Wie groß ist die Kraft der Dunklen Energie? - Die Fortsetzung

Bernhard

Registriertes Mitglied
Hallo Ich,

wie Du weißt, rechne ich gerne selber ein wenig herum. Deswegen werde ich meine Frage einfach mal neu formulieren:

Mit welchem Formelapparat wird die zu erwartende Helligkeit der Standarkerze/Supernova berechnet? Ich würde dabei einfach gerne sehen, wo die drei großen Omegas (M,K,L) eingehen und wie man daraus zusammen mit der Rotverschiebung dann im Rahmen der FRW-Metrik die Helligkeit modelliert.

Ich würde mich über Infos dazu wirklich freuen.
Gruß und Danke im Voraus.
 

Ich

Registriertes Mitglied
Du kannst bei Hogg die analytische Lösung für [tex]\Omega_{\Lambda} = 0[/tex] nachlesen (Gl. 14), oder du liest nach, wie's Ned Wright in seinem calculator macht. Da ich dich im Verdacht habe, selber was programmieren zu wollen, bist du wohl bei Wright am besten aufgehoben.
 

Bernhard

Registriertes Mitglied
Hi Ich,

Da ich dich im Verdacht habe, selber was programmieren zu wollen

das kann bei den Formeln schon mal passieren :D . Mir geht es aber eher darum mein Verständnis um diese Supernova-Messungen zu vertiefen, so dass man dann vielleicht auch so paper wie dieses hier besser verstehen kann. Die Integration von Gleichung (14) aus dem Hogg-paper habe ich gestern schon mal mit maxima (Romberg-Integration) durchgeführt und konnte damit die comoving distance aus Ned Wrights Calculator (mit [tex]\Omega_M = 0.27[/tex] und [tex]\Omega_{\Lambda} = 0.73[/tex]) recht gut nachstellen.

Langfristig gesehen würde ich aber lieber echte Meßergebnissen analysieren wollen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie belastbar diese Messungen wirklich sind :) .
Gruß
 

Ich

Registriertes Mitglied
Langfristig gesehen würde ich aber lieber echte Meßergebnissen analysieren wollen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie belastbar diese Messungen wirklich sind .
Viel Spaß dabei. Die gibt's ja in aufbereiteter Form zum Download, so dass man sich um Details und mögliche systematische Fehler nicht selbst zu kümmern braucht. Wenn man die hat, ist es ein leichtes, da verschiedene erwartete Kurven reinzumalen.
Das Problem ist genau in der Untersuchung der Belastbarkeit: Du mußt einen Fit reinlegen, und den Standardfehler der Fitparameter ausrechnen (dabei unbedingt auf Abhängigkeiten achten, also am besten solche Ellipsen im Parameterraum zeichnen). Das mit dem Fit geht noch, da gibt's auch vorgefertigte Tools. Bei der statistischen Analyse muss man sich aber schon einlesen, das ist nichttrivial.
Was aber schon interessant ist: du kannst in die Datenwolke mit bloßem Auge verschiedenste Modelle reinfitten, da könnte man kaum oder gar nicht sagen, welche Kurve besser und welche schlechter ist. Deswegen braucht's auch Sorgfalt bei der statistischen Analyse. Wenn man den Unterschied mit dem Auge sehen will, dann muss man die Datenpunkte zu Gruppen zusammenfassen, solche Diagramme kennst du sicher.
 

Ich

Registriertes Mitglied
Mir ist grad eingefallen, dass ich hier noch was vergessen habe: Eine kurze Geschichte der Dynamik des Universums.
Basis: die Materie und der Druck derselben im Universum bilden zusammen eine "effektive Massendichte" [tex]\rho_{effektiv} = \rho + 3 p / c^2[/tex]. Ist diese positiv, herrscht deswegen anziehende Gravitation, und die Expansion wird gebremst. Ist sie negativ (was nur durch negativen Druck erreicht werden kann, negative Masse ist sehr unbeliebt), dann herrscht abstoßende Gravitation, und die Expansion wird beschleunigt. Verschwindet sie, expandiert das Universum einfach weiter, weder gebremst noch beschleunigt. Das tut es dann aus eigenem "Schwung".
[tex]p/\rho[tex] bezeichnet man oft als "w". w=-1 bedeutet z.B. p=-rho, [tex]\rho_{effektiv} = (1+3w) \rho = -2\rho[/tex]
Ausgehend von Bynaus'
Allerdings muss es - nach meinem Verständnis des ganzen, allerdings bin ich kein Kosmologe - schon so sein, dass der Raum von Anfang an die Tendenz oder ein ihm innewohnende Eigenschaft gehabt haben muss, zu expandieren - sonst wäre er unter der enormen Materiedichte kurz nach dem Urknall einfach zu (unzähligen) Schwarzen Löchern kollabiert. Ich habe das in einem anderen Thread einmal mit "Spannung" zum umschreiben versucht - "Schwung" wäre ein anderes Wort, das man wählen könnte.
Richtig, wenn keine Auseinanderbewegung da ist, wäre das frühe Universum sehr schnell wieder kollabiert. Das folgt aus den Singularitätstheoremen. Die kann man nur umgehen mit hinreichender Expansion oder negativer effektiver Massendichte. Nach Standardmodell war letzteres der Anfang des beobachtbaren Universums.
1. Inflation (bis ~10^-32 s)
w ~= -1
1+3w = -2
Ein hypothetisches "Inflaton-Feld" extremer Dichte bewirkt exponentielle Expansion des Universums. In diesem Zustand wird es räumlich extrem homogen, und die Dichte wird sehr nah an die kritische Dichte getrieben. "'Kritische Dichte" ist gerade die, bei der das Universum räumlich flach ist. Da negativer Druck tatsächlich eine Spannung ist, hat Bynaus für diese Anfangsphase das richtige Wort gewählt.
Beim Zerfall dieses Feldes (wie und warum es zerfällt ist eine ungeklärte Frage, da gibt es viele Szenarien) geht der negative Druck verloren, und die Energie des Feldes wird in ein Strahlungsmeer umgewandelt ("Reheating"). Damit fällt auch der "Grund" für die Expansion weg, ab da wird gebremst. Das Universum expandiert nur wegen seines "Schwungs" weiter, der langsam aufgebraucht wird.
2. Strahlungsdominierte Phase (bis ~70000 Jahre)
w = 1/3
1+3w = 2
Unter Strahlung kann man anfangs noch alles verstehen, auch die schon vorhandenen Elementarteilchen. Entscheidend ist, dass die Bewegungsenergie erheblich größer ist als die Ruhemasse. Strahlung in diesem Sinne unterscheidet sich dynamisch in zweierlei Hinsicht von "kalter" Materie: a) Sie wirkt doppelt so stark gravitativ anziehend, die Expansion wird also stärker gebremst. b) Der ungeordnete Impuls, der den Druck der Strahlung ausmacht, wird mit der Expansion immer weniger. Ultrarelativistische Teilchen werden immer langsamer und deswegen strahlungsunähnlicher. Photonen werden immer energieärmer und verlieren an Boden gegenüber den Materieteilchen, denen wenigstens ihre Ruhemasse bleibt.
Deswegen kommt als nächstes die
3. Materiedominierte Phase (bis ~6 Mrd. Jahre)
w = 0
1+3w = 1
Normale Gravitation (Abbremsung), Entstehung des Mikrowellwnhintergrundes, von Sternen und Galaxien. Materie organisiert sich in Galaxien(super)haufen, diese selbst entfernen sich immer weiter voneinander. Dadurch sinkt die mittlere Materiedichte des Universums, und ein bis dahin unerkannter Verwandter des Inflaton-Feldes, die "Dunkle Energie", tritt auf den Plan:
4. Dunkle-Energie-dominierte Phase (bis ~Unendlich(?))
w = -1
1+3w = -2
Alles wieder wie am Anfang, nur bei sehr viel niedrigerer Dichte. Die Dunkle Energie verringert ihre Dichte wegen ihres negativen Drucks nicht, und wird deswegen immer wichtiger. Ab 6 Mrd. Jahren nach dem Urknall stellt sie 1/3 der gesamten Dichte des Universums. Seitdem wird die Expansion wieder beschleunigt. Die Galaxienhaufen trennen sich voneinander, und werden "bald" nichts mehr voneinander mitbekommen. Zwischen ihnen ist nichts außer Dunkler Energie, die die Expansion immer weiter beschleunigt. Alles wieder wie am Anfang, nur bei sehr viel geringerer Dichte. Ob Dunkle Energie auch mal zerfällt, kann man nicht sagen, diese ganzen Dinge sind ziemlich unverstanden.
 

Bernhard

Registriertes Mitglied
Hallo Ich,

was ich da noch fragen wollte: Ist das [tex]\rho_{eff}[/tex] eher ein privater Begriff von Dir, oder findet man den auch in der Literatur?

Welche papers ich auf dem Gebiet der Kosmologie gelesen habe, weißt Du aus den verschiedenen Foren. Das legendäre Guth-paper habe ich auch irgendwo gespeichert, aber bisher nur überflogen.
Gruß
 

Ich

Registriertes Mitglied
was ich da noch fragen wollte: Ist das eher ein privater Begriff von Dir, oder findet man den auch in der Literatur?
Privat. Obwohl ich glaube, mal etwas ähnliches in einem Lehrbuch gelesen zu haben.
Zur Historie, falls es dich interessiert: ich bin beim Studieren des Ballonmodells (mit freischwimmenden Galaxien darauf, das schien mir eine geeignete Modifikation, um den Gedanken der "Bewegung relativ zum Raum" und die Idee der Expansion von gebundenen Objekten wegzubekommen) darauf gekommen, dass man damit tatsächlich die Bewegungsgleichungen in der RW-Metrik erhält. Beim Studieren des nichtrelativistischen Grenzfalls derselben bin ich draufgekommen, dass sich damit die Bewegungsgleichung für die radiale "proper distance" erheblich vereinfacht: Alle Terme mit [tex]\dot a[/tex], also Expansion, fallen weg. Übrig bleibt ein Term [tex]\ddot a / a[/tex], den man mit den Friedmann-Gleichungen wiederum als Newtonsche Gravitationskraft deuten könnte, wenn man 3p auch mitzählt (also ein effektives rho einführt). Zu der Zeit kannte ich Baez' und Hoggs Artikel schon, in dem das explizit vorgerechnet wird. Damit lag nahe, dass der Newtonsche Grenzfall auch im expandierenden Universum angewendet werden kann - eine Tatsache, die für mich etwas überraschend kam, weil ich ja auch oft genug das Gegenteil gehört hatte, dass man die Bewegung der Galaxien nämlich keinesfalls als Bewegung deuten dürfe, dass also ein "expandierender Raum" unerläßlicher Bestandteil einer Beschreibung sei. Ich habe das Ergebnis dann noch abgesichert über das Birkhoff-Theorem und den "LTB-Dust". Erst zu dieser Zeit wurde ich auf das Paper von Peacock aufmerksam gemacht, der ziemlich exakt meine Einstellung wiedergab. Ich habe auch noch weitere Paper und Lehrbuchstellen gefunden, in denen das thematisiert wird.
Das war ganz interessant, ich war drauf und dran, ein Paper über das Ballonmodell aufzusetzen, da stelle ich fest, dass dieses auf eine ganz unerwartete Art irreführend ist: Es zementiert die RW-Koordinaten als Grudlage von allem, obwohl doch Normalkoordinaten sehr viel mehr Einblick in die Dynamik (und eigentlich auch Kinematik) erlauben. Noch später stelle ich fest, dass sowohl das nichtrelativistische freischwimmende Ballonmodell als auch die Beschreibung des Universums in "statischen" Koordinaten bereits veröffentlicht waren - wenn auch erst ein paar Jahre. Als einzig neues hätte ich gehabt, dass das Ballonmodell auch relativistisch funktioniert, aber darüber wollte ich nicht mehr schreiben, weil mich die andere Entdeckung eigentlich mehr fasziniert hat. Vor allem, weil man damit super Crank spielen kann: egal wo du hinkommst, keiner glaubt dir ein Wort von diesen in der Rückschau trivialen Zusammenhängen.
 
Oben