Wie Planeten um Rote Zwerge entstehen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
29. Januar 2021
Um die häufigsten Sterne der Milchstraße, um massearme Rote Zwerge, wurde bislang nur ein geringer Teil der extrasolaren Planeten entdeckt.
Doch wie häufig sind Planeten um diese stellaren Winzlinge wirklich? Neue
Beobachtungen sollten dies klären helfen. In Staubscheiben um massearme Sterne
wurden dabei Strukturen entdeckt, die auf die Entstehung von Planeten hindeuten
könnten.

Künstlerische Darstellung einer
planetenbildenden Scheibe aus Staub und Gas um
einen sehr massearmen Stern (VLMS). Die innere
Staubscheibe enthält eine Ringstruktur, die die
Entstehung eines neuen Planeten andeutet. Die
Staubscheibe ist in eine größere Gasscheibe
eingebettet, deren Dicke zum Rand hin zunimmt.
Bild: MPIA Graphikabteilung [Großansicht] |
Astronomen haben bislang etwa 4400 Planeten in mehr als 3200 Planetensystemen
um andere Sterne als die Sonne gefunden. Diese Zahlen sind jedoch offensichtlich
verfälscht, denn nur etwa zehn Prozent der bekannten Exoplaneten umkreisen
sogenannte Rote Zwerge, obwohl diese Sterne etwa drei Viertel der
Sternenpopulation in der Milchstraße ausmachen. Rote Zwerge sind die
masseärmsten, kleinsten und kühlsten Sterne, die wir kennen.
Im Vergleich zu den meisten bekannten Sternen, die Planeten beherbergen,
leuchten sie extrem schwach, was es sehr schwierig macht, sie abzubilden und zu
untersuchen. Aus den gleichen Gründen wissen Astronomen auch nur wenig über die
Prozesse, mit denen in den Scheiben aus Gas und Staub, die sie in jungen Jahren
umgeben, Planeten entstehen. Um mehr darüber zu erfahren, hat ein Team um
Nicolas Kurtovic, Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in
Heidelberg nun sechs solcher Scheiben um junge Sterne mit sehr
geringer Masse (VLMS; very low-mass stars) in noch nie dagewesener
Detailgenauigkeit abgebildet und analysiert. VLMS sind Sterne mit einer Masse
von weniger als 20 % der Masse unserer Sonne.
"Trotz der enormen Fortschritte, die im Verständnis der Planetenbildung in
den letzten Jahrzehnten erzielt wurden, wissen wir nicht viel darüber, wie die
Planeten der häufigsten Sterne entstehen", betont Kurtovic. Insbesondere die
Entdeckung von jupiterähnlichen Planeten in der Umlaufbahn von VLMS wie GJ 3512
ist überraschend und widerspricht dem allgemein akzeptierten Modell der
Planetenentstehung. Ihre zirkumstellaren Scheiben, aus denen die Planeten
hervorgehen, haben nur vergleichsweise geringe Mengen an Material, was das
Entstehen solch massereicher Planeten erschwert.
Die Forschenden nutzten für Untersuchungen das Radiointerferometer
Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und beobachteten die
Objekte bei einer Wellenlänge von 0,87 Millimetern, um Staub und Gas mit einer
Winkelauflösung von 0,1 Bogensekunden aufzuspüren. Dieser Winkel entspricht der
Größe der Pupille eines Menschen in einer Entfernung von etwa zehn Kilometern.
Veröffentlichte Daten ergänzen die Untersuchung.
Unter Berücksichtigung der optischen Eigenschaften des Teleskops modellierten
sie die wahrscheinliche wahre Form der Scheiben. Die Hälfte der Scheiben, die
Kurtovic und seine Kolleginnen und Kollegen untersuchten, zeigen ringförmige
Strukturen aus Staub, die sich zwischen dem 50- und 90-Fachen der Entfernung
zwischen Sonne und Erde erstrecken. Ihre Formen ähneln denen größerer Scheiben
massereicherer junger Sterne wie HL Tau, deren Bilder die Astronomen nach wie
vor faszinieren. Sie erklären solche Ringe im Allgemeinen mit Riesenplaneten,
die während ihres Umlaufs um den Zentralstern Staub und Gas aufsammeln.
"Wir untersuchten mehrere alternative physikalische Prozesse, um die Muster
zu erklären, wie z. B. die Strahlung von Sternen, die den Staub verdampfen
lassen. Dennoch bleibt die Wechselwirkung mit den Planeten auch für unsere
VLMS-Stichprobe die plausibelste Erklärung", sagt Kurtovic. Die Größe der
Lücken, die solche Planeten um VLMS herum hinterlassen, würde Planetenmassen
ähnlich wie die des Saturn erfordern.
Die Scheiben um die VLMS enthalten sicherlich genug Material, um neugeborene
Planeten zu versorgen. Dies ist jedoch nicht die größte Herausforderung. Noch
schwieriger ist es, den Staub schnell genug zu verdichten, um Planetenembryos zu
bilden, auf denen sich das Gas zu Planeten anreichert. Zeit ist von
entscheidender Bedeutung, da sich der Staub allmählich nach innen bewegt und
schließlich in der Nähe des Sterns verdampft. Diese radiale Wanderung ist etwa
doppelt so schnell wie bei den massereicheren Sternen, sodass den
Gesteinsembryos wenig Zeit zum Wachsen bleibt.
"Wir schätzen, dass sich die ringförmigen Strukturen, die wir um die VLMS
herum sehen, innerhalb von nur 200.000 Jahren gebildet haben müssen, bevor der
Staub zum Zentralgestirn gewandert wäre", erklärt Dr. Paola Pinilla, ebenfalls
vom MPIA. Sie leitet dort eine Forschungsgruppe mit dem Titel "The Genesis of
Planets", zu der auch Kurtovic gehört. Wenn diese Embryonen einmal vorhanden
sind, fungieren die Lücken, die sie während des Umlaufs um den Stern graben, als
eine Grenze, die nicht überschritten werden kann. In diesem Stadium kann der
Planet durch die Anlagerung von Gas und Staub stetig wachsen.
Kurtovic und seine Kolleginnen und Kollegen konnten zeigen, dass die
Staubscheiben in viermal so große Gasscheiben eingebettet sind. Anfangs müssen
sie beide die gleiche Ausdehnung gehabt haben. Das verrät ihnen, wie weit der
Staub gewandert war, bevor er die aktuelle Position einnahm. In den
verbleibenden drei der sechs beobachteten Scheiben erscheint der Staub auf
Größen zwischen 20 und 40 Astronomischen Einheiten (eine Astronomische Einheit
entspricht der mittleren Entfernung der Erde von der Sonne) stärker zentral
konzentriert. Ihnen fehlt eine offensichtliche Struktur, was wahrscheinlich auf
die unzureichende Winkelauflösung zurückzuführen ist.
"Wir vermuten, dass wir auch im Inneren der kleineren Scheiben Ringe finden
werden, sobald wir besser aufgelöste Beobachtungen erhalten", sagt Kurtovic
voraus. "Diese Pilotstudie war eine Herausforderung, weil die Scheiben von VLMS
klein sind und vergleichsweise wenig Material besitzen, was zu schwachen
Signalen führt, die sehr schwer zu erkennen sind", räumt Pinilla ein. Die
Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass Astronomen bei entsprechender
Instrumentierung selbst in den Scheiben der VLMS in die Geburtsstätten der
Planeten hineinschauen können.
Diese Fähigkeit öffnet eine neue Tür, die die Bemühungen der Theoretiker
unterstützt, ein adäquates Modell der Planetenentstehung selbst für die
kleinsten Sterne zu entwickeln, die tatsächlich länger leben als jede andere Art
von Sternen. "Wir wissen immer noch nicht, wie verbreitet Planeten um Rote
Zwergsterne sind", räumt Kurtovic ein. "Die Langlebigkeit von Planetensystemen
der Roten Zwerge ist jedoch im Hinblick auf ihre Belebtheit und hypothetische
Zivilisationen faszinierend", fügt er hinzu. In diesem Sinne könnten diese
schwachen roten Sterne die interessantesten in der Galaxie sein.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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