Auf der Suche nach einer dunklen Kraft
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) astronews.com
12. Februar 2025
Durch die Kombination zweier unterschiedlicher Messmethoden
aus der Atom- und Kernphysik und neuen Berechnungen der Struktur von Atomkernen
konnte jetzt gezeigt werden, dass man über Messungen an der Elektronenhülle
eines Atoms etwas über die Verformung des Atomkerns erfährt. Gleichzeitig
setzten die Präzisionsmessungen neue Grenzen für die Stärke einer möglichen
dunklen Kraft.

Ein neuer Blick auf die Unterschiede
zwischen verschiedenen Isotopen und neue Grenzen
für eine "dunkle Kraft".
Bild: MPIK / PTB / Brookhaven National
Laboratory [Großansicht] |
Seit fast einem Jahrhundert weisen Messungen darauf hin, dass ein erheblicher
Anteil der Materie im Universum aus unbekannter Dunkler Materie besteht, die
über die Gravitation mit der sichtbaren Materie wechselwirkt. Unklar ist, ob es
auch neue, sogenannte "dunkle Kräfte" gibt, die zwischen der sichtbaren und der
Dunklen Materie "kommunizieren" können. Solche Kräfte müssten auch auf Atome
wirken, die man heute mit hoher Präzision untersuchen kann. "Insbesondere die
Messung der Verschiebung der elektronischen Resonanzen in Isotopen ist eine
besonders leistungsfähige Methode, um das Zusammenspiel von Kern- und
Elektronenstruktur zu beleuchten", erklärt Tanja Mehlstäubler von der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig.
Isotope heißen verschiedene Varianten eines Atoms, die sich nur in der Anzahl
ihrer Neutronen im Atomkern unterscheiden. Im Jahr 2020 entdeckte ein Team des
Massachusetts Institute of Technology bei der Untersuchung solcher
Isotopenverschiebungen im Element Ytterbium eine Abweichung vom erwarteten
Ergebnis, eine Nichtlinearität. Dies versetzte die Welt der Atomphysik in
Aufregung: Könnte diese Anomalie der erste Beweis für eine neue "dunkle Kraft"
sein oder ist sie auf Eigenschaften des Atomkerns zurückzuführen? Sind die
Atomphysikerinnen und -physiker durch die Hintertür in die Kernphysik
eingestiegen, indem sie die in verschiedenen Isotopen gemessenen
Übergangsfrequenzen der Elektronen verglichen haben?
Angetrieben von dieser Frage, machten sich Mehlstäubler und Klaus Blaum vom
Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg daran, die
Ytterbium-Isotopenverschiebungen zu untersuchen. Ihre Forschungsteams führten
hochpräzise Messungen der atomaren Übergangsfrequenzen und
Isotopenmassenverhältnisse von Ytterbium-Isotopen durch. Die optische
Spektroskopie in der PTB erfolgte mit einer linearen Hochfrequenz-Ionenfalle und
ultrahochstabilen Lasersystemen. Am MPIK wurden die Isotopenmassenverhältnisse
im Penning-Fallen-Massenspektrometer PENTATRAP bestimmt. Beide Messungen waren
bis zu hundertmal genauer als bisherige Messungen dieser Art. Die Forschenden
bestätigten die Anomalie.
Das Team konnte diese mit neuen kerntheoretischen Berechnungen der Gruppe von
Achim Schwenk an der TU Darmstadt erklären und gemeinsam mit theoretischen
Atomphysikern am MPIK in Heidelberg und der University of New South Wales
in Sydney sowie Teilchenphysikerinnen der Leibniz Universität Hannover eine neue
Grenze für die Existenz von dunklen Kräften setzen. Die internationale
Kollaboration konnte mit diesen Daten sogar direkte Informationen über die
Verformung des Atomkerns entlang der Ytterbium-Isotopenkette gewinnen.
Dies kann neue Einblicke in die Struktur schwerer Atomkerne und in die Physik
neutronenreicher Materie liefern, die die Grundlage für das Verständnis von
Neutronensternen bildet. Diese Forschung, so ist das Team überzeugt, eröffnet
der Atom-, Kern- und Teilchenphysik neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf
der Suche nach neuer Physik und ein besseres Verständnis der komplexen
Phänomene, die die Struktur der Materie bestimmen.
Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Physical Review Letters
veröffentlicht.
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