Erste Horizons-Experimente auf dem Weg
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
3. April 2018
Im Sommer soll der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst
zur Internationalen Raumstation ISS starten, um dort für rund ein halbes Jahr zu
leben und zu forschen. In der Nacht wurden bereits die ersten Experimente zur
Raumstation gestartet, mit denen Gerst während seines Aufenthalts arbeiten soll.
Weitere Lieferungen werden folgen.

Start des Dragon-Raumfrachters gestern Abend
von Cape Canaveral aus.
Foto: NASA [Großansicht] |
Die ersten Experimente für die Horizons-Mission mit dem deutschen
ESA-Astronauten Alexander Gerst sind auf dem Weg zur Internationalen
Raumstation: Am 2. April 2018 ist um 22.30 Uhr MESZ eine Falcon-9-Trägerrakete
mit einer US-amerikanischen Dragon-Kapsel an Bord vom Weltraumbahnhof
Cape Canaveral in Florida zur ISS gestartet. Dort andocken wird das
Versorgungsraumschiff am 4. April. Die Kapsel enthält neben Versorgungsgütern
wie Lebensmitteln und Kleidung für die Astronauten verschiedene Nutzlasten für
die Forschung. Darunter befinden sich auch die Experimente Myotones,
MetabolicSpace, SPACETEX-2 und ASIM sowie die Zeitkapsel des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Gerst soll am 6. Juni 2018 mit einer Sojus-Rakete vom Startplatz
Baikonur zur ISS starten und dort 187 Tage - bis zum 10. Dezember - leben und
arbeiten. Auf seiner zweiten Langzeit-Mission wird er nicht nur zahlreiche
Experimente durchführen, sondern ab August der erste deutsche Kommandant der
Raumstation sein.
Myotones ist eines der medizinischen Experimente, an denen Gerst teilnehmen
wird. Wissenschaftler der Berliner Charité und der Universität von Southampton
wollen damit die biomechanischen Eigenschaften des ruhenden menschlichen Muskels
untersuchen. Um den Muskel- und Knochenschwund im All zu verhindern, trainieren
Astronauten mindestens eineinhalb Stunden täglich. Aber wie effektiv ist dieses
Training, und wie werden dadurch die biomechanischen Eigenschaften der
Muskulatur beeinflusst?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, benutzen die Astronauten auf der
Horizons-Mission mit MyotonPRO ein Gerät, das es in ähnlicher Form bereits
auf der Erde gibt und das nun für den Flug ins Weltall optimiert wurde. Bei der
Untersuchung gibt das etwa Smartphone-große Gerät einen kurzen Druckimpuls auf
den Körper ab und kann aus der Reaktion des Gewebes auf diesen Impuls
Informationen über die Elastizität, Steifigkeit und Eigenspannung (Tonus) des
ruhenden Muskels errechnen. Die Ergebnisse des Experiments werden nicht nur für
die astronautische Raumfahrt genutzt, sondern sollen in Zukunft in die
Rehabilitation nach Knochenbrüchen einfließen.
Beim Experiment MetabolicSpace des Instituts für Luft- und Raumfahrttechnik
der TU Dresden handelt es sich um ein am Körper tragbares Analysesystem für
Körper- und Stoffwechselfunktionen. Es soll die Überwachung und Auswertung des
Astronautentrainings auf der ISS in Zukunft deutlich erleichtern und verbessern.
Bisherige Mess-Systeme konnten nicht direkt am Körper getragen werden, Kabel und
Schläuche behinderten die Astronauten beim Training und waren nur für kurze Zeit
einsetzbar.
MetabolicSpace hingegen ist ein Gurt, der mit Messelektronik und Sensoren
ausgestattet ist und der beim Training über der Kleidung getragen werden kann.
Die Daten werden dann an einen Laptop gesendet und können dort ausgewertet
werden. Die Sensoren ermitteln dabei neben den Atemgasen auch die
Atmungsfrequenz, den Herzschlag und die Körpertemperatur. MetabolicSpace ist
geeignet, um die Gesundheit und körperliche Fitness von Astronauten zu
überwachen, könnte aber zukünftig auch im Bereich des Weltraumtourismus oder für
die Diagnose von Patienten und Sportlern eingesetzt werden.
Den Komfort von Astronauten während des Trainings verbessern will auch das
Experiment SPACETEX-2. Diese speziell für die ISS entwickelte Funktionskleidung
wurde von einem Forschungsverbund aus dem Hohenstein Institute, der Charité
Berlin und dem DLR entwickelt. Wenn die Astronauten ihr Sportprogramm
absolvieren, so ist der Wärmeaustausch an der Körperoberfläche durch die
Schwerelosigkeit verändert. Es kommt sehr schnell zu einem Hitzestau, und die
Körpertemperatur steigt auf eine Höhe von über 39 Grad Celsius. Um
Gesundheitsschäden vorzubeugen ist es daher wichtig, den Wärmeaustausch durch
Kleidung aus neuen Hightech-Stoffen zu optimieren.
Das Vorgängermodell des Experiments, SPACETEX, war bereits erfolgreich bei
der Blue-Dot-Mission im Jahr 2014 eingesetzt worden. Die Textilien von
SPACETEX-2 konnten aufgrund der damaligen Ergebnisse verbessert werden und
müssen nun einem neuen Test unter Weltraumbedingungen standhalten.
Doch es wird nicht nur raumfahrtmedizinische Experimente geben: Seit vielen
Jahren beobachten Wissenschaftler ein besonderes Phänomen: Gewitterstürme, die
sich in den hohen Bereichen der Erdatmosphäre abspielen. Besonders in den
darüber liegenden Schichten werden dabei elektrische Entladungen frei, die von
der Erde aus schwer zu erforschen sind. Hierbei soll das ESA-Experiment ASIM (Atmosphere-Space
Interactions Monitor) helfen, das auf die untere Außenplattform des
Columbus-Labors montiert wird. Von dort aus soll ASIM mindestens zwei Jahre lang
die Wechselwirkung zwischen Gammastrahlung, Blitzen und Entladungen in der
Hochatmosphäre beobachten. Das langfristige Ziel ist es, neue Erkenntnisse zum
Einfluss dieser Größen auf die Erdatmosphäre und das Klima zu gewinnen.
Neben den Experimenten befindet sich auch das ESA-DLR PR-Paket an Bord der
Dragon-Kapsel. Dieses beinhaltet unter anderem die Zeitkapsel: Diese
Aluminiumkugel, die von Auszubildenden des DLR gefertigt wurde, enthält die
Wünsche und Zukunftsvorstellungen von Schülerinnen und Schülern aus ganz
Deutschland. Diese konnten ihre Vorschläge im Rahmen der Aktion "Projekt_4D" des
Jugendportals DLR_next und der Stiftung Lesen beim DLR einreichen. Auf dem
Speicherdatenträger im Inneren der Kapsel befinden sich außerdem Slices of Life
- Fotos, die von den Social Media Nutzern des DLR zugesendet wurden und vom
Alltag der Menschen heute erzählen.
Gerst wird die Zeitkapsel auf der ISS versiegeln und nach seiner Rückkehr der
Stiftung Haus der Geschichte in Bonn übergeben, wo sie 50 Jahre lang verwahrt
wird, bevor sie im Jahr 2068 wieder geöffnet wird. Mit dem Falcon-9-Start
hat die Transportserie mit Experimenten und Materialien für die Horizons-Mission
begonnen. Am 20. Mai 2018 soll ein Cygnus-Raumtransporter von Wallops
Island zur ISS starten. Mit an Bord werden dann die Experimente Cold Atoms Lab
(CAL), MARCONISSTA und MFX-2, sowie eine EML High-Speed-Kamera sein. Für den 28.
Juni ist der Start einer weiteren Falcon-9-Rakete mit neuen
Versorgungsgütern und Experimenten von Cape Canaveral geplant.
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