Sonnensystem durchquerte vor 14 Millionen Jahren die
Radcliffe-Welle
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
19. Februar 2025
Unser Sonnensystem hat vor etwa 14 Millionen Jahren den
Orion-Sternentstehungskomplex durchquert, eine Region, die Teil der galaktischen
Radcliffe-Welle ist. Nach einer jetzt vorgestellten Studie könnte diese Passage
die Heliosphäre der Sonne komprimiert und den Zustrom von interstellarem Staub
erhöht haben, was möglicherweise Einfluss auf das Klima der Erde hatte.

Die Radcliffe-Welle: Die Wolken, die diese
Struktur bilden, sind in Rot hervorgehoben und auf eine
künstlerische Darstellung der Milchstraße überlagert. Die
Position der Sonne ist durch den gelben Punkt markiert.
Bild: Alyssa A. Goodman / Harvard
University [Großansicht] |
Die Reise um das Zentrum der Milchstraße führt das Sonnensystem durch
unterschiedliche galaktische Umgebungen. "Man kann sich das wie ein Schiff
vorstellen, das durch verschiedene Meere segelt", erklärt Efrem Maconi,
Doktorand an der Universität Wien. "Unsere Sonne traf auf eine Region mit
höherer Gasdichte, als sie die Radcliffe-Welle im Sternbild Orion durchquerte."
Anhand von Daten der Gaia-Mission der europäischen Weltraumorganisation ESA in
Kombination mit spektroskopischen Beobachtungen konnte das Team den Durchgang
des Sonnensystems durch die Radcliffe-Welle in der Orion-Region vor etwa 14
Millionen Jahren datieren.
"Diese Entdeckung baut auf unseren früheren Arbeiten zur Identifizierung der
Radcliffe-Welle auf", sagt João Alves, Professor für Astrophysik an der
Universität Wien und Mitautor der Studie. Die Radcliffe-Welle ist eine
ausgedehnte, Tausende Lichtjahre lange Struktur aus miteinander verbundenen
Sternentstehungsgebieten, zu denen auch der bekannte Orion-Komplex gehört. "Wir
durchquerten die Orion-Region, als sich bekannte Sternhaufen wie NGC 1977, NGC
1980 und NGC 1981 bildeten", so Alves. "Diese Region ist am Winterhimmel der
nördlichen Hemisphäre und im Sommer auf der südlichen Hemisphäre gut sichtbar.
Halten Sie Ausschau nach dem Sternbild Orion und dem Orionnebel (Messier 42) –
unser Sonnensystem kam aus dieser Richtung!"
Die galaktische Begegnung mit der Radcliffe-Welle führte das Sonnensystem
durch eine Region mit erhöhtem Staubanteil. Der Staub könnte in die
Erdatmosphäre eingedrungen sein und möglicherweise Spuren von radioaktiven
Elementen aus Supernovae in geologischen Aufzeichnungen hinterlassen haben. "Die
derzeitige Technologie ist vielleicht nicht ausgereift genug, um diese Spuren zu
entdecken, aber künftige Fortschritte könnten dies ermöglichen", meint Alves.
Die Forschungsergebnisse des Teams deuten darauf hin, dass die Begegnung des
Sonnensystems mit der Orion-Region vor etwa 18,2 bis 11,5 Millionen Jahren
stattfand, wobei der wahrscheinlichste Zeitpunkt zwischen 14,8 und 12,4
Millionen Jahren liegt. Diese Zeitspanne stimmt gut mit einer Veränderung des
Erdklimas im mittleren Miozän überein, einem bedeutenden Wechsel von einem
warmen, wechselhaften zu einem kühleren Klima, das zur Entstehung eines
kontinentalen Prototyps des antarktischen Eisschildes führte. Ob es einen
Zusammenhang zwischen der vergangenen Durchquerung des Sonnensystems durch diese
Region mit höherer Gasdichte und der damaligen Klimaveränderung auf der Erde
gibt, ist noch ungeklärt. Zeitlich wäre das möglich, ob es aber tatsächlich auch
einen kausalen Zusammenhang gibt, müsse noch weiter untersucht werden, betont
das Team.
"Die zugrunde liegenden Prozesse, die für den Klimawandel im mittleren Miozän
verantwortlich waren, sind nicht vollständig geklärt. Die verfügbaren
Rekonstruktionen scheinen darauf hinzudeuten, dass ein langfristiger Rückgang
der Konzentration des atmosphärischen Treibhausgases Kohlendioxid die
wahrscheinlichste Erklärung ist, auch wenn große Unsicherheiten bestehen. Unsere
Studie zeigt jedoch, dass interstellarer Staub, der durch die Querung der
Radcliffe-Welle auf die Erde gelangte, eine Rolle bei der Änderung des Klimas
gespielt haben könnte. Um eine solche Klimabeeinflussung zu erzeugen, müsste die
Menge an extraterrestrischem Staub auf der Erde jedoch entscheidend größer sein,
als die bisherigen Daten vermuten lassen", sagt Maconi. "Zukünftige Forschungen
werden die Bedeutung dieses Beitrags untersuchen. Es ist wichtig festzuhalten,
dass dieser vergangene Klimaübergang und der aktuelle Klimawandel nicht
vergleichbar sind, da sich der Klimawandel im mittleren Miozän über einen
Zeitraum von mehreren Hunderttausend Jahren vollzog, während die aktuelle
Erderwärmung durch menschliche Aktivitäten in nur wenigen Jahrzehnten
dramatische Veränderungen verursacht."
Die jetzt vorgestellte Studie, so das Team, würde ein weiteres Puzzlestück
zur Geschichte unseres Sonnensystems hinzufügen und helfen, es im Kontext
unserer Heimatgalaxie zu verstehen. "Wir sind Bewohnerinnen und Bewohner der
Milchstraße", sagt Alves. "Gaia hat uns die Möglichkeit gegeben,
unseren jüngsten Weg im interstellaren Meer der Milchstraße nachzuvollziehen.
Das eröffnet neue Möglichkeiten für den Austausch zwischen Astronomie, Geologie
und Paläoklimatologie." In Zukunft plant das Team um Alves, weiter zu
erforschen, welchen galaktischen Regionen unsere Sonne auf ihrer Reise durch die
Milchstraße begegnet.
Über ihre Entdecktung berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen wird.
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