Schlimmer!
Nehmen wir das kürzlich identifizierte Teilchen entspricht tatsächlich dem Higgsteilchen des Standardmodells. Und nehmen wir weiter an, es gibt bis auf weiteres keine Hinweise auf Supersymmetrie. Dann wäre das Standardmodells (bis auf den Neutrinosektor) sozusagen abgeschlossen und in weiten Bereichen "verifiziert". Allerdings haben wir damit keine Antwort auf viele fundamentale Fragen:
- warum gerade die Wechselwirkungen, und warum gerade die Eichsymmetrien U(1) * SU(2) * SU(3) ?
- warum gerade drei Fermionengenerationen?
- warum gerade dieses eine skalare Teilchen mit diesem einen seltsamen Potential, das zur Massenerzeugung führt
- warum gerade diese ca. 20 Werte der freien Parameter (Kopplungskonstanten, damit auch Fermionmassen, Mischungswinkel)
Antworten darauf lägen dann im Bereich von SUSY und ggf. SUGRA, jenseits der 10 - 20 TeV Grenze oder gar noch höher. Offenen Fragen innerhalb des SM beziehen soch dann insbs. auf Neutrinos. D.h. experimentell sind wir mit unserem Latein am Ende.
In der Theorie haben wir ähnliche Probleme, denn insbs. SUSY und SUGRA führen zunächst mal neuen Teilchensorten und Wechselwirkungen ein, und damit auch neue Parameter. Insgs. sinkt die Vorhersagekraft der Physik also gewaltig. Wieder stünden wir vor dem Problem a) zig neue Teilchennachweisen zu müssen ohne b) erklären zu könen, warum gerade diese und keine anderen.
Es gibt neben dem Mainstream (SUSY und Strings, die aber nichts erklären), zwei andere interessante Ansätze, nämlich
- die non-commutative geometry nach Connes wobei aus 'recht einfachen' Annahmen folgt, dass SM + Gravtitation eine vollständige Theoriue bilden solten; das SM folgt sogar teilweise strukturell aus diesem Ansatz, angeblich auch die Higgsmasse zu ca. 125 GeV !!! Es gibt jedoch auch offene Punkte, soweit ich weiß insbs. die Anzahl der Gneerationen sowie ihre Mischungswinkel; zudem gehen in die Konstruktion der nicht-kommutativen Geometruie ebenfalls einige (wenige) Annahmen ein.
- die Kombination des SM + Gravitation ohne weitere WWs im Rahmen des asymptotic safety Zugangs zur Quantengravitation; auch dabei gibt es Hinweise, dass die Higgsmasse im Bereich der gefundenen 125 GeV liegen muss; diese Hinweise sind übrigens schon ein paar Jahre alt, liegen also vor der Entdeckung. Der Erfolg dieses Ansatzes bestünde darin, dass SM + Gravitation vollständig und konsistent wären, d.h. eine Theorie der Quantengravitation wäre ebenfalls verfügbar. Eine Erklärung, warum gerade das Standardmodell folgt aus diesem Ansatz nicht.
Insgs. scheint sich ein Paradigmenwechsel abzuzeichnen, wonach die experimentelle Überprüfung der theoretischen Ansätze (leider !!) in den Hintergrund tritt und die Theorie aus sich selbst heraus ihre eigene Konsistenz und ihr (eindeutiges ?) Konstruktionsprinzip erklären muss.