Sombrerogalaxie mit turbulenter Vergangenheit?
von
Stefan Deiters astronews.com
25. Februar 2020
Die majestätische Sombrerogalaxie könnte eine überraschend
turbulente Vergangenheit haben. Darauf deuten zumindest jetzt vorgestellte
Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble hin: Im ausgedehnten Halo des auch
als Messier 104 bekannten Systems entdeckte man nämlich überraschend wenig
alte Sterne, die dort eigentlich erwartet worden waren.

Hubbles Blick in den Halo der Sombrerogalaxie (links). Im
markierten Bereich sind zwei Felder noch einmal vergrößert
dargestellt.
Bild: NASA
, Digital Sky Survey, P. Goudfrooij (STScI) und das Hubble Heritage Team (STScI
/AURA) [Großansicht] |
"Die Sombrerogalaxie war schon immer eine etwas eigenartige Galaxie, das
macht sie ja gerade so interessant", unterstreicht Paul Goudfrooij vom Space Telescope Science Institute. "Die Messungen der schweren Elemente in Sternen
mithilfe von Hubble liefern uns weitere Hinweise auf die Entstehung und
Entwicklung dieser Galaxie." Und diese dürfte anders ausgesehen haben, als man
sich das bislang gedacht hatte: "Die Hubble-Beobachtungen im Halo der Galaxie
stellen die bislang akzeptierte Vorstellung über den Aufbau der Galaxie und
ihre Metallizität auf den Kopf", betont Roger Cohen, auch vom Space Telescope
Science Institute.
Die Sombrerogalaxie befindet sich rund 30 Millionen Lichtjahre von uns
entfernt im Sternbild Jungfrau. Sie ist ein populäres Objekt für
Amateurastronomen, konnte sich aber offenbar - trotz alle Beobachtungen - eines
ihrer Geheimnisse bislang bewahren: In ihrem Halo, also in einem weiten Bereich
rund um den sichtbaren Teil der Galaxie, haben Astronomen sehr metallreiche
Sterne entdeckt, die noch der Galaxie zuzurechnen sind. Nach den bisherigen Theorien sollten sich hier hauptsächlich
metallarme Sterne befinden.
Eine mögliche Erklärung für das Vorhandensein einer so großen Anzahl von
metallreichen und das Fehlen von metallarmen Sternen im Halo von Messier 104
wäre eine Verschmelzung mit einer anderen Galaxie in der Vergangenheit - nur
findest sich dafür keinerlei sonstiger Hinweis in der Struktur des Systems. "Das
Fehlen von metallarmen Sternen war eine große Überraschung", so Goudfrooij, "und
die vielen metallreichen Sterne habe alles nur noch mysteriöser gemacht."
Als Metalle werden in der Astronomie alle Elemente bezeichnet, die schwerer
sind als Wasserstoff oder Helium, die es bereits unmittelbar nach dem Urknall
gab. Alle schwereren Elemente müssen in der Folgezeit durch Fusionsprozesse in
Sternen oder durch Supernova-Explosionen erzeugt worden sein. Metallarme Sterne
gelten daher als sehr alt, da sie zu einer Zeit entstanden sein müssen, als
das Universum noch nicht so stark mit Elementen angereichert war.
Im Halo von Galaxien erwartet man in der Regel sehr alte und damit metallarme
Sterne. Metallreiche Sterne finden sich hingegen eher in der Scheibe einer
Galaxie, wo ständig neue Sterne und massereiche Sonnen explodieren und dadurch
das Material in ihrer Umgebung mit schweren Elementen anreichern.
Im Halo der Sombrerogalaxie gibt es - was die Lage noch komplizierter macht - zudem noch zahlreiche alte und metallarme Kugelsternhaufen, deren Sterne
sich irgendwann mit den anderen Sternen im Halo vermischen sollten. Offenbar hat
dieser Prozess bei Messier 104 nicht dazu geführt, dass ein Halo aus alten,
metallarmen Sternen entsteht.
Gab es also in der Vergangenheit der Sombrerogalaxie eine gewaltige Kollision
mit einer etwa gleichgroßen anderen Galaxie? Dafür gibt es sonst keinerlei
Hinweise: Die Scheibe von Messier 104 erscheint ungestört und auch das gesamte System
unterscheidet sich deutlich von Galaxien, die in eine Kollision mit einer anderen,
ähnlich massereichen Galaxie verwickelt waren. Hier sieht man oft lange
Gezeitenarme von Sternen, die durch die Galaxie aus dem System geschleudert
wurden oder eine eher chaotische Struktur.
Allerdings war die Sombrerogalaxie nie eine "normale" Galaxie, die sich als
Spiralgalaxie oder als elliptische Galaxie klassifizieren ließ. Sie liegt
irgendwo zwischen den beiden klassischen Galaxienformen - was auch der Grund
war, weshalb das Team die Galaxie mit dem Weltraumteleskop Hubble ins Visier
nahm. Sie wollten besser verstehen, wie solche "Hybrid"-Galaxien entstehen.
Weitere Beobachtungen von ähnlichen Systemen sind nun geplant, um hinter das
Geheimnis der Sombrerogalaxie zu kommen. Künftige Weltraumteleskope könnten
zudem noch
weitere Informationen über die Sterne im Halo liefern.
Über die aktuellen
Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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