Archivschätze verwertbar gemacht
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam astronews.com
5. November 2018
Seit über 100 Jahren erfassen Astronomen den Himmel auch
fotografisch - lange Zeit auf Fotoplatten. Die Nutzung solcher Beobachtungsdaten
ist allerdings vergleichsweise schwierig, da sie nicht in digitaler Form
vorliegen. Im Rahmen des Projekts APPLAUSE wurde nun mehr als 70.000 Fotoplatten
aus dem Bestand von vier Observatorien gescannt und zugänglich gemacht.
Am 30. September 1913 aufgenommene
Belichtung des Andromedanebels. Zu diesem
Zeitpunkt war noch unbekannt, dass es sich dabei
um eine Galaxie außerhalb der Milchstraße
handelt.
Bild: Hamburger Sternwarte / APPLAUSE [Großansicht] |
Das großangelegte Digitalisierungsprojekt APPLAUSE stellt historische
Fotoplatten aus mehr als einhundert Jahren astronomischer Beobachtung
zahlreicher Sternwarten online zur Verfügung. Das vom Leibniz-Institut für
Astrophysik Potsdam (AIP) mit speziellen Funktionen ausgerüstete digitale Archiv
bewahrt dabei nicht nur den historischen Bestand, sondern bietet die damaligen
Beobachtungsdaten in einer für die heutige Forschung verwertbaren Form an. So
lassen sich beispielsweise Zeitlücken in Studien von langzeitveränderlichen
Sternen füllen.
Seit mehr als 100 Jahren bedient sich die Astronomie der Fotografie, um
Planeten, Sterne, Galaxien und andere astronomische Objekte zu erforschen. Gegen
Ende der 1980er Jahre lösten digitale Empfänger die klassischen Fotoplatten fast
vollständig ab. Dank ihrer Lebenszeiten von mehr als 100 Jahren sind letztere
jedoch vor allem sehr zuverlässige Speicher. Allein das Leibniz Institut für
Astrophysik in Potsdam (AIP) besitzt etwa 20.000 Fotoplatten von Beobachtungen
im Zeitraum von 1893 bis 1970. Erst durch die Digitalisierung können diese
Schätze vollständig analysiert werden.
Die Fülle an Informationen, die in den alten fotografischen Aufnahmen
enthalten ist, erlaubt den Blick in vergangene Jahrzehnte und mithilfe moderner
Computerprogramme ein viel genaueres und objektiveres Vermessen von Milliarden
von Sternen. Dass damit Daten über eine Periode von mehr als 130 Jahren zur
Verfügung stehen, ermöglicht der Wissenschaft in völlig neuem Maße die
Untersuchung von Langzeitphänomenen.
Gemeinsam mit der Universität Hamburg, der Friedrich-Alexander-Universität
(FAU) Erlangen-Nürnberg und der Universität Tartu (Estland) wurde die
Digitalisierung dieser Fotoplatten in Angriff genommen. Das Web-Archiv umfasst
in der dritten Veröffentlichung nun über 70.000 Scans von Fotoplatten aus dem
Bestand von vier Observatorien in Deutschland und Estland. Zu den beobachteten
Objekten gehören außer Sternen auch Planeten, Kometen und Asteroiden.
Insgesamt wurden Informationen zu dreieinhalb Milliarden Objekten aus den
Platten extrahiert und im Abgleich mit modernen astronomischen Katalogen
identifiziert. Dazu ordneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
zunächst den gescannten Platten ihre Himmelskoordinaten zu – mithilfe von
PyPlate, einer eigens dafür weiterentwickelten Software. Diese gleicht die
Positionen der Objekte auf den Scans jeder Fotoplatte mit bekannten
Konstellationen ab und kalibriert die Helligkeiten der Objekte, welche durch die
Plattenemulsion beeinflusst werden. Durch diesen Schritt wird eine
Vergleichbarkeit der Daten mit anderen Katalogen erreicht.
Zusätzlich hat das Team in Handarbeit auch die Beobachtungsnotizen und
Logbücher transkribiert und digital erfasst. Dank dieser Informationen können
die historischen Daten für wissenschaftliche Studien verwendet und z.B.
Umgebungsparameter wie Lufttemperatur und Beobachtungsqualität in die
Datenauswertung einbezogen werden. Gleichzeitig illustrieren die Scans der
Beobachtungslogbücher auch die astronomische Arbeitsweise des vergangenen
Jahrhunderts und sind somit auch für Historiker von Interesse.
Das Gemeinschaftsprojekt des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam, der
Universität Hamburg, der Dr. Remeis-Sternwarte Bamberg und dem Tartu
Observatory wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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