Dem Gender Bias auf der Spur
von
Stefan Deiters astronews.com
19. Februar 2020
Haben es Astronominnen schwerer, begehrte Beobachtungszeit
mit dem Weltraumteleskop Hubble zu ergattern und gibt es Möglichkeiten,
das Verfahren fairer zu machen? Eine Antwort auf diese Fragen lieferten nun zwei
Wissenschaftlerinnen. Sie werteten dazu mehr als 15.000 Anträge auf
Beobachtungszeit mit Hubble aus.

Das Weltraumteleskop Hubble (künstlerische Darstellung).
Bild: ESA [Großansicht] |
Beobachtungszeit mit dem Weltraumteleskop Hubble ist begehrt: Bevor
Hubble für einige Stunden für das eigene Forschungsprojekt einen
bestimmten Bereich am Himmel anvisiert, muss man umfangreiche Anträge einreichen, die dann von einem Gutachtergremium bewertet werden.
Und dann braucht man noch Glück, denn es gibt ständig
deutlich mehr Anträge als Beobachtungszeit, so dass Ablehnungen an der
Tagesordnung sind.
Bei der Bewertung der Anträge sollte es natürlich streng nach dem
wissenschaftlichen Wert der geplanten Studie gehen und nicht nach dem Geschlecht des
Antragstellers. Doch ist dies wirklich so und wie lässt sich eine faire
Beurteilung sicherstellen? Dieser Frage sind die Wissenschaftlerinnen Stefanie
K. Johnson von der Leeds School of Business und Jessica F. Kirk von der
University of Memphis nachgegangen, indem sie 15.545 Anträge
ausgewertet haben, die in den vergangenen Jahren an das Hubble Space
Telescope Time Allocation Committee gestellt wurden.
Von diesen 15.545 Anträgen hatten nur 3.533 Anträge weibliche
Hauptantragssteller. Und während männliche Hauptantragssteller sich über eine
Erfolgsquote von 23 Prozent freuen konnten, waren es bei den Frauen nur 19
Prozent. "Der Direktor des Space Telescope Science Institute wollte
etwas gegen diesen Unterschied tun", so Johnson. "Unsere Erfahrung in der
Wirtschaftsforschung konnte da gut weiterhelfen."
Die Wissenschaftlerinnen stellten zunächst fest, dass männliche Gutachter in
der Regel die Anträge von Astronominnen signifikant schlechter bewerteten als
die von männlichen Antragsstellern. Zwischen 2013 und 2018 wurden daher
verschiedene Methoden ausprobiert, um hier Abhilfe zu schaffen - so wurde statt
des vollen Vornamens auf zu den begutachtenden Anträgen nur die Initialen
verwendet oder die Antragssteller wurden in alphabetischer Reihenfolge
aufgeführt, um den Hauptantragssteller zu verschleiern.
In einem weiteren Schritt wurden schließlich sämtliche persönlichen
Informationen aus den Anträgen entfernt und die Antragsstellerinnen und
Antragssteller zusätzlich gebeten, in den Anträgen jeden Hinweis zu vermeiden,
der Rückschlüsse auf die Person zulassen würde, die den Antrag eingereicht hat.
Bei einer Antragsrunde, bei der dieses Verfahren angewandt wurde, waren die
Antragsstellerinnen plötzlich sogar etwas erfolgreicher als die Antragssteller.
Es gab zudem keine geschlechterspezifischen Unterschiede bei der Bewertung der
Anträge durch das Gutachtergremium.
"Es gab so die fairste Entscheidung allein auf Grundlage der Wissenschaft",
fasst Johnson zusammen. "Das bedeutet nicht, dass Frauen immer erfolgreicher
sein werden, aber es wird hoffentlich zu einem besseren Gleichgewicht der
Geschlechter im Vergleich zu den Vorjahren führen." Das Verfahren der
sogenannten "doppelten Anonymisierung" wird von einigen Organisationen und
Firmen schon seit längerer Zeit praktiziert und sollte in vielen Bereichen
anwendbar sein. "Es zeigt, dass wenn das Geschlecht keine Rolle spielt, Frauen die Möglichkeit
haben, erfolgreicher zu sein," so Johnson.
Über die Studie berichten die Forscherinnen in der Fachzeitschrift
Publications of the Astronomical Society of the Pacific.
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