Äquatorwulst auf Iapetus

Bynaus

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Die stammen ja beide vom gleichen Autor... Die Sache mit dem "gas ring model" klingt für mich sehr "maverickish" ("Gegen den Mainstream", was aber nicht heissen muss, dass es falsch ist - ich habe einfach noch nirgends sonst davon gelesen, und der Autor leitet dann die Herkunft Titans aus ebendiesem Modell ab... etwas gewagt).

Sicher ist es möglich, dass einige der Monde der Gasriesen eingefangene Planetenembryos sind. Nun gibt es aber auch Modelle, in denen Monde in der richtigen Grösse entstehen (daher kommt die "totale Mondmasse = 0.01% der Planetenmasse"-Faustregel).

Was ich jedoch gut finde an den Texten, er macht Voraussagen, was man, sollte sein Modell richtig sein, beobachten könnte. Deshalb ist das ganze überprüfbar und somit interessant. Er scheint aber schon ein etwas einsamer Kämpfer zu sein, der vor allem sich selbst zitiert (seine "Modern Laplace Theroy" scheint schon sehr alt (1980) zu sein, und trotzdem hat man nie etwas davon gehört). Aber wie gesagt, das muss im Prinzip nichts heissen, aber bei mir gehen da immer die internen Warnlichter an...
 
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Mahananda

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Hallo Bynaus,

es mag schon sein, dass Prentice ein Einzelkämpfer ist. Mal abgesehen von der "Modernen Laplace-Theorie" - es ist schon auffallend, dass mit Titan im Saturnsystem >95% der Gesamtmasse aller Monde eingebettet zwischen den anderen mittelgroßen Monden existiert. Der "Normalfall" ist eher im Jupitersystem bzw. Uranussystem gegeben, wo es einen in etwa kontinuierlichen Massezuwachs nach außen hin gibt (Callisto bzw. Oberon), jenseits dessen sich nur noch eingefangener Kleinkram befindet. Diesen Kleinkram gibt es auch jenseits von Iapetus, aber Titan weicht so stark von der übrigen Masseverteilung ab, dass er schlicht und einfach "deplatziert" ist. Daher erscheint mir für ihn ein nachträgliches Eindringen plausibler als eine originäre Entstehung im Saturnorbit. Ob es sich gemäß Prentices Vorstellungen so verhielt, dass Titan ein Planetesimal ist, welches in der Nähe der Saturnumlaufbahn entstanden ist, bleibt dabei freilich dahingestellt.

Viele Grüße!
 

Bynaus

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Ich denke, wir kennen viel zu wenige (n=4) ausgedehnte Mondsysteme (von Gasriesen), um schon vom "Normalfall" sprechen zu können. Zudem hat jedes System seine eigenen Charakteristiken: Uranus und Jupiter sind sich zwar noch einigermassen ähnlich, aber daraus den "Normalfall" abzuleiten ist unsinnig (übrigens ist Kallisto nicht der massivste Jupitermond - es ist Ganymed, etwas weiter innen). Vielleicht gibt es ja z.B. verschiedene Modi der Mondentstehung, wobei je nach dem eine andere Massenverteilung auf die einzelnen Monde resultiert. Bei Uranus und Jupiter kam ein Modus zur Anwendung, bei Saturn ein anderer, bei Neptun - na gut, dort wurde alles durch Titan durcheinander gebracht. Oder sieh dir mal das Sonnensystem an: Jupiter ist mit Abstand der grösste Planet im Sonnensystem: er vereinigt rund 5/7 aller Masse im Sonnensystem auf sich. Ist er deswegen auch "eingefangen"? Wohl kaum.

Das Problem ist ein bisschen, dass wir auf absehbare Zeit keine weiteren Infos zu Mondsystemen bekommen werden. Die grösste Chance ergibt sich, wenn wir dereinst einen langperiodischen Transitplaneten entdecken (mit einer Umlaufzeit von mehreren Jahren). Möglicherweise lässt sich dann während des Transits der eine oder andere grosse Mond entdecken. Erst, wenn wir einige hundert solcher Systeme kartiert haben, können wir anfangen, vom "Normalfall" zu sprechen. (eine Möglichkeit wäre auch, einen "Terrestrial Planet Finder" auf extrasolare Gasriesen loszulassen - zumindest sehr grosse Monde könnten dabei vielleicht beobachtet werden).

Ob Titan eingefangen wurde oder nicht, kann erst eine Untersuchung des Oberflächenmaterials feststellen (isotopische Zusammensetzung von Stickstoff und Sauerstoff als Indikator für das Entstehungsgebiet im Sonnensystem: weichen die Werte stark von jenen der anderen Monde ab, könnte man das als Hinweis werten, dass Titan von woanders stammt). Gerade diese Einbettung in die anderen Monde, die du angesprochen hast, scheint mir aber darauf hinzuweisen, dass ein Einfangen eher unwahrscheinlich ist: wie soll sich Titan so schön eingegliedert haben, nachdem er zunächst noch Fluchtgeschwindigkeit gegenüber Saturn aufwies? Ein Einfangen eines so massiven Körpers wie Titan hätte das Saturnsystem gewaltig durcheinander gewirbelt und - Pi mal Daumen - den grössten Teil der Monde rausgekegelt.
 
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mac

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Hallo Mahananda,

Ich denke, wir kennen viel zu wenige (n=4) ausgedehnte Mondsysteme (von Gasriesen), um schon vom "Normalfall" sprechen zu können.
das sehe ich ebenso, möchte es aber noch erweitern:

Bei den bisher gefundenen Exo-Planeten wird uns ja sehr eindrucksvoll demonstriert, daß unser Sonnensystem mit seiner Massenverteilung kaum allgemeingültige Aussagen für andere Planetensysteme zuläßt.

Warum sollte das bei Mondsystemen anders sein?

Herzliche Grüße

MAC
 

Mahananda

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Hallo Bynaus,

... wie soll sich Titan so schön eingegliedert haben, nachdem er zunächst noch Fluchtgeschwindigkeit gegenüber Saturn aufwies? Ein Einfangen eines so massiven Körpers wie Titan hätte das Saturnsystem gewaltig durcheinander gewirbelt und - Pi mal Daumen - den grössten Teil der Monde rausgekegelt.

das kann natürlich nur so erfolgt sein, dass die Annäherung sehr langsam erfolgt ist und zugleich nur die Außenbereiche des Systems beeinträchtigt wurden - sprich: Iapetus wurde nach außen transportiert und die anderen großen Monde ab Rhea einwärts verlagerten ihre Umlaufbahnen nach innen, wobei mindestens ein Mond von Mimas-Größe die Roche-Grenze Saturns unterschritt und heute dessen Ringsystem bildet. Die Gesamtmasse der Saturnringe liegt mit 36X10^18 kg ziemlich nahe bei der von Mimas (38X10^18 kg).

Was den "Normalfall" betrifft: Natürlich nur auf das Sonnensystem bezogen. Inwiefern die massereichen Vierergruppen der Satellitensysteme hier auf Exosysteme dort übertragen werden können, entzieht sich schlicht unserer Kenntnis. Die Tatsache des Vorhandenseins von "Hot Jupiters" dort ist unseren Beobachtungsmethoden geschuldet: andere - vielleicht "normalere" - Systeme wie unseres sind derzeit noch nicht entdeckbar. Von daher ist noch nicht entscheidbar, ob unser Sonnensystem durchschnittlich ist oder nicht.

Weiterhin: Die Gasriesen selber haben einen Stern (unsere Sonne) als Zentralkörper, dessen Entwicklung anders verlief als die der Zentralkörper der Mondsysteme. Mit dem Einsetzen der Kernfusion dürften Jupiter und Saturn einen erheblichen Massezuwachs durch Material aus dem Systeminnern erfahren haben, welches herangeblasen wurde. Bei den Mondsystemen unterblieb das, so dass die zwei massereichsten Körper außen sind.

Es stimmt zwar, dass Ganymed der massereichste Mond im Jupitersystem ist, aber ich sehe auch die Pärchenbildung, so dass Ganymed mit Callisto das massereichste Außenpaar bildet, während Io und Europa das massereiche Innenpaar darstellen. Diese Pärchen finden sich auch im Uranussystem sowie - wenn man Titan außer acht lässt - im Saturnsystem. In Bezug auf die Pärchen haben wir in allen drei erhaltenen Mondsystemen einen stetigen Massezuwachs nach außen hin, bevor ein abrupter Abbruch erfolgt. Hinter Neptun als äußersten der vier massereichen Planeten ist ebenfalls Schluss: Es gibt keine weiteren massereichen Körper mehr. Betrachtet man es so, dann ist Titan im Saturnsystem eine Anomalie. Für Triton im Neptunsystem hat man bereits ein Einfangszenario entwickelt (umeinander rotierendes Doppelsystem, bestehend aus Triton und einem weiteren etwa gleichmassigen Körper - Pluto??? - geriet in Neptuns Nähe). Der Titaneinfang müsste allerdings "sanfter" verlaufen sein - vielleicht auch deshalb, weil Saturn eine etwa fünffach größere Masse als Neptun hat und damit eine größere Hill-Sphäre. Mal sehen, was dazu noch erforscht wird ...

Viele Grüße!
 

Bynaus

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das kann natürlich nur so erfolgt sein, dass die Annäherung sehr langsam erfolgt ist

Die Annäherung kann nicht langsamer erfolgt sein als mit jeweiliger Fluchtgeschwindigkeit aus dem Gravitationsfeld Saturns. Ein Objekt, das sich zunächst in einem Sonnenorbit befindet, ist an jedem Punkt seiner "Bahn" im Saturnsystem 1.414 Mal schneller als ein Mond auf einer Saturnumlaufbahn. Es muss also irgend einen Mechanismus geben, der diese Geschwindigkeit abbaut: bei Triton wurde ja (wie du geschrieben hast) vorgeschlagen, dass Triton einst von einem Trabanten begleitet wurde, der bei einer Begegnung mit Neptun so viel Geschwindigkeit mitgenommen hat, dass Triton in einem Orbit um Neptun gefangen blieb.

und die anderen großen Monde ab Rhea einwärts verlagerten ihre Umlaufbahnen nach innen

Wohin ist ihr Bahnimpuls und ihre Bahnenergie verschwunden?

wobei mindestens ein Mond von Mimas-Größe die Roche-Grenze Saturns unterschritt und heute dessen Ringsystem bildet

Ich bezweifle, dass Saturns Ringsystem so alt ist. Je nach dem, welche Modelle man befragt, sind die Ringe nicht langfristig stabil (zumindest nicht über mehr als einige 100 Mio Jahre). Es spricht also schon einiges dafür, dass sie aus einer späteren Kollision zweier Monde (oder so) hervor gegangen sind.

andere - vielleicht "normalere" - Systeme wie unseres sind derzeit noch nicht entdeckbar

Doch, doch. Einen Jupiter - und ganz knapp auch einen Saturn (auch wenn diese Entdeckung 30 Jahre bräuchte, wegen des vollen Umlaufs) - kann man heute entdecken: seit 1995 sind über 12 Jahre vergangen (=ein Jupiterumlauf), und man hat schon früher begonnen, zu beobachten. So viel man heute weiss, ist unser Sonnensystem mit seinen kreisrunden Bahnen ziemlich besonders...

Mit dem Einsetzen der Kernfusion dürften Jupiter und Saturn einen erheblichen Massezuwachs durch Material aus dem Systeminnern erfahren haben, welches herangeblasen wurde.

Kaum. Der Gravitationsquerschnitt von Jupiter und Saturn ist winzig gegenüber dem gesamten Bereich, über den Masse verloren wurde. Zudem sitzt der grösste Teil der Masse aussen in der Scheibe (auch wenn sie innen am dichtesten ist), so dass in absoluten Mengen nicht besonders viel Masse "weggeblasen" würde. Drittens spielt das "wegblasen" ohnehin nur eine kleine Rolle: viel wichtiger ist die Akkretion von Scheibenmaterial auf die Sonne selbst.

Hinter Neptun als äußersten der vier massereichen Planeten ist ebenfalls Schluss: Es gibt keine weiteren massereichen Körper mehr.

Ja, wer weiss... ;) Bei 200 AU leichter als 1 Jupitermasse, ist, wenn ich mich richtig erinnere, gegenwärtig die untere Grenze...

Für das Sonnensystem als ganzes gilt deine "nach aussen werden die Pärchen schwerer" Regel allerdings nicht...
 

Mahananda

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Hallo Bynaus,

Die Annäherung kann nicht langsamer erfolgt sein als mit jeweiliger Fluchtgeschwindigkeit aus dem Gravitationsfeld Saturns.[/QOUTE]

Warum?

Ein Objekt, das sich zunächst in einem Sonnenorbit befindet, ist an jedem Punkt seiner "Bahn" im Saturnsystem 1.414 Mal schneller als ein Mond auf einer Saturnumlaufbahn.

Umgekehrt ist es richtig: Die Fluchtgeschwindigkeit eines Satelliten ist 2^0,5 mal größer als dessen Bahngeschwindigkeit. Dringt also ein Körper in die Hill-Sphäre eines anderen massereicheren Körpers mit einer geringeren Geschwindigkeit ein, wird er entweder eingefangen oder via Swing-by-Effekt so stark beschleunigt, dass er die Fluchtgeschwindigkeit überschreitet und die Hill-Sphäre wieder verlässt. Bei Titan muss dieser Beschleunigungseffekt sehr gering gewesen sein, was bei dessen großer Masse aber nicht verwunderlich ist. Das wiederum bedeutet, dass die Annäherung an Saturn nicht sehr eng gewesen sein kann, sondern sich im Bereich der ehemaligen Iapetus-Bahn ereignet hat.

Es muss also irgend einen Mechanismus geben, der diese Geschwindigkeit abbaut: bei Triton wurde ja (wie du geschrieben hast) vorgeschlagen, dass Triton einst von einem Trabanten begleitet wurde, der bei einer Begegnung mit Neptun so viel Geschwindigkeit mitgenommen hat, dass Triton in einem Orbit um Neptun gefangen blieb.

Falls das zutrifft, muss Titan einen etwa gleichmassigen Paarkörper besessen haben, der nach dem Einfangvorgang das System wieder verließ. Ein hübsches Indiz für meine Pärchenhypothese ...

Wohin ist ihr Bahnimpuls und ihre Bahnenergie verschwunden?

Ein Teil wurde nach außen abgegeben. Titan wanderte wieder ein Stück von Saturn weg. Der andere Teil wandelte sich in Gezeitenreibung um. Die hellen linienartigen Eisbrüche auf Rhea und Dione sowie das Ithaca Chasma auf Tethys könnten Relikte sein.

Ich bezweifle, dass Saturns Ringsystem so alt ist. Je nach dem, welche Modelle man befragt, sind die Ringe nicht langfristig stabil (zumindest nicht über mehr als einige 100 Mio Jahre). Es spricht also schon einiges dafür, dass sie aus einer späteren Kollision zweier Monde (oder so) hervor gegangen sind.

Es ist auch nicht bekannt, wann sich der Einfang Titans ereignete. Für ein jüngeres Datum sprechen die schon erwähnten Eisbrüche sowie die ebenfalls recht "frischen" Ablagerungen der Cassini-Region auf Iapetus.

Doch, doch. Einen Jupiter - und ganz knapp auch einen Saturn (auch wenn diese Entdeckung 30 Jahre bräuchte, wegen des vollen Umlaufs) - kann man heute entdecken: seit 1995 sind über 12 Jahre vergangen (=ein Jupiterumlauf), und man hat schon früher begonnen, zu beobachten. So viel man heute weiss, ist unser Sonnensystem mit seinen kreisrunden Bahnen ziemlich besonders...

Toll, dann besteht ja Hoffnung auf genauere Daten.

Kaum. Der Gravitationsquerschnitt von Jupiter und Saturn ist winzig gegenüber dem gesamten Bereich, über den Masse verloren wurde. Zudem sitzt der grösste Teil der Masse aussen in der Scheibe (auch wenn sie innen am dichtesten ist), so dass in absoluten Mengen nicht besonders viel Masse "weggeblasen" würde. Drittens spielt das "wegblasen" ohnehin nur eine kleine Rolle: viel wichtiger ist die Akkretion von Scheibenmaterial auf die Sonne selbst.

Da möchte ich einige Zweifel anmelden. Mit dem Einsetzen der Kernfusion wurde der innere Bereich leergefegt. Wegen der scheibenförmigen Konzentration des Materials erfolgte der Materialtransport im Wesentlichen innerhalb der Scheibe nach außen. Aber genauso wie eine Gewehrkugel wieder runterfällt, wenn man nach oben schießt, strömen Staubteilchen aus Silikat und/oder Eisen ebenfalls nur eine bestimmte Strecke von der Sonne weg. Gasteilchen gelangen wegen ihrer geringeren Masse zwar weiter, aber ab einem bestimmten Punkt setzt die Rückbewegung ins Systeminnere ein. Für Jupiter kein Problem, den Löwenanteil des Staubes und Gases einzufangen. Das bisschen was dann noch durchgekommen ist sehen wir heute als Planetoidengürtel bzw. als Kraterwüste auf Mond und Merkur.

Ja, wer weiss... ;) Bei 200 AU leichter als 1 Jupitermasse, ist, wenn ich mich richtig erinnere, gegenwärtig die untere Grenze...

O.K., wenn der fünfte Gasriese gefunden worden ist, gebe ich mich geschlagen.

Für das Sonnensystem als ganzes gilt deine "nach aussen werden die Pärchen schwerer" Regel allerdings nicht...

Richtig. Aber das hat mit dem oben erwähnten Massezuwachs bei Jupiter und Saturn zu tun. Wenn du dir die Mondpärchen genauer anschaust, wirst du feststellen, dass der jeweils innere Paarkörper zugleich der massereichere ist. Also Io > Europa; Ganymed > Callisto im Jupitersystem und Ariel > Umbriel; Titania > Oberon im Uranussystem. Im Saturnsystem eine Abweichung: Tethys < Dione, aber dafür Rhea > Iapetus! Für mich ein Indiz dafür, dass zwischen Tethys und Dione ein Bahntausch stattgefunden hat - analog wie es uns von Janus und Epimetheus alle vier Jahre vorgemacht wird. Vielleicht ist der Bahntausch zwischen Dione und Tethys ebenfalls eine Nachwirkung des Titaneinfangs, der mit den damit verbundenen Einwärtsbewegungen der weiter innen gelegenen Monde zu tun hat. Vielleicht aber auch nicht ...

Dass Neptun als äußerer Paarkörper massereicher als Uranus ist, liegt m.E. an dessen Migration nach außen, die mit einer Massezunahme durch Materialeinfang verbunden gewesen ist.

Viele Grüße!
 

Bynaus

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Weil jeder Körper, der in ein Gravitationsfeld eintritt, sich mit mindestens Fluchtgeschwindigkeit relativ zum Zentralkörper des Gravitationsfeldes bewegt. Da gibts keinen Weg darum herum.

Die Fluchtgeschwindigkeit eines Satelliten ist 2^0,5 mal größer als dessen Bahngeschwindigkeit.

Eben. Ein Objekt, das Fluchtgeschwindigkeit hat, ist in der Regel in einem Sonnenorbit. Ein Objekt, das also in einem Sonnenorbit ist, hat erst Fluchtgeschwindigkeit, und die ist 1.414 mal grösser als die jeweilige Bahngeschwindigkeit.

Falls das zutrifft, muss Titan einen etwa gleichmassigen Paarkörper besessen haben, der nach dem Einfangvorgang das System wieder verließ.

"Dummerweise" lässt sich das nicht als Argument für ein Einfangen Titans verwenden, es sei denn, du zeigst mir deinen Paarkörper. Bei Triton ist es so, dass es bereits Hinweise für das Einfangen gibt, man aber nach einem Mechanismus gesucht hat, der dieses möglich macht. Die Beobachtung, dass viele KBOs (grosse) Monde haben, und die möglicherweise enge Verwandtschaft zwischen Triton und den KBOs macht ein Einfangen plausibel. Bei Titan hast du aber leider gar nichts in der Hand.

Ein Teil wurde nach außen abgegeben. Titan wanderte wieder ein Stück von Saturn weg.

:) Das sagt sich leicht. Das müsstest du schon etwas genauer zeigen können, dass es auch wirklich so funktioniert...

Mit dem Einsetzen der Kernfusion wurde der innere Bereich leergefegt.

Ja, aber nicht "nach aussen". Der Strahlungsdruck führt dazu, dass sich die Bahngeschwindigkeit von Staubpartikeln verringert (Pointing-Robertson-Drag genannt). Gas hingegen erwärmt sich und kann damit abgestossen werden. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber im Sonnensystem praktisch kein Gas mehr.

Für Jupiter kein Problem, den Löwenanteil des Staubes und Gases einzufangen. Das bisschen was dann noch durchgekommen ist sehen wir heute als Planetoidengürtel bzw. als Kraterwüste auf Mond und Merkur.

Das tönt nett, hat aber mit der Realität wenig zu tun. Das Einsetzen der Kernfusion ist kein "exoplosives" Ereignis: die Sonne strahlt schon vorher sehr hell (stärker als heute) durch gravitatives Schrumpfen. Die Strahlung aus dieser Quelle wird langsam durch die Strahlung aus der Kernfusion ersetzt (Beobachtung + Modelle zur Leuchtkraft von Sternen auf der Vorhauptreihe). Die Gas- und Staubscheiben bleiben etwa 8 bis 10 Millionen Jahre (Beobachtung), werden also nicht unmittelbar nach dem Beginn der Kernfusion zerstört.
Dann: Jupiters Hillsphäre hat einen Radius von etwa 0.3 AU. Sie nimmt auf seiner Bahn, von der Sonne aus gesehen, gerade mal eine Fläche von (0.3^2)/(5.2^2) = ~3 Promille ein: ausserhalb dieses Bereiches kann Jupiter so kurzfristig kein Gas einfangen (langfristig schon, denn er holt ja die Teilchen, die einen Hillradius ausserhalb seiner Bahn kreisen, irgendwann ein bzw., er wird von den Teilchen, die einen Hillradius innerhalb seiner Bahn kreisen, irgendwann eingeholt - aber das dauert, bei Jupiters Umlaufzeit, viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte, selbst bei 100% effizienter Auffangrate).
Weiter: Um Krater zu machen, brauchst du grössere Körper, da reichen ein paar Staubteilchen nicht (und grössere Körper kannst du nicht nach aussen schleudern) - die Kraterwüsten im Inneren Sonnensystem sind die Folgen der Phase, die man als "Schweres Bombardement" bezeichnet und etwa von 4.4 bis 3.9 Milliarden Jahre vor heute gedauert hat (Datierungen von entsprechenden Gesteinen auf dem Mond, Kraterzählungen). Es gibt eine interessante Theorie, die dieses Bombardement (und einiges mehr) erklärt, das "Nice Model" (Nice = Nizza, aber natürlich auch nett, freundlich :) ) von Alessandro Morbidelli.

Richtig. Aber das hat mit dem oben erwähnten Massezuwachs bei Jupiter und Saturn zu tun.

Das geht leider nicht auf. Das Sonnensystem hatte etwa eine Dichteverteilung, die mit 1/R abfiel (gleiches gilt für alle Akkretionsscheiben, weshalb nur schon darum "die äussersten Körper sind die massivsten" nicht aufgeht). Die Minimumsmasse des protoplanetaren Nebels beträgt etwa 100-200 Jupitermassen (alle schweren Elemente im Planetensystem + Wasserstoff im solaren Verhältnis). Da merkst du schnell, dass das nicht aufgeht.

Was die Pärchen angeht: wie steht es denn mit den terrestrischen Planeten? Wo würdest du hier Pärchen bilden? Oder fand hier auch ein "Bahntausch" statt? (ein solcher Bahntausch ist doch hervorragend geeignet, um deine Theorie gegen die Überprüfung zu immunisieren: Wenns nicht stimmt, dann gabs eben einen Bahntausch!)

Ich streite nicht ab, dass bei der Bildung von Mondsystemen (oder gar Planetensystemen) gewisse Regeln am Werk gewesen sein könnten, die wir heute nicht kennen, und wer weiss, vielleicht ist ein Ausgang dieser Regeln, dass sich solche Pärchen bilden. Doch das Problem ist hier einfach die Überprüfbarkeit. Eine nicht überprüfbare Theorie heranzuziehen, um ein nicht überprüfbares Ereignis (Titan-Einfang) zu erklären, das klingt nicht gerade vielversprechend.

Wenn man für einen Titan-Einfang plädieren will, dann muss man dafür gute Belege liefern. Ich sehe immer noch keinen einzigen, glaubwürdigen Hinweis dafür (ehrlicherweise muss ich sagen, würde Triton prograd und nicht retrograd rotieren, wären die Hinweise dort auch nicht so überzeugend - dann könnte man noch darauf hinweisen, dass Neptun, trotz seiner grossen Hillsphäre, praktisch keine grossen Monde (ausser Triton) besitzt, was erstaunlich ist, schaut man sich die anderen Gasriesen an).
 

Mahananda

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Hallo Bynaus,

kurz zur Fluchtgeschwindigkeit (der Rest demnächst - habe gerade wenig Zeit): Diese bezieht sich auf die Sonne. Das heißt, wenn ein Körper eine bestimmte Bahngeschwindigkeit hat, dann beträgt seine Fluchtgeschwindigkeit - bezogen auf denselben Zentralkörper - das Wurzel2fache. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Körper in Bezug auf einen anderen Satelliten dessen Fluchtgeschwindigkeit überschreitet. Saturn hat eine Bahngeschwindigkeit von 9,64 km/s. Seine Fluchtgeschwindigkeit beträgt damit 13,633 km/s. Würde man Saturn in seinem Orbit auf diesen Wert beschleunigen, flöge er aus dem Sonnensystem heraus. Nun in Bezug auf Titan: Angenommen, er hat einen Sonnenorbit von 1430 Millionen km. Dann beträgt die Minimaldistanz zu Saturn etwa 1.000.000 km. Wird Titan von Saturn von innen überholt, dann beträgt die Geschwindigkeitsdifferenz allenfalls wenige Meter pro Sekunde. Bezogen auf Saturn hat Titan dann bei weitem nicht die Fluchtgeschwindigkeit überschritten. Da der Abstand von 1 Million km innerhalb der Hill-Sphäre Saturns liegt, wird er zwangsläufig eingefangen werden, es sei denn, der Swing-by-Mechanismus sorgt für eine hinreichend starke Beschleunigung Titans. Insofern muss eine Annäherung an Saturn nicht zwingend mit Fluchtgeschwindigkeit oder größer erfolgen.

So weit erst mal dazu. Der Rest wie gesagt später.

Viele Grüße!
 

Toni

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Einfangen = sehr selten --- Kollision = sehr häufig!

Hallo Bynaus & Mahananda,

wenn ich auch mal etwas dazu anmerken dürfte: ;)
Weil jeder Körper, der in ein Gravitationsfeld eintritt, sich mit mindestens Fluchtgeschwindigkeit relativ zum Zentralkörper des Gravitationsfeldes bewegt. Da gibts keinen Weg darum herum.

Was die Pärchen angeht: wie steht es denn mit den terrestrischen Planeten? Wo würdest du hier Pärchen bilden? Oder fand hier auch ein "Bahntausch" statt?
Pärchenbildung im inneren Sonnensystem geht erst mal gar nicht. Wir dürfen nämlich bei dem ganzen Modell nicht vergessen, dass viele große und noch "vielere" kleine Körper des ursprünglichen Systems nicht nur eingefangen, sondern mit ihnen kollidiert und verschmolzen sind! :eek: Denkt mal an den marsgroßen Planeten Theia (oder wie auch immer er heißen sollte?), der mit unserer Urerde kollidierte und woraus unser Mond hervorging!

Dass nicht immer ein Mond daraus hergehen muss, sieht man an der Venus, die in ihrer Entwicklungsgeschichte auch schon mindestens einmal mit solch einem Körper verschmolzen sein soll. Gleiches gilt mit 99%-iger Wahrscheinlichkeit auch für die Gasriesen, denen man es nicht mal mehr ansieht! :eek:

Also, um einen großen Körper einzufangen, müssen schon sehr viele Zufälle zusammenkommen, viel größer ist die Möglichkeit von Kollisionen. - Und je weiter wir in die Geschichte unseres Sonnensystems zurückblicken, um so mehr Groß- und Kleinkörper findet man, die miteinander kollidieren konnten - und dies höchstwahrscheinlich auch taten. :)

Zum weiteren Nachdenken anregende Grüße von
Toni
 

Bynaus

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Wird Titan von Saturn von innen überholt, dann beträgt die Geschwindigkeitsdifferenz allenfalls wenige Meter pro Sekunde.

Eben nicht. 1 Mio km von Saturn entfernt beträgt die Bahngeschwindigkeit bzgl einer Bahn um Saturn, sagen wir, "x". Dann beträgt die Fluchtgeschwindigkeit aus dem Saturnsystem am gleichen Punkt x*Wurzel(2). Jeder Körper, der von ausserhalb des Gravitationsfeldes von Saturn kommt, muss deshalb an diesem Punkt die Geschwindigkeit x*Wurzel(2) oder grösser aufweisen, sonst wäre er bereits ein gebundener Körper. Das geht aus den Newtonschen Gravitationsgesetzen hervor und wird zusätzlich "belegt" durch die Tatsache, dass alle auf die Erde fallenden Meteoriten eine Mindestgeschwindigkeit von 11.2 km/s haben, wenn sie in die Atmosphäre eintreten.

@Toni: Man geht davon aus, dass es in der Anfangszeit des Sonnensystems dutzende bis hunderte marsgrosse "Protoplaneten" im inneren Sonnensystem gegeben hat. Sie wurden aber, bis auf Mars und Merkur, die die letzten zwei "Mohikaner" dieser Protoplaneten darstellen könnten, alle aus dem Sonnensystem hinaus gekegelt oder in die Sonne geschleudert (ein paar wenige kollidierten mit Erde, Venus, einige sicher auch mit den Gasriesen).
 

Mahananda

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Hallo Bynaus,

ich habe mich noch einmal kundig gemacht in Bezug auf eindringende Körper. Unter dem Stichwort "Meteor" fand ich in der DDR-Brockhaus-Ausgabe "ABC Astronomie" diese Angaben: "Ein Körper, der sich auf einer Ellipse um die Sonne bewegt, hat in der Nähe der Erdbahn stets eine kleinere Geschwindigkeit als 42 km/s. ... Von diesen heliozentrischen Geschwindigkeiten muss man die direkt beobachtbare geozentrische, relativ zur Erde gerechnete Geschwindigkeit unterscheiden. Sie ist für einen Meteorit, der sich der Erde gerade entgegenbewegt, um die Erdbahngeschwindigkeit (knapp 30 km/s) größer, für einen in gleicher Richtung wie die Erde laufenden um denselben Betrag kleiner als die heliozentrische Geschwindigkeit. ... Die geozentrische Geschwindigkeit muss im übrigen mindestens 11,2 km/s betragen; diese Geschwindigkeit erhält bereits ein in großer Entfernung relativ zur Erde zunächst ruhender, dann unter der Wirkung der Erdanziehung frei fallender Körper." (Seite 226f.)

Ich vermute, du beziehst dich auf den letzten Teil des Zitats, da der freie Fall eines ruhenden Körpers zur Beschleunigung auf Fluchtgeschwindigkeit führt, wenn er bis zur Oberfläche des Zentralkörpers vordringt. Das ist bei einer Passage jedoch nicht gegeben. Ich habe die 1 Millionen km-Passage an Saturn mal durchgerechnet und bin auf eine Geschwindigkeitsdifferenz von 3,656 m/s gekommen. Die Fluchtgeschwindigkeit bei Eindringen in die Hill-Sphäre ist nur dann gegeben, wenn sich der eindringende Körper mit Parabelgeschwindigkeit im Sonnenorbit befindet - siehe den ersten Teil des Zitats. Geht man davon aus, dass Titan bereits eine elliptische Bahn um die Sonne besaß, muss dessen Bahngeschwindigkeit geringer als 9,643*1,414 km/s gewesen sein. Erfolgte die Annäherung an Saturn in Bahnrichtung, subtrahiert sich die Bahngeschwindigkeit Saturns, so dass eine geringere saturnzentrische Relativgeschwindigkeit die Folge ist. Damit wird der freie Fall eingeleitet, der - im Falle einer Kollision - zur Überschreitung der Fluchtgeschwindigkeit führt. Da es offensichtlich nicht zur Kollision kam, führte die Fallbeschleunigung nicht zu einer hinreichend großen Geschwindigkeitszunahme, um Titan wieder aus dem System hinauszubefördern.

@ Toni:

Natürlich hast du recht, dass Einfänge eher die Ausnahme darstellen. Ich weiß nicht, welche verhältnis zwischen Kollision und Einfang besteht, aber der Umstand, dass Jupiter über zwei Dutzend retrograde Minimonde besitzt, die offensichtlich Einfangkörper sind (Pasiphae-Gruppe), lässt darauf schließen, wie effektiv seine "Staubsaugerwirkung" gerade auch in Bezug auf die Erde ist - die allermeisten Körper werden aus dem Sonensystem geschleudert bzw. kollidieren mit Jupiter. Das zeigt aber auch, dass es bei günstigen Ausgangsverhältnissen nicht ganz unmöglich ist, dass Einfänge stattfinden. Bei solchen Schwergewichten wie Titan oder Triton handelt es sich zugegebenermaßen um ganz besonders glückliche Umstände. Allerdings - wer weiß, wie viele Tritons ihr Grab in Neptun gefunden haben und wie viele Titane in Saturn?

Bis dahin erst einmal - jetzt heißt es, die Kinder ins Bett zu bringen. Vielleicht melde ich mich nachher noch einmal, um - wie versprochen - auf die anderen Einwände aus Bynaus' vorletzten Beitrag einzugehen.

Viele Grüße!
 

Mahananda

Registriertes Mitglied
"Dummerweise" lässt sich das nicht als Argument für ein Einfangen Titans verwenden, es sei denn, du zeigst mir deinen Paarkörper. Bei Triton ist es so, dass es bereits Hinweise für das Einfangen gibt, man aber nach einem Mechanismus gesucht hat, der dieses möglich macht. Die Beobachtung, dass viele KBOs (grosse) Monde haben, und die möglicherweise enge Verwandtschaft zwischen Triton und den KBOs macht ein Einfangen plausibel. Bei Titan hast du aber leider gar nichts in der Hand.

Das war auch kein Argument, sondern eine Folgerung, dass die Abbremsung, so sie denn nötig gewesen wäre, das Vorhandensein eines solchen Paarkörpers als eine von mehreren Optionen impliziert. Prentice vermutet eine Kollision Titans mit einem etwa Iapetus-großen Saturnmond ...

:) Das sagt sich leicht. Das müsstest du schon etwas genauer zeigen können, dass es auch wirklich so funktioniert...[/QOUTE]

Wenn mir jemand die nötige Rechnerei erklärt, würde ich es tun. Wenn es allerdings eine Möglichkeit gibt, zu zeigen, dass es prinzipiell nicht möglich ist, dass Titan einen Teil des Bahnimpulses aufnimmt, kann ich mir freilich die Mühe sparen ...

Ja, aber nicht "nach aussen". Der Strahlungsdruck führt dazu, dass sich die Bahngeschwindigkeit von Staubpartikeln verringert (Pointing-Robertson-Drag genannt). Gas hingegen erwärmt sich und kann damit abgestossen werden. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber im Sonnensystem praktisch kein Gas mehr.

Interessant. Wenn sich die Bahngeschwindigkeit verringert, nähern sich die Partikel der Sonne an und queren die Umlaufbahnen der inneren Planeten, die damit weiter an Masse zunehmen. Wenn es zum Zeitpunkt der Kernfusion kaum noch Gas gab, dann ist es eben bereits vorher nach außen transportiert worden. Der Effekt des Massezuwachses für Jupiter und Saturn ist derselbe.

Das tönt nett, hat aber mit der Realität wenig zu tun. Das Einsetzen der Kernfusion ist kein "exoplosives" Ereignis: die Sonne strahlt schon vorher sehr hell (stärker als heute) durch gravitatives Schrumpfen. Die Strahlung aus dieser Quelle wird langsam durch die Strahlung aus der Kernfusion ersetzt (Beobachtung + Modelle zur Leuchtkraft von Sternen auf der Vorhauptreihe). Die Gas- und Staubscheiben bleiben etwa 8 bis 10 Millionen Jahre (Beobachtung), werden also nicht unmittelbar nach dem Beginn der Kernfusion zerstört.
Dann: Jupiters Hillsphäre hat einen Radius von etwa 0.3 AU. Sie nimmt auf seiner Bahn, von der Sonne aus gesehen, gerade mal eine Fläche von (0.3^2)/(5.2^2) = ~3 Promille ein: ausserhalb dieses Bereiches kann Jupiter so kurzfristig kein Gas einfangen (langfristig schon, denn er holt ja die Teilchen, die einen Hillradius ausserhalb seiner Bahn kreisen, irgendwann ein bzw., er wird von den Teilchen, die einen Hillradius innerhalb seiner Bahn kreisen, irgendwann eingeholt - aber das dauert, bei Jupiters Umlaufzeit, viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte, selbst bei 100% effizienter Auffangrate).

Gut. Dann eben einige Jahrhunderte vorher.

Weiter: Um Krater zu machen, brauchst du grössere Körper, da reichen ein paar Staubteilchen nicht (und grössere Körper kannst du nicht nach aussen schleudern) - die Kraterwüsten im Inneren Sonnensystem sind die Folgen der Phase, die man als "Schweres Bombardement" bezeichnet und etwa von 4.4 bis 3.9 Milliarden Jahre vor heute gedauert hat (Datierungen von entsprechenden Gesteinen auf dem Mond, Kraterzählungen). Es gibt eine interessante Theorie, die dieses Bombardement (und einiges mehr) erklärt, das "Nice Model" (Nice = Nizza, aber natürlich auch nett, freundlich :) ) von Alessandro Morbidelli.

Das "nette Modell" kenne ich zwar noch nicht, aber Morbidelli ist mir im Zusammenhang mit der Neptunmigration ein Begriff. Mit den Staubteilchen hat das "Late Heavy Bombardement" sicher nichts zu tun, aber diese bildeten immer größere Klumpen bis hin zu solchen, die Krater reißen können - zeitlich jedoch vor dem letzten schweren Beschuss, insofern ist der Bezug zu den Kraterwüsten auf Mond und Merkur irreführend. Das nehme ich hiermit zurück. (Asche aufs Haupt streu ...)

Das geht leider nicht auf. Das Sonnensystem hatte etwa eine Dichteverteilung, die mit 1/R abfiel (gleiches gilt für alle Akkretionsscheiben, weshalb nur schon darum "die äussersten Körper sind die massivsten" nicht aufgeht).

Gerade deshalb geht es ja auf, denn die größere Masse ist in den Außenbereichen der Scheibe zu finden.

Die Minimumsmasse des protoplanetaren Nebels beträgt etwa 100-200 Jupitermassen (alle schweren Elemente im Planetensystem + Wasserstoff im solaren Verhältnis). Da merkst du schnell, dass das nicht aufgeht.

Die Minimumsmasse erscheint mir etwas hoch. Ich rechne mal: Masse aller Planeten+Monde+Kleinkörper = 2,67*10^27 kg. Davon 2% (Gehalt an schweren Elementen im solaren Verhältnis) = 5,34*10^25 kg. Das entspricht etwa 9 Erdmassen. 2 Erdmassen sind für die inneren Planeten+Erdmond+Galileische Monde vergeben. Bleiben noch 7, die sich auf die Gasriesen verteilen müssen. 2% der Jupitermasse = 6 Erdmassen; 2% der Saturnmasse = 2 Erdmassen; 2% der Uranusmasse = 0,29 Erdmassen; 2% der Neptunmasse = 0,34 Erdmassen. Summe Gasplaneten: 8,63 Erdmassen. Summe Planeten+Monde+Kleinkörper: etwa 11 Erdmassen. Gesamtmasse protoplanetarer Nebel = 11 Erdmassen*50 = 550 Erdmassen oder 3,3*10^27 kg. Das entspricht rund 1,74 Jupitermassen. Berücksichtigt man diverse Gasverluste während der Protosternphase, kommt man bei geschätzten 2 Jupitermassen als Minimalmasse an. Berücksichtigt man weiterhin, dass es Modelle gibt, nach denen die Gasriesen u.U. über gar keinen massiven Kern verfügen (Kollapshypothese), kommt man sogar mit den 2,67*10^27 kg hin, die heute noch da sind.

Was die Pärchen angeht: wie steht es denn mit den terrestrischen Planeten? Wo würdest du hier Pärchen bilden? Oder fand hier auch ein "Bahntausch" statt? (ein solcher Bahntausch ist doch hervorragend geeignet, um deine Theorie gegen die Überprüfung zu immunisieren: Wenns nicht stimmt, dann gabs eben einen Bahntausch!)

Venus und Erde bieten sich als Pärchen geradezu an. Und da Merkur einen großen Teil seines Mantels verloren hat, besaß er ursprünglich Marsgröße und stellt daher mit Mars das zweite Pärchen dar. Allerdings hier kein simpler Bahntausch, sondern als Folge des großen Impakts eine Ablenkung von jenseits der Marsbahn zu diesseits der Venusbahn. Die Reste der Merkurkruste bildet heute einen Großteil der Planetoiden. Was die Masse betrifft, stimmt es ungefähr...

Ich streite nicht ab, dass bei der Bildung von Mondsystemen (oder gar Planetensystemen) gewisse Regeln am Werk gewesen sein könnten, die wir heute nicht kennen, und wer weiss, vielleicht ist ein Ausgang dieser Regeln, dass sich solche Pärchen bilden. Doch das Problem ist hier einfach die Überprüfbarkeit. Eine nicht überprüfbare Theorie heranzuziehen, um ein nicht überprüfbares Ereignis (Titan-Einfang) zu erklären, das klingt nicht gerade vielversprechend.

Da muss ich dir uneingeschränkt recht geben, wenn es denn so sein sollte. Aber: Sind meine Szenarien-Entwürfe (als "Theorie" möchte ich sie nicht bezeichnen. Dazu fehlt das mathematische Gerüst.) grundsätzlich nicht überprüfbar im Sinne von widerlegbar? Weiterhin: Ist der Titaneinfang ebenfalls nicht überprüfbar?

Wenn man für einen Titan-Einfang plädieren will, dann muss man dafür gute Belege liefern. Ich sehe immer noch keinen einzigen, glaubwürdigen Hinweis dafür (ehrlicherweise muss ich sagen, würde Triton prograd und nicht retrograd rotieren, wären die Hinweise dort auch nicht so überzeugend - dann könnte man noch darauf hinweisen, dass Neptun, trotz seiner grossen Hillsphäre, praktisch keine grossen Monde (ausser Triton) besitzt, was erstaunlich ist, schaut man sich die anderen Gasriesen an).

Nun ja, die extrem hohe Massekonzentration ist - analog zu Triton im Neptunsystem - zumindet ein Indiz dafür, dass etwas "nicht stimmt" im Saturnsystem. Ob man daran glauben mag, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt. Aber du hast natürlich recht. Hier sind Szenarien gefragt, die exakt durchgerechnet sind und deren Resultate mit den vorliegenden Verhältnissen kompatibel sind. Darüber hinaus müssen Untersuchungen vor Ort handfeste Indizien erbringen, die für eine andere Herkunft Titans sprechen. Du sprachst bereits Isotopenmessungen an. Darauf werden wir leider noch einige Jahre oder Jahrzehnte warten müssen. Bis zur eindeutigen und zweifelsfreien Widerlegung des Titaneinfangs hoffe ich einfach, dass ich mit meinen intuitiven Überlegungen recht behalte. In diesem Sinne ...

Viele Grüße von der Saale in die Schweiz!
 

Toni

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Kosmisches Flipperspiel

Hi Bynaus,
Man geht davon aus, dass es in der Anfangszeit des Sonnensystems dutzende bis hunderte marsgrosse "Protoplaneten" im inneren Sonnensystem gegeben hat. Sie wurden aber, bis auf Mars und Merkur, die die letzten zwei "Mohikaner" dieser Protoplaneten darstellen könnten, alle aus dem Sonnensystem hinaus gekegelt oder in die Sonne geschleudert (ein paar wenige kollidierten mit Erde, Venus, einige sicher auch mit den Gasriesen).
ich weis, denn wir hatten vor ungefähr einem dreiviertel Jahr eine Diskussion darüber in dem Thread über den Venus-Mond. ;) Dort wurde auch darüber geschrieben, dass Merkur in seiner "Jugend" einen so gewaltigen Einschlag erlebt haben musste, dass ihm der Großteil seiner Gesteinshülle weggesprengt wurde und er deswegen heutzutage einen überdimensionierten Eisenkern besitzt, der ihm gar nicht zustünde. :D - Also, auch er wäre theoretisch mindestens so groß wie der Mars. Annähernd dieselbe Masse besitzt er ja heute noch!

Was mit dem Mars geschehen ist, weis auch keiner so richtig. Nach wie vor unklar ist die Herkunft des beinahe den halben Planeten umspannenden riesigen Grabenbruchs "Vallis Marineris". Dieser könnte durch einen Einschlag eines Kleinplaneten auf der gegenüberliegenden Seite des Mars entstanden sein. :eek: Durch die dadurch herbeigeführte Volumenvergrößerung der bereits erkalteten Marskugel ist die dem Einschlag gegenüberliegende Seite aufgeplatzt wie die verkrustete Oberfläche eines Kuchens im Ofen. :rolleyes:

Nach leckerem Rührkuchen duftende Grüße von
Toni
 

Toni

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Chaotische Verhältnisse

Hi Mahananda,

Deine Erklärung der relativen Geschwindigkeiten all dieser Körper ist natürlich völlig richtig. Diese ist immer vom jeweiligen Beobachtungssystem abhängig, also dem jeweiligen Planeten, um den es geht, mit seiner speziellen Umlaufgeschwindigkeit. ;)
die allermeisten Körper werden aus dem Sonensystem geschleudert bzw. kollidieren mit Jupiter. Das zeigt aber auch, dass es bei günstigen Ausgangsverhältnissen nicht ganz unmöglich ist, dass Einfänge stattfinden. Bei solchen Schwergewichten wie Titan oder Triton handelt es sich zugegebenermaßen um ganz besonders glückliche Umstände. Allerdings - wer weiß, wie viele Tritons ihr Grab in Neptun gefunden haben und wie viele Titane in Saturn?
Sicherlich reichlich viele. :eek: - Und das ist ja noch lange nicht alles! Ihr dürft nicht die um 96° gekippte Achse des Uranus vergessen!! Ich möchte nicht wissen, was dort einst stattfand! - Genau so die Oberfläche des Uranus-Mondes Miranda, dessen eine Seite aussieht, als wäre sein Innerstes nach außen gekehrt worden! - Des weiteren die Bahn des Doppelsystems Pluto/Charon (mal abgesehen von den anderen zwei "Krümeln" drumherum), die für etliche Jahre (diese waren vor kurzem erst :cool: ) innerhalb der Bahn Neptuns verläuft!

Im Sonnensystem gibt es so viele Merkwürdigkeiten, und diese sind im Prinzip noch gar nichts, wenn man sich die chaotischen Planetensysteme der andauernd neu entdeckten Exoplaneten ansieht ...

Beste Grüße von der Mulde an die Saale von
Toni


PS: Ich besitze das alte "ABC der Astronomie" von 1977 übrigens auch noch! :eek: Es dient mir immer noch als wichtiges Nachschlagewerk, welches ich nicht missen möchte!
 

Mahananda

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Noch mal Hallo,

Im Sonnensystem gibt es so viele Merkwürdigkeiten, und diese sind im Prinzip noch gar nichts, wenn man sich die chaotischen Planetensysteme der andauernd neu entdeckten Exoplaneten ansieht ...

Ja sicher, aber noch verblüffender erscheinen mir die immer noch erhalten gebliebenen Regelmäßigkeiten, die auf einen gesetzmäßigen Entstehungsmechanismus schließen lassen. Das fängt bei den kreisnahen Umlaufbahnen an und setzt sich fort in der grundsätzlich ähnlichen Struktur der Mondsysteme mit dem Sonnensystem als Ganzem (Hier wie dort in der "Regel" vier massereiche Satelliten, die mehr als 99% der Gesamtmasse aller Satelliten in sich vereinen - Titan und Triton stellen freilich Ausnahmen dar).

Die schönste Regelmäßigkeit fand ich vor etwa zwei Jahren, als ich die Massen der vier Galileischen Monde miteinander verglich. Ich addierte die Massewerte des leichtesten Körpers (Europa) mit dem schwersten (Ganymed) und verglich sie mit der Massesumme der beiden anderen Monde (Io und Callisto). Das Resultat: Sie stimmen überein! Die Prüfung an den Saturnmonden ergab dieselbe Übereinstimmung (Tethys+Rhea = Dione+Iapetus). Im Uranussystem dasselbe: innerhalb der Fehlertoleranz übereinstimmende Werte! Manche mögen das als Zufall ansehen oder als bedeutungslose Zahlenspielerei. Für mich ist es ein Indiz dafür, dass die Pärchenbildung eine Gesetzmäßigkeit bei der Entstehung der Satellitensysteme im Sonnensystem gewesen ist.

Inwiefern diese Gesetzmäßigkeit allgemeingültig ist, muss freilich an den Exosystemen überprüft werden. Unabhängig vom Resultat dieser Überprüfung liegt hier bei uns dieser reguläre Fall vor und bedarf einer Erklärung. Einige Ansätze gibt es schon (z.B. Willerdings Hypothese des Durchgangs eines Braunen Zwergs durch die protoplanetare Scheibe), aber diese scheinen noch nicht sehr vielversprechend zu sein. Ich selber habe auch keine zündende Idee, denke aber, dass möglicherweise elektromagnetische Kräfte zur Formierung von Satelliten eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt haben.

Viele Grüße!
 
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Bynaus

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Zunächst zur Frage der Relativgeschwindigkeit:

Ich vermute, du beziehst dich auf den letzten Teil des Zitats, da der freie Fall eines ruhenden Körpers zur Beschleunigung auf Fluchtgeschwindigkeit führt, wenn er bis zur Oberfläche des Zentralkörpers vordringt. Das ist bei einer Passage jedoch nicht gegeben.

Exakt, ich beziehe mich auf den zweiten Tei des Zitats - und bei einer "Passage" ist dies nur dann nicht gegeben, wenn du Saturn und Titan auf einer Sonnenbahn als massenlos betrachtest. Wenn nicht, dann wird Titan natürlich von Saturn während der Passage angezogen und fällt in dessen Gravitationsfeld: seine Geschwindigkeit muss dann immer grösser als die jeweilige Fluchtgeschwindigkeit (relativ zu Saturn) sein.

Geht man davon aus, dass Titan bereits eine elliptische Bahn um die Sonne besaß, muss dessen Bahngeschwindigkeit geringer als 9,643*1,414 km/s gewesen sein.

Richtig - bezüglich der Sonne. Bezüglich Saturns gilt der zweite Teil des Zitats.

Erfolgte die Annäherung an Saturn in Bahnrichtung, subtrahiert sich die Bahngeschwindigkeit Saturns, so dass eine geringere saturnzentrische Relativgeschwindigkeit die Folge ist.

Das stimmt eben nicht, siehe zweiten Teil des Zitats. Wenn das stimmen würde, dann könnte es ja auch Meteoriten geben, die langsamer als 11.2 km/s unterwegs sind... Dein Fehler ist, dass du während der Annäherung die Gravitation vernachlässigst: diese bringt den Meteoriden von seiner Sonnenbahn ab und beschleunigt ihn.

Schau, wir diskutieren hier über eine Sache, die längst geklärt und physikalisch einwandfrei aus den Newtonschen Bewegungsgesetzen hervor geht. Wenn du mir nicht glaubst, frag jemand anders, einen Physikprofessor von mir aus, oder konsultiere weitere Bücher. Es hat keinen Sinn, über etwas zu streiten, was in der Fachwelt unumstritten ist.

Wenn mir jemand die nötige Rechnerei erklärt, würde ich es tun.

Ich meinte eher, woher nimmst du die Gewissheit, dass bei deiner Rechnerei ein Ergebnis rauskäme, die deine Theorie stützt?

Wenn sich die Bahngeschwindigkeit verringert, nähern sich die Partikel der Sonne an und queren die Umlaufbahnen der inneren Planeten, die damit weiter an Masse zunehmen.

Ja, wenn auch der Massenbeitrag fallender Staubpartikel auf Planeten minimalst ist gegenüber dem Massenbeitrag durch grosse Kollisionen zwischen Protoplaneten. Praktisch aller Staub fällt schliesslich auf die Sonne.

Dann eben einige Jahrhunderte vorher.

Es geht nicht um den Zeitpunkt, sondern um die Dauer. Die Masse von Jupiter kann nicht aus dem Einfang von nach aussen geblasenem Gas stammen (zumal dieser Prozess sehr ineffizient wäre), die Akkretion allen Gases innerhalb seiner Migrations-summierten Hillsphäre reicht auch schon.

Gerade deshalb geht es ja auf, denn die größere Masse ist in den Außenbereichen der Scheibe zu finden.

Die Materie verteilt sich nach aussen immer dünner: die Dichte nimmt ja, wie gesagt, mit 1/R ab. Um Planeten zu bilden, ist aber eine bestimmte Dichte nötig, sonst bringst du nie genug Staubteilchen zusammen, um Klumpen und später Planetesimale zu bilden (die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Staubteilchen treffen, hängt von der Dichte ab). Im innersten Bereich der Scheibe (< 0.5 AU) sind die meisten Kollisionen destruktiv, so dass sich dort keine Planeten bilden können, zudem ist es hier so heiss, dass nur sehr "refraktäre" Stoffe (solche mit hohem Siedepunkt) kondensieren können: das reicht aber nicht, um Gasriesen zu bilden. Die ideale Entfernung, um Gasriesen zu bilden, liegt zwischen 5 und 10 AU. Hier ist die Dichte noch hoch genug, um Planetenbildung zu ermöglichen, und hier ist die Kondensation von Eis (und anderen "volatilen" Stoffen) möglich, das für einen schnellen Massenzuwachs sorgt, der wiederum nötig ist, um einen Gasriesen zu bilden, bevor sich die Gas- und Staubscheibe verflüchtigt (Gasplaneten, die länger als die Scheibenlebenszeit von maximal 10 Mio Jahren brauchen, um sich zu bilden, entstehen gar nicht - terrestrische Planeten entstehen erst später, durch die Kollisionen der verbliebenen Planetenembryos (ca. 1 Mond- bis 1 Marsmasse), innert ca. 100 Mio Jahren).

Die Minimumsmasse erscheint mir etwas hoch. (...)

Deine Rechnung macht einige Annahmen, die nachweislich nicht stimmen. So enthalten die Gasriesen eben deutlich mehr als "nur" den solaren Anteil an schweren Elementen. Insbesondere bei Uranus und Neptun dürfte der Kern aus Eis und Gestein weit über 50% der Planetenmasse ausmachen. Saturn hat vermutlich einen Kern von etwa 10 bis 15 Erdmassen. Jupiter enthält genügend schwere Elemente, um einen Kern von etwa 10 Erdmassen zu besitzen, allerdings schliessen die Modelle nicht aus, dass er gar keinen Kern besitzt (Ein Kern von 0 Erdmassen liegt im Fehlerbereich des Modells), und die schweren Elemente mehr oder weniger gleichmässig in Jupiter verteilt sind. Weitere 10 Erdmassen sind (IIRC) in Jupiter verteilt.

Dann kommt dazu (das hatte ich vorher nicht erwähnt, sorry), dass wenn du die Masse aller Planeten über das Sonnensystem "verschmierst" und Wasserstoff dazu fügst, die Scheibe viel zu wenig dicht ist, um Planeten zu bilden. Da kommen höchstens Asteroiden raus. Gerade der Asteroidengürtel muss im Verlauf seiner Geschichte rund das 100fache seiner heutigen Masse verloren haben (das geht auch aus 1/R hervor: der Asteroidengürtel stellt dort quasi (heute) einen "Taucher" der Kurve dar, ein Hinweis darauf, dass es kurz nach der Entstehung des Sonnensystems mehr Masse gegeben haben muss). 100 bis 200 Jupitermassen als Minimum-Masse-Nebel ist ebenfalls recht gut etabliert. Damit kann man das Sonnensystem bilden.

Die Reste der Merkurkruste bildet heute einen Großteil der Planetoiden.

Das klappt leider nicht. Die Zusammensetzung der allermeisten Planetoiden bzw. Asteroiden ist "primordial", das heisst, diese Körper wurden nie stark geheizt oder sonstwie verändert. Sie bildeten sich vor 4.5 Milliarden Jahren im protoplanetaren Nebel und sind seither unverändert.

Sind meine Szenarien-Entwürfe (als "Theorie" möchte ich sie nicht bezeichnen. Dazu fehlt das mathematische Gerüst.) grundsätzlich nicht überprüfbar im Sinne von widerlegbar?

Dazu müsstest du Voraussagen machen. Du hast schon recht, ich habe "Theorie" jetzt im umgangssprachlichen Gebrauch verwendet. Ich empfehle dir, dich besser mit den Grundlagen vertraut zu machen, damit du nicht Dinge vorschlägst, die völlig ausgeschlossen sind (wie die Sache mit den Merkurtrümmern als Asteroiden). Ein sehr guter Einstieg ist das leider etwas teure (englische) Buch "Treatise on Geochemistry 1: Meteorites, Comets, and Planets". Vielleicht findest du es in einer Uni oder bringst eine grosse Bibliothek dazu, es anzuschaffen. Dort drin findest du den gegenwärtigen (2004, ok...) Stand der Forschung zu Planetenbildung sowie den wissenschaftlichen Fakten zu Zusammensetzung der Asteroiden und Planeten, sowie die daraus abgeleiteten Interpretationen.

Toni schrieb:
Nach wie vor unklar ist die Herkunft des beinahe den halben Planeten umspannenden riesigen Grabenbruchs "Vallis Marineris".

Naja, es scheint ziemlich naheliegend, dass der einen tektonischen Ursprung hat. Man denkt heute, dass Mars in der Frühzeit des Sonnensystems für kurze Zeit (wenige Millionen Jahre) eine Plattentektonik hätte aufweisen können: Marineris wäre dann so etwas wie der ostafrikanische Grabenbruch. Zudem ist Marineris mit dem Tharsis-Buckel assoziiert, der vermutlich einen gewaltigen "Plume" (eine aufsteigende Masse von heissem Material) darstellt, der die Marskruste an dieser Stelle stark ausgebeult hat und für zahlreiche, radial von Tharsis wegzeigende Risse gesorgt hat. Einer davon ist das Valles Marineris. Möglicherweise wurde also erst der Riss geschaffen, und dann später durch tektonische Vorgänge erweitert.

Auch Mars zeigt übrigens mögliche Spuren eines Rieseneinschlags: so könnte die sehr flache und vergleichsweise junge Nordhemisphäre durch einen solchen Einschlag entstanden sein (allerdings noch vor Marineris...). Später wäre dieses "Tiefland" von Wasser und /oder Eis bedeckt gewesen, so die Idee. Aber das ist fast so spekulativ wie Mahanandas Titan-Einfang. ;)

Ihr dürft nicht die um 96° gekippte Achse des Uranus vergessen!! Ich möchte nicht wissen, was dort einst stattfand!

Im Nice Modell wurde Uranus' Achse gekippt, als er von Saturn auf seine gegenwärtige Bahn "geschleudert" wurde (man darf sich das nicht so dramatisch vorstellen, wie es tönt - das dauerte vermutlich tausende von Jahren, wobei Uranus jedes Mal etwas weiter nach aussen zog...).

Viele Grüsse aus der Schweiz, so, und jetzt sollte ich wirklich mal was arbeiten...
 

Mahananda

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Schau, wir diskutieren hier über eine Sache, die längst geklärt und physikalisch einwandfrei aus den Newtonschen Bewegungsgesetzen hervor geht. Wenn du mir nicht glaubst, frag jemand anders, einen Physikprofessor von mir aus, oder konsultiere weitere Bücher. Es hat keinen Sinn, über etwas zu streiten, was in der Fachwelt unumstritten ist.

Da gebe ich dir recht. Das ist Zeitverschwendung. Das Problem ist nur, dass man in den einschlägigen Fachbüchern entweder sehr viel Formelsalat findet, den zu durchsteigen man ein Mathematikstudium absolvieren muss oder solche Behauptungen wie in obigem Zitat, die einem mitteilen: "Es ist so!", ohne dass man nachvollziehen kann, warum es so ist. Bis diese Sache für mich klar ist, will ich dir mal glauben, dass die Fluchtgeschwindigkeit überschritten wird und somit ein Abbremsen notwendig ist.

Ich meinte eher, woher nimmst du die Gewissheit, dass bei deiner Rechnerei ein Ergebnis rauskäme, die deine Theorie stützt?

Die Gewissheit habe ich nicht. Aber wenn ich weiß, wie man das prüfen kann, würde ich nachrechnen und ggf. meine Behauptung zurücknehmen. Schließlich bin ich kein Dogmatiker. Ich tippe bei den Bahnverlagerungen mal auf das Thema "elastischer Stoß", um einen Ansatz zu finden. Aber ich bin da kein Experte.

Es geht nicht um den Zeitpunkt, sondern um die Dauer. Die Masse von Jupiter kann nicht aus dem Einfang von nach aussen geblasenem Gas stammen (zumal dieser Prozess sehr ineffizient wäre), die Akkretion allen Gases innerhalb seiner Migrations-summierten Hillsphäre reicht auch schon.

Möglich. Die Gesamtmasse geht sicher zum größeren Teil auf Akkretion vor Ort zurück. Welcher Anteil aus dem Systeminneren stammt, ist wohl schwer bestimmbar.

Die Materie verteilt sich nach aussen immer dünner: die Dichte nimmt ja, wie gesagt, mit 1/R ab. Um Planeten zu bilden, ist aber eine bestimmte Dichte nötig, sonst bringst du nie genug Staubteilchen zusammen, um Klumpen und später Planetesimale zu bilden (die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Staubteilchen treffen, hängt von der Dichte ab).

Deshalb vermute ich, dass da an den Modellen etwas nicht stimmen kann. Bisher wurde (und wird) ausschließlich die Gravitation berücksichtigt. Ich frage mich, ob es innerhalb der Scheibe auch zu nennenswerten elektrischen Aufladungsprozessen kommt, die zu einer beschleunigten Akkretion über elektromagnetische Wechselwirkungen führen können. Das ist nur so eine vage Idee, aber vielleicht könnte man so das Problem der verschwundenen Massen umgehen.

Deine Rechnung macht einige Annahmen, die nachweislich nicht stimmen.

Gut. Dann hätten wir statt 9 Erdmassen 30 bis 50, folglich statt 2 Jupitermassen etwa 8 bis 12. Immer noch sehr wenig.

100 bis 200 Jupitermassen als Minimum-Masse-Nebel ist ebenfalls recht gut etabliert. Damit kann man das Sonnensystem bilden.

Wenn man sich auf reine Gravitationswirkung beschränkt. Aber ich melde da meine Zweifel an (siehe oben).

Das klappt leider nicht. Die Zusammensetzung der allermeisten Planetoiden bzw. Asteroiden ist "primordial", das heisst, diese Körper wurden nie stark geheizt oder sonstwie verändert. Sie bildeten sich vor 4.5 Milliarden Jahren im protoplanetaren Nebel und sind seither unverändert.

Ich kenne keine Prozentwerte, aber solche großen Körper wie Vesta, die einen großen Teil der Masse ausmachen, weisen Differenzierungsprozesse auf. Bei Ceres bin ich mir nicht sicher. Deren geringe Dichte von etwa 2,0 weist auf größere Mengen Wassereis hin. Mal sehen, was ich noch in Erfahrung bringe. Ein großer Teil der ursprünglich vorhandenen Körper des Planetoidengürtels dürfte durch Jupiters Einfluss so stark gestört worden sein, dass sie ihn verließen (nach außen und nach innen).

Ich empfehle dir, dich besser mit den Grundlagen vertraut zu machen, damit du nicht Dinge vorschlägst, die völlig ausgeschlossen sind ...

Danke, ich werde deinen Rat beherzigen.

Viele Grüße!
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Bisher wurde (und wird) ausschließlich die Gravitation berücksichtigt. Ich frage mich, ob es innerhalb der Scheibe auch zu nennenswerten elektrischen Aufladungsprozessen kommt, die zu einer beschleunigten Akkretion über elektromagnetische Wechselwirkungen führen können.

Es ist keineswegs so, dass nur die Gravitation berücksichtigt wird. Wirbelprozesse ("turbulence"), die durch Magnetfelder innerhalb der Scheibe verursacht werden, spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Planetenbildung. Magnetfelder gibt es natürlich nur, wenn geladene Teilchen vorhanden sind. Zudem spielen elektromagnetische Prozesse bei ganz kleinen Staubteilchen sehr wohl eine Rolle: diese sind ja so winzig, dass ihre Gravitation vernachlässigbar ist: erst, wenn die Objekte zu 1km Durchmesser und mehr herangewachsen sind, beginnt die Gravitation eine bedeutende Rolle zu spielen.

Ich kenne keine Prozentwerte

Die gewöhnlichen Chondrite machen über 80% der Meteoriten, und damit wohl auch des Asteroidengürtels aus (es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Zusammensetzung eines Asteroiden darüber entscheiden kann, ob er jetzt zur Erde hin abgelenkt wird oder nicht) Vesta ist in etwa der einzige grosse, differenzierte Asteroid, Ceres hat sich wohl später gebildet, als kaum mehr radioaktive Elemente vorhanden waren, um ihn (sie?) aufzuschmelzen. Es stimmt, was du schreibst, dass ein grosser Teil des Asteroidengürtels von Jupiter "entfernt" wurde: allerdings gibt es auch hier kein Mechanismus, der nach chemischer Zusammensetzung selektiert.

Das Problem ist nur, dass man in den einschlägigen Fachbüchern entweder sehr viel Formelsalat findet, den zu durchsteigen man ein Mathematikstudium absolvieren muss oder solche Behauptungen wie in obigem Zitat, die einem mitteilen: "Es ist so!", ohne dass man nachvollziehen kann, warum es so ist.

Findest du es nicht einleuchtend, dass die Gravitation bei der Begegnung zweier Planeten eine Rolle spielen muss? Sagen wir, Titan und Saturn sind zuerst, 500 Mio km auseinander (auf ihrer Bahn). Je näher Titan Saturn kommt, desto stärker wird er von Saturn angezogen: er beschleunigt in Richtung Saturn, gemäss dem Gravitationsgesetz! Die Kraft zwischen den beiden hat sich bei 250 Mio km Abstand vervierfacht, bei 125 Mio km Abstand versechzehnfacht, etc. Während dieser ganzen Zeit beschleunigt Titan auf Saturn zu, und zwar exakt derart, dass er stets mindestens Fluchtgeschwindigkeit gegenüber Saturn besitzt (genau Fluchtgeschwindigkeit hat er nur dann, wenn er zu Beginn stillsteht. Bewegt er sich von Saturn weg, so verringert sich der Abstand weniger schnell, und Saturn hat "mehr Zeit", um Titan zu beschleunigen. Bewegt er sich auf Saturn zu, ist ohnehin klar, dass er schneller ist als Fluchtgeschwindigkeit).
 
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