Spektakulärer Blick in die Korona der Sonne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
19. Mai 2022
Aus einer Entfernung von nur 48 Millionen Kilometern hat die
europäische Sonde Solar Orbiter Ende März einzigartige Messdaten
unseres Zentralsterns gewonnen. Die ersten davon wurden jetzt vorgestellt -
unter anderem Ansichten der Sonnenkorona in bisher unerreichter Detailschärfe
und ein einzigartiger Blick auf die Polregion der Sonne.
Der Südpol der Sonne in bisher unerreichter
Auflösung, aufgenommen vom Instrument EUI am 30.
März 2022.
Bild: ESA & NASA / Solar Orbiter / EUI Team [Großansicht] |
Auf einen Abstand von nur etwa 48 Millionen Kilometern hatte Solar
Orbiters Flugbahn die Sonde am 26. März an die Sonne herangeführt. Das
entspricht weniger als einem Drittel der Entfernung zwischen Erde und Sonne –
und markiert einen vorläufigen Höhepunkt der Mission. Nur drei Raumsonden sind
der Sonne jemals nähergekommen – keine davon allerdings mit abbildenden
Instrumenten, die auf die Sonne schauen. Solar Orbiter hingegen blickt
mit sechs wissenschaftlichen Instrumenten auf Oberfläche, Atmosphäre und
Umgebung der Sonne; vier weitere, die sogenannten in situ-Instrumente, vermessen
die Teilchen und elektromagnetischen Felder, welche die Raumsonde umströmen.
In den Tagen um den jüngsten Vorbeiflug waren alle Instrumente in Betrieb.
Wegen der aktuell großen Entfernung zwischen Raumsonde und Erde ist die
Datenübertragungsrate allerdings derzeit gering. Nur ein Teil der aufgenommenen
Messdaten hat deshalb bisher die Erde erreicht und konnte in den vergangenen
Wochen von den wissenschaftlichen Teams gesichtet werden. Weitere Daten werden
noch erwartet.
Einige der spannendsten Daten stammen aus der Korona der Sonne. Eingefangen
von gewaltigen Magnetfeldern strömt dort mehr als eine Million Grad Celsius
heißes Plasma; immer wieder kommt es zu heftigen Teilchen- und
Strahlungsausbrüchen. Drei Instrumente von Solar Orbiter bilden diese
und andere Vorgänge in der Korona ab. Der Koronograph Metis verdeckt die
Sonnenscheibe und macht so den äußeren Bereich der Korona sichtbar. Das
Instrument SPICE (Spectral Imaging of the Coronal Environment) spaltet das Licht
aus der Korona in seine Wellenlängen auf und kann so etwa bestimmen, welche
Elemente in welchem Bereich der Korona vorliegen. Zu beiden Instrumenten hat das
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen wesentliche
Komponenten beigesteuert.
Dasselbe gilt für das Instrument EUI (Extreme Ultraviolet Imager), das die
Korona im extrem kurzwelligen ultravioletten Licht mit Hilfe dreier
Spiegelteleskope abbildet. Bei solch geringen Abständen von der Sonne wie beim
Vorbeiflug liefert das Instrument aussagekräftige Daten nicht nur aus der
unteren Korona, sondern bis zu einem Abstand, der sich mit dem Sichtfeld von
Metis überschneidet. Auf diese Weise ergibt sich die einzigartige Möglichkeit,
die Vorgänge in der Korona von der Sonnenoberfläche bis zu einem Abstand von
drei Sonnenradien hochaufgelöst und ohne Unterbrechung zu beobachten. In diesem
Bereich hat der Großteil der Sonnenaktivität ihren Ursprung.
Die Aufnahmen von EUI, die in der Zeit um den Vorbeiflug gelangen, sind die
höchstaufgelösten der Korona aller Zeiten. "Solar Orbiters Messdaten
aus der Korona übertreffen alle bisherigen an Detailschärfe und werden helfen,
die Strukturen und Vorgänge in der Korona besser zu verstehen", so Prof. Dr.
Sami K. Solanki, Direktor am MPS. In den Aufnahmen vom 30. März etwa findet sich
eine kuriose Struktur, von der in alle Richtungen strahlenförmig heiße
Plasmaflüsse abgehen. Sie misst etwa 25.000 Kilometer im Durchmesser. "Ein
derartiges Phänomen haben wir bisher noch nie gesehen. Es ist unklar, was dort
genau vor sich geht und wie diese Struktur entsteht", so Prof. Dr. Hardi Peter
vom MPS, Mitglied des EUI-Teams.
Zudem gelangen Aufnahmen der Südpolregion der Sonne. Die Pole der Sonne sind
von der Erde kaum zu sehen. Um hier Licht ins Dunkel zu bringen, hat Solar
Orbiter die Ebene, innerhalb der die Erde um die Sonne kreist, bereits um
vier Grad verlassen. Bis zum Ende der Mission sollen es 33 Grad werden.
Auch koronale Bögen, bogenförmige Plasmaflüsse in der Korona, die sich
entlang der Magnetfelder bewegen, finden sich in den Aufnahmen von EUI und
SPICE. Ihre Fußpunkte, die Bereiche an der Oberfläche der Sonne, an der sie
ihren Ursprung nehmen, zeigen sich in gleichzeitigen Messungen des Solar
Orbiter-Instrumentes PHI (Polarimetric and Helioseismic Imager). Das Instrument
wurde unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut und wird vom PHI-Team an MPS
betrieben wird. Es kann unter anderem die Polarität der Magnetfelder an der
Sonnenoberfläche sichtbar machen. "PHI ermöglicht es uns, den physikalischen
Ursprung der koronalen Bögen zu verstehen", erklärt MPS-Wissenschaftler und PHI-Projektmanger
Dr. Joachim Woch.
Einen genauen Blick werfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch
auf das Feuerwerk aus Strahlung und Teilchen, das die Sonne in der Zeit um den
Vorbeiflug bot. Die in-situ-Instrumente fingen Hinweise auf einen Ausbruch
energetischer Teilchen und drei Strahlungsausbrüche ein. Einen
Strahlungsausbruch vom 31. März haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
der höchsten Kategorie, genannt X, zugeordnet. Ausbrüche dieser Vehemenz treten
selbst in Phasen hoher Sonnenaktivität nur selten auf. Die Messdaten der
abbildenden Instrumente können helfen aufzuspüren, wo diese Ausbrüche auf der
Sonne ihren Ursprung und welche Prozesse sie ausgelöst haben. So zeigen sich
etwa in EUI-Aufnahmen frühe Anzeichen des beobachteten Teilchenausbruchs.
Bereits im Oktober dieses Jahres soll Solar Orbiter der Sonne noch
näherkommen. Dann werden Raumsonde und Stern nur noch 42 Millionen Kilometer
trennen.
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