Die Magnetosphäre des Eisriesen ist normaler als gedacht
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
2. Dezember 2024
Bei ihrem Vorbeiflug am Uranus vor 38 Jahren erlebte die
NASA-Raumsonde Voyager 2 die Magnetosphäre des Eisriesen offenbar in
einem durch einen Sonnensturm stark gestörten Zustand. Darauf deutet jetzt eine
Neuauswertung der Voyager-Daten hin. Die Suche nach verborgenen Ozeanen auf den
Monden Titania und Oberon könnte somit deutlich einfacher sein als gedacht.
Uranus in einer Aufnahme der Sonde Voyager
2.
Bild: NASA / JPL-Caltech
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Der Uranus gehört zu den beiden großen Unbekannten in unserem Sonnensystem.
Während alle anderen Planeten bereits mehrfachen oder zumindest ausgedehnten
Besuch irdischer Raumsonden vermelden konnten, ist an Uranus und Neptun
lediglich Voyager 2 auf ihrer Entdeckungstour ins äußere Sonnensystem
vorbeigefolgen – vor 38 beziehungsweise 35 Jahren. Eine weitere Mission zum
Uranus oder Neptun hat es seitdem nicht mehr gegeben. Ein Großteil des heutigen
Wissens über den Planeten beruht deshalb auf der Momentaufnahme, die Voyager
2 am 24. Januar 1986 mit ihren Messinstrumenten eingefangen hat.
Dass diese einen wahrscheinlich irreführenden Eindruck von der Größe und
Zusammensetzung der Uranus-Magnetosphäre vermittelt hat, belegt das Forscherteam
unter Leitung des Jet Propulsion Laboratory in einer jetzt
vorgestellten Studie. Dabei war der Uranus-Vorbeiflug von Voyager 2
durchaus erfolgreich: In den Messdaten der 1977 gestarteten Sonde, die
mittlerweile das Sonnensystem verlassen hat und noch immer Signale zur Erde
sendet, spürten Forscherinnen und Forscher unter anderem elf bisher unbekannte
Monde und zwei unbekannte Ringe auf. Mehrere Instrumente gaben zudem Aufschluss
über das Magnetfeld sowie die Verteilung geladener Teilchen in der Umgebung des
Planeten – und zeichneten dabei ein unerwartet "schräges" Bild: Die
Verbindungslinie zwischen magnetischem Nord- und Südpol ist offenbar um fast 60
Grad gegenüber der Rotationsachse des Planeten geneigt; zudem fallen das Zentrum
des Magnetfeldes und der Mittelpunkt des Planeten nicht zusammen.
Eine weitere Besonderheit: Anders als etwa bei der Erde und dem Saturn sind
im Magnetfeld des Uranus in erster Linie Elektronen und Protonen gefangen.
Schwerere geladene Teilchen kommen kaum vor. Bisher werteten Forschende dies als
Hinweis, dass die Uranus-Monde keine aktiven Kryovulkane beherbergen.
Vulkanische Aktivität würde eine große Menge schwerer Ionen ins All schleudern.
Auch die Größe der Magnetosphäre überraschte: Auf der Tagseite reichte sie
weniger als eine halbe Million Kilometer ins All. Das entspricht etwa dem
Siebzehnfachen des Planetenradius. Zum Vergleich: Im Fall des Saturns beträgt
dieser Abstand etwa das 20- bis 35-Fache des Planetenradius.
In der aktuellen Studie sichteten die Forschenden nun die Messdaten, die
Voyager 2 in den Tagen und Wochen vor dem Vorbeiflug – also vor dem
Eindringen in die Uranus-Magnetosphäre – aufzeichnete, und wertete sie neu aus.
Das Teilchenspektrometer PLS bestimmte damals die Energie des Sonnenwinds, der
die Raumsonde umgibt. Der stetige Teilchenstrom von der Sonne reist mit
wechselnden Geschwindigkeiten zwischen 300 und 800 Kilometern pro Sekunde bis an
den Rand unseres Sonnensystems und fällt dabei mal stärker, mal schwächer aus.
In den Tagen bevor Voyager 2 in die Uranus-Magnetosphäre eintauchte,
hatte die Geschwindigkeit des Sonnenwinds offenbar stetig zugenommen; in den
Wochen zuvor wehte er deutlich lauer. "Von der Erde und von anderen Planeten
wissen wir, dass die Geschwindigkeit und die Dichte des Sonnenwindes die
Ausdehnung der Magnetosphäre stark beeinflusst", erläutert MPS-Wissenschaftler
Dr. Norbert Krupp.
In Zeiten heftigen Sonnenwinds staucht der Teilchenbeschuss von der Sonne den
magnetischen Schutzschild merklich zusammen. Die Analysen des Forschungsteams
ergeben nun, dass die Uranus-Magnetosphäre am 24. Januar 1986 in einer Art
Ausnahmezustand war. Im Vergleich zu den Wochen davor dürfte ihr Volumen auf der
sonnenzugewandten Seite um bis zu 78 Prozent reduziert gewesen sein. Zudem
verändere sich in einem solchen gequetschten Zustand die gesamte Dynamik der
geladenen Teilchen, die in der Magnetosphäre gefangen sind, argumentieren die
Forschenden. Es sei denkbar, dass schwere geladene Ionen in dieser extremen
Situation entweichen können. Solche Vorgänge sind von der Erde und vom Saturn
bekannt. Die Uranus-Magnetosphäre ist deshalb möglicherweise meist nicht so
teilchen-entleert, wie Voyager 2 sie vorgefunden hat. "Der Zustand, in
dem Voyager 2 die Uranus-Magnetosphäre vorgefunden hat, dürfte äußerst
untypisch gewesen sein", so Krupp.
Für künftige Entdeckungstouren zum Uranus sind die neuen Ergebnisse eine
erfreuliche Nachricht. Zwar stehen aktuell keine konkreten Uranus-Missionen in
den Terminkalendern der Weltraumagenturen. Doch sowohl die USA und Europa als
auch China klopfen derzeit die Möglichkeiten einer solchen Forschungsexpedition
ab. Besonderes Interesse gilt dabei den Uranus-Monden Titania und Oberon. Von
den fünf großen Uranus-Monden kreisen sie im größten Abstand um den Planeten.
Unter ihren Eiskrusten vermuten Forschende unterirdische Ozeane, ähnlich wie sie
etwa auf einigen Monden des Jupiters und des Saturns vorkommen.
Bisher schien der Voyager 2-Vorbeiflug nahezulegen, dass beide Monde
außerhalb der Uranus-Magnetosphäre ihre Bahnen um den Planeten ziehen. Diese
Vorstellung ist nun wohl nicht mehr haltbar. "Wenn die Umlaufbahn von Titania
und Oberon tatsächlich durch die Uranus-Magnetosphäre verlaufen, lassen sich
unterirdische Ozeane viel leichter und vor allem aus der Ferne aufspüren",
erklärt MPS-Wissenschaftler Dr. Elias Roussos. Auf ihrer Reise um den Planeten
müsste das sich verändernde Uranus-Magnetfeld elektrische Ströme in den Ozeanen
induzieren. Diese erzeugten dann ein eigenes Mond-Magnetfeld, das
Messinstrumente im Vorbeiflug aufspüren können.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift Nature Astronomy
veröffentlicht.
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