Grabenbruch. Zudem ist Marineris mit dem Tharsis-Buckel assoziiert, der vermutlich einen gewaltigen "Plume" (eine aufsteigende Masse von heissem Material) darstellt, der die Marskruste an dieser Stelle stark ausgebeult hat und für zahlreiche, radial von Tharsis wegzeigende Risse gesorgt hat. Einer davon ist das Valles Marineris. Möglicherweise wurde also erst der Riss geschaffen, und dann später durch tektonische Vorgänge erweitert.
Auch Mars zeigt übrigens mögliche Spuren eines Rieseneinschlags: so könnte die sehr flache und vergleichsweise junge Nordhemisphäre durch einen solchen Einschlag entstanden sein (allerdings noch vor Marineris...). Später wäre dieses "Tiefland" von Wasser und /oder Eis bedeckt gewesen, so die Idee. Aber das ist fast so spekulativ wie Mahanandas Titan-Einfang.
Ihr dürft nicht die um 96° gekippte Achse des Uranus vergessen!! Ich möchte nicht wissen, was dort einst stattfand!
Im Nice Modell wurde Uranus' Achse gekippt, als er von Saturn auf seine gegenwärtige Bahn "geschleudert" wurde (man darf sich das nicht so dramatisch vorstellen, wie es tönt - das dauerte vermutlich tausende von Jahren, wobei Uranus jedes Mal etwas weiter nach aussen zog...).
Viele Grüsse aus der Schweiz, so, und jetzt sollte ich wirklich mal was arbeiten...