Neuer Referenzrahmen für den Himmel
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschen GeoForschungsZentrums astronews.com
18. September 2018
Ende August hat die Internationale Astronomische Union auf
ihrer Generalversammlung in Wien den International Celestial Reference Frame 3
beschlossen. Der Referenzrahmen wird ab dem 1. Januar 2019 weltweit gültig und
ist dann Grundlage für die GPS-Systeme und die Navigation von Raumsonden. Er
basiert auf weit entfernten Quasaren.

Quasare wie dieser, hier eine künstlerische
Darstellung, bilden die Ankerpunkte auch des
neuen Referenzrahmens.
Bild: ESO/L. Calçada [Großansicht] |
Der Himmel bekommt einen neuen Referenzrahmen: Am 30. August hat die
International Astronomical Union den International Celestial Reference Frame
3 (ICRF-3) auf ihrer Jahresversammlung in Wien beschlossen. Der
Referenzrahmen wird ab dem 1. Januar 2019 weltweit gültig. An ihm richten sich
beispielsweise GPS-Systeme aus und er ist die Grundlage für die Navigation von
Weltraumsonden.
Jede Art der Positionsbestimmung und Navigation auf der Erde oder im All
benötigt einen Referenzrahmen. Vergleichbar mit den Längen- und Breitengraden
auf dem Globus ist auch ein Gitternetz am Himmel vorstellbar. Über einen solchen
Referenzrahmen ist es möglich, mit Bezug zur Erdoberfläche die genaue Lage von
Objekten am Himmel anzugeben.
Für die Erstellung dieses Netzes braucht es "Ankerpunkte" am Himmel und auf
der Erde, an denen die Systeme ausgerichtet werden können. Für die Erde sind
dies die etwa 50 weltweit vorhandenen Radioteleskope, für den Himmel 4536
sogenannte Quasare: Galaxien mit einem Schwarzen Loch im Zentrum. Über die
vergangenen 40 Jahre hinweg bestimmten die auf allen Kontinenten positionierten
Radioteleskope mittels der Very Long Baseline Interferometry (VLBI, zu
Deutsch: Radiointerferometrie auf langen Basislinien) die Positionen der 4536
Quasare unter maßgeblicher Beteiligung der VLBI-Arbeitsgruppe der GFZ-.
"Wir haben aus allen vorhandenen VLBI-Beobachtungen der vergangenen 40 Jahre
die genauen Richtungen aller extragalaktischen Objekte berechnet", erklärt
Robert Heinkelmann, Leiter der VLBI-Arbeitsgruppe der Sektion Geodätische
Weltraumverfahren am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ. "Außerdem haben wir
Lösungen dafür gefunden, wie sich Beobachtungsfehler in den Berechnungen
ausgleichen lassen, die durch die Drehung unserer Galaxie, der Milchstraße,
entstehen."
Der letzte Referenzrahmen (ICRF-2) wurde im Jahr 2010 veröffentlicht.
Demgegenüber verbessert das neue System die Genauigkeiten im Mittel etwa um das
1,5-Fache. Es wurden etwa 30 Prozent mehr Objekte in die Berechnungen einbezogen
und zum ersten Mal wurde die Drehbewegung der Milchstraße einberechnet. Die
Ergebnisse liegen nun außerdem parallel in drei verschiedenen
Radio-Frequenzbändern vor, was einen breiteren Zugriff für die verschiedenen
Nutzerinnen und Nutzer ermöglicht.
Anhand des neuen Himmelsreferenzrahmens lassen sich die Richtungen von
Objekten auf der Himmelskugel mit einer Genauigkeit von einem Hundertstel eines
Millionstel Winkelgrades bestimmen. Das entspricht der Genauigkeit, von der Erde
aus einen Tennisball auf der Oberfläche des Mondes erkennen zu können.
Die Quasare senden permanent Radiowellen aus, die von den Radioteleskopen auf
der Erde empfangen werden können. Da sich die Quasare extrem weit von der Erde
entfernt im All befinden (etwa 100 Millionen bis 10 Milliarden Lichtjahre),
können sie, obwohl sie in Bewegung sind, von der Erde aus als ortsfest angesehen
werden. Damit eignen sie sich optimal als Ankerpunkte für das Referenzsystem am
Himmel.
Nicht nur Systeme zur Positionsbestimmung wie das GPS oder das europäische
Pendant Galileo sind auf das Referenznetz am Himmel angewiesen. Auch
Veränderungen auf der Erdoberfläche, wie beispielsweise Bewegungen von
Erdplatten, Vulkanausbrüche, Meeresspiegelschwankungen, Erdbeben oder
Veränderungen der Orientierung der Erde im Weltraum, lassen sich darüber präzise
bestimmen. Und zwar gibt es für die Erdoberfläche den International
Terrestrial Reference Frame (ITRF), der Bezugspunkte auf der Erde in einem
Koordinatensystem erfasst, mit dem Zentrum der Erde als Mittelpunkt.
Um aber zum Beispiel bestimmen zu können, ob der Meeresspiegel gestiegen oder
das Land abgesunken ist, braucht der Referenzrahmen auf der Erdoberfläche einen
Referenzrahmen am Himmel, zu dem er in Bezug gesetzt werden kann. Je präziser
dieser himmlische Referenzrahmen, desto genauer ist auch die Überwachung von
Veränderungen an der Erdoberfläche möglich.
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