Auch Rote Riesen können Flecken haben
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
15. Juli 2020
Dunkle, zum Teil riesige Sternflecken an der Oberfläche sind
unter roten Riesensternen verbreiteter als bisher angenommen. Dies ergab eine
neue, jetzt veröffentlichte Studie, bei der rund 4500 Rote Riesen genauer unter
die Lupe genommen wurden. Ein wichtiger Faktor dabei ist die Eigenrotation der
Riesensterne.

Sonnenähnliche Sterne werden in der letzten
Phase ihres stellaren Lebens zu einem Roten
Riesen und enden, nach einer kurzen Zeit als
Planetarischer Nebel, als Weißer Zwerg.
Bild: ESO / S. Steinhöfel [Großansicht] |
Zu den auffälligsten Eigenschaften der Sonne gehören die Sonnenflecken,
dunkle Bereiche auf ihrer ansonsten hellen Oberfläche, die zum Teil sogar ohne
Vergrößerung von der Erde aus sichtbar sind. Auch zahlreiche andere Sterne, die
sich wie die Sonne in der Blütezeit ihres Lebens befinden, sind von Flecken
überzogen. Bei Roten Riesen hingegen, die sich in einem fortgeschrittenen
Stadium der Sternentwicklung befinden, galten sie bisher als Seltenheit.
Die Ursache für diesen Unterschied findet sich im Innern der Sterne. Aus dem
Zusammenspiel von elektrisch leitenden Plasmaströmen und der Rotation des Sterns
entstehen in einem Dynamoprozess die Magnetfelder des Sterns und setzen sich bis
an seine Oberfläche fort. An manchen Stellen verhindern besonders starke
Magnetfelder, dass heißes Plasma nach oben strömt. Diese Regionen erscheinen
dunkel und werden als Sternflecken bezeichnet.
"Damit sich an der Oberfläche eines Sterns Magnetfelder und Sternflecken
ausbilden, sind Rotation und Konvektion entscheidende Zutaten", erklärt Dr.
Federico Spada vom Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS).
"Sterne, bei denen sich die Konvektion in einer außenliegenden Schicht abspielt,
haben das Potential, durch Dynamoprozesse Magnetfelder an der Oberfläche zu
erzeugen. Diese magnetische Aktivität ist nur dann messbar, wenn der Stern
schnell genug rotiert", fügt er hinzu.
Bisher hatten Forscherinnen und Forscher angenommen, dass fast alle Roten
Riesen eher gemächlich um die eigene Achse rotieren. Schließlich dehnen sich
Sterne, wenn sie sich gegen Ende ihres Lebens zu Roten Riesen entwickeln,
dramatisch aus. Ihre Eigenrotation verlangsamt sich dadurch wie bei einem
Pirouetten drehenden Eiskunstläufer, der die Arme ausstreckt. Die neue Studie
unter Leitung des MPS und der New Mexiko State University in den USA
zeigt nun ein anderes Bild. Etwa acht Prozent der beobachteten Roten Riesen
drehen sich so schnell, dass Flecken entstehen können.
Das Forschungsteam durchforstete die Messdaten von etwa 4500 Roten Riesen,
die das Weltraumteleskop Kepler von 2009 bis 2013 aufgenommen hat, nach
Hinweisen auf Flecken. Solche Flecken mindern die Lichtmenge, die ein Stern ins
All sendet. Da sie sich in der Regel über mehrere Monate nur leicht verändern,
drehen sie sich nach und nach aus dem Blickfeld des Teleskops – und erscheinen
dann nach einiger Zeit wieder. Dies erzeugt typische, regelmäßig wiederkehrende
Helligkeitsschwankungen.
Im zweiten Schritt gingen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
Frage nach, warum die fleckigen Riesen sich so schnell drehen. Woher nehmen sie
die nötige Energie? "Um diese Frage zu beantworten, mussten wir ganz genau
hinsehen, möglichst viele Eigenschaften der Sterne bestimmen und daraus ein
Gesamtbild zusammensetzen", so MPS-Wissenschaftler Dr. Patrick Gaulme.
Am Apache Point Observatory in New Mexiko untersuchten die
Forscherinnen und Forscher etwa, wie sich die Wellenlängen des Sternlichtes
einiger Sterne mit der Zeit verändern. So sind Rückschlüsse auf ihre genaue
Bewegung möglich. Zudem schaute das Team auf schnelle Helligkeitsschwankungen,
die den langsameren, durch Sternflecken verursachten überlagert sind. Die
schnelleren Schwankungen sind Ausdruck von Druckwellen, die sich durch das
Innere eines Sterns bis zu seiner Oberfläche ausbreiten. Ihre Analyse erlaubt
es, viele innere Eigenschaften des Sterns zu bestimmen wie etwa das Gewicht und
das Alter.
Wie sich zeigte, gehören etwa 15 Prozent der fleckigen Riesen zu
Doppelsternsystemen, die auch einen weiteren, kleineren und somit drehfreudigen
Stern beherbergen. "In solchen Systemen gleichen sich die
Rotationsgeschwindigkeiten beider Sterne mit der Zeit an, bis sie sich wie zwei
Paarläufer beim Eiskunstlauf im Gleichtakt drehen", so Gaulme. Der zunächst
langsamere Rote Riese gewinnt dadurch an Schwung.
Die anderen fleckigen Riesen, etwa 85 Prozent, sind Einzelkämpfer – und
rotieren dennoch schnell. Die leichteren von ihnen, deren Masse in etwa dem der
Sonne entspricht, sind wahrscheinlich im Laufe ihrer Entwicklung mit einem
weiteren Stern oder einem Planeten verschmolzen und haben dadurch Fahrt
aufgenommen. Die etwas schwereren, deren Masse zwischen der zweifachen und
dreifachen Masse der Sonne liegt, blicken auf einen anderen Werdegang zurück. In
der Blütezeit ihres Lebens, bevor sie zu Roten Riesen wurden, verhinderte ihr
innerer Aufbau das Entstehen eines globalen Magnetfeldes und ihre Rotation hat
sich nie deutlich abgebremst. Sie rotieren auch als Rote Riesen noch fast
so schnell wie in jungen Jahren.
"Die Beobachtung, dass einige Rote Riesen Flecken haben, hat uns zu drei
verschiedenen Gruppen schnell rotierender Sterne geführt", so Gaulme
zusammenfassend. "Es ist also kein Wunder, dass das Phänomen weiter verbreitet
ist, als wir bisher dachten", fügt er hinzu.
Untersuchungen, die etwas über die Entwicklung der Rotation und der
magnetischen Aktivität bei Sternen verraten, können auch wichtige Hinweise auf
die Bewohnbarkeit der Planetensysteme liefern, die um solche Sterne kreisen.
Über die aktuelle Studie berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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