Hervorragende Übereinstimmung von Theorie und Experiment
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
5. Juni 2025
Für den wichtigen Wert des sogenannten magnetischen Moments
des Myons gab es viele Jahre eine deutlich Diskrepanz zwischen experimentellen
Daten und den besten verfügbaren Rechnungen. Der Wert ist aber von
zentraler Bedeutung im Standardmodell der Teilchenphysik. Neue, jetzt
vorgestellte Berechnungen stimmen nun hervorragend mit dem Experiment überein.

Blick auf den Speicherring des
Myon-G-2-Experiments am Fermilab.
Foto: Ryan Postel, Fermilab [Großansicht] |
Eine der ganz großen Lücken der modernen Physik könnte nun geschlossen sein:
Jahrelang rätselte man, warum die Messergebnisse zum magnetischen Moment von
Myonen nicht zu den Berechnungen passen, die man aus dem allgemein akzeptierten
Standardmodell der Teilchenphysik ableiten kann. Es schien eine Diskrepanz zu
geben, die sich mit bekannten Ungenauigkeiten nicht erklären ließ. Doch nun
wurde in jahrelanger Arbeit die quantenphysikalische Berechnung verfeinert. Die
verbesserten Berechnungen – mit einer Präzision von zehn Nachkommastellen –
stimmen mit den bekannten Messdaten (im Rahmen der erwartbaren Genauigkeit)
überein, die lange vermutete Diskrepanz hat sich aufgelöst. Eine Woche nach
deren Publikation lieferte auch das FermiLab in den USA verbesserte, noch
genauere experimentelle Daten dazu, in einem sieben Jahre dauernden Experiment,
das nun seinen Abschluss fand. Es ist eine der bisher größten und wichtigsten
Bestätigungen für das Standardmodell der Teilchenphysik.
Myonen sind instabile Elementarteilchen, die den Elektronen ähneln, aber rund
200 Mal mehr Masse haben. Sie können beispielsweise entstehen, wenn kosmische
Strahlung auf unsere Atmosphäre trifft, deshalb werden wir auch auf der
Erdoberfläche ununterbrochen mit Myonen bombardiert. Wie stark sie mit
Magnetfeldern wechselwirken wird durch eine Zahl beschrieben – durch das
"magnetische Moment". "Das magnetische Moment der Myonen ist für die
Teilchenphysik ganz besonders interessant, weil es durch die hohe Masse der
Myonen sensitiv auf alle fundamentalen Kräfte des Standardmodells ist", erklärt
Prof. Anton Rebhan von der TU Wien, einer von zehn Koordinatorinnen und
Koordinatoren für die vier Hauptkapitel des Projekts. "Man muss die Physik
unterschiedlicher Teilchensorten und ihr Zusammenspiel also sehr gut verstehen,
um das magnetische Moment von Myonen so präzise ausrechnen zu können." Daher
gilt diese Zahl seit vielen Jahren als wichtiger Testfall, mit dem man
untersuchen kann, ob das Standardmodell, das Fundament der modernen
Teilchenphysik, tatsächlich stimmt.
Jahrelang sah es aber so aus, als gäbe es hier ein Problem: Mehr als vier
Standardabweichungen betrug die Diskrepanz zwischen den Daten des FermiLab,
wo im Feld eines großen supraleitenden Magneten die Eigenschaften von Myonen
gemessen wurden, und den besten verfügbaren Rechnungen – viel mehr als sich
durch gewöhnliche Messungenauigkeit erklären ließe. "Das magnetische Moment von
Myonen ist aber nicht einfach eine Zahl, die man in einer simplen Rechnung aus
den Formeln des Standardmodells ableiten kann", erklärt Rebhan. "Es gibt eine
lange Liste komplizierter Effekte, die alle einen Einfluss auf das Ergebnis
haben. Und es ist wissenschaftlich sehr herausfordernd, sie alle zu
berücksichtigen und korrekt zusammenzufügen."
Eine zentrale Rolle dabei spielen Quantenfluktuationen – zufällige
Ereignisse, die sich im Vakuum ununterbrochen ereignen und von allen
Elementarteilchensorten abhängen, die es gibt. Manche Parameter, die man für die
Berechnung braucht, konnte man bisher gar nicht mathematisch ermitteln, sie
wurden aus anderen Experimenten übernommen. Bei anderen Parametern muss man sich
mit Näherungsrechnungen zufriedengeben. In den letzten Jahren gelangen in diesem
Bereich aber große Fortschritte – etwa mit extrem aufwändigen
Computersimulationen, deren Ergebnisse man heute in die Berechnung mit
einbeziehen kann, sodass man nicht mehr auf experimentell gemessene Parameter
zurückgreifen muss.
Durch diese verbesserten theoretischen Arbeiten konnten frühere Berechnungen
nun korrigiert werden – und das Ergebnis stimmt beeindruckend gut mit den
bekannten Messdaten überein. Es lieferte die Vorhersage für das finale Ergebnis
des Experiments am Fermilab, das eine Woche später diese
Übereinstimmung nochmals erhärten konnte. Und so zeigt sich nun: Theorie und
Experiment stimmen hervorragend überein. Es ist ein weiterer Triumph für das
Standardmodell. "Es zeigt, dass unser Standardmodell der Teilchenphysik eine
extrem gute Beschreibung der Wirklichkeit ist", so Rebhan. "Darauf kann man
wirklich stolz sein, dass wir als Spezies es geschafft haben, diesen Grad von
Präzision zu erreichen. Wer weiß, vielleicht gibt es in unserer ganzen Galaxie
keine Zivilisation, die es so weit gebracht hat."
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