Weiter und detailreicher Blick auf die Sonne
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam astronews.com
21. Mai 2025
Große und komplexe Sonnenfleckengruppen sind ein Hinweis auf
erhöhte Aktivität auf der Sonne. Ein neues Kamerasystem am Vakuumturmteleskop
auf Teneriffa nutzt Bildrekonstruktionsmethoden, um Strukturen in aktiven
Regionen zu erfassen. So werden einzigartige, hochaufgelöste Bilder möglich, die
kleinste Details in aktiven Gebieten der Sonnenoberfläche zeigen.

Aus 100 Sonnenbildern des modernen
Kamerasystems am VTT rekonstruiertes hochaufgelöstes Bild.
Bild: R. Kamlah et al. 2025 [Großansicht]

Rekonstruktion kurzeitbelichteter G-Band Bilder von
einfachen Sonnenflecken und Poren in den aktiven Gebieten NOAA
13685 und NOAA 13686, die am 24. Mai 2024 mit dem VTT
aufgenommen wurden. Die Farbgebung entspricht der beobachteten
Wellenlänge (430,7 nm).
Bild: R. Kamlah et al. 2025 [Großansicht] |
Große Sonnenteleskope können zwar kleinste Details auf der
Sonnenoberfläche beobachten, allerdings nur in kleinen Bildausschnitten. Dadurch
entgeht ihnen die großräumige Entwicklung aktiver Gebiete. Kleinere Teleskope im
Weltraum oder in erdumspannenden Netzwerken beobachten zwar rund um die Uhr die
gesamte Sonnenscheibe, können aber nicht in die komplexen und sich schnell
verändernden Strukturen hineinzoomen, die vom Magnetfeld geformt werden.
An dieser Stelle kommt das seit 1988 in Betrieb befindliche
Vakuumturmteleskop (VTT) am Observatorio del Teide auf Teneriffa ins
Spiel. Es zeichnet sich durch ein großes Bildfeld und eine gute räumliche
Auflösung aus und schließt somit die Lücke zwischen diesen beiden Teleskoptypen.
Mithilfe des neuen, modernen Kamerasystems des Leibniz-Instituts für Astrophysik
Potsdam (AIP) konnte nun erstmals das gesamte Bildfeld des VTT rekonstruiert
werden. Für ein rekonstruiertes Bild werden 100 kurzzeitbelichtete Bilder mit
8000 mal 6000 Pixeln benötigt, die mit 25 Bildern pro Sekunde aufgenommen
werden. Damit liefert das Kamerasystem erstmals rekonstruierte Bilder mit einer
8K-Bildauflösung.
Die schnelle Bildfolge ermöglicht es, die störenden Einflüsse der turbulenten
Erdatmosphäre aus den Sonnenbildern herauszurechnen. Dadurch kann die
theoretische räumliche Auflösung des Teleskops von bis zu 100 Kilometern auf der
Sonnenoberfläche erreicht werden. Zeitrafferaufnahmen der rekonstruierten Bilder
ermöglichen zudem die Untersuchung dynamischer Prozesse auf Zeitskalen von 20
Sekunden. Das neue Kamerasystem ergänzt am VTT die Instrumente HELioseismic
Large Region Interferometric DEvice (HELLRIDE), Laser Absolute
Reference Spectrograph (LARS) und Fast Multi-line Universal
Spectrograph (FaMuLUS), die die Thüringer Landessternwarte Tautenburg
(TLS), das Institut für Sonnenphysik (KIS) in Freiburg und das AIP gemeinsam
betreiben.
"Um die Sonnenaktivität besser zu verstehen, ist es entscheidend, nicht nur
die grundlegenden Prozesse der Feinstruktur und die langfristige Entwicklung der
globalen Aktivität mit verschiedenen Instrumenten zu analysieren," sagt Rolf
Schlichenmaier, Wissenschaftler am KIS, "sondern auch die zeitliche Entwicklung
einzelner magnetisch aktiver Regionen zu untersuchen." Die neuen Aufnahmen
zeigen Bereiche, die etwa 1/7 des Sonnendurchmessers, also rund 200.000 km,
entsprechen. Dadurch ist es möglich, auch großräumige Strukturen der aktiven
Sonne wie Plasmaströme und Sonnenfleckengruppen zu beobachten. Großteleskope
liefern im Vergleich dazu typischerweise nur Bildfelder von ca. 75.000 km
Durchmesser. "Unsere Erwartungen an das Kamerasystem wurden auf Anhieb mehr als
erfüllt," sagt Robert Kamlah, der das Projekt im Rahmen seiner Doktorarbeit am
AIP und der Universität Potsdam durchführte.
Die G-Band-Beobachtungen zeigten, wie die Sonnenflecken in die konvektiven
Plasmabewegungen der Supergranulation eingebettet sind. Die nicht-radiale
Ausrichtung und Verwindung der penumbralen Filamente offenbarte die komplexe
Magnetfeldstruktur, die für drei große und viele kleine Strahlungsausbrüche in
der aktiven Region verantwortlich war. Durch den Einsatz spezieller Filter
werden kleinste Magnetfeldsignaturen als helle Strukturen in den Sonnenbildern
sichtbar. Zeitreihen im Licht der einfach ionisierten Kalziumlinie bei 393,3 nm
und im Fraunhofer G-Band bei 430,7 nm ermöglichten die Identifizierung von
Gebieten mit erhöhter Aktivität und die Verfolgung der Plasmaströmungen in den
aktiven Gebieten in zwei Schichten der Sonnenatmosphäre (Photosphäre und
Übergang zur Chromosphäre).
Darüber hinaus untersuchten die Forschenden Methoden zur Messung der Bild-
und Beobachtungsqualität. "Die erzielten Ergebnisse zeigen, wie wir gemeinsam
mit unseren Partnern einem alten Teleskop neue Tricks beibringen", so Carsten
Denker, Leiter der Abteilung Sonnenphysik am AIP. Teleskope wie das VTT können
wichtige Beiträge zur Erforschung der Sonnenaktivität liefern, insbesondere wenn
Informationen eines großen aktiven Gebiets und seiner Umgebung erfasst werden
müssen, wie bei Strahlungsausbrüchen und Sonneneruptionen im Rahmen der
Vorhersage des Weltraumwetters. In Zukunft werden kostengünstige
CMOS-Kamerasysteme mit einer 8K-Bildauflösung auch eine wichtige Rolle für die
nächste Generation von Instrumenten an 4-Meter-Sonnenteleskopen spielen, da sie
das Bildfeld der aktuellen 4K-Kamerasysteme verdreifachen werden.
Das 0,7-Meter-Sonnenteleskop VTT wird von einem deutschen Konsortium unter
der Leitung des Freiburger Instituts für Sonnenphysik gemeinsam mit dem
Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam und dem Göttinger Max-Planck-Institut
für Sonnensystemforschung als Partner betrieben.
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