Aktuelle Luftverschmutzungsdaten aus dem All
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
12. Juli 2018
Im Oktober des vergangenen Jahres startete mit
Sentinel-5P ein weiterer Satellit des europäischen Erdbeobachtungsprogramms
Copernicus. Er soll aktuelle Daten über verschiedene Spurengase in
der Atmosphäre liefern, die erheblich zur Luftverschmutzung beitragen. Die
entsprechenden Datenprodukte sind ab sofort frei verfügbar.
Im Rahmen der Sentinel-5P-Mission entsteht im
Laufe eines Tages ein kompletter globaler
Datensatz zur Zusammensetzung der Atmosphäre. Das
DLR Earth Observation Center (EOC) erstellt aus
den Daten unterschiedliche Produkte, die
spätestens drei Stunden nach den Messungen zur
Verfügung stehen. Das Bild zeigt die
Ozonverteilung über der südlichen Halbkugel
im November 2017 - auffällig ist die sehr
dünne Ozonschicht (blau) über der Antarktis.
Bild: Copernicus-Sentinel (2018), DLR / BIRA
/ ESA [Großansicht] |
Luftverschmutzung zählt zu den größten Gesundheitsgefahren weltweit. So
sterben jährlich rund sieben Millionen Menschen durch Schadstoffbelastung, wie
die Weltgesundheitsorganisation WHO in einer weltweiten Studie aktuell ermittelt
hat. Industrieabgase und Schadstoffausstöße von Autos und anderen
Verkehrsmitteln tragen zu den Todesfällen erheblich bei, da die Schmutzpartikel
tief in Atemwege, Lungen und das Herz-Kreislaufsystem eindringen.
Zur genauen Lokalisierung von Schadstoffquellen und zur Analyse der globalen
Schadstoffverteilung gibt es nun einen besonderen Dienst aus dem All. Der
europäische Erdbeobachtungssatellit Sentinel 5 Precursor liefert
täglich globale Messungen von Ozon, Stickstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid,
Aerosol- und Wolkeneigenschaften. Die Daten des Messinstruments TROPOMI sind ab
sofort frei zugänglich.
Entscheidungsträger, Umweltbehörden und Wissenschaftler sind auf die
hochgenauen Produkte angewiesen, um die globalen Herausforderungen
Luftverschmutzung und Klimawandel besser verstehen und bekämpfen zu können. Das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist für das Nutzlastbodensegment
der Sentinel-5P-Mission und gemeinsam mit dem Königlichen Niederländischen
Meteorologischen Institut (KNMI) für die Auswertung der Satellitendaten
verantwortlich. In den kommenden Monaten wird der Sentinel-5P-Service laufend
erweitert werden, mit globalen Analyseprodukten von Schwefeldioxid, Formaldehyd,
troposphärischem Ozon, Ozonprofilen, Methan und Aerosolhöhen.
Diese Informationen dienen nicht nur der Atmosphären- und Klimaforschung oder
Gesundheitsvorsorge, sondern werden unter anderem auch in der
Flugverkehrssicherheit zur besseren Vorhersage von Vulkan-Aschewolken genutzt.
So erfasste der Wächtersatellit am 26. Juni 2018, kurz vor Ende seiner
Testphase, zeitnah den Ausbruch des Sierra-Negra-Vulkans auf den
Galapagosinseln. Genau zum Zeitpunkt des Ausbruchs, gegen 20:12 Uhr Ortszeit,
konnte Sentinel-5P extrem hohe Schwefeldioxid-Konzentrationen über dem
Vulkan nachweisen und die Ausbreitung der Gaswolke sehr genau verorten.
Das multispektrometrisch arbeitende Messinstrument TROPOMI (Tropospheric
Monitoring Instrument) mit seiner räumlichen Auflösung von 3,5 Kilometer mal 7
Kilometer übertrifft vergleichbare Satelliten um das Hundertfache. So können
erstmals Luftverschmutzungen von einzelnen Städten und Stadtgebieten aus dem All
detektiert werden. Der Satellit umkreist die Erde 14 Mal pro Tag mit sich
ergänzenden Orbits. Maximal drei Stunden nach der Messung stehen die einzelnen
Datenprodukte bereits zur Verfügung, ob Ozonwerte oder
Schwefeldioxid-Konzentration.
Der nahe-Echtzeit Service ist technisch anspruchsvoll aber für die Nutzer
wichtig, da Veränderungsprozesse in der Atmosphäre oft sehr schnell ablaufen.
Insgesamt liefert Sentinel-5P damit täglich einen vollständigen
globalen Datensatz zur Zusammensetzung der Atmosphäre. Die komplexen technischen
Prozesse, die notwendig sind, um insgesamt 12 Endprodukte mit einem täglichen
Datenvolumen von bis zu zwei Terabyte bereitzustellen, machen die
Sentinel-5P-Mission einzigartig. Die TROPOMI-Messwerte durchlaufen dafür
eine hochkomplexe Verarbeitungskette: Die rohen Spektraldaten werden von
Bodenstationen in der Arktis empfangen und zum DLR über breitbandige globale
Glasfaserverbindungen übertragen. Dort werden sie analysiert, gefiltert, zu
einzelnen Datenprodukten aufbereitet und automatisch auf einem Webserver
bereitgestellt.
Entwickelt wurde das Prozessierungssystem vom DLR-Earth Observation
Center (EOC) und dem KNMI. Das DLR betreibt die Prozessoren und sorgt für
den reibungslosen Ablauf der komplexen Arbeitsschritte. So werden neben den
TROPOMI-Daten auch Satellitendaten von internationalen Partnerorganisationen
integriert, die am EOC in Oberpfaffenhofen laufend empfangen werden. Die
Fernerkundungsexperten stellen dadurch sicher, dass die Auswertungen global
hochgenau und auf dem neuesten Stand sind.
Die verschiedenen Sentinel-5P-Produkte werden über den "Copernicus
Open Access Hub", ein offenes Datenportal der ESA bereitgestellt. Besondere
Anwender, etwa das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage
(ECMWF), werden vom EOC zusätzlich über einen eigenen Datenzugang versorgt, um
die unmittelbare Datenversorgung zu gewährleisten. Darüber hinaus bietet das DLR
über den "EOC Geoservice" eigene, ergänzende Sentinel-5P-Produkte an.
Dieser offene Webservice ermöglicht es Nutzern, die Daten für ausgewählte
Regionen in verschiedenen Projektionen und Dateiformaten anzusehen,
herunterzuladen oder direkt in ihre eigenen Systeme zu integrieren. Damit die
Atmosphärendaten auch in Zukunft jederzeit genutzt werden können, ist das
Datenmanagement entscheidend. Für Sentinel-5P - wie auch für weitere
Missionen des europäischen Copernicus-Programms - übernimmt das EOC als
Service die Langzeit-Archivierung der Daten. Im Kontext dieser neuen
Herausforderungen erweiterte die DLR-Einrichtung erst kürzlich die Kapazität
seiner Datenbibliothek um 60 Petabyte.
Dank seiner besonderen Infrastruktur und langjährigen Erfahrung war und ist
das EOC auch mit dem Nutzlastbodensegment von Sentinel-5P betraut, vom
Aufbau bis zum Betrieb. Damit sind die DLR-Experten nun für den gesamten
Datenverkehr zuständig - vom Empfang, über die Verarbeitung und das
Datenmanagement, bis hin zur Verteilung und Langzeitspeicherung der wertvollen
Erdbeobachtungsprodukte.
Der TROPOMI-Datenempfang wird durch ein Konsortium bestehend aus dem DLR, dem
norwegischen Unternehmen KSAT sowie dem schwedischen Unternehmen SSC realisiert.
Das Konsortium nutzt dabei die polnahen Bodenstationen Svalbard in Norwegen und
Inuvik in Kanada. Auf dem Gelände der Inuvik Satellite Station Facility (ISSF)
der kanadischen Erdbeobachtungsbehörde CCMEO betreibt das DLR dazu eine eigene
Empfangsanlage.
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