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Die Magnetfelder am Rand des Schwarzen Lochs der Milchstraße
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
28. März 2024
Ein neues Bild der Event-Horizon-Telescope-Kollaboration
macht starke und organisierte Magnetfelder sichtbar, die sich spiralförmig vom Rand des
supermassereichen Schwarzen Lochs der Milchstraße ausbreiten. Dieser neue,
erstmals im polarisierten Radiolicht aufgenommene Blick zeigt eine
Magnetfeldstruktur, die der im Zentrum der Galaxie M 87
verblüffend ähnlich ist.

Die EHT-Kollaboration hat eine neue
Darstellung des massereichen Objekts im Zentrum unserer
Galaxie vorgestellt - in polarisiertem Licht. Dies ist das
erste Mal, dass die Polarisation, eine Signatur von
Magnetfeldern, so nahe am Rand von Sagittarius A* gemessen
werden konnte. Das Bild zeigt den polarisierten Blick auf das
Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße. Die Linien markieren
die Ausrichtung der Polarisation, die mit dem Magnetfeld um
den Schatten des Schwarzen Lochs zusammenhängt.
Bild:
EHT Collaboration [Großansicht] |
Das erste Bild des supermassereichen Schwarzen Lochs Sagittarius A* (Sgr A*)
in etwa 27.000 Lichtjahren Entfernung von der Erde wurde im Jahr 2022
veröffentlicht. Dabei zeigte sich, dass das supermassereiche Schwarze Loch in
der Milchstraße zwar mehr als tausend Mal kleiner und weniger massereich ist als
das von M 87, aber dennoch bemerkenswert ähnlich aussieht. Das stellte sich für
die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nattürlich die Frage, ob die beiden
Objekte über ihr Aussehen hinaus gemeinsame Merkmale aufweisen.
Um das herauszufinden, beschloss das Team, Sgr A* in polarisiertem Licht zu
untersuchen. Frühere Studien des Lichts in der Umgebung von M 87* zeigten, dass
die Magnetfelder um dieses gewaltige Schwarze Loch es ihm ermöglichen, starke
Materialstrahlen bzw. Jets in die Umgebung zu schleudern. Darauf aufbauend haben
die neuen Bilder gezeigt, dass dasselbe auch für Sgr A* gelten könnte. "Was wir
jetzt sehen, ist, dass es starke, verdrehte und organisierte Magnetfelder in der
Nähe des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraßengalaxie gibt", sagt Sara
Issaoun vom Harvard Center for Astrophysics. "Zusammen mit der
Tatsache, dass Sgr A* eine auffallend ähnliche Polarisationsstruktur aufweist
wie das viel größere und massereichere Schwarze Loch M 87*, haben wir gelernt,
dass starke und geordnete Magnetfelder entscheidend dafür sind, wie Schwarze
Löcher mit dem Gas und der Materie um sie herum wechselwirken."
Licht ist eine schwingende oder sich bewegende elektromagnetische Welle, die
es uns ermöglicht, Objekte wahrzunehmen. Manchmal schwingt das Licht in einer
bevorzugten Ausrichtung, man bezeichnet es dann als "polarisiert". Obwohl uns
polarisiertes Licht umgibt, ist es für das menschliche Auge nicht von "normalem"
Licht zu unterscheiden. Im Plasma um die Schwarzen Löcher wirbeln die Teilchen
um die Magnetfeldlinien und erzeugen ein Polarisationsmuster, das senkrecht zum
Feld steht. Dies ermöglicht es der Astronomie, die Vorgänge in den Regionen der
Schwarzen Löcher immer genauer zu beobachten und deren Magnetfeldlinien zu
kartieren.
Neben der Gesamtintensität verrät die Polarisationsinformation des Lichts
viel mehr über die Astrophysik, die Eigenschaften des Gases und die Mechanismen,
die bei der Fütterung eines Schwarzen Lochs ablaufen. Durch die Abbildung des
polarisierten Lichts von heißem, glühendem Gas in der Nähe von Schwarzen Löchern
lässt sich direkt auf die Struktur und Stärke der Magnetfelder schließen, die
den Fluss von Gas und Materie steuern, den das Schwarze Loch aufnimmt und
ausstößt.
"Schwarze Löcher in polarisiertem Licht zu visualisieren ist nicht so
einfach, wie eine polarisierte Sonnenbrille aufzusetzen", betont Maciek Wielgus
vom Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfRI) in Bonn. "Dies gilt
insbesondere für Sgr A*, das sich in rasantem Tempo dynamisch verändert, so dass
es für die Bildgebung nicht ruhig bleibt. Es war eine große Herausforderung,
durch diese Schwankungen des Signals zu navigieren, aber am Ende haben wir uns
durchgesetzt."
Die Aufnahme von Bildern des supermassereichen Schwarzen Lochs erfordert
modernste Instrumente, die über das hinausgehen, was für die Beobachtung der
stabileren Quelle M 87* verwendet wurde. Angesichts der schwer fassbaren Natur
von Sgr A* erschwert seine variable Beschaffenheit die Erstellung selbst eines
unpolarisierten Bildes. Daher wurde das ursprüngliche Bild durch Zusammenfügen
mehrerer Schnappschüsse erstellt, um der Bewegung von Sgr A* Rechnung zu tragen.
"Bestimmte Modelle erwiesen sich als zu chaotisch und turbulent, um ein
polarisiertes Bild zu entziffern, aber die Natur zeigte sich als weniger hart
und ermöglichte uns so den Erfolg", so Wielgus weiter.
Ergänzende Beobachtungen mit dem Global mm-VLBI Array (GMVA), das bei einer
Wellenlänge von 3,5 mm beobachtet (im Gegensatz zu 1,3 mm für das EHT),
leisteten einen wichtigen Beitrag zu den jetzt vorgestellten Beobachtungen. "Der
erste Schritt, um den Schleier über dem galaktischen Zentrum zu lüften, waren
unsere GMVA-Beobachtungen zusammen mit ALMA, die im Januar 2019 vorgestellt
wurden", so Eduardo Ros, MPIfR-Astronom, Mitglied der EHT-Kollaboration und
europäischer GMVA-Planer. "Wir werden fortfahren, Stein für Stein das Gebäude
unseres Verständnisses der Physik dieser Quellen um supermassereiche Schwarze
Löcher herum zu errichten."
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind begeistert, dass sie nun
Bilder von beiden supermassereichen Schwarzen Löchern in polarisiertem Licht
haben. Diese Bilder und die dazugehörigen Daten bieten neue Möglichkeiten,
Schwarze Löcher unterschiedlicher Größe und Masse zu vergleichen und einander
gegenüberzustellen. Mit der Verbesserung der Technologie werden die Bilder
wahrscheinlich noch mehr Geheimnisse der Schwarzen Löcher und ihrer
Ähnlichkeiten oder Unterschiede enthüllen.
"Die auffallende Ähnlichkeit zwischen der Magnetfeldstruktur von M 87* und
der von Sgr A* ist bemerkenswert, weil sie die Möglichkeit aufwirft, dass trotz
der Unterschiede in Masse, Größe und Umgebung die physikalischen Mechanismen,
die die Fütterung und den Jetauswurf eines Schwarzen Lochs steuern, allen
supermassereichen Schwarzen Löchern gemeinsam sind," betont Christian Fromm von
der Universität Würzburg, der mehrere Arbeiten in der Theoriegruppe am EHT
leitete, wo numerische Simulationen entwickelt wurden, um die Physik des Objekts
zu verstehen. "Wir können dieses Ergebnis nun nutzen, um theoretische Modelle
und Simulationen zu verbessern, was zu einem besseren Verständnis der
Auswirkungen auf die Materie in der Nähe des Ereignishorizonts eines Schwarzen
Lochs führt."
Das EHT hat seit 2017 mehrere Beobachtungen durchgeführt und wird Sgr A*
voraussichtlich im April 2024 erneut beobachten. Jedes Jahr werden die Bilder
besser, da das EHT neue Teleskope, größere Bandbreiten und neue
Beobachtungsfrequenzen einsetzt. Die für das nächste Jahrzehnt geplanten
Aufrüstungen werden hochauflösende Filme von Sgr A* ermöglichen, die
möglicherweise einen verborgenen Jet enthüllen und es den Astronomen erlauben,
ähnliche Polarisationsmerkmale in anderen Schwarzen Löchern zu beobachten.
In der Zwischenzeit wird die Erweiterung des EHT in den Weltraum schärfere
Bilder von Schwarzen Löchern liefern als je zuvor. Um die physikalischen
Prozesse hinter den Jets in aktiven Galaxienkernen und die Rolle der
Magnetfelder in der Nähe der zentralen, treibenden Schwarzen Löcher besser zu
verstehen, hat der Europäische Forschungsrat das M2FINDERS-Projekt an Prof.
Anton Zensus, Direktor am MPIfR, vergeben. "Die Entdeckung dieser Magnetfelder
öffnet ein Fenster in die innersten Regionen von Sgr A*, wo das Zusammenspiel
von Gravitation, Magnetismus und Raumzeitkrümmung seinen Höhepunkt erreicht", so
Zensus.
"Je tiefer wir in dieses kosmische Rätsel eindringen, desto mehr Durchbrüche
erwarten wir, die die grundlegende Natur Schwarzer Löcher und ihren Einfluss auf
galaktische Ökosysteme erhellen werden. Ein wichtiger Schritt zum Verständnis
des Innenlebens dieser extremen kosmischen Objekte war das ikonische Bild der
Silhouette der Schwarzen Löcher in Messier 87 und im Galaktischen Zentrum, das
heute durch das Bild des polarisierten Lichts in Sgr A* ergänzt wird. Unser
M2FINDERS-Projekt leistet seit November 2021 einen wichtigen Beitrag zu den
Ergebnissen mit dem EHT", betont der Wissenschaftler.
Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal
Letters veröffentlicht.
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