@ gst:
Da der Thread noch nicht geschlossen ist, nutze ich die Gelegenheit, Dich hier ebenfalls ganz herzlich zu begrüßen.
Du schreibst:
Grundsätzlich, denke ich, ist diese Frage genau so einzuschätzen wie "Hat das Universum einen Sinn?" ...
und kommst zu:
Sobald man nur eine Sache gefunden hat, die Sinn macht, lässt sich dann die obige Frage mit: "Ja, es gibt sinnvolle Dinge im Universum" bentworten ...
woraus dann wird:
"ja, es gibt Informationen, Botschaften, etc. im Universum".
Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass aus der Sinnhaftigkeit von Einzeldingen, die nur dann erkannt wird, wenn man hinreichend kreativ ist, auf die Sinnhaftigkeit des Universums geschlossen wird. Ich denke, hier muss man unterscheiden zwischen "sinnvoll für mich" und "sinnvoll an sich". Während erstes ohne Zweifel der Fall sein kann (und damit Welt - um hier mal wieder Wittgenstein zu zitieren!), wird es problematisch, für Einzeldinge einen "Sinn an sich" zuzuordnen, also einen Sinn, der sich objektivieren lässt und unabhängig von der Kreativität - oder besser: Urteilskraft des Beurteilenden vorhanden ist.
Worin besteht z.B. der Sinn eines Steines auf dem Grund eines Ozeans? Ich kann jetzt kreativ sein und mir verschiedene Varianten ausdenken, die dem Vorhandensein dieses Steines einen Sinn verleihen, aber diese Varianten entspringen alle meiner Phantasie und bleiben auf mich bezogen. Ein Tiefseefisch "denkt" darüber vielleicht ganz anders (wenn er denken und sprechen könnte), und der Wurm, der sich darunter versteckt, noch anders. Deshalb: Ein Stein ist ein Stein, ist ein Stein usw. Alles was darüber hinausgeht, ist Gedankenspiel, aber keine objektivierbare Bedeutung, die über das reine Dasein des Steines als Stein hinausgeht.
Nun könnten wir den Stein vom Ozeangrund holen und ihn untersuchen - seine Gestalt, seine Masse, seine Dichte, seine chemische Zusammensetzung usw. usf. - aber wir würden daraus Informationen gewinnen, die mit dem Sinn des Steines nichts zu tun haben. Es wären sinnvolle Informationen für uns, um den Stein möglichst genau beschreiben zu können, aber dem Sinn des Steins als Stein wären wir damit keinen Schritt näher gekommen. Der Stein bleibt Stein - und wenn wir ihn bei der Untersuchung nicht zerstören, bleibt er es noch sehr lange Zeit. Genau genommen ist es unmöglich, irgendeinem Ding einen Sinn zuzusprechen. Was man damit meint, ist oftmals, das Dinge einen gewissen Zweck erfüllen. Hier lassen sich dann dem Stein viele Verwendungsweisen zuordnen - angefangen vom Briefbeschwerer bis hin zum Wurfgeschoss - aber diese Zweckzuordnung tangiert nicht den Stein, sondern ausschließlich den, der den Zweck zuordnet.
Ich kann also zweifellos den Dingen einen Sinn zuordnen, wenn damit gemeint ist, dass Dinge - für mich oder für andere - einen gewissen Zweck erfüllen können. Man darf daraus aber nicht schließen, dass den Dingen dieser Zweck an sich zu eigen ist. Der Zweck ergibt sich in der Regel aus der jeweils konkreten Situation, worin die betreffenden Dinge involviert sind. Im Beispiel des Steines auf dem Ozeangrund erfüllt dieser u.a. den Zweck, dem Wurm ein Versteck zu bieten, damit er von dem Tiefseefisch nicht gefressen wird. Für den Tiefseefisch ist der Stein ein lästiges Hindernis. Nähert sich dem Tiefseefisch ein Fressfeind, wird er den Stein binnen kürzester Zeit als willkommenes Versteck nutzen. Also: Ändert sich die Situation, ändert sich u.U. der Zweck eines Dinges. Zwecke sind demnach nicht objektivierbar und gelten nicht unbeschränkt für alle Zeit.
Was ich hier recht ausführlich für einen simplen Stein ausgeführt habe, gilt in letzter Konsequenz auch für alle anderen Dinge im Universum. Wenn es also sinnvolle Dinge im Universum gibt, dann sind diese "sinnvoll für mich" aber niemals "sinnvoll an sich". Daraus folgt allenfalls, dass das Universum "sinnvoll für mich" sein kann (wenn ich dazu die nötige "Kreativität" aufbringe), aber keinesfalls, dass es "sinnvoll an sich" ist. Von daher erübrigt sich die Annahme, der Existenz eines außenstehenden Beobachters (Kreators), für den das Universum sinnvoll sein könnte, um die Qualität "sinnvoll für mich" zu erfüllen, weil sie aus der Binnenperspektive von Dingen im Universum (Du und ich, wir sind ja auch Dinge im Universum!) nicht erschlossen werden kann. Ein "sinnvoll für mich" tangiert nicht das Ding, um das es geht. Ebenso wäre das Universum nicht sinnvoller, wenn es einen Kreator gäbe, für den das Universum sinnvoll erschiene. Das Universum ist das Universum, ist das Universum ... nichts weiter.
Monod