Hallo galileo,
bedingt durch einen Todesfall in der engeren Familie komme ich leider erst jetzt dazu, auf Deinen Post zu antworten.
Vorneweg, ich teile Deine Ansicht, daß wir (die Menschheit) andere Möglichkeiten der Energieerzeugung nutzen sollten. Für Europa sehe ich aber bei den konventionellen Methoden (Kohlekraftwerke, Wasserkraftwerke, Gaskraftwerke) und auch den alternativen Möglichkeiten (Gezeitenkraftwerke, Wind und Solarenergie, Biogas, Biosprit) keine
kurzfristige Möglichkeit, die Kapazitäten der Kernkraftwerke aufzufangen.
Langfristig müssen wir andere Möglichkeiten finden. Sonst geht bei uns das Licht aus.
Die kommerzielle Nutzung der Kernenergie begann Mitte der 1950er Jahre. Die technische Erschliessung von fossilen Brennstoffen für die Energieerzeugung begann im 18. und 19. Jahrhundert. Davor versorgten sich die Menschen mit regenerativen Energiequellen. Ich glaube nicht, dass man zu diesem Zeitpunkt noch von "Steinzeit" sprechen kann.
Du hast recht. Steinzeit war der falsche Begriff. Aber ich möchte auch nicht wie die Menschen des 18. Jahrhunderts leben. Auf Kühlschrank, Waschmaschine, Zentralheizung und fließend Warm- und Kaltwasser sowie elektrisches Licht, Radio, Fernsehen und Computer möchte ich nicht verzichten. Genausowenig wie auf medizinische Versorgung.
Dumm gelaufen für das japanische Volk? Hätte man diese Erfahrungen lieber irgendwo anders machen sollen? Vielleicht in Indien, Finnland, Taiwan oder in der Schweiz?
ich verstehe nicht, warum Du mir so einen Zynismus unterstellst. Die Menschen in Japan haben angesichts dieser Tragödie mein Mitgefühl.
Klar kann man die technische Sicherheit von KKW immer verbessern. Das Problem ist die Laufzeit der Reaktoren. Innerhalb eines gegebenen Designs sind die Nachrüstungen endlich und nicht vergleichbar mit neuen Entwicklungslinien.
das ist richtig. Aber neue Erkenntnisse in Sachen Sicherheit können (so man will) nachträglich durch Einbau von weiteren Sicherungen alte Anlagen sicherer machen.
Bei den Autos war das so. Ursprünglich hatten die weder Sicherheitsgurte, noch Verbundglas oder Katalysatoren. Der Gesetzgeber hat irgendwann entschieden, daß neue Fahrzeuge damit ausgerüßtet werden müssen und alte nachgerüßtet. An sonsten erlischt die Betriebserlaubnis.
Ähnlich wie bei den konventionellen Kraftwerken. Ohne Rauchgaswäsche dürfen die nicht mehr betrieben werden.
Was ich damit ausdrücken möchte ist folgendes:
Wenn Geologen oder Historiker feststellen, daß an der japanischen Küste Tsunamis mit bis zu 40 Meter hohen Wellen irgendwann in der Vergangenheit aufgetreten sind, dann hat ein Kraftwerksbetreiber dafür zu sorgen, daß seine Anlage durch einen mehr als 40 Metre hohen Wall vor den Auswirkungen eines solchen Tsunamis geschützt werden.
Das hat nichts mit den Laufzeiten eines Kraftwerks bzw. seinen internen Konstruktionsmerkmalen zu tun. Und eine solche Maßnahme wurde nicht nur von mir gefordert. Alex hat ja schon darauf hingewiesen:
So hat die IAEA direkt nach dem Tsunami 2004 alle KKW-Betreiber weltweit aufgefordert, dringend dafür zu sorgen daß am Meer gelegene KKW tsunamisicher sind.
Alternativ zu einer hohen Mauer als Schutz wäre auch die Verlegung aller Notstromeinrichtungen in ein tsunamisicheres Gebäude oder unterirdische Räume denkbar gewesen. Es ist jedoch anscheinend überhaupt nichts in diese Richtung unternommen worden.
Fukushima Daiichi hat sechs Siedewasserreaktoren, die in den 1970er Jahren von General Electric, Toshiba und Hitachi gebaut wurden. Vierzig Jahre alte Anlagen sind nicht mit späteren Produktlinien (anderen Typs) oder neuesten Prototypen vergleichbar.
Auch in eine 40 Jahre alte Anlage kann man Katalysatoren einbauen, die entstehendes Wasserstoffgas per chemischer Reaktion in nicht explosive Verbindungen umwandeln.
Und ebenso kann man die interne Notstromversorgung so auslegen, daß deren Kapazität einen größeren Zeitraum überstreicht.
Mittlerweile dürfte klar sein, daß die Zeit der auslösende Faktor war. Solange über die vorhandenen Akkus/Batterien die Kühlung aufrecht erhalten wurde, war man von Kernschmelze weit entfernt.
In einem Land, in dem regelmäßig starke Erdbeben und Tsunamis auftreten, muß man bei der Planung eines Kernkraftwerkes damit rechnen, daß die externe Stromversorgung (per Hochspannungsleitungen von anderen Kraftwerken) für die Kühlung eines abgeschalteten Reaktors mehrere Tage ausfallen kann.
Die Herbeischaffung von großen Notstromgeneratoren in einem solchen Fall ist werder über Land (zerstörte Straßen/Brücken und Trümmer, die die Straßen zusätzlich blockieren) noch per Lasthubschrauber gewährleistet, denn die Hubschrauber bzw. die Aggregate könnten ja durch Beben/Tsunami ebenfalls zerstört sein. Also muß vor Ort genügend Kapazität vorhanden sein.
Die Gretchenfrage ist aber eben, können wir uns alle Eventualitäten vorstellen, um nicht noch ein weiteres Mal überrascht zu werden?
Ich denke, man muß die Konsequenzen aus den bisherigen Reaktorunfällen ziehen. Kein Graphit als Moderator (Tschernobyl), weitere Verbesserungen an den Kühlkreisläufen...
Auch bei unseren vermeintlich sicheren Kernkraftwerken haben wir das Problem der Kühlung bei einer Notabschaltung. Intraplattenbeben sind selten, geschehen aber auch! Unser Stromnetz kann auch ausfallen. Sei es durch einen Überlastfall wie im Sommer 2009 oder einem strengen Winter mit Eislast an den Überlandleitungen...
Neckarwestheim liegt für mich "um die Ecke", ich habe mir schon seit Tschernobyl Gedanken gemacht. Ich bin weder hysterisch noch esoterisch angehaucht. Durch mein langjähriges ehrenamtliches Angagment im Katastrophenschutz habe ich auch einen Lehrgang in ABC-Schutz mitgemacht. Ich bin mir über die kurz- und langfristigen Folgen einer Verstrahlung durchaus im Klaren.
Umso seltsamer erscheint es mir, warum du die Energieversorgung komplett in staatliche Hand überführen willst. Das ist nicht ganz konsistent.
Ich gehe davon aus, daß "Stadtwerke" von den Menschen geleitet werden, die auch in der Stadt wohnen. Die achten dann aus purem Eigennutz darauf, daß die Sicherheitsvorschriften peniebel eingehalten werden.
Aktionäre eines Stromkonzerns wollen ihre Dividende. Wenn sich die durch lässigen Umgang mit Sicherheitsvorkehrungen erhöhen läßt, ist es denen doch wurscht, ob am anderen Ende des Landes/Staates/Kontinents was schief laufen könnte.
Und, wer jetzt erst recht pro oder contra Kernenergie argumentiert, sollte eines nicht auslassen: den radioaktiven Abfall. Das Verbuddeln von diesem Zeugs ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Was machen wir also damit?
Wiederaufarbeiten, so gut es mit unserer derzeitigen Technik geht. Den Rest so lagern, daß er in Zukunft mit besseren Methoden ebenfalls aufbereitet werden kann.
Und so schnell wie möglich alternative Energieerzeugungen anstreben und die Kernkraftwerke nach und nach durch sie ersetzen.
Aus purer Hysterie jetzt sofort alle deutschen KKW´s endgültig abzuschalten, halte ich für falsch. Dann kaufen wir nämlich den Strom von den Franzosen. Die produzieren ihn in ihren KKW´s. Auf deren Sicherheitsvorschriften hat aber der deutsche Staat keinen Einfluß! Und sollte es dort zu einem Unfall kommen, macht der Wind vor der deutschen Grenze auch nicht halt...
Grüße
Sissy