Dunkle Materie - aktuelle Kandidaten/Stand der Forschung?

Tetsuo

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Wie siehts denn mit folgender Überlegung aus:

Die Sternenhäufigkeit nimmt doch mit abnehmender Masse zu.
Also es gibt mehr rote Zwerge als blaue Riesen.
Also scheint da doch ein System hinter zu stecken, und wenn man dieses weiter führt, gibt es viel mehr Braune Zwerge als Rote Zwerge.
Machen wir mal weiter, das heißt es gibt vielleicht auch vielfach so viele Riesenplaneten, die es noch nichteinmal bis zum Braunen Zwerg geschafft haben. Milliarden davon in der Milchstraße, die wir alle nicht sehen können. Vielleicht liegen zwischen der Sonne und Alpha Centauri 5 Riesengasplaneten die genauso wie ein Stern entstanden sind.
Das würde doch, je nachdem wie viele es tatsächlich sind, einiges an "Dunkelmaterie" erklären (?)
 

Lina-Inverse

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Die von dir angesprochene Möglichkeit ist allgemein als MACHO-Hypothese bekannt und fällt unter die baryonische DM (vgl. auch OP).

Soweit mein Wissen nicht schon hoffnungslos veraltet ist, ist die MACHO-Hypothese aber kein heisser Kandidat für die DM, da zu viele Argumente gegen sie sprechen:
- Der Menge baryonischer Materie die es im Universum geben kann sind nach dem Standardmodell Grenzen gesetzt, siehe Primordiale Nukleosynthese.
- Die Anzahl solcher MACHO's innerhalb der Milchstrasse kann nicht beliebig hoch sein, auch wenn man sie nicht direkt beobachten kann, kann man sie durch Transits vor Hintergrundsternen entdecken. Über Gravitationslinsen-Effekte könnte man sie auch entdecken. So ganz unsichtbar wären sie im übrigen auch nicht, sie müssten zumindest im infraroten sichbar sein (so hat man ja auch schon viele BZ endeckt).
- MACHO's können zur Strukturbildung im frühen Universum nichts beigetragen haben (thermisches Gleichgewicht, freie Weglänge).

Davon mal abgesehen gibt es die Dinger schon, nur weiss man noch nicht so genau wie viele - nach dem Wiki-Artikel können sie aber nicht mehr als 20% der DM in der Milchstrasse ausmachen. Ich denke da wird sich in den nächsten Jahren auch was in der Forschung tun, da immer mehr Möglichkeiten bereitstehen solche Objekte zu entdecken und zu beobachten.

Die Ursprüngliche Massenfunktion ist zwar nicht genau bekannt, aber es muss eine Untergrenze geben! In diesem Thread wurde diskutiert wie klein/gross denn ein solches Planemo sein kann.

Machen wir mal weiter, das heißt es gibt vielleicht auch vielfach so viele Riesenplaneten, die es noch nichteinmal bis zum Braunen Zwerg geschafft haben. Milliarden davon in der Milchstraße, die wir alle nicht sehen können. Vielleicht liegen zwischen der Sonne und Alpha Centauri 5 Riesengasplaneten die genauso wie ein Stern entstanden sind.
Ein paar Milliarden Riesenplaneten machen leider noch keine merkliche Masse aus - 1000 Jupitermassen sind nicht mal eine Sonnenmasse. Um merklich zur DM beizutragen müssen es schon ein paar mehr sein ;)

Gruss
Michael

@Orbit: Ok, den Insider hab ich dann mit Leos Hilfe auch kapiert^^
 

mac

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Hallo Tetsuo,

Wie siehts denn mit folgender Überlegung aus:

Die Sternenhäufigkeit nimmt doch mit abnehmender Masse zu.
das ist zwar richtig, reicht aber ganz und gar nicht.

Es gibt nur sehr wenige Sternkataloge, die eine repräsentative Verteilung der tatsächlichen Sternpopulation zeigen.

Einer davon ist der CNS3 ( http://cdsarc.u-strasbg.fr/viz-bin/Cat?V/70A ) und ein weiterer (leider nur etwas restriktiv zugänglich) ist der RECONS http://www.chara.gsu.edu/RECONS/TOP100.posted.htm

Wenn man die Sterne, die im CNS3 Katalog gelistet sind, in Masseklassen sortiert und die jeweilige Massensumme graphisch aufträgt, sieht man daß die so gewonnene Massensumme mit abnehmender Masse, trotz höherer Sternenzahl abnimmt. Man sieht auch, daß diese Massensumme bei höheren Massen als etwa der Sonnenmasse auch wieder abnimmt, das liegt aber an der kürzeren Lebensdauer dieser schwereren Sterne.

Dieser Trend findet sich (nicht ganz so stark) auch im RECONS wieder, obwohl dort in den vergangenen fast 10 Jahren nochmal rund 20% (besonders kleine, lichtschwache) Sterne dazu gekommen sind.

Die RECONS Gruppe hat dazu auch entsprechende Untersuchungen durchgeführt http://www.chara.gsu.edu/~thenry/RECONS/mf.2009.0.html

Herzliche Grüße

MAC
 

Tetsuo

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Hmm, okay.
Also was sich hinter den Links verbirgt ist mir (u.A. mangels fundierter Englischkenntnisse) leider etwas zu hoch :)

Dennoch leuchtet es mir nun im Nachhinein schon ein, dass die Masse dieser Planemos selbst bei einer großen Anzahl nicht ausreicht um die ganze DM zu erklären.

Dennoch finde ich das Thema extrem interssant, insbesondere weil sich ja theoretisch noch so viel um die Sonne befinden könnte was wir noch garnicht wahrgenommen haben.

Gruß

Tet
 

Lina-Inverse

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Dennoch finde ich das Thema extrem interssant, insbesondere weil sich ja theoretisch noch so viel um die Sonne befinden könnte was wir noch garnicht wahrgenommen haben.
Mit Relativwörtern wie 'viel' würde ich in diesem Zusammenhang vorsichtig umgehen, weil sie leicht zu Missverständnissen führen. Beim Ersten lesen habe ich da nämlich an 'viel' Masse (>1% der Sonnenmasse) an unentdeckten Körpern im Sonnensystem gedacht ;)
Allzuviel Masse kann sich aber im Sonnensystem nicht verstecken, Planeten mit mehrfacher Erdmasse hätte man aufgrund ihres Einflusses auf die Planetenbahnen sicherlich in den letzten 100 Jahren endeckt.

Man wird leicht verführt anzunehmen das z.B. die ganzen KBO's da draussen eine einem (erdähnlichen) Planeten vergleichbare Masse zusammenbringen würden, z.B. wenn man an Eris denkt mit ~3000km Durchmesser, weil das ja schon fast 1/4 des Erddurchmessers ist. Man muss aber bedenken, das das Volumen kubisch wächst und 4-facher Durchmesser auch aufgrund der höheren Dichte (gravitative Kompression) so ungefähr das 100-fache an Masse bedeutet (sieht man schön am Erdmond, der ist ähnlich gross wie Eris, hat aber nur ca. 1/80 der Erdmasse). Zumindest ich muss mir das jedesmal neu vergegenwärtigen.

So richtig 'viel' an unentdeckten Nachbarsternen (im Bezug auf die Masse) wird sich in der Sonnenumgebung auch nicht verstecken - der letzte Link von Mac zeigt ein Diagram in dem die Anzahl der Sterne im Umkreis von 10pc (32,6 Lyr) nach Massen aufgegliedert ist. Dort sieht man sehr deutlich das die Massearmen Sterne/BZ in Zahlen den grössten Anteil stellen, und auch das zu den kleinsten Massen die Anzahl wieder abfällt (wobei hier wahrscheinlich ein Selektionseffekt aufgrund der Beschränkungen der Beobachtungsmethoden mit dazukommt der die masseärmsten Mitglieder unterrepräsentiert). Trotzdem stellen die sonnenähnlichen Sterne (>=0.6 Msol) den erheblichen Teil der Masse in Sonnenumgebung.

So gesehen ist 'viel' entweder richtig wenn man es auf die Anzahl unentdeckter 'Kleinkörper' (Asteroide, Zwergplaneten bzw. Braune Zwerge) bezieht. Oder eben falsch wenn man es auf die Masse bezieht (die Sonne stellt >99% der Masse des Sonnensystems, und ähnlich sieht es bei der Sonnennachbarschaft aus - du kannst davon ausgehen das >95% der Masse in der Sonnenumgebung bis 10pc von dem im Diagram im Link gezählten Körpern gestellt wird). Edit: Siehe Anmerkungen von UMa und Mac + meine Revision der 95% im folgenden

Deshalb meine Bitte, geht mit Relativwörtern in diesem Thema sparsam um ;)

Für die Suche nach der DM wird das alles aber eine nur eine untergeordnete Rolle spielen, wir suchen ja nach etwas das die Masse der Milchstrasse um grob etwa eine Grössenordnung anhebt. Bayronische DM kann hier nur einen kleinen Beitrag leisten.
Ich bin mir sicher es wird in Zukunft noch viele spannende Erkenntnisse zu BZ und anderen substellaren Objekten geben, nur denke ich es wäre besser das in einem eigenen Thema, unabhängig von der DM zu diskutieren.

Gruss
Michael
 
Zuletzt bearbeitet:

UMa

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Hallo Michael,

du kannst davon ausgehen das >95% der Masse in der Sonnenumgebung bis 10pc von dem im Diagram im Link gezählten Körpern gestellt wird).

Ich denke die 95% sind viel zu viel. Selbst wenn man nur an Sterne und braune Zwerge denkt, sind nur noch 5% zu entdeckende Masse etwas knapp.
In der Nähe der Milchstraßenebene macht das interstellare Gas im Mittel etwa die Hälfte der Masse aus, die andere Hälfte die Sterne. Wieviel das jetzt lokal um die Sonne genau ist, weiß ich allerdings nicht.

Grüße UMa
 

mac

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Hallo UMa,

Wieviel das jetzt lokal um die Sonne genau ist, weiß ich allerdings nicht.
Peter Schneider schreibt in http://www.astro.uni-bonn.de/~peter/Lectures/intro2.pdf dazu:


'in Sonnenumgebung: p(gas) etwa 0,04M0/pc^3' (Seite 52)

Im Vergleich dazu: 0,035 M0/pc^3, wenn man den CNS3 mit Sortierung nach 'Resulting parallax' (bis 25 Parsec) und einer Umrechnung der absoluten Leuchtkraft nach der RECONS-Methode durchführt.

@All: Bitte diese Aussage nicht überinterpretieren. Das Verhältnis Gas/Stern ist extrem unterschiedlich in den verschiedenen 'Gegenden'.

Herzliche Grüße

MAC
 

Lina-Inverse

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Ich muss gestehen, an das interstellare Medium habe ich bei den 95% gar nicht gedacht. Nach Mac's Link macht das ~167 Sonnenmassen für die Kugel mit 10pc Radius um die Sonne aus, über den Daumen gepeilt ungefähr genausoviel wie die Sterne (Womit er UMa's halbe/halbe voll bestätigt) :p

Ich möchte meinen Satz mit den 95% korregieren: Du kannst davon ausgehen das >95% der in Form von sub- und stellaren Körpern vorhandenen Masse in Sonnenumgebung in der Liste vertreten sind ;) Für die 95% würde ich zwar meine Hand nicht ins Feuer legen wollen, aber es würde mich doch sehr überraschen wenn die beobachtenden Astronomen so viele nahe Rote und Braune Zwerge übersehen hätten das man damit mehr als 5% Zuwachs zusammenbringt.

Gruss
Michael
 

UMa

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Lina-Inverse

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Hallo UMa,

ich sehe da hat sich mein Bauchgefühl getäuscht. Nach den von dir verlinkten Zahlen grob über den Daumen gepeilt werden die statistisch zu erwartenden 'fehlenden' 180 (noch nicht entdeckten) Sterne erheblich mehr als meine 5% auf die Waage bringen.
(nach meiner sehr groben Überschlagsrechnung ~20% wenn die fehlenden alles M-Typen mit 0,3M wären).
Aus den Zahlen lassen sich noch andere schöne Tendenzen ablesen (z.B. der Zuwachs von 700% in entdeckten BZ von 2000 auf 2009). Das ist genau der Auswahleffekt der mein Bauchgefühl (ver-) leitet hat: die leuchtschwächsten (und damit masseärmsten) Sterne werden dank immer bessere Technik nach und nach gefunden, die leuchtkräftigeren dagegen sind schon länger bekannt.

Gruss
Michael
 
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