Endlich habe ich die heisenbergsche Unschärferealtion begriffen!

TomS

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Man kann diese beiden Attribute einfach nicht beliebig genau zuschreiben. Per principium, einverstanden; aber genügt das, um dem seine Existenz abzusprechen ?
Ja, das genügt, wenn du mir nicht erklären kannst, wie du auf der einen Seite eine gleichzeitige Zuschreibbarkeit (korrekterweise) ausschließt, aber andererseits eine gleichzeitige Existenz haben möchtest. Wie sollen denn Ort und Impuls eines Teilchens gleichzeitig existieren, wenn du ihnen nicht gleichzeitig Werte zuschreiben kannst? Was soll das bedeuten?

Ich stelle mich da auf einen eher formalen Standpunkt und sage, dass ich einem Quantenobjekt einen Hilbertraumzustand zuschreibe und dass letztere in gewisser Weise ein Aspekt der Realität ist und "existiert". Und natürlich kann ich diesem Zustand gleichzeitig auch eine Orts- und eine Impulsraumwellenfunktion zuschreiben (und insofern existieren Ort und Impuls als Beschreibungskonzept tatsächlich gleichzeitig und gleichrangig). Was ich jedoch feststelle ist, dass das gleichzeitige Zuschreiben von Werten (Eigenwerten) mathematisch auscgeschlossen ist und deswegen der Schluss naheliegt, dass es sich dabei auch um keinen Aspekt der Realität handeln kann. Ort und Impuls (als Werte, nicht als Observablen) sind damit sekundäre Begriffe geworden.
 

Laserdan

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Hallo Tom,

das ist genau die Richtung in der mein Gedankengang ging und ich finde diese Position persönlich eleganter als meine, vor allem nach der Erklärung.

Existiert die ursprüngliche Funktion (die selbe, nicht die gleiche!!) noch irgendwo wenn man sie Fourier-transformiert oder ist sie ausgelöscht? Weil beide "gleichzeitig" können wir nicht haben.
 
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ralfkannenberg

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Ort und Impuls (als Werte, nicht als Observablen) sind damit sekundäre Begriffe geworden.
Hallo Tom,

ja stimmt, ich haben einen Denkfehler gemacht: der "Fehler" bzw. die Umschärfe kann ja für einen der beiden beliebig gross werden; ich hatte irrtümlich gemeint, der +/- Fehler sei nach wie vor sehr klein, einfach nicht beliebig klein.

Aber das stimmt so wie ich zunächst dachte natürlich nicht, es ist ja "nur" das Produkt der beiden Ungenauigkeiten, welches nicht beliebig klein werden kann; das kann immer noch zur Folge haben, dass wie bei einer Welle der Impuls sehr genau bekannt ist, der Ort dafür aber "unendlich" ungenau ist.

Vermutlich ist es wirklich am sinnvollsten, sich wie Du es geschrieben hast, auf die Situation im Hilbertraum zu beschränken und nicht zu viel hineininterpretieren zu wollen; ich persönlich würde aber den Existenzbegriff zunächst einmal aussen vorlassen, d.h. insbesondere wenn man darüber sprechen möchte, muss man eben zuerst festlegen, was das in der Physik heissen soll, eine Grösse bzw. eine Kombination aus ihnen (genauer: gleichzeitige Zuschreibbarkeit) "existiere".


Freundliche Grüsse, Ralf
 

TomS

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... ich persönlich würde aber den Existenzbegriff zunächst einmal aussen vorlassen, d.h. insbesondere wenn man darüber sprechen möchte, muss man eben zuerst festlegen, was das in der Physik heissen soll, eine Grösse bzw. eine Kombination aus ihnen (genauer: gleichzeitige Zuschreibbarkeit) "existiere".
Ich interessiere mich schon für derartige ontologische Themen, d.h. sie stehen zwar nicht im Vordergrund und die Physik funktioniert auch ohne sie, aber sie sind sozusagen der Stachel im Fleisch, der uns immer wieder nach dem "warum" und "wie" fragen lässt, auch wenn wir ehrlicherweise nur beschreibende Modelle konstruieren.

Ich habe da eine etwas abstraktere Position und sehe die Ontologie zum einen eher struktur-ontologisch, d.h. ich glaube nicht, dass da ein "Etwas" ist, das einen "Impuls hat", sondern eher, dass da "eine Struktur existiert", die in gewisser Weise "ontologisch isomorph" zu einem Hilbertraumbegriff ist bzw. für die ein Hilbertraum (bzw. ein Zustandsvektor) ein einigermaßen "treues Modell" liefert - um mal zwei Begriffe aus der Mathematik zu verwenden. Zum anderen bin ich davon überzeugt, dass uns unsere modellhafte Beschreibung, die Durchführung von Experimenten sowie die wechselweise Beziehung der Theorie und der Experimente aufeinander eine Art negative Ontologie liefern: Es ist (seit Platons Höhlengleichnis) klar, dass es irreführend bis falsch sein kann, von einem Modell anzunehmen, "dass die Wirklichkeit so ist wie es das Modell sagt", oder "dass Modell und Wirklichkeit sogar ein und das selbe sind". Aber ich denke, die o.g. Argumentation kann uns teilw. eindeutig sagen, was und wie die Natur nicht ist.

Am besten mache ich mal ein Beispiel: Es wäre wohl falsch, zu behaupten, "ein Quantensystem ist ein Hilbertraumvektor". Aber es ist richtig, zu behaupten, "dass ein Quantensystem nicht gleichzeitig einen Ort und einen Impuls hat" bzw. "dass Ort und Impuls eines Quantensystems nicht gleichzeitig existieren".

Kennt ihr die Story von Feynman, den Philosophen und dem Ziegelstein?
 

RPE

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Kennt ihr die Story von Feynman, den Philosophen und dem Ziegelstein?

Hi Tom,

nee kenn ich nicht. Wo find ich die?

Ich finde noch zwei Dinge erwaehnenswert:

1) Ralf sprach es schon an, dass es nicht ein radikales entweder oder ist, sondern lediglich das Produkt aus Impuls und Ort betrifft. D.h. man kann beides messen, nur eben nicht beides mit einer unendlich hohen Genauigkeit (wobei die Grenzen der Messtechnik, Rauschen, etc. keineswegs gemeint sind, gerade diese bei dieser Art von Messungen aber natuerlich auch meistens eine grosse Rolle spielen bzw. recht teure Versuchsaufbauten voraussetzen)

2) Den Quantenradierer (siehe auch wiki), bei dem im Wesentlichen die Ortsinformation (welcher-Weg im Doppelspaltexperiment) zunaechst gemessen wird, damit also bekannt ist, und damit das Interferenzmuster auf der Kamera verschwinden laesst. In einem nachfolgenden, erweiterten Experiment kann eben diese "Messung" aber scheinbar genau wieder rueckgaengig gemacht (radiert) werden, und das Interferenzmuster durch die Interferenz am Doppelspalt tritt wieder auf.

Speziell dieses Experiment macht vor allem sehr eindrucksvoll deutlich, dass eine Messung der einen Eigenschaft eben nicht einfach nur die andere Eigenschaft zu arg stoert, und damit unscharf macht, sondern, dass es sich tatsaechlich um eine fundamentale Eigenschaft der Natur handelt, die es nicht erlaubt, beide Zustaende gleichzeitig zu messen.
Ausserdem laessen sich hier auch schoen die Grenzen dessen diskutieren (gar festmachen?), was Sinn macht, als Realitaet/existent zu bezeichnen und was nicht. Interaction-free measurements sind auch ein schoenes Bsp. hierzu.
 

TomS

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Hi Tom,

nee kenn ich nicht. Wo find ich die?
Ich stell einen Link oder den Text in einem neuen Beitrag rein.

1) Ralf sprach es schon an, dass es nicht ein radikales entweder oder ist, sondern lediglich das Produkt aus Impuls und Ort betrifft. D.h. man kann beides messen, nur eben nicht beides mit einer unendlich hohen Genauigkeit
Ja, richtig: deswegen existieren Orts- und Impulsraumwellenfunktion auch gleichzeitig und sind exakt bekannt. Von einem (exakt bekannten) Zustand |ψ,t> kann man zu einer Zeit t beide Wellenfunktionen (als Projektionen) ableiten

ψ(x,t) = <x|ψ>
ψ(p,t) = <p|ψ>

Dabei sind jedoch beide Orte bzw. Impulse nicht gleichzeitig scharf, d.h. es liegt kein gleichzeitiger Eigenzustand vor und man kann dem Zustand |ψ> eben keinen Ort und Impuls zuschreiben, wohl aber eine Orts- und Impulsraumwellenfunktion.
 

Matthy

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Hi,

mal beachten und es wird Euch hoffentlich interessieren. An dieser Stelle ist die Theorie im Fluss...

Zitat: "Experimentell nachgewiesen: Bei bestimmten Messungen ist die naive Lehrbuchversion der Unschärferelation deutlich verletzt."

->Pro-Physik vom 17.9. bzw.: http://dx.doi.org/10.1103/PhysRevLett.109.100404

Etwas besser greifbar und für mich wesentlich interessanter sind "analog" die Auflösungsgrenzen in der Mikroskopie durch Apertur und Wellenlänge ebenfalls gefallen... Da das jedoch hier nicht Thema ist - Einzelheiten nur bei Interesse.

Matthy
 

TomS

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Hier ist zunächst mal der Link:

http://www.pro-physik.de/details/news/2649311/Heisenbergsche_Unschaerferelation_muss_verallgemeinert_werden.html


Dann zwei Zitate aus dem Text:

Ein Quantenzustand kann nicht gleichzeitig in zwei komplementären Eigenschaften scharfe Werte besitzen. Dementsprechend können diese Werte auch nicht gleichzeitig in voller Schärfe gemessen werden. In der Unschärferelation findet sich dieser Zusammenhang darin wieder, dass das Produkt der Standardabweichungen zweier komplementärer Messgrößen eines Quantenzustandes nicht kleiner werden kann als ein bestimmter Wert. Dieser Zusammenhang ist eine der wichtigsten fundamentalen Einsichten der Quantenphysik und mathematisch und experimentell bestens belegt.

Hervorhebung von mir.

Wichtig ist, dass Heisenberg zwar ein Gedankenexperiment angestellt hat und die Unschärfenrelation auch häufig über das Experiment motoviert, erklärt oder auch definiert wird, dass sie aber in Wirklichkeit eine mathematische Aussage im Sinne von ... Ein Quantenzustand kann nicht gleichzeitig in zwei komplementären Eigenschaften scharfe Werte besitze ... ist, d.h. dass sie ohne ein Experiment auskommt.

Andererseits kann man die Unschärferelation aber auch so auffassen, dass ein Quantenzustand durch jede Art von Messung gestört wird und sich folglich verändert, weil eine Messung immer mit einer unkontrollierbaren Zustandsänderung einhergeht. Üblicherweise überträgt man die Formel aus dem obigen Zusammenhang in eine Messsituation, indem man den einen Term des Produkts als Präzision der Messung, den anderen als induzierte Störung interpretiert. Dies ist eine alte und weniger allgemeine Formulierung der Unschärferelation, die mittlerweile mathematisch als nicht korrekt ausgewiesen ist. Stattdessen tauchen bei der Behandlung des Messproblems weitere Terme in der Unschärferelation auf, die in der alten Variante fehlen

So, es geht in dem Experiment also um die Anwendung der Unschärfenrelation auf die Messung, und da stellt sich nun heraus, dass dies zu Korrekturtermen führt. Kein Problem.

Ein Problem habe ich aber mit dem Untertitel

Experimentell nachgewiesen: Bei bestimmten Messungen ist die naive Lehrbuchversion der Unschärferelation deutlich verletzt.

Untertitel Ja, das ist naiv. Aber nein, das ist nicht die Lehrbuchversion, zumindest nicht die aus einem guten Standardwerk über Qantenmechanik, sondern höchstens eine populärwissenschaftliche Darstellung. In der mathematisch exakten Formulierung bzw. Herleitung der Unschärfenrelation kommt überhaupt keine Messung vor!!

Aus dem oben verlinkten paper:

The relationship commonly referred to as the Heisenberg Uncertainty Principle (HUP) - in fact proved later by Weyl [4], Kennard [3], and Robertson [2] - refers not to the precision and disturbance of a measurement, but to the uncertainties intrinsic in the quantum state.

Also alles im Lot.
 
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Matthy

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Hi Tom,

aus Zeitmangel hatte ich einfach den Untertitel zitiert und dieses als solches gekennzeichnet. Mit Deinen Ausführungen gehe ich konform.

Die Frage ist: Was passiert nun mit der berühmten Katze?

Falls ich es nun richtig begriffen habe ist diese nun doch schon vorher tot bzw. hat schon vorher überlebt?

Unabhängig davon und dem Thema überhaupt... es wird halt immer auch naive Lehrbücher geben...

Matthy
 

TomS

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Mein Gedanke ging so in die Richtung ob TomS damit meint dass wenn ich mir die Funktion anschaue, ihre Fourier-Transformation gleichzeitig nicht existiert bei nicht-kommutierenden Variablen ...

...

Da würde mich interessieren ob ich überhaupt in die richtige Richtung denke, oder ob TomS mir da helfen kann das besser zu verstehen.

Noch Interesse? Ich verstehe nicht, was du mit

... ihre Fourier-Transformation gleichzeitig nicht existiert bei nicht-kommutierenden Variablen ...

meinst
 

Laserdan

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Hallo Tom,

danke für dein Angebot, ich werde darauf zurückkommen - aber bevor ich ganz falsche Ideen hier aufbaue dachte ich erneuer erst mal ein wenig meine Matheskills und frage dann nochmal. Präzisere Fragen führen normalerweise zu mehr Wissen am Ende.
 
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