Neuronale Netze helfen bei Simulation
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
18. März 2019
Um herauszufinden, wie Planeten
entstehen, werden komplizierte und
zeitaufwändige Computersimulationen durchgeführt. Nun haben Forschende aus der
Schweiz einen völlig neuartigen Ansatz entwickelt, um diese Berechnungen
dramatisch zu beschleunigen. Sie verwenden Deep Learning mit
künstlichen neuronalen Netzwerken – eine Methode, die in der Bilderkennung weit
verbreitet ist.
Planeten entstehen in einer rotierenden
Scheibe aus Gas und Staub um junge Sterne. Bild:
NASA/JPL-Caltech/T. Pyle [Großansicht] |
Planeten entstehen in Scheiben um junge Sterne, indem sie festes Material und
Gas ansammeln. Ob sie zu Körpern wie Erde oder Jupiter anwachsen, hängt von
verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise den Eigenschaften der festen
Bausteine, dem Druck und der Temperatur in der Scheibe und dem bereits
angesammelten Material. Mit Computermodellen versuchen Astrophysikerinnen und
Astrophysiker, den Wachstumsprozess zu simulieren und die innere Struktur der
Planeten zu bestimmen.
Sie berechnen dazu für bestimmte Randbedingungen die Massen der Gashülle eines
Planeten.
"Dazu muss man eine Reihe von Differentialgleichungen lösen", erklärt
Yann Alibert, Science Officer des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS an
der Universität Bern: "Diese Gleichungen zu lösen, ist seit 15 Jahren das
Spezialgebiet der Astrophysik hier in Bern, aber es ist ein komplizierter und
zeitraubender Prozess." Um die Berechnungen zu beschleunigen, hat Yann Alibert
gemeinsam mit Julia Venturini vom International Space Science Institute (ISSI)
in Bern eine Methode angewendet, die bereits viele andere Bereiche
revolutioniert hat und auch in unseren Smartphones steckt: Deep Learning.
Dieser Teilbereich der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens
wird beispielsweise zur Gesichts- und Bilderkennung eingesetzt. "Deep Learning" hat
aber auch die automatische Sprachübersetzung verbessert und wird für
selbstfahrende Autos entscheidend sein. "Es gibt auch in der Astronomie einen
großen Hype", sagt Alibert: "Maschinelles Lernen wurde bereits zur Analyse von
Beobachtungen eingesetzt, aber meines Wissens sind wir die ersten, die 'Deep
Learning' für einen solchen Zweck nutzen."
Zuerst mussten die Forschenden eine Datenbank
erstellen. Sie berechneten Millionen von möglichen inneren Strukturen von
Planeten. "Wir haben drei Wochen gebraucht, um alle diese Testfälle mit einem
Code zu berechnen, den Julia Venturini während ihrer Doktorarbeit in Bern
entwickelt hat", sagt Alibert. Der nächste Schritt war die Auswahl der
Architektur eines künstlichen neuronalen Netzwerks – eines Satzes von
Algorithmen, der Eingabedaten durch mathematische Operationen leitet und der die
Fähigkeit hat, zu lernen, ohne explizit programmiert zu sein.
"Dann haben wir
dieses Netzwerk mit unserer riesigen Datenbank trainiert", erklärt der
Astrophysiker: "Jetzt kann unser Netzwerk die Masse eines Planeten, der unter
bestimmten Bedingungen entstanden ist, mit einer sehr guten Genauigkeit
vorhersagen, und dies viel schneller, als wenn man die Differentialgleichungen
lösen muss."
Der Deep-Learning-Prozess ist viel präziser als bisher entwickelte
Methoden, bei denen einige analytische Formeln das Lösen von
Differentialgleichungen ersetzten. Diese analytischen Formeln prognostizieren
zum Teil, dass ein Planet bis zur Masse des Jupiters wachsen soll, während er in
Wirklichkeit nicht mehr Masse als Neptun haben kann. "Wir zeigen, dass unsere
neuronalen Netze eine sehr gute Näherung im Prozentbereich liefern", fasst Alibert zusammen.
Die Forschenden stellen ihre Ergebnisse auf der
Softwareentwicklungsplattform GitHub zur Verfügung, damit Kollegen, die weltweit
auf dem Gebiet der Planetenentstehung arbeiten, davon profitieren können. Ihre
Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Astronomie &
Astrophysics.
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