Neuer Vorschlag zum Test von Einsteins Relativitätstheorie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und
Mikrogravitation der Universität Bremen astronews.com
29. April 2025
Drei Forscher aus Bremen und Tübingen haben einen
innovativen Ansatz entwickelt, um die Grenzen von Einsteins Allgemeiner
Relativitätstheorie zu testen. Sie schlagen vor, diese Untersuchung mithilfe des
Large Hadron Collider (LHC) am CERN in Genf durchzuführen. Für das Experiments
fehlen lediglich noch geeignete Sensoren.

Blick in den Tunnel des Large Hadron
Collider am Genfer CERN.
Foto: Maximilien Brice / CERN [Großansicht] |
Einsteins Gravitationsphysik hat die moderne Wissenschaft revolutioniert und
zu vielen erfolgreichen Vorhersagen geführt, beispielsweise über Schwarze
Löcher, Gravitationswellen und die Entwicklung des gesamten Universums.
Allerdings stößt die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) zusammen mit dem
Standardmodell der Teilchenphysik auch an ihre Grenzen.
Auf der einen Seite gibt es Beobachtungen, wie die beschleunigte Ausdehnung
des Universums oder die Bewegung von Sternen am Rand von Galaxien, die nur dann
mit den Vorhersagen der Theorie übereinstimmen und erklärt werden können, wenn
man annimmt, dass unbekannte Komponenten im Universum existieren, die wir dunkle
Energie und dunkle Materie nennen. Andererseits sagt die ART voraus, dass die
Gravitationskraft in bestimmten Regionen des Universums unendlich stark wird, so
dass es bis heute nicht möglich ist, Einsteins Gravitationstheorie mit allen
anderen Kräften der Natur (elektromagnetische Kraft, schwache und starke
Kernkraft) in Einklang zu bringen.
Beim Verständnis der Gravitation bleiben also viele Fragen offen, die die
Physik weltweit dazu antreibt, nach einer Erweiterung oder Modifikation der ART
zu suchen, die die bis heute unerklärten Phänomene der Gravitation erklärbar
macht. Eine jetzt vorgestellte Studie von Christian Pfeifer und Dennis Rätzel
vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der
Universität Bremen sowie Daniel Braun vom Institut für Theoretische Physik der
Universität Tübingen beschäftigt sich nun mit einem neuen Test der ART. Die
Wissenschaftler schlagen vor, die Eigenschaften der Gravitation mit Teilchen zu
testen, deren Geschwindigkeit sehr nahe an der Lichtgeschwindigkeit liegt. Diese
ultrarelativistischen (oder einfach sehr schnellen) Teilchen erzeugen ein
Gravitationsfeld, welches ruhende Testteilchen, an denen sie vorbeifliegen,
anzieht. Die Bewegung der Testteilchen kann theoretisch vorhergesagt und mit der
beobachteten Bewegung verglichen werden, so dass die Testteilchen als Sensoren
für die Gravitation genutzt werden können.
Das Besondere an dem vorgeschlagenen Experiment ist, dass die
Gravitationsanziehung, die von den ultrarelativistischen Teilchen erzeugt wird,
hauptsächlich durch die sehr hohe Geschwindigkeit – also ihre sehr hohe
kinetische Energie – und nicht durch die Ruhemassenenergie der Teilchen
entsteht. Das Experiment misst also, wie die Gravitation der kinetischen Energie
aussieht. Stimmt sie mit den Vorhersagen der ART überein oder gibt es
Abweichungen?
In einem mathematischen Modell, das auf einer Modifikation der ART beruht,
haben die Forscher die Beschleunigung des Testteilchens und den Impulstransfer
durch die Gravitation der vorbeifliegenden ultrarelativistischen Teilchen
rechnerisch vorhergesagt. Die Ergebnisse zeigen, dass es einen Parameterbereich
gibt, in dem der vom Modell berechnete Impulstransfer signifikant von den
Vorhersagen der ART abweicht. Diese Abweichung nimmt mit steigender
Geschwindigkeit des ultrarelativistischen Teilchenstroms zu.
Das Interessante daran ist nun, dass dieses Experiment sogar praktisch
durchgeführt werden könnte, und zwar mithilfe des Teilchenbeschleunigers LHC
(Large Hadron Collider), der von der Europäischen Organisation für Kernforschung
CERN bei Genf betrieben wird. Dort werden Protonen auf rund 99,9999991 Prozent
der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Was für das Experiment noch fehlt, sind
Testteilchensensoren, die rund um die Beschleunigungsröhre des LHC angebracht
werden und auf das Gravitationsfeld der Protonen reagieren. Die technischen
Details für die Installation solcher Sensoren werden derzeit untersucht.
Die Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift Physical Review D
erschienen.
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