Im nächsten Jahrzehnt sollen mehrere Missionen versuchen,
einige Geheimnisse unseres Nachbarplaneten Venus zu lüften. Für die NASA-Mission
VERITAS und die ESA-Mission EnVision wurde nun in der Vulkanlandschaft
Islands eine Feldkampagne durchgeführt, bei der man wichtige Technologien für
die Erforschung unseres Nachbarplaneten erprobt hat.
VERITAS ist eine NASA-Mission, die den Planeten Venus umkreisen wird und
dabei Daten aus Infrarotspektroskopie, Radarbildern, Topografie und
Interferometrie sammeln soll. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) ist dabei ein wichtiger Partner. Derzeit findet als Vorbereitung für
die Venusmission, die für das nächste Jahrzehnt geplant ist, in Island eine
Feldkampagne statt. Dort kommt der hochentwickelte flugzeuggestützte
F-SAR-Radarsensor des DLR zum Einsatz, um solche Arten von Lavaströmen zu
untersuchen und zu charakterisieren, die auch auf der Venus zu erwarten
sind. Gleichzeitig setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des
DLR am Boden einen Prototypen des Venus Emissivity Mapper (VEM)
ein, um die spektralen Eigenschaften im nahen Infrarot zu erfassen. Die
Feldkampagne in Island ist eine gemeinsame Expedition des Jet Propulsion
Laboratory (JPL) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, des DLR und
eines internationalen Wissenschaftsteams. VERITAS steht für "Venus
Emissivity, Radio science, InSAR, Topography, And Spectroscopy".
Das vulkanische Island ist eine hervorragende Testumgebung für
wissenschaftliche Experimente, die zur Vorbereitung zukünftiger Missionen
zum Erdnachbarn Venus durchgeführt werden sollen. "Die Charakterisierung und
Messung von Ausmaß und Art der vulkanischen und tektonischen Vorgänge auf
der Venus sind der Schlüssel zum Verständnis der Evolution von festen
Planetenoberflächen und Gesteinsplaneten im Allgemeinen", sagt Dr. Sue
Smrekar, Principal Investigator des JPL für VERITAS. Es war die
Magellan-Mission der NASA in den 1990er Jahren, die einen ersten
detaillierten "Blick" auf eine Venusoberfläche ermöglichte, die von Wolken
aus Schwefelsäure eingehüllt ist. Die globalen topographischen Karten auf
der Basis von Radarmessungen der Magellan-Mission enthüllten damals einen
Planeten, dessen Oberfläche während der letzten 500 Millionen Jahre durch
Vulkantätigkeit fast vollständig neu gestaltet wurde.
Nach Magellan standen noch viele Fragen im Raum. Und aus der
Auswertung der Magellan-Daten ergaben sich weitere Fragen: Weshalb haben
Erde und Venus, die in Bezug auf Größe und Masse fast gleich sind, in ihrer
4,5 Milliarden Jahre dauernden Entwicklung völlig unterschiedliche Wege
eingeschlagen? Was hat sich während der vier Milliarden Jahre vor der
letzten globalen Neugestaltung der Oberfläche zugetragen? Und gibt es
letztlich noch aktive Vulkane? Diese Fragen sind die Motivation für neue
Missionen zur weiteren Erforschung der Venus in den 2030er Jahren – und
schon heute für die missionsvorbereitenden Aktivitäten auf Island.
Das DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme setzt in Island
sein F-SAR-Radarsystem ein, um Radarbilder vom Flugzeug aus aufzunehmen und
Daten zu gewinnen, die jenen ähneln, die bei späteren Radarmissionen zur
Venus (etwa VERITAS der NASA oder EnVision der europäischen
Raumfahrtorganisation ESA erwartet werden. Daten des Radarsystems F-SAR des
DLR werden verwendet, um Oberflächeneigenschaften der Lavaströme
abzuschätzen und Algorithmen sowie Methoden zu testen, die für die Erfüllung
der Mission VERITAS erforderlich sind. "Unser Forschungsflugzeug vom Typ
Dornier 228-212, das in einer Höhe von 6000 Metern über dem Boden operiert,
nimmt Radardaten auf mehreren Frequenzbändern gleichzeitig auf, ähnlich
denen, die bei VERITAS sowie EnVision auf der Venus zur Anwendung
kommen werden und auch bei Magellan in den 1990ern verwendet
wurden", erklärt Ralf Horn vom Institut für Hochfrequenztechnik und
Radarsysteme im DLR.
Darüber hinaus führen die VERITAS-Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler auf Island Bodenmessungen durch und sammeln Gesteinsproben
von verschiedenen Arten erstarrter Lava für Laboranalysen. Diese werden
später dazu dienen, die Radardaten der Venusmissionen besser interpretieren
zu können. Die Daten werden in zwei Messgebieten erhoben, sowohl aus der
Luft also auch auf dem Boden. Das erste Messgebiet liegt auf der Halbinsel
Reykjanes, auf der sich auch der zuletzt aktive Vulkan Litli-Hrútur
befindet. Das zweite Messgebiet liegt im Holuhraun-Gebiet in der Nähe des
Vulkans Askja, wo eine Fläche, die größer ist als die Insel Sylt mit knapp
100 Quadratkilometern, vor kurzem von frischer Lava überflutet wurde.
Holuhraun ist 2014/15 durch einen außerordentlich langen und massereichen
Vulkanausbruch entstanden. "Die Flexibilität des DLR-Radarsystems F-SAR zur
Erfassung interferometrischer und polarimetrischer Daten wird für die
Entwicklung von Algorithmen zur Untersuchung des Planeten Venus von
unschätzbarem Wert sein", betont Dr. Scott Hensley von JPL, Project
Scientist für VERITAS und Instrument Project Scientist für EnVision.
Dr. Solmaz Adeli vom DLR-Institut für Planetenforschung leitet das Team,
das während der Island-Kampagne vulkanische Oberflächen spektroskopisch
untersucht. "Das wird für uns bei der Charakterisierung der mineralogischen
Zusammensetzung und des Ursprungs der wichtigen geologischen Terrains auf
der Planetenoberfläche der Venus eine enorme Hilfe sein, wenn der Venus
Emissivity Mapper (VEM) während der Missionsphase 'echte' Venusdaten
aus dem Orbit liefert”, sagt sie. VEM ist eine vom DLR für die Missionen
VERITAS der NASA und EnVision der ESA bereitgestellte
Spektralkamera, die im nahen Infrarot aufzeichnet. Es ist das erste
Instrument, das speziell zum Kartieren der Gesteinsarten und der Mineralogie
an der Oberfläche der Venus von der Umlaufbahn aus entwickelt wurde.
"Die globale Kartierung der Mineralogie der Venus und die Entschlüsselung
ihrer vulkanischen Geschichte und der Veränderung des Planeten über die Zeit
ist eines der Hauptziele der Missionen VERITAS und EnVision", erklärt Adeli
weiter. Ihr Team verwendet den V-EMulator, einen Prototypen der
Nahinfrarot-Multispektralkamera VEM, die an Bord von VERITAS mitfliegen
wird. Es werden Lavaströme klassifiziert, die von sehr frischem Gelände bis
hin zu Gebieten reichen, die im Lauf der Geschichte verändert wurden. "Sehr
frisch" bedeutet für die Forschenden auf Island, dass sie heiße,
geschmolzene Lava messen können, Lava, die zwischen dem 10.Juli und Anfang
August dieses Jahres aus dem Vulkan Litli-Hrútur ausströmte und momentan
abkühlt.
Das Team wird auch Proben erstarrter Lava sammeln, die in das Planetary
Spectroscopy Laboratory (PSL) am DLR-Standort Berlin gebracht werden. Dort
wird bei Temperaturen wie auf der Venus in einer Simulationskammer ihr
Emissionsgrad in unterschiedlichen Wellenlängen analysiert werden. Die
spektralen Eigenschaften eines Gesteins bei "normalen", also auf der Erde
vorherrschenden Temperaturen unterscheiden sich von den Werten bei hohen
Temperaturen wie auf der Venus. Um die Daten entsprechend interpretieren zu
können, ist wichtig, dass man genau versteht, was gemessen wird.
Da es sehr wahrscheinlich ist, dass noch aktive Vulkane auf der Venus
existieren, nutzt eine andere Gruppe im VERITAS-Team die bei der
Feldkampagne gewonnenen Daten, um die angenommene vulkanische Aktivität auf
dem Erdnachbarn besser zu verstehen. "Wir untersuchen das Infrarotsignal
aktiver Ausbrüche und suchen nach neuen Lavaströmen", sagt Nils Müller,
Gastwissenschaftler der Freien Universität Berlin am DLR-Institut für
Planetenforschung. Die Dyngjusandur-Wüste (eine kalte Sandwüste) und zwei
durch Erdspalten ausgetretene Lavaströme – Holuhraun und Thorvaldshraun –
sind hervorragende Analogien auf Island, um die Studien vorzubereiten. Diese
jüngsten Lavaströme sind groß genug, um auch dann nachweisbar zu sein, wenn
sie auf der Venus auftreten würden.
Die zweiwöchige Feldkampagne in Island, die mit Unterstützung der
Universität von Island und der Europlanet-Gesellschaft durchgeführt wird,
begann am 31. Juli 2023. Das erste untersuchte Gelände ist das abgelegene
Vulkangebiet Holuhraun in der Nähe des berühmten Vulkans Askja, der an den
größten Gletscher Europas angrenzt, den Vatnajökull. Eingehend untersucht
werden mehrere ausgewählte Standorte, die vorab mit Daten der deutschen
Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X charakterisiert wurden. Gegenwärtig
begibt sich das Team auf die Halbinsel Reykjanes, um den jungen Laven des
Litli-Hrútur-Vulkans so nahe wie möglich zu kommen.