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KM3NET
Das energiereichste jemals beobachtete Neutrino
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie
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14. Februar 2025

In den Tiefen des Mittelmeers wurde mithilfe des KM3NeT-Neutrino-Teleskops das energiereichste Neutrino nachgewiesen, das je beobachtet wurde. Die Entdeckung stellt den ersten Beweis dafür dar, dass Neutrinos mit solch extremen Energien im Universum erzeugt werden. Mit dem weiteren Ausbau von KM3NeT hofft man auf weitere Entdeckungen dieser Art.

KM3-230213A

Visuelle Darstellung des in KM3NeT/ARCA beobachteten ultrahochenergetischen Neutrino-Ereignisses. Die Farben geben das Licht an, das von den Detektor-"Augen" auf jedem Modul gesehen wird, wobei die verschiedenen Farben unterschiedliche Beobachtungszeiten darstellen. Die nahezu horizontal verlaufende rekonstruierte Spur des Teilchens ist als Linie von links nach rechts dargestellt. Bild: KM3NeT-Kollaboration [Großansicht]

Nach sorgfältiger Analyse und Interpretation der experimentellen Daten hat eine internationale wissenschaftliche Kollaboration, die mit dem kilometergroßen Neutrino-Teleskop KM3NeT arbeitet und auch Astronomen des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn umfasst, am 13. Februar 2023 das Signal KM3-230213A mit einer Energie identifiziert, die 16.000 Mal größer ist als die stärksten Teilchenkollisionen, die der Large Hadron Collider des CERN erzeugen kann. Der Detektor fing ein einzelnes Myon auf, das den gesamten Detektor durchquerte und Signale in mehr als einem Drittel der aktiven Sensoren auslöste. Die Richtung, in der es sich bewegte, und seine Stärke lassen vermuten, dass das Myon von einem kosmischen Neutrino in der Nähe des Detektors stammt.

Neutrinos sind nach den Lichtteilchen oder Photonen die zweithäufigsten Teilchen im Universum. Da sie nur sehr schwach mit Materie wechselwirken, erfordert ihr Nachweis große und sehr empfindliche Instrumente. Das KM3NeT-Teleskop, das derzeit gebaut wird, ist ein riesiges Tiefsee-Observatorium, das aus zwei Teilen besteht, ARCA und ORCA. Wenn es fertig ist, wird KM3NeT mehr als einen Kubikkilometer umfassen. KM3NeT nutzt Meerwasser sowohl als Detektionsmedium als auch zur Abschirmung von Hintergrundgeräuschen. Seine optischen Hightech-Module detektieren das Cherenkov-Licht, ein bläuliches Leuchten, das bei der Bewegung der extrem schnellen Teilchen entsteht, die bei der Wechselwirkung von Neutrinos durch das Wasser entstehen.

"Durch die Kombination von Multi-Messenger-Beobachtungen versuchen wir, eine Verbindung zwischen der Beschleunigung der kosmischen Strahlung, der Produktion von Neutrinos und der Rolle supermassereicher Schwarzer Löcher bei der Entstehung dieser energetischen Phänomene herzustellen", sagt Yuri Kovalev, Leiter des vom ERC finanzierten MuSES-Projekts am MPIfR. "Mit dem ERC-MuSES-Projekt wollen wir die komplizierten Prozesse entschlüsseln, die aktive galaktische Kerne antreiben, die zu den extremsten Teilchenbeschleunigern im Universum gehören."

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Das Hochenergieuniversum ist voller dramatischer Ereignisse wie supermassereiche Schwarze Löcher, Supernova-Explosionen und Gammastrahlenausbrüche, deren innerer Aufbau noch weitgehend unerforscht ist. Es sind leistungsstarke kosmische Beschleuniger, die Ströme kosmischer Strahlung erzeugen, von denen einige mit der umgebenden Materie oder mit Photonen wechselwirken und dabei Neutrinos und hochenergetische Photonen erzeugen. Andere können mit Photonen aus dem kosmischen Mikrowellenhintergrund kollidieren und dabei extrem energiereiche sogenannte kosmogene Neutrinos erzeugen.

Mit KM3NeT werden nun Neutrinos aus extremen astrophysikalischen Ereignissen nachgewiesen und dabei bisher unerforschte Energiebereiche untersucht. "Dieser erste Nachweis eines Neutrinos im Bereich von Hunderten von PeV eröffnet ein neues Kapitel in der Neutrinoastronomie", sagt Paschal Coyle, KM3NeT-Sprecher zum Zeitpunkt des Nachweises und Forscher am IN2P3/CNRS in Frankreich. Ein Petaelektronenvolt (PeV) entspricht dabei 1015 oder einer Billiarde Elektronenvolt.

Neutrinos gehören zu geheimnisvollsten Elementarteilchen - sie haben keine elektrische Ladung, fast keine Masse und wechselwirken nur schwach mit Materie. "Sie sind besondere kosmische Boten, die die Geheimnisse der energiereichsten Phänomene im Universum lüften", fügt Rosa Coniglione, stellvertretende Sprecherin von KM3NeT zum Zeitpunkt der Entdeckung und Forscherin am INFN in Italien, hinzu. Die Bestimmung der Richtung und Energie dieses Neutrinos erforderte eine präzise Kalibrierung des Teleskops und ausgefeilte Algorithmen zur Rekonstruktion der Neutrinospur. "Dieser bemerkenswerte Nachweis wurde mit nur einem Zehntel der endgültigen Detektorkonfiguration erzielt, was das große Potenzial unseres Experiments zeigt", kommentiert Aart Heijboer, KM3NeT-Physiker und Softwaremanager zum Zeitpunkt der Entdeckung und Forscher bei NIKHEF in den Niederlanden.

Dieses hochenergetische Neutrino könnte direkt aus einem leistungsstarken kosmischen Beschleuniger stammen, oder es könnte der erste Nachweis eines kosmogenen Neutrinos sein. Da es sich jedoch nur um ein einziges Ereignis handelt, bleibt sein Ursprung ungewiss. Um mehr zu erfahren, müssen die Forscherinnen und Forscher mehr solcher Ereignisse nachweisen. Das KM3NeT-Projekt wird mit zusätzlichen Detektoreinheiten und Daten erweitert, um seine Fähigkeit zum Einfangen kosmischer Neutrinos zu verbessern und seine Rolle als Schlüsselinstrument in der Multimessenger-Astronomie zu festigen. Um die beteiligten Energien in eine makroskopische Perspektive zu rücken, entspricht die Energie des Ereignisses KM3-230213A etwa dem 30-fachen der Energie, die zum Drücken einer Taste auf einer Computertastatur erforderlich ist.

"Durch die Kombination von Daten aus Instrumenten wie KM3NeT, dem Global mm-VLBI Array und dem 100-m-Radioteleskop Effelsberg können wir die Quellen der hochenergetischen Neutrinos identifizieren", sagt Eduardo Ros, Astronom am MPIfR und ebenfalls Mitglied des Entdeckungsteams. "Die Multi-Messenger-Astronomie ist der Schlüssel zur Lösung des Rätsels dieser so schwer aufzufindenden Teilchen und hilft uns dabei, ihre Herkunft zu ermitteln und die extremsten Prozesse im Universum zu entdecken."

"Das KM3NeT-Projekt ist ein gewaltiges Unterfangen, das sich über ein Volumen von einem Kubikkilometer erstreckt und bei dem rund 200.000 Photomultiplier zum Einsatz kommen", sagt Miles Lindsey Clark, technischer Projektleiter von KM3NeT zum Zeitpunkt der Entdeckung und Forschungsingenieur am IN2P3/CNRS in Frankreich. "Diese Leistung spiegelt die enorme gemeinsame Anstrengung von Ingenieuren, Technikern und Wissenschaftlern wider, die in einer der schwierigsten Umgebungen für die Neutrinoforschung arbeiten."

Die Entdeckung von KM3-230213A stelle, so das Team, einen großen Fortschritt in der Multimessenger-Astronomie dar, einem Bereich, der Beobachtungen über das gesamte elektromagnetische Spektrum und darüber hinaus, einschließlich kosmischer Strahlung und Neutrinos, kombiniert, um die energiereichsten Ereignisse im Universum zu untersuchen. "Das große Rätsel bleibt, wie und wo in unserem Universum Neutrinos, diese fast masselosen, elektrisch neutralen Teilchen, so enorme Energien erreichen. Wir können es nur lösen, wenn Astroteilchenforscher, Theoretiker und Observatorien aus verschiedenen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums eng und koordiniert zusammenarbeiten. Ich bin mir sicher, dass die Astronomie derzeit eine äußerst spannende Zeit erlebt", betont Anton Zensus, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschungsabteilung Radioastronomie/VLBI.

Über die Beobachtung berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Nature erschienen ist.

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siehe auch
Neutrinos: Detektorbau im Mittelmeer macht Fortschritte - 22. April 2021
Neutrinos: Detektorbau im Mittelmeer - 9. Dezember 2015
Teilchenphysik: Auf den Spuren der kosmischen Strahlung - 13. Januar 2009
Astroteilchenphysik: Neues Kompetenzzentrum in Erlangen - 14. Mai 2008
Astroteilchenphysik: Neutrino-Jagd im Mittelmeer - 19. April 2006
Links im WWW

The KM3NeT Collaboration (2025): Observation of an ultra-high-energy cosmic neutrino with KM3NeT, Nature, 638, 376
Max-Planck-Institut für Radioastronomie
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