Warum
Asteroiden Wasser auf die Erde bringen konnten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
2. Juli 2024
Woher stammt das Wasser auf der Erde? Ein wichtiger Lieferant dürften
Bruchstücke von Asteroiden gewesen sein, die sich weit von der Sonne entfernt
gebildet haben - und zwar später, langsamer und bei tieferen Temperaturen. Ohne
diese "Nachzügler" wäre unser Heimatplanet vermutlich eine trockene Welt
geblieben und die Entstehung von Leben kaum möglich gewesen.

Der "Flensburg-Meteorit" war am 12.
September 2019 auf die Erde gefallen. Es handelt sich um einen
seltenen sogenannten "kohligen Chondriten" des Typs C1. Er
enthält ausschließlich Minerale, die in Anwesenheit von Wasser
entstehen – dies machte ihn für die Wissenschaft besonders
wertvoll.
Foto: Carsten Jonas, CC BY-SA 4.0 [Großansicht] |
"Wäre es nicht zu dieser Verzögerung bei der Bildung der Planetesimale
gekommen, wäre die Erde heute ein knochentrockener Planet", sagt Dr. Wladimir
Neumann vom DLR-Institut für Planetenforschung und dem Institut für Geodäsie der
Technischen Universität Berlin. "Vereinfacht gesagt war für die Zusammensetzung
der Planetesimale die Entfernung von der Sonne bei ihrer Entstehung
entscheidend, welche Bestandteile in ihnen eingebaut wurden." Dabei erfolgte die
Formung von Planetesimalen weit draußen in der dünner werdenden Scheibe aus
Staub und Gas etwas verzögert und langsamer, als im inneren Sonnensystem, vor
allem aber immer wieder aufs Neue. "Die späten Planetesimale wurden nicht so
heiß und verloren deshalb nicht das in ihnen enthaltene Wasser. Später gelangten
viele dieser wasserreichen Planetesimale ins innere Sonnensystem und dürften
damit der Erde große Mengen an Wasser gebracht haben." So könnte auch der äußere
Nachbarplanet Mars zu dem Wasser gekommen sein, das er zwar inzwischen fast
vollkommen wieder verloren hat, dessen Spuren wir aber heute noch sehen. Auch
für die Venus wird diskutiert, dass sie in ihrer Frühzeit einige hundert
Millionen Jahre lang Wasser gehabt haben könnte.
Für astronomische Verhältnisse ging in den frühesten Zeiten des Sonnensystems
alles sehr schnell: Nach der Explosion zweier oder mehr "ausgebrannter" Sterne
in einem der Spiralarme der Milchstraße, unserer Heimatgalaxie, verdichteten
sich die Gase dieser Supernovae-Reste, um einen neuen Stern zu bilden. Vor
viereinhalb Milliarden Jahren hatte er so viel Masse angesammelt, dass in seinem
Inneren Wasserstoffatome zu Helium verschmelzen konnten und dabei Energie
erzeugt wurde: Die Sonne war entstanden.
Sie wurde umkreist von einer Milliarden Kilometer weit ins All reichenden
Akkretionsscheibe aus Staub und Gas, den Resten dieses Prozesses. Dort
entstanden die Urbausteine der Planeten. Meteorite, Bruchstücke von
Mutterkörpern, die sich damals bildeten, legen davon Zeugnis ab. Die meisten
Meteorite sind Chondrite, etwa 86 Prozent. Die Chondren, Kügelchen, entstanden
innerhalb weniger Millionen Jahre in dieser protoplanetaren Scheibe, indem
blitzartig erhitztes und geschmolzenes Material Tropfen formte. Sie erstarrten
und ballten sich dann zusammen mit Staub und Gasen, darunter auch Wasser, zu
größeren Körpern zusammen, den Planetesimalen. Es waren die Urbausteine der
Planeten, aus denen diese in kaum zehn Millionen Jahren entstanden.
Vor rund viereinhalb Milliarden Jahren war die Planetenentstehung also schon
relativ kurz nach dem "Zünden" der Sonne vor 4,567 Milliarden Jahren
abgeschlossen. Weil aber noch unzählige kleine Körper übrigblieben, waren es
sehr unruhige Zeiten im Sonnensystem mit noch viel häufigeren Einschlägen von
Asteroiden und Kometen auf den jungen Planeten. Insbesondere Asteroiden aus der
äußeren Zone des Hauptgürtels zwischen Mars und Jupiter, die jenseits einer als
"Schneegrenze" bezeichneten Sonnenentfernung entstanden sind, dürften der Erde
große Anteile ihres Wassers geliefert haben. Unklar war, wie das Wasser in die
Planetesimale kam.
Woher das Wasser auf der Erde stammt, ist seit langem Gegenstand
wissenschaftlicher Diskussionen. Ein beträchtlicher Teil dürfte aus dem
Erdinneren stammen und von Vulkanen in die Atmosphäre geblasen worden sein und
dann als Regen die ersten Ozeane teilweise gefüllt haben. Das dürfte aber nicht
die einzige Quelle von Wasser sein. Kam also noch Wasser von außerhalb hinzu?
Bisher wurde angenommen, dass die Akkretionsprozesse näher an der Sonne
schneller abliefen, als fern von ihr, nicht zuletzt, weil eine höhere
Materialdichte der Scheibe das Wachstum begünstigte. Infrage gestellt wurde
diese These durch die Entdeckung von Meteoriten, deren Mutterkörper schon weiter
entwickelt waren, die aber in ihrer geochemischen Signatur identische
Isotopenverhältnisse haben, wie Meteorite von undifferenzierten Mutterkörpern
aus dem äußeren Teil des Sonnensystems. Als Isotope bezeichnet man Atome eines
chemischen Elements mit unterschiedlicher Anzahl von Neutronen.
In der nun vorgestellten Studie wird dafür eine Erklärung gegeben: Im äußeren
Teil der protoplanetaren Scheibe existierte eine Region, in der es während ihrer
gesamten "Lebenszeit", also vom Zeitpunkt Null, bis in weniger als vier
Millionen Jahren immer wieder zur Entstehung von Planetesimalen kam. "Wir können
das durch die Herleitung der Entstehungszeiten der Mutterkörper der Meteorite
zeigen", so Neumann. "Die Herleitung erfolgte durch die Kombination von Modellen
der thermischen Entwicklung mit den gemessenen thermo-chronologischen Daten der
Meteorite".
Seit gut 20 Jahren versucht die Wissenschaft in ihren Überlegungen zur
Akkretion zwei große Probleme zu überwinden. Zum einen haben Modelle und
Laboruntersuchungen gezeigt, dass Staubverklumpungen durch Zusammenstöße nicht
über eine Größe von einem Meter anwachsen können, was als "Ein-Meter-Barriere"
bezeichnet wird. Die Dynamik der Strömungen solcher Staubklumpen in Richtung
Scheibeninneres oder Zerschlagung durch Zusammenstöße bei hohen
Geschwindigkeiten verhindern ein weiteres Anwachsen. So können also keine
Planetesimale entstehen.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich durch Scheibenmodelle, in denen die
Existenz von Hochdruckgebieten vorhergesagt wird. Diese müssen wie Fallen für
die Staubteilchen wirken und Gebiete darstellen, die groß genug sind, dass sie
sich nicht auflösen und dort Materie quasi auf der Stelle zu Planetesimalen
kollabiert. Das passierte überall in der Akkretionsscheibe und lief in circa
100.000 Jahren ab. Aber es bedeutete auch, dass die in diesen Teilchenfallen
gebildeten Planetesimale wegen des radioaktiven Zerfalls des Aluminiumisotops 26
zu heiß wurden, als dass sie Wasser an sich hätten binden können. Später
gebildete Planetesimale hatten signifikant weniger 26Al und konnten deshalb
nicht mehr so heiß werden.
Wie also konnten sich dann doch Mutterkörper von Meteoriten bilden, die kalt
genug waren, das leichtflüchtige Wassermolekül nicht zu verlieren? Den Schlüssel
zur Beantwortung dieser Frage fanden Neumann und seine Mitautoren vom Institut
für Geowissenschaften der Universität Heidelberg, der Universität Bayreuth und
der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich in der Untersuchung einiger
kohlenstoffreicher Meteorite, deren Mutterkörper fern der Sonne entstanden sein
mussten. Darunter befand sich auch der 25 Gramm schwere "Flensburg-Meteorit",
der am 12. September 2019 vom Himmel gefallen war. Er enthält Minerale, die
allesamt nur in Verbindung mit Wasser kristallisieren konnten und dessen
Mutterkörper 2,7 Millionen Jahre nach der Entstehung der Akkretionsscheibe, also
nach dem Zeitpunkt Null entstanden ist.
Untersucht wurden auch die Gruppe Tafassite, also Meteorite, die deutlich
jünger waren als Funde von Mutterkörpern, die nur besagte hunderttausend Jahre
zur Bildung benötigten. Ebenso wurden Meteorite analysiert, deren Mutterkörper
ein Alter von 3,7 Millionen Jahren nach Zeitpunkt Null haben. Diese
Untersuchungen lassen den Rückschluss zu, dass die beiden geschilderten
Mechanismen gegeneinander gerichtete Effekte hatten – das Einwärtsdriften in der
Scheibe, das die Planetesimale nicht entstehen lässt und die Entstehung von
Hochdruckgebieten mit Teilchenfallen, in denen die Planetesimale eigentlich früh
und schnell entstehen sollten. Und dies sogar in variablen Verhältnissen zu
unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Zonen des äußeren
Sonnensystems.
So verhindern die Hochdruckgebiete den kompletten Verlust von Material. Aber
das trotzdem geschehene teilweise Wegdriften verhinderte, dass das gesamte
Material durch Kollaps sehr früh in Planetesimale eingebaut wurde, sich erhitzte
und dadurch das Wasser ausgetrieben worden wäre. Dadurch war dann später noch
bis zu einer Zeit von etwa vier Millionen Jahren nach Entstehung der
planetenbildenden Akkretionsscheibe genug Material vorhanden, um Planetesimale
zu bilden, die das Wasser nicht ausgasen würden. Dies dürfte für die
"Belieferung" der Erde mit Wasser, wenn auch erst einige hunderte Millionen
Jahre später, gesorgt haben. Ein Glücksfall für die Erde beziehungswiese die
daraus hervorgehende Entstehung von Leben.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift
Scientific Reports veröffentlicht.
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