Hallo!
Ursprünglich hatte ich gehofft, Dich Bynaus mit einem weniger tiefen Griff in die Physikkiste überzeugen zu können.
Aber so hatte es zumindest den Vorteil, dass ich meine Ursprüngliche (zu einfache) Betrachtung noch mal genauer angeschaut habe und inzwischen eine hoffentlich realistischere Beschreibung liefern kann; natürlich nicht bis zum Verbleib des letzten Kilowatt und auch nicht der genauen räumlichen Verteilung.
In einem Punkt hattest Du recht: ganz so einfach, wie ich es beschrieben hatte, ist es nicht. Was aber leider nicht zu günstigeren Überlebenschancen für die Besatzung führt, ganz im Gegenteil, sogar ein 300 m langes Raumschiff würde sterilisiert und zumindest teilweise verdampft. Und zwar in dieser Reihenfolge!
Es hat so lange gedauert, weil ich zunächst über die Wirkungsquerschnitte versucht habe eine entsprechende Prozessverteilung zu ermitteln. Leider konnte ich zwar die grundsätzlichen handwerklichen Methoden, nicht aber brauchbare konkrete Zahlen finden. Parallel dazu wurde meine Beschreibung immer länger und ausführlicher und am Ende hatte ich 10 Seiten Entwürfe. Also alles noch mal neu und ganz anders aufgezogen.
Einige Vorabbemerkungen, da vereinzelt auch Fragen kamen, die die Notwendigkeit einer Propädeutik nahe legen.
Mit unseren Alltagserfahrungen kann diese Frage nicht beantwortet werden. Dieser Vorgang ist so ungeheuer weit abseits unserer Erfahrungen, dass die meisten Menschen ihn zunächst vollkommen falsch einschätzen würden.
Wem aber die Physik dazu schon geläufig ist, der kann ohne Verlust die ganze Propädeutik überspringen und ab Medias res weiter lesen.
Tatsächlich sind wir noch sehr weit weg von der Möglichkeit eine solche Kollision in der Realität auch nur mit umgekehrten (Eisenkugel 0,1 c schnell) Geschwindigkeitsverhältnissen durchzuführen. Aber wir sind im Besitz aller nötigen Daten und Messwerte um diese Kollision im Prinzip beliebig genau zu berechnen. Die Computersimulationen zu Atombombenexplosionen, die als Ersatz für tatsächliche Tests durchgeführt werden, sollten im Prinzip nichts anderes machen.
Kollisionen im Bereich unserer Erfahrungen sind z.B. Berührungen, Luftdruck, Fahrtwind, Schläge, Autounfall, Geschoß. Schon hier fehlt fast immer noch die Erfahrung, dass dabei Bewegungsenergie (geordnete Bewegung) in Wärme (ungeordnete Bewegung) übertragen wird. Ein sehr schönes Beispiel dazu war vor einigen Jahren bei ‚Wetten dass’ zu sehen, als ein ‚Schmied’ mit einem Hammer ein Stück Eisen nur durch kräftiges Draufschlagen zum glühen brachte.
Diese Kollisionen spielen sich alle im Bereich der Elektronenhülle der Atome ab, wenn ein Atom dem anderen zu nahe kommt, dann stoßen die negativ geladenen Elektronen der Atomhülle sich gegenseitig ab. Makroskopisch ganz ähnlich, wie sich zwei Magnete abstoßen, die man mit ihren gleichen Polen versucht zusammenzubringen.
Der ‚Schubs’ der dabei von den ankommenden Atomen auf die ‚ruhenden’ Atome übertragen wird, wird in dem getroffenen aber auch in dem treffenden Material allmählich von Atom zu Atom mit immer ungerichteteren Bewegungen weiter gegeben, bis eine große Anzahl der Atome, die zu den beiden Kollisionspartnern gehören, etwas mehr schwingen als vor der Kollision. Die vorher gerichtete Bewegung aller Atome wurde in ein wilderes Durcheinanderschwingen im gesamten Verband verteilt.
Dieses Schwingen (in einem Festkörper oder in einer Flüssigkeit) ist eigentlich ein ständiger Wechsel mehrerer Energieformen. Zum Einen nehmen (zunächst) die am schwächsten gebundenen Elektronen der Atome eine fein abgestufte Energiemenge auf und verändern damit den Abstand zu ihrem Atomkern (und damit auch zu ihren Nachbaratomen), zum anderen geben sie diese Energie in Form von Strahlung (Radiowellen, Mikrowellen, Licht, bis hin (wenn sie heiß genug sind, dann aber nicht mehr als Festkörper), zu (charakteristischer) Röntgenstrahlung wieder ab. Entweder aus dem Verband hinaus, oder an Nachbarelektronen. Verläßt diese Strahlung den Verband (der Verband kühlt dadurch ab), dann können wir sie z.B. als Wärme spüren oder, wenn noch mehr Energie im Spiel ist, sie als Licht sehen. Wenn diese Bewegungsenergie hoch genug ist, dann können einzelne Atome oder sogar alle ihre Bindung zu den Nachbarn überwinden (das Material schmilzt oder verdampft sogar) Die Energie, die dazu nötig ist, ist sehr unterschiedlich, sie liegt (bei den meisten, uns alltäglich umgebenden chemischen Verbindungen) in der Größenordnung 1 Elektronenvolt (eV) pro Atom.
Ist die Bewegungsenergie der beteiligten Atome noch höher, dann können einzelne Elektronen genügend Energie aufnehmen, um ‚ihr’ Atom auf nimmer Wiedersehen zu verlassen. Das zurückbleibende Atom (dem jetzt ein Elektron fehlt) nennt man Ion. Wenn dieser Vorgang schnell genug häufig genug und mit ausreichender Energie stattfindet, dann können alle Elektronen von ihrem Atom getrennt werden, sogar die innersten, am stärksten gebundenen. Das dadurch entstehende Gemisch aus Atomkernen und nicht mehr an einzelne Atome gebundenen Elektronen nennt man Plasma. Die dazu nötige Energie liegt bei einigen Kilo Elektronenvolt (keV)
In unserem Beispiel mit der Eisenkugel, die mit 0,1 c gegen das Raumschiff ‚prallt’, (wer sich bewegt und wer ruht, ist für solch eine Kollision austauschbar, bzw eine Frage des Beobachters) ist die Energie der beteiligten Atome aber so groß (rund 260 MeV pro Eisenatom), dass die uns als Erfahrung bekannten Prozesse zwar auch stattfinden, aber völlig bedeutungslos für die Energieübertragung geworden sind.
Woher wissen wir das, wenn wir doch noch so weit von einer 0,1c schnellen Eisenkugel entfernt sind?
Nun, ganz ohne Experimente dazu stehen wir nicht da. Es gibt schon seit langer Zeit Beschleuniger, die ‚mühelos’ Ionen auf solche und noch höhere Geschwindigkeiten beschleunigen können. Also zumindest bei einzelnen Atomen wissen wir sehr genau, wie ihre kinetische Energie mit welchen Wechselwirkungen in verschiedene Energieformen übertragen wird.
Wenn die kollidierenden Atome energiereicher (schneller) sind, als ihre Ionisationsenergie, dann wird die kinetische Energie nicht mehr nur durch Stoß und Anregung weitergegeben, sondern auch durch Ionisation und Bremsstrahlung und zwar so oft, bis die dazu nötige kinetische Energie aufgebraucht ist.
Medias res
Trifft z.B.
Seite 8 Abb.1.1ein C Atom mit rund 330 MeV/u kinetischer Energie auf Wasser, dringt es rund 20 cm ein, bis es gestoppt werden kann. Aus der Verteilung der im Wasser deponierten Energie kann man einige dabei ablaufende Prozesse identifizieren.
Da wäre einmal die Ionisation der verschiedenen Wasseratome (H und O). Sie findet auf der gesamten Bremsstrecke statt. Am Ende der Reichweite (des Bremsweges) mit stark ansteigender Intensität im sogenannten Bragg-Peak. Man sieht, dass die deponierte Energie (Dosis) hinter der Reichweite sehr steil abfällt. Man sieht aber auch, dass sie nicht auf 0 fällt. Die Steilheit des Dosisabfalls im Bragg-Peak zeigt auch, dass die Energie, die auf die bei der Ionisation aus ihren Atomen befreiten Elektronen übertragen wurde, allenfalls im keV Bereich liegen kann. Zum Vergleich der Verlauf einer Dosisverteilung, die durch Elektronenstrahlung von 20 MeV Energie erzeugt wurde.
Der Dosisanteil hinter dem Bragg-Peak ist die Energiesignatur der durch Bremsstrahlung abgebauten kinetischen Energie.
Dieser Verlauf ist die typische Signatur einer Photonenstrahlung mit einem breiten, nicht monoenergetischen Spektrum. Die Energie der Röntgenphotonen ist außerdem erheblich größer als z.B. die Energie der charakteristischen Röntgenstrahlung die mit den K-Elektronen des Sauerstoffs entsteht.
Warum reite ich darauf so rum? Nun, dieser Kurvenverlauf erscheint mir für meine weitere Argumentation von entscheidender Bedeutung. Er zeigt, dass ein durchaus nicht unbedeutender Teil der kinetischen Energie durch, in den Coulombfeldern der Atomkerne erzeugte Bremsstrahlung abgebaut wird.
Auch wenn alle Atome der Eisenkugel und der Schiffswand und der Luftstrecke komplett ionisiert sind und damit möglicherweise (nach Bynaus’ Vermutung, für deren quantitative Realität ich keine Informationen finden konnte) kaum noch weitere Energie durch Übertragung auf die Elektronen abgebaut werden kann, die Wechselwirkung, die die Bremsstrahlung erzeugt, findet bei ausreichender Geschwindigkeit auf jeden Fall statt, egal wie hoch der Ionisierungsgrad der beteiligten Atome auch immer sein mag.
Aus den extrapolierten Flächenanteilen der verschiedenen Beiträge zur Dosis kann man entnehmen, dass sich der Energieanteil der in die Bremsstrahlung geht, irgendwo im Bereich von 1% bis 10% liegt. Daraus lässt sich aber ganz einfach schließen, dass selbst wenn kein anderer Prozess mehr irgend eine Wechselwirkung machen sollte, die Reichweite, die in dem hier gezeigten Beispiel ermittelt wurde, nur verzehn- bis verhundertfacht werden muß, um die kinetische Energie fast vollständig abzubauen. Dazu würde aber in unserem Szenario sogar eine nur 5 cm dicke Aluminiumhülle einen erheblichen Teil beitragen!
Dieser (Bremsstrahlen) Röntgenblitz hätte, je nach Verteilung der Wechselwirkungen auf die verschiedenen Prozesse eine Energie von 1E13 bis 1E15 Joule. Er hätte im Abstand von 300 m (wenn er kugelsymetrisch verteilt ist) noch eine Dosis in der Größenordnung von ganz ganz grob 100 bis 10 000 Joule/dm^2.
3-6 J/dm^2 (auf den ganzen Körper) reichen für den Tod eines Menschen, 3000 für den Tod einer Wespe, 10000 bis 30000 strahlt man zum Sterilisieren.
Geschieht die Wechselwirkung nicht fast ausschließlich auf dem Bremsstrahlungsweg, dann geht es noch schneller, auf noch kleinerem Raum (wenige mm), mit entsprechender Hitze und damit auch Röntgenstrahlung.
Herzliche Grüße
MAC